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bwp@ Spezial AT-3 - September 2021
Wirtschaftspädagogik in Österreich 2021
Beiträge zum 14. Österreichischen Wirtschaftspädagogikkongress
Hrsg.:
&DiKoS – Digitale Kompetenzen von Studierenden. Ergebnisse einer Befragung aller Studienanfänger/innen in der Steiermark zur Selbsteinschätzung ihres digitalen Kompetenzspektrums
In der Hochschuldidaktik wird oftmals davon ausgegangen, dass Studierende als ‚Digital Natives‘ über ausreichend digitale Kompetenzen verfügen, um ihr Studium in einem zunehmend digitalisierten Hochschulbetrieb erfolgreich absolvieren zu können. Dies führt dazu, dass sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Erwerb digitaler Kompetenzen im tertiären Bildungssektor vor allem auf Lehrende konzentriert. Praktische Erfahrungen aus der Hochschullehre lassen jedoch darauf schließen, dass Studierende ihre bislang erworbenen Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Technologien in der Regel nicht unmittelbar auf ihre Studiensituation übertragen können. Das von der Steirischen Hochschulkonferenz koordinierte Projekt Analyse und Förderung des Erwerbs digitaler Kompetenzen von Studierenden (DiKoS) nahm diese Problemlage auf. Im Rahmen des Projektes wurde die Selbsteinschätzung der Studienanfänger/innen aller neun steirischen Hochschulen zu ihren digitalen Kompetenzen mittels einer Fragebogenerhebung (n=4.676 Studierende) erhoben. Damit konnte eine Datengrundlage geschaffen werden, die es ermöglicht, unterschiedliche Kompetenzniveaus der Studierenden im Umgang mit digitalen Medien zu erkennen, sowie den Studienalltag durch die Verwendung zeitgemäßer technologischer Werkzeuge und medialer Lehr-Lern-Settings in der Lehre besser auf die Bedürfnisse der Studierenden abzustimmen. Im Zuge des Beitrages wird zunächst das Projekt DiKoS sowie die methodische Umsetzung vorgestellt, um dann einen Blick auf ausgewählte Ergebnisse zu werfen. Aufbauend darauf werden Empfehlungen für den Einsatz von Technologien in der Hochschullehre skizziert.
DiKoS – Digital Competencies of Students. Results from a survey among first-semester students in Styria regarding their self-perception of their digital competencies
Within university didactics there is often the assumption, that students represent ‘digital natives’ who already possess sufficient digital competencies to accomplish their study activities within increasingly digitalized higher education institutions. As a result, the scientific discourse on the acquisition of digital competencies in higher education focuses primarily on university teachers rather than on students. However, practical teaching experiences allow for the conclusion, that students are unable to transfer their obtained digital competencies into their study-situation. The project Analysis and Development of Digital Competencies of Students (DiKoS) addresses these issues. Within the project, the self-perception of the digital competencies of first-semester students at the nine Styrian higher education institutions was captured via a paper-pencil survey (n=4.676 students). As a result, a data basis was created, which can be utilized to identify different digital competence levels of the students as well as to adapt study programmes to students’ needs. Within this paper, the project DiKoS, its methodological approach and selected results are presented. Based on the results, recommendations for the use of digital technology in university teaching are discussed.
1 Einleitung
‚Digitale Kompetenzen‘ stellen eine zentrale Kompetenzfacette von Individuen in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts dar. Die Forcierung digitaler Kompetenzen von Lernenden wird somit zu einem Anliegen, welchem sich Institutionen auf allen Stufen des Bildungssystems nicht mehr verschließen können und wollen – so auch nicht die Hochschule. Studierende werden in Bezug auf ihre digitalen Kompetenzen häufig der Gruppe der ‚Digital Natives‘ (vgl. Prensky 2001) zugerechnet, bei welchen ein kompetenter Umgang mit neuen Informationstechnologien vorausgesetzt wird. Praktische Erfahrungen aus der Hochschullehre – nicht zuletzt während des Distance Learnings im Zuge der Covid-19-Pandemie – zeigen jedoch, dass Studierende nicht zwangsläufig in der Lage sind, ihre digitalen Kompetenzen auf die Studiensituation zu übertragen. In diesem Kontext bewegt sich das von der Steirischen Hochschulkonferenz initiierte Projekt Analyse und Förderung des Erwerbs digitaler Kompetenzen von Studierenden (DiKoS).
Im Rahmen des Projektes DiKoS erfolgte eine umfassende Erhebung der Selbsteinschätzung der digitalen Kompetenzen von Studienanfänger/inne/n an steirischen Hochschulen und deren Erwartungen an die Hochschullehre. Auf diese Weise wurde eine Datenbasis geschaffen, anhand welcher zielgruppenadäquate Bildungsangebote formuliert werden können, um die Studierenden des steirischen Hochschulraumes bestmöglich auf die Herausforderungen der digitalen Transformation vorzubereiten. Im Zuge des Projektes kooperierten alle neun steirischen Hochschulen (FH CAMPUS 02, FH JOANNEUM, Karl-Franzens-Universität Graz, Kirchliche Pädagogische Hochschule der Diözese Graz-Seckau, Kunstuniversität Graz, Medizinische Universität Graz, Montanuniversität Leoben, Pädagogische Hochschule Steiermark, Technische Universität Graz). Eine Schlüsselrolle im Projekt (u. a. in Bezug auf die Entwicklung einer für alle steirischen Hochschulen interdisziplinär tragbaren Definition für den Begriff ‚Digitale Kompetenz‘) kam der von der Steirischen Hochschulkonferenz eingerichteten Arbeitsgruppe Technology Enhanced Learning Styria (TELS) zu.
Anhand einer Vollerhebung unter den steirischen Studienanfänger/inne/n (n=4.676 Studierende) wurden die Eingangsvoraussetzungen der Studierenden in Bezug auf Geräteausstattung und -nutzung, die Nutzung digitaler Lernangebote, die Einstellung zu Internet und Digitalisierung sowie der Wissensstand der Studierenden erhoben. Auf diese Weise trägt das Projekt dazu bei, Kompetenzdefizite unter den Studienanfänger/inne/n aufzuzeigen, um das hochschulische Bildungsangebot zu verbessern. In Kombination mit einer qualitativen Erhebung zu den Erwartungen der Studierenden an die Hochschullehre vor bzw. während der Covid-19-Pandemie wurden schließlich Handlungsempfehlungen für die Hochschullehre abgeleitet.
Ziel des vorliegenden Beitrages ist ein abschließender Projektüberblick sowie eine facettenhafte Betrachtung ausgewählter Schritte im Prozess der Datenerhebung und Datenauswertung. Für eine vertiefende Betrachtung wird auf bereits bestehende Publikationen verwiesen: Umfassende Darstellung der Ergebnisse (vgl. Janschitz et al. 2021a), tiefergehende Betrachtung der Operationalisierung von digitalen Kompetenzen (vgl. Janschitz et al. 2019) sowie Indexerstellung (vgl. Janschitz/Penker im Review). Im Fokus des vorliegenden Beitrages steht vielmehr eine ganzheitliche Betrachtung des Forschungsprojektes. Hierfür erfolgt zunächst eine Darstellung des Projektverlaufes untergliedert in die folgenden vier Phasen: (1) Ausloten des Definitionsspektrums des (digitalen) Kompetenzbegriffes und Operationalisierung digitaler Kompetenzen, (2) Studiendesign und Durchführung der Mixed-Methods-Studie, (3) Aufbereitung und Analyse der Daten, u. a. durch Konzeption eines mehrdimensionalen Digitalisierungsindex der Studienanfänger/innen sowie (4) die finale Ableitung von Handlungsempfehlungen für den steirischen Hochschulraum. Der Beitrag schließt mit einer Conclusio zum Forschungsprojekt.
2 Projektüberblick – Von der Operationalisierung bis hin zum Digitalisierungsgrad von Studienanfänger/inne/n
Im Zuge der Projektdurchführung erfolgte zunächst eine umfassende Ergründung des digitalen Kompetenzbegriffes, welche die Basis für alle weiteren Forschungsaktivitäten (Abbildung 1) darstellte. Die Durchführung der Erhebung erfolgte ab Herbst 2019. Die Ergebnisse stellen somit eine Momentaufnahme vor der Herausforderung der Hochschullehre durch die Covid-19-Pandemie dar. Im Zuge der qualitativen Erhebung (im Frühling 2020) ist es zudem gelungen, einen Einblick in die Einstellungen der Studierenden zur Umstellung auf das pandemiebedingte Distance Learning zu erhalten.
Im Zuge der Aufbereitung und Analyse der Daten erfolgte eine umfassende Beschreibung der steirischen Studienanfänger/innen und ihres digitalen Umfeldes sowie eine Erhebung des Digitalisierungsgrades der Studienanfänger/innen anhand eines mehrdimensionalen Digitalisierungsindex und der Erwartungen der Studierenden an die Hochschullehre vor und während der Covid-19-Pandemie. Die erlangten Einsichten stellen eine Basis für die evidenzbasierte Ableitung von Handlungsempfehlungen für den didaktisch motivierten Einsatz von Technologien am tertiären Bildungssektor dar.
2.1 Begriffsdefinition ‚Digitale Kompetenzen‘
Den Ausgangspunkt für das Forschungsdesign und die Operationalisierung digitaler Kompetenzen stellt zunächst eine umfassende Definition der zu messenden Konstrukte dar. In einem ersten Schritt erfolgte hierfür eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff und digitalen Kompetenzmodellen (vgl. Janschitz et al. 2019, 5ff.). Die Erarbeitung einer im Projektkontext allgemein gültigen Definition von digitalen Kompetenzen erfolgte unter intensiver Einbindung von Expert/inn/en der Arbeitsgruppe Technology Enhanced Learning Styria (TELS). Die entwickelte Definition basiert auf dem DigComp 2.2 AT Kompetenzmodell (vgl. BMDW 2018) und wurde im Rahmen eines Expert/inn/en-Workshops mit den Mitgliedern der TELS-Arbeitsgruppe adaptiert sowie bezüglich ihrer Passung für Studierende des steirischen Hochschulraumes geprüft.
Die digitalen Kompetenzen von Studienanfänger/inne/n wurden im Projekt DiKoS anhand von fünf zentralen Fragetypen erfasst: (1) Einstellungsfragen, (2) Wissensfragen, (3) Verhaltensfragen, (4) Selbsteinschätzungen der Studierenden sowie (5) ergänzende Items zur Soziodemografie. Exemplarisch sind in Abbildung 2 Beispiele der verwendeten Items dargestellt.
Anhand des 113 Frage-Items umfassenden Erhebungsinstrumentes (vgl. Janschitz/Monitzer 2021a) erfolgte eine umfangreiche Abbildung der digitalen Kompetenzen von Studierenden, welche auf den Selbsteinschätzungen der Befragten beruht und durch Einstellungs-, Wissens- und Verhaltensfragen komplettiert wurde. Eine performanzbasierte Messung digitaler Kompetenzen liegt dabei jenseits der Möglichkeiten des Studiendesigns. Vielmehr erfolgte in der gegenständlichen Studie eine Annäherung an den digitalen Kompetenzbegriff über einen mehrdimensionalen Index zum Digitalisierungsgrad von Studienanfänger/inne/n, welcher sich aus den in Abbildung 2 beschriebenen Fragetypen speist.
2.2 Studiendesign und Durchführung
Um ein detailliertes Bild der digitalen Kompetenzen von Studienanfänger/inne/n herausarbeiten zu können, wurde eine empirische Erhebung in Form eines Mixed-Methods-Ansatzes konzipiert. Die beiden basisbildenden Elemente des Mixed-Methods-Ansatzes stellten eine (quantitative) Fragebogenstudie sowie eine (qualitative) Interviewstudie dar (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Quantitative und qualitative Elemente der Erhebung
Quantitative Fragebogenstudie |
Qualitative Interviewstudie |
Grundgesamtheit: Alle Studienanfänger/innen des steirischen Hochschulraumes im Wintersemester 2019/2020 Stichprobenziehung: Vollerhebung; von den 5.871 steirischen Studienanfänger/inne/n konnten 4.676 befragt werden, was einer Ausschöpfungsquote von 80 % entspricht. Erhebungsmethode: Paper-Pencil-Erhebung in für Studienanfänger/innen relevanten Lehrveranstaltungen an allen steirischen Hochschulen Befragungszeitraum: September bis November 2019 Auswertungsmethode: Uni-, bi- und multivariate statistische Methoden Auswertungssoftware: Excel, IBM SPSS Statistics und RStudio |
Zielgruppe: Höhersemestrige Studierende (mindestens fünftes Studiensemester) aller neun steirischen Hochschulen Stichprobenziehung: Quotenplan basierend auf den Merkmalen Studiensemester, Geschlecht, Hochschule und Studienrichtung. Pro Hochschule wurden jeweils ein Student und eine Studentin interviewt (gesamt: 18 Interviews). Zur Vertiefung wurden weitere 17 Interviews mit Studierenden der Universität Graz geführt. Erhebungsmethode: Leitfadengestützte Einzelinterviews via Videotelefonie Befragungszeitraum: April bis Mai 2020 Auswertungsmethode: Qualitative Inhaltsanalyse nach Udo Kuckartz Auswertungssoftware: MAXQDA |
An 144 Erhebungsterminen der quantitativen Fragebogenstudie zwischen September und November 2019 konnten an den neun steirischen Hochschulen von 5.871 Studienanfänger/inne/n insgesamt 4.676 Personen befragt werden. Dies entspricht einer Ausschöpfungsquote von 80 %. Der eingesetzte Fragebogen ist in deutschsprachiger (vgl. Janschitz/Monitzer 2021a) und auch in englischsprachiger Fassung (vgl. Janschitz/Monitzer 2021b) frei zum Download verfügbar. Die Befragung wurde im Paper-Pencil-Format durchgeführt, um auch digitale Randgruppen angemessen inkludieren zu können. Zugleich wurde die Rücklaufquote einer Online-Befragung von der Forscher/innengruppe als zu gering eingeschätzt, als dass diese dem Ziel einer Vollerhebung unter den steirischen Studienanfänger/inne/n gerecht werden konnte.
Die aus diesem ersten Erhebungsschritt gewonnenen Perspektiven wurden anschließend im Zuge einer im Frühjahr 2020 stattgefundenen qualitativen Interviewstudie komplettiert. Hierfür wurden 18 Interviews mit je zwei Studierenden jeder steirischen Hochschule geführt, welche anschließend durch weitere 17 Interviews mit Studierenden der Universität Graz ergänzt wurden. Im Leitfaden adressierte Themen stellen die Digitalisierung in der Lehre und im Studienalltag sowie Erfahrungen und Erwartungen der Studierenden dar (vgl. Janschitz/Monitzer/Reiner 2021). Die qualitative Befragung fiel damit in die erste Phase der Covid-19 Pandemie mit der damit verbundenen Umstellung auf Online-Lehre an den Hochschulen.
Als Studienanfänger/innen im Sinne der DiKoS-Erhebung zählen jene 4.676 Studierende der neun steirischen Hochschulen, die laut Selbstauskunft im Fragebogen erstmalig in Österreich zum Studium zugelassen wurden. Wesentliche Eckpunkte der Soziodemografie der Studienanfänger/innen finden sich in Abbildung 3 dargestellt. Die Gruppe der Studienanfänger/innen ist überwiegend weiblich (56 %). Annähernd drei Viertel der Studierenden sind zwischen 18 und 20 Jahren alt.
Abgesehen von einer homogenen Altersstruktur handelt es sich bei den steirischen Studienanfänger/inne/n um eine überaus heterogene Gruppe: 58 % der Befragten haben vor Studienbeginn eine allgemeinbildende höhere Schule absolviert, 42 % eine berufsbildende höhere Schule. Etwas mehr als ein Viertel (27 %) haben dort bereits eine Laptopklasse besucht, in welcher digitale Endgeräte einen festen Bestandteil des Unterrichts darstellen. 24 % waren vor Studienbeginn bereits regulär erwerbstätig, 30 % waren hingegen noch nicht erwerbstätig. 62 % der Studienanfänger/innen sind im ländlichen Raum aufgewachsen, 38 % im urbanen Raum.
2.3 Aufbereitung und Analyse der Daten
Erste deskriptive Analysen des erhobenen Datenmaterials der Vollerhebung führten zur Isolation von vier zentralen Forschungssträngen (u. a. zur Konzeption eines ‚Digitalisierungs-Index‘). Die Daten wurden unter Zuhilfenahme von Excel, IBM SPSS Statistics und RStudio nach uni-, bi- und multivariaten statistischen Methoden ausgewertet.
Die Ergebnisse scheinen zunächst eine hohe digitale Affinität der befragten Studierenden zu untermauern: Die Nutzung elektronischer Geräte durch Studienanfänger/innen ist erwartungsgemäß hoch. 99,8 % der Studienanfänger/innen besitzen ein Smartphone, 92 % verwenden einen Laptop für schulische und/oder berufliche Zwecke. Demgegenüber stehen lediglich 29 Befragte (von 4.676 befragten Personen), welche weder Laptop, PC noch Tablet besitzen. 98 % der Studierenden sind mehrmals täglich online, lediglich 2 % schätzen ihre Internetkenntnisse als mangelhaft ein. Dennoch fühlen sich 16 % der Befragten mit der Dynamik und Komplexität der Digitalisierung überfordert. Diese Ergebnisse laufen zumindest partiell dem vorherrschenden Narrativ vom ‚Digital Native‘ zuwider. Eine umfassende Darstellung der Projektergebnisse ist im Projektendbericht (vgl. Janschitz et al. 2021a) sowie im Tabellenband zur Studie (vgl. Janschitz/Monitzer/Penker 2021c) verfügbar.
Einen zentralen Aspekt der quantitativen Analyse bildete die Konzeption eines ‚Digitalisierungs-Index‘, welche in Anlehnung an den deutschen D21-Digital-Index (2020) erfolgte. Der für DiKoS konzipierte Index umfasst vier Subdimensionen (vgl. Janschitz/Penker im Review): (1) Zugang zu digitalen Geräten, (2) Nutzungsverhalten, (3) Selbsteinschätzung der digitalen Kompetenzen und (4) Einstellung gegenüber der Digitalisierung. Jede Subdimension setzt sich wiederum aus mehreren einzelnen Fragen zusammen. Auf einer Skala von null bis 100 drückt der Index den Digitalisierungsgrad der Studierenden aus, wobei niedrige Index-Werte für einen niedrigen und hohe Index-Werte für einen hohen Digitalisierungsgrad der Studienanfänger/innen stehen. Im Durchschnitt erzielten die befragten Studierenden einen Digitalisierungsgrad von 59 Punkten, wobei der niedrigste erzielte Digitalisierungsgrad bei zehn Punkten und der höchste Wert bei 98 Punkten liegt.
Basierend auf den Resultaten hinsichtlich des Digitalisierungsgrades wurden anschließend die folgenden Gruppen zur Beschreibung der digitalen Studierendenschaft gebildet:
- Digitale Ferne (0 bis 49 Punkte)
(15 %, n=611 Personen, durchschnittlich 43 von Punkten)
- Digitale Mitte (50 bis 69 Punkte)
(70 %, n=2.887 Personen, durchschnittlich 59 von 100 Punkten)
- Digitale Spitze (70 100 Punkte)
(15 %, n=647 Personen, Range, durchschnittlich 75 von 100 Punkten).
In Abbildung 4 finden sich wesentliche Charakteristika der drei Gruppen sowie ausgewählte, in den vier Subdimensionen (Zugang, Nutzungsverhalten, Selbsteinschätzung, Einstellung) durchschnittlich erzielte Punktescores wieder. Von der ‚Digitalen Ferne‘ bis hin zur ‚Digitalen Spitze‘ steigen die Werte in allen vier Subdimensionen sukzessive an. So besitzen und nutzen der ‚Digitalen Spitze‘ zugehörige Personen mehr digitale Endgeräte, nutzen in höherem Ausmaß Online-Angebote, schätzen sich als ‚digital kompetenter‘ ein und sind digitalen Technologien weitgehend offener gegenüber eingestellt als ihre Kommiliton/inn/en aus der ‚Digitalen Ferne‘ bzw. aus der ‚Digitalen Mitte‘.
Aufbauend auf den Analysen des Datenmaterials der quantitativen Fragebogenerhebung erfolgte im Frühjahr 2020 die Durchführung der qualitativen Studie mit höhersemestrigen Studierenden der neun steirischen Hochschulen. Die Transkripte der insgesamt 35 Interviews wurden in MAXQDA einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2012) unterzogen. Die Erwartungen der Studierenden an die Hochschullehre in dieser frühen Phase der Covid-19-Pandemie umfassten insbesondere eine inhaltlich sinnvolle Kombination von Online- und Präsenzlehre. Ebenso thematisiert wurde eine Verstärkung der Ungleichheiten, etwa für jene Studierende, die aufgrund mangelnder Ressourcenausstattung (z. B. schlechter Internetverbindung, eingeschränkte technische Ausstattung) vom digitalen Lehrbetrieb ausgeschlossen sind. Ebenso plädierten die Studierenden für eine hochschulintern einheitliche Linie beim Einsatz von Lehr- und Lernplattformen sowie Online-Kommunikationstools.
Die Rohdaten des Projektes befinden sich – dem Open Data und Open Science Gedanken des Projektes entsprechend – in datenschutzrechtlich anonymisierter und Form im Austrian Social Science Data Archive – AUSSDA (https://www.aussda.at/) für Forscher/innen zum Download (vgl. Janschitz et al. 2021c). Ergänzende deskriptivstatistische Auswertungen liegen in Form eines Tabellenbandes vor (vgl. Janschitz/Monitzer/Penker 2021c).
2.4 Ableitung von Empfehlungen
Die Ableitung von Empfehlungen für den didaktisch motivierten Einsatz von digitalen Lehr- und Lerntechnologien an Hochschulen fand im Sommer 2020 statt. Für den steirischen Hochschulraum konnten auf diese Weise die folgenden Handlungsempfehlungen abgeleitet werden (vgl. Kopp/Ebner/Rehatschek 2021, 120ff.).
Die Hochschulen sollen:
- Erwartungshaltungen an Studienanfänger/innen verifizieren, u. a. durch Self-Assessments zum Stand des Digitalisierungsgrades zu Studienbeginn.
- den Erwerb digitaler Kompetenzen in Studienangeboten verankern, u. a. durch Zusatzangebote und verpflichtende Einführungsveranstaltungen für den Aufbau von digitalen/informatischen Kompetenzen sowie spezielle Maßnahmen in der Übergangsphase Schule-Hochschule (z. B. Brückenkurse).
- Vermittlungskonzepte und didaktische Methoden adaptieren, u. a. durch Weiterführung digital gestützter Lehr-Lern-Settings aus dem Covid-19-bedingten Distance Learning.
- Kommunikationskanäle und Vermittlungsmedien anpassen, u. a. durch Unterstützungsmaßnahmen für Lehrende bei der Produktion multimedialer Lehr-/Lerneinheiten seitens hochschulinterner Supporteinrichtungen.
- Qualifizierungsangebote und Anreizsysteme für Lehrende ausbauen, u. a. durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen oder die Etablierung von Rahmenbedingungen zur Verankerung der digitalen Lehre in den Curricula.
- technische Infrastruktur und Softwareumgebungen anpassen, u. a. durch die Bereitstellung möglichst homogener Softwarelandschaften oder durch architektonische und technische Adaptionen von Präsenzräumen zur Ermöglichung digital gestützter Lehre.
Obige Handlungsempfehlungen sind auf der Ebene der gesamten steirischen Hochschullandschaft angesiedelt und adressieren keinen speziellen Hochschultyp. Durch eine enge Verzahnung mit der Arbeitsgruppe Technology Enhanced Learning Styria (TELS) und Expert/inn/en aus Forschung und Lehre soll eine breite Akzeptanz der Empfehlungen sichergestellt werden.
3 Conclusio
Im Zuge des Projektes Analyse und Förderung des Erwerbs digitaler Kompetenzen von Studierenden (DiKoS) erfolgte eine Erhebung der Selbsteinschätzung der Studienanfänger/innen aller neun steirischen Hochschulen zu ihren digitalen Kompetenzen mittels einer Fragebogenerhebung (n=4.676 Studierende). Anhand einer Vollerhebung unter den steirischen Studienanfänger/inne/n ist es gelungen, eine Datenbasis zu schaffen, um den Diskurs rund um die ‚Digital Natives‘ und die digitalen Eingangsvoraussetzungen an Hochschulen auf ein evidenzbasiertes Fundament zu stellen. Das Gelingen der Vollerhebung war erst durch eine umfassende Integration aller neun steirischen Hochschulen (fünf Universitäten, zwei Fachhochschulen und zwei Pädagogischen Hochschulen) über die Mitglieder der von der Steirischen Hochschulkonferenz eingerichteten Arbeitsgruppe Technology Enhanced Learning Styria (TELS) möglich. Die Projektergebnisse bilden – als Querschnitt der Selbsteinschätzung digitaler Kompetenzen steirischer Studienanfänger/innen – eine Basis für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Hochschulen zur Verbesserung des Lehr- und Lernangebotes.
Über den steirischen Hochschulraum hinaus stehen die Projektergebnisse der Scientific Community in Form eines vertiefenden Tabellenbandes (vgl. Janschitz/Monitzer/Penker 2021c) sowie auch als anonymisierter Rohdatensatz über das Austrian Social Science Data Archive (vgl. Janschitz et al. 2021c) zur Verfügung. Auf diese Weise soll nicht nur an den beteiligten steirischen Hochschulen eine Verbesserung des Lehrangebotes angestoßen werden, sondern auch der Forschungsdiskurs zu ‚Digital Natives‘ und deren digitale Kompetenzen befördert werden.
Die Projektergebnisse stellen dabei eine Momentaufnahme des steirischen Hochschulraumes vor bzw. während der Covid-19-Pandemie dar. Sie nähren die Erwartung, dass das Covid-19-induzierte Distance Learning auf sämtlichen Stufen des Bildungssystems weitreichende Auswirkungen auf die digitalen Kompetenzen von Studienanfänger/inne/n haben wird. So zeigen die Ergebnisse, dass Schüler/innen aus Laptop- oder Tabletklassen häufiger Online-Dienste für schulische und/oder berufliche Zwecke verwenden und ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet als besser einschätzen. Letztendlich weisen Studienanfänger/innen aus Laptop- bzw. Tabletklassen auch beim DiKoS-Digitalisierungsindex höhere Werte auf als ihre Studienkolleg/inn/en: 36 % der Gruppe der ‚Digitalen Spitze‘ haben eine Laptop- oder Tabletklasse besucht. In der Gruppe der ‚Digitalen Ferne‘ sind es lediglich 20 %. In Anbetracht der Tatsache, dass weite Teile der österreichischen Bildungslandschaft zwischen Frühling 2020 und 2021 de facto in Distance-Learning-Laptopklassen bzw. -Tabletklassen transformiert wurden, stellt eine Reproduktion des Erhebungsdesigns der DiKoS-Studie unter zukünftigen Studienanfänger/inne/n und eine Kontrastierung der Ergebnisse zu den digitalen Kompetenzen ein lohnendes Forschungsfeld dar.
Literatur
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Prensky, Marc (2001): Digital Natives, Digital Immigrants. In: On the Horizon, 9, H. 5.
Zitieren des Beitrags
Dreisiebner, G./Slepcevic-Zach, P./Janschitz, G./Monitzer, S./Kopp, M./Stock, M. (2021): DiKoS – Digitale Kompetenzen von Studierenden. Ergebnisse einer Befragung aller Studienanfänger/innen in der Steiermark zur Selbsteinschätzung ihres digitalen Kompetenzspektrums. In: bwp@ Spezial AT-3: Beiträge zum 14. Österreichischen Wirtschaftspädagogik-Kongress, 1-13. Online: http://www.bwpat.de/wipaed-at3/dreisiebner_etal_wipaed-at_2021.pdf (13.09.2021).