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bwp@ Ausgabe Nr. 23 | Dezember 2012
Akademisierung der Berufsbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 23 sind Karin Büchter, Dietmar Frommberger & H.-Hugo Kremer

Die Bedeutung der Aufstiegsfortbildung als Schnittstelle zur Hochschule – eine Untersuchung in Betrieben wachsender Beschäftigungsfelder

Beitrag von Agnes DIETZEN & Tom WÜNSCHE (Bundesinstitut für Berufsbildung)


Abstract

Seit einigen Jahren wird die Zukunftsfähigkeit des dualen Systems der Berufsbildung, insbesondere in den wachsenden Beschäftigungsfeldern der Wissens- und Dienstleistungsökonomie, kontrovers diskutiert. Folgende Fragen sind dabei zentral: Führt der Trend zu höheren Qualifikations- und Kompetenzanforderungen und das verbreiterte Angebot hochschulisch ausgebildeter Fachkräfte generell zu Konkurrenzen zwischen beruflich und hochschulisch ausgebildeten Fachkräften? Ist eine Verdrängung beruflich ausgebildeter Fachkräfte feststellbar, die zu einer „Erosion der mittleren Qualifikationsebene“ führt? 
Eine Beantwortung dieser Fragen ist bislang aufgrund fehlender empirischer Daten eher lückenhaft geblieben. Weitergehende empirische Befunde liefert eine kürzlich abgeschlossene Studie des BIBB.
Aus dieser Studie werden schwerpunktmäßig die Daten einer repräsentativen Befragung von Betrieben in 11 wachsenden Beschäftigungsfeldern vorgestellt. Die Nettostichprobe umfasst 1215 Betriebe.
Die Ergebnisse belegen, dass Strategien, die insgesamt auf einer internen Bedarfsdeckung beruhen, eine sehr hohe Bedeutung in den Unternehmen einnehmen.
Konkurrenzbeziehungen zwischen betrieblich und hochschulisch ausgebildeten Fachkräften sind in einzelnen Tätigkeitsbereichen insbesondere auf der höheren mittleren Qualifikationsebene identifizierbar aber keineswegs breitflächig zu erkennen. Beide Bildungshintergründe werden von den Unternehmen eher als komplementär gesehen.
Branchenübergreifend gewinnen jene von Betrieben unterstützten Bildungswege für Fachkräfte an Bedeutung, die betriebliche Kompetenzentwicklung mit einer akademischen Ausbildung verknüpfen.
Insbesondere an letzteres Ergebnis schließen sich Überlegungen zu veränderten Gestaltungsoptionen für berufliche Bildungswege und betriebliche Lernprozesse an.


The significance of advanced further training as the interface to higher education – an investigation into companies with growing areas of employment  

For some years now the sustainability of the dual system of vocational education and training, particularly in the growing areas of employment in the knowledge economy and the service economy, has been the subject of controversial discussion. The following questions are central to the debate: is the trend towards higher qualification and competence demands and the wide-spread offer of skilled workers with higher education backgrounds generally leading to competition between skilled workers who have been educated in the vocational or the higher education route? Can a driving out of the vocationally qualified skilled workers be established, which is leading to an ‘erosion of the middle qualification level’?
An answer to these questions has thus far remained rather incomplete, because of the lack of empirical data. Deeper empirical findings have been provided by a recently completed study by the BIBB.
This paper concentrates on the data from this study of a representative survey of companies in 11 growing areas of employment. The net sample comprises 1,215 companies.
The results prove that strategies which are based on meeting internal needs take on a very high level of significance in the companies.
Competitive relationships between skilled workers educated in companies or in higher education are revealed in individual areas of activity, particularly at higher intermediate qualification level, but this is in no way widespread. Both educational backgrounds are rather viewed as complementary by the companies.
Across different sectors those education pathways supported by the companies that combine the development of competence within the company with an academic qualification become more important for skilled workers.
Reflections on changed option designs for vocational education pathways and in-company learning processes are particularly connected to the last outcome.

1 Einleitung

Die Aufstiegsfortbildung gilt im deutschen System der Berufsbildung als strukturelles Kernelement der beruflichen Weiterbildung und als Königsweg des Aufstieges. Als berufliche Aufstiegsfortbildung gelten Fortbildungsgänge nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiB) und der Handwerkordnung (HwO) sowie Abschlüsse an Fachschulen und Fachakademien nach Landesrecht. Traditionell wurden über die Abschlüsse Meister-/in, Techniker-/in, Betriebswirt-/in und Fachwirt-/in Positionen bereitgestellt, in der die berufliche Bildung „von unten“ bis in die Führungsebene fortgeführt wird.

Dieser Weg erwies sich bislang als bedeutsame Stärke des deutschen Berufsbildungssystems, da die über Aufstiegsfortbildungen qualifizierten Fach- und Führungskräfte über praktische Erfahrungen mit anwendungsorientiertem erweitertem und vertieftem Wissen verfügen (BOSCH 2012). Die Existenz dieser anwendungsbezogenen Kompetenzen gilt als entscheidende Voraussetzung einer Umsetzung undImplementierung von Innovationen in Unternehmen. Die weitergebildeten Fachkräfte erhaltenals „sachkundige Partner auf Augenhöhe“ im Betrieb insgesamt eine hohe Anerkennung (BOSCH 2012, 12). Ältere international vergleichende Studien belegen erhebliche Produktivitätsvorteile deutscher Betriebe bei vergleichbaren technologischen Standards und Produkten gegenüber britischen und US amerikanischen Unternehmen (WAGNER/ FINEGOLD1997zit. n. BOSCH, KRONE, LANGER 2010, 52). Diese hatten im Unterschied zu den deutschen Unternehmen die mittlere Führungsebene mit Hochschulabsolventen besetzt, die für diese Funktionen durch ihre umfassende theoretische Ausbildung überqualifiziert schienen. Es fehlte Ihnen jedoch das für diese Positionen notwendigeanwendungsbezogene Umsetzungswissen.

Dem Erreichen der mittleren Qualifikationsebene kommt als Schnittstelle zur akademischen Ebene eine strategische Funktion zu. Die Erlangung einer höheren beruflichen Handlungskompetenz sollte Absolventinnen und Absolventen denÜbergang vom beruflichen System ins hochschulische Bildungssystem ermöglichen. Über den Weg der Aufstiegsfortbildungen sindbereits heute schon auf der Basis von Regelungen auf Länderebene beruflich Ausgebildete berechtigt, ein Studium aufzunehmen. Damit ist zumindest eine wichtige Voraussetzung zur Verbesserung der Durchlässigkeit zur Hochschulebene erfüllt. Darüber hinaus besteht der Anspruch, dass über die Aufstiegsfortbildungen Positionen auf der mittleren Führungsebene besetzt werden, die auch von Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen eingenommen werden könnten. Dabei wird von einer prinzipiellen Gleichwertigkeit verschiedener Bildungswege ausgegangen.

Gegenwärtig setzen alle Reformvorhaben auf die Realisierung des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR), der auch breitflächig Anerkennungsmöglichkeiten des beruflichen Bildungsweges zur akademischen Ebene zu realisieren sucht und darüber hinaus eine Gleichstellung der beruflichen Bildungsabschlüsse zu akademischen Abschlüssen ermöglichen soll. Die Gleichstellung über den DQR setzt jedoch eine strikte Kompetenzorientierung voraus, die über definierte Referenzmaßstäbe eine Vergleichbarkeit der in unterschiedlichen Bildungssegmenten erworbenen Kompetenzen ermöglichen soll.

Dieser bildungspolitischen Entwicklungsperspektive stehen gegenwärtig Einschätzungen zur fortschreitenden Akademisierung der Betriebe gegenüber, die zu einer „Erosion der mittleren Qualifikationsebene“ führt. Es wird davon ausgegangen, dass Betriebe aus dem Druck der steigenden Qualifikationsanforderungen heraus eher geneigt sind akademische Ausgebildete zu rekrutieren, da angenommen wird, dass sie Kompetenzen mitbringen, die auf theoretisch systematischen Wissen aufbauen und daher diesen erhöhten Ansprüchen besser genügen könnten. Die eher erfahrungsorientierten Kompetenzprofile beruflich Ausgebildeter werden dagegen als weniger gut geeignet gesehen (vgl. BAETHGE et al. 2007).

Die Annahme einer zunehmenden Akademisierung in den Betrieben wird häufig mit einer Zunahme von Konkurrenzen zwischen beruflich und hochschulisch ausgebildeten Fachkräften verbunden. Betriebe würden Positionen für mittlere Fachkräfte, die bisher vor allem beruflich ausgebildeten Fachkräften vorbehalten waren, fortan vor allem mit akademisch ausgebildeten Fachkräften besetzen. Infolge dessen käme es zu einer breitflächigen Verdrängung beruflich ausgebildeter Fachkräfte. Diese würden von anspruchsvollen Aufgaben und Tätigkeiten in weniger anspruchsvolle Aufgaben und einfache Tätigkeitsbereiche abgedrängt werden. Konsequenz dessen wäre, dass dem dualen System der Berufsbildung wichtige Aufstiegspositionen entzogen wurden, was zu einem erheblichen Attraktivitätsverlust für Jugendliche beitragen würde (vgl. BAETHGE et al. 2007).

Dieserart Einschätzungen zur Entwicklung der „mittleren Qualifizierungsebene“ sind vorerst weitgehend hypothetisch, ihre empirische Fundierung steht weitgehend noch aus bzw. ist unvollständig. Der relativ kurze Zeitraum, in dem Absolventen und Absolventinnen der „neuen“ hochschulischen Studiengänge mit den höheren Praxisanteilen verstärkt in Beruf und Beschäftigung einmünden, lässt bislang noch keine vergleichenden Analysen über längere Zeiträume zu. Zudem gilt generell, dass betriebliche Veränderungstendenzen, die zu Strukturveränderungen in den betrieblichen Qualifikationssegmenten, in der Arbeitsorganisation, in Qualifizierung und Rekrutierung führen, erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung identifizierbar sind.

Im Folgenden soll ein Beitrag zu einer empirischen Fundierung geleistet werden. Von zwei Fragen wird dabei ausgegangen: (1) Welche Bedeutung wird in Betrieben den beruflichen Aufstiegspositionen auf der mittleren Qualifikationsebene aktuell und zukünftig beigemessen? (2) In welchem Verhältnis stehen dabei berufliche und akademische Fachkräftetypen? Zur Beantwortung der Fragen werden die Ergebnisse eines kürzlich abgeschlossenen Projekts des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zur betrieblichen Qualifikationsbedarfsdeckung in wachsenden Beschäftigungsfeldern vorgestellt. Sie beziehen sich vor allem auf Daten einer repräsentativen Betriebsbefragung, wobei auf Teilergebnisse der qualitativen Teilstudie des Projektes zurückgegriffen wird. Im folgenden Abschnitt wird zunächst der Forschungsstand zur Entwicklung der Aufstiegspositionen vorgestellt, bevor die Ergebnisse der BIBB Studie dargestellt werden. Der Beitrag schließt mit einem Fazit und perspektivischen Überlegungen zur Entwicklung des betrieblichen und akademischen Fachkräftetypus.

2 Forschungsstand zur Entwicklung der mittleren Qualifikationsebene

Der Aufstiegsfortbildung als ein wichtiges Qualifikationssegment kommt im deutschen Bildungssystem eine größere Bedeutung zu als in vielen anderen Ländern. In Deutschland haben rund 9% aller Erwerbstätigen entsprechende Abschlüsse erworben (HELMRICH/ ZIKA/ KALINOWSKI/WOLTER 2012, 5). Geringere Anteile von Hochschulabsolventen werden durch höhere Anteile von Absolventen mit einem anerkannten Fortbildungsabschluss teilweise kompensiert (MÜLLER 2009).

Im Kohortenvergleich der Altersjahrgänge zeigt der Bereich der anerkannten Aufstiegsfortbildungen als weiterführender Bildungsweg in den Altersgruppen der über 40-Jährigen einen relativ konstanten Anteil (SCHANDOCK 2012, 367). Über 10% der Männer dieser Jahrgänge und 5% der Frauen erlangten einen anerkannten Fortbildungsabschluss. Der im Vergleich geringere Frauenanteil erklärt sich aus der Verteilung anerkannter Aufstiegsfortbildungen auf männliche Berufsdomänen in den Fertigungsberufen und im Handwerk. Insgesamt erlangt etwa ein Achtel aller Personen mit beruflicher Ausbildung eine abgeschlossene Aufstiegsfortbildung (unabhängig davon, ob sie einen Hochschulzugang erworben haben). Hochschulzugangsberechtigte schließen relativ häufiger eine anerkannte Aufstiegsfortbildung ab als Personen ohne Hochschulzugangsberechtigung. Je jünger sie sind (25-34-Jährige) desto eher neigen sie dazu eine Fortbildung zu absolvieren und zwar bis zu 50% häufiger. Bei den 45-54 Jährigen sind es immerhin noch 25% mehr als bei den Personen ohne Hochschulzugangsberechtigung. Von den Hochschulzugangsberechtigten mit abgeschlossener Berufsausbildung und Fortbildungsabschluss schließen etwa 50% ein Hochschulstudium ab. Damit verbleiben 7% bis 8% eines Jahrgangs auf dem Niveau des Fortbildungsabschlusses. Dies liegt unterhalb des Anteils bei Personen ohne HZB, der bei über 8% bis 10% liegt. (vgl. SCHANDOCK 2012, 372)

Die Befunde der „BIBB-IAB-Qualifikations‑ und Berufsfeldprojektionen bis zum Jahr 2030“ in den Schätzungen für den Arbeitskräftebedarf (Erwerbstätige) und ‑angebot (Erwerbspersonen) (HELMRICH/ZIKA/KALINOWSKI/WOLTER 2012) zeigen ein etwas anderes Ergebnis, als ein Großteil‑ auch der internationalen Diskussion zum Fachkräftebedarf es für Deutschland postuliert. Diese sah bisher den entscheidenden erwartbaren Engpass bei den Hochqualifizierten, für die Deutschland durch energischen Ausbau der Studienkapazitäten ein höheres Angebot schaffen sollte. Nach der BIBB/IAB Projektion sind vorerst am ehesten Fachkräfteengpässe bei den beiden höchsten Qualifikationsgruppen, denen mit Hoch‑ und Fachhochschulabschluss (ISCED 5a und 6) und denen mit Fachschul‑ oder vergleichbaren Abschluss (ISCED 5b, Meister, Techniker, Fachwirte), zu erwarten. Perspektivisch aber zeichnet sich ein leichtes konstantes Überangebot an akademisch Ausgebildeten bei zeitgleich zunehmenden Engpässen bei Fachkräften mit mittleren Bildungsabschlüssen ab. Die zur Zeit noch bestehende leichte Engpasssituation bei den Hochqualifizierten könnte sich aufgrund des starken Zustroms zu den Hochschulen in den letzten Jahren eher entspannen, während sie sich bei dem Segment mit Fachschulabschluss und vor allem im mittleren Fachkräftesektor der Beschäftigten mit einen qualifizierten Berufsabschluss verschärfen könnte. Dort ist in den 2020er Jahren verstärkt mit Engpässen zu rechnen. Der traditionellen deutschen Beschäftigtenstruktur folgend, wird dieses Qualifikationssegment mit gut der Hälfte der Erwerbstätigen auch bis 2030 der größte Erwerbstätigensektor bleiben (HELMRICH/ ZIKA/ KALINOWSKI/ WOLTER 2012).

Insgesamt zeigen die rekonstruktiven Entwicklungsdaten eine gewisse Stabilität in der Wahrnehmung von Aufstiegsfortbildungen entgegen einem weitläufig angenommenen breitflächigen Rückgang. Die hohen Anteile von HZB, die eine Aufstiegsfortbildung absolvieren und ein Studium anschließen, belegen darüber hinaus, die hohe Bedeutung der Aufstiegsfortbildung als Schnittstelle zur Hochschule.

Die Ergebnisse der Projektionen sind angesichts eines breitflächig angenommenen Akademisierungstrends erwartungswidrig, da sie dem Qualifikationssegment beruflich ausgebildeter Fachkräfte weiterhin eine hohe Bedeutung beimessen.

Für diese These der „Erosion der mittleren Qualifikationsebene“ und ihren Folgen für das System der Berufsbildung finden sich in der derzeitigen Berufsbildungsforschung kaum empirische Belege.

Das Bildungsprofil von Führungskräften und die angenommene Verdrängung beruflich Qualifizierter durch Akademiker/-innen wird von Franz anhand einer Längsschnittsanalyse von SOEP Daten untersucht (vgl. FRANZ 2010). Diese Analyse bestätigt zunächst den Trend zur Höherqualifizierung, da der Anteil der Führungskräfte bzw. von Angestellten in hochqualifizierter Tätigkeit mit akademischem Abschluss seit Mitte der 1980er Jahre um 20% auf 62,6% in 2008 gestiegen ist. Diese Entwicklung ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer Verdrängung beruflich Ausgebildeter in Führungspositionen, da rund ein Fünftel aller Führungskräfte bzw. Hochqualifizierter sowohl über einen beruflichen als auch einen akademischen Abschluss verfügen. Des Weiteren verfügen 1/3 aller Führungskräfte mit umfassenden Führungsaufgaben in der deutschen Privatwirtschaft ebenfalls über sowohl einen beruflichen als auch akademischen Bildungsabschluss. Über ein weiteres Drittel dieser Personengruppe verfügt allerdings mit abnehmender Tendenz über einen beruflichen Abschluss als höchsten erreichten Bildungsabschluss. Diese Ergebnisse deuten keineswegs darauf hin, dass die berufliche Bildung im höheren mittleren Segment an Bedeutung verliert.

Ein synoptischer Vergleich der Arbeitsmarktpotentiale von Absolventinnen und Absolventen beruflicher und hochschulischer Bildungswege von GÖTZHABER /JABLONKA/METJE (2011, 18) anhand der Indikatoren Employability, tarifliche Eingruppierung, Bildungsrenditen, Erwerbsbeteiligung und Kompetenzen zeigt folgende Befunde: Ein höherer beruflicher Bildungsabschluss Bildung (Meister, Techniker, Fachwirt) sowie ein akademischer Abschluss sind geeignete Voraussetzung für eine längerfristige Beschäftigung. Unterschiede zwischen beiden Qualifikationsgruppen bestehen in den tariflichen Eingruppierungen, wobei bei großer Streuung der Einkommen von beruflich und akademisch ausgebildeten diese Unterschiede relativiert werden. Berufliche Qualifikationen erklären nur zum Teil den Erwerbsstatus. Fachrichtung und Geschlecht sind stärkere Erklärungsvariablen für den Erwerbsstatus.

Dieselben Autoren weisen anhand einer Studie von Bildungs- und Berufsbiographien beruflich und akademisch ausgebildeter Fachkräfte nach, dass die Fortbildung den beruflich Qualifizierten den Zugang zu anspruchsvollen, gut dotierten Tätigkeiten mit umfangreicher Personal- und Budgetverantwortung eröffnet hat. Generell und insbesondere bei Selbstständigen hat sie dazu beigetragen, Beschäftigung und betriebliche Existenz zu sichern.

In bestimmten Bereichen treten beide Gruppen in den Wettbewerb um Fach- und Führungspositionen auf der mittleren Ebene an und können ihre jeweiligen Stärken unter Beweis stellen z.B. in Bezug auf die Umsetzung erworbenen Wissens und der betrieblichen Integrationsfähigkeit. Es gibt jedoch Arbeitsbereiche und Hierarchie-Ebenen, die Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen vorbehalten bleiben. Diese sind durch ihre Nähe zu „Forschung und Entwicklung“ gekennzeichnet. Darüber hinaus zeigt die Studie, wie sehr der Einsatz von beruflich Fortgebildeten auf höheren Fach- und Führungsebenen von anderen Faktoren abhängig ist, wie persönliche Präferenzen von Personalverantwortlichen, tradierte Firmenphilosophien und Ausbildungstraditionen (vgl. GÖTZHABER/JABLONKA/METJE 2011, 6).

Die Studie des IW (vgl. HOLLMANN et al. 2010) sieht auf der Basis von Auswertungen aktueller Studien, statistischer Basisdaten zur Einführung von Bachelorstudiengängen, datengestützter Einkommens- und Qualifikationsanalysen, curricularer Vergleiche von Ausbildungs-, Aufstiegsfortbildungs- und Studienprofilen sowie einer Experten- und Expertinnenbefragung kaum Indizien vorliegen, die eine Konkurrenz von Bachelorstudiengängen einerseits und dualen Aus- und Fortbildungsabschlüssen andererseits nahelegen.

Insgesamt sprechen die vorhandenen empirischen Daten dafür, dass mit dem eindeutig feststellbaren Trend zur Höherqualifizierung und einer Zunahme von Akademiker- und Akademikerinnenquoten auch in Deutschland nicht zwangsläufig die Verdrängung beruflich Qualifizierter durch Akademiker/-innen verbunden ist, sondern dass die Betriebe versuchen, über vielfältige Wege die Vorteile beruflich-betrieblicher und akademischer Ausbildung miteinander zu verknüpfen.

3 Empirische Basis

Im Rahmen des BIBB Projekts „Betriebliche Qualifikationsbedarfsdeckung im Fachkräftebereich wachsender Beschäftigungsfelder – PEREK“ wurde eine qualitative Studie basierend auf 25 leitfadengestützten Interviews mit zehn Branchensprechern und -sprecherinnen und 15 Vertretern und Vertreterinnen kleiner, mittelständischer und großer Betriebe aus elf Branchen, die in den Jahren 2003 bis 2007 wachsende Beschäftigung aufwiesen, durchgeführt. Die Befunde dieser Experten- und Expertinnenbefragung wurden der Fragebogenentwicklung einer repräsentativen Betriebsbefragung zugrunde gelegt, die Anfang 2011 in Betrieben in wachsenden Beschäftigungsfeldern durchgeführt wurde. Als wachsende Beschäftigungsfelder wurden jene definiert, in denen ein Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in einem bestimmten Zeitraum stattgefunden hat.

Als Grundlage zur Identifizierung der wachsenden Beschäftigungsfelder wurde die „Klassifikation der Wirtschaftszweige“ (WZK) des Statistischen Bundesamtes gewählt, wobei auf die Kategorie Wirtschaftsklassen (vierte Ebene innerhalb der WZK, insgesamt 615 Klassen) zurückgegriffen wurde. Bedingung für die Auswahl der Klassen war ein nachweisbarer Personalzuwachs zwischen 2007 und 2009.

Ausgewählt wurden die folgenden Klassen: Herstellung von Maschinen anderweitig nicht genannt (a.n.g) (2.899), Einzelhandel mit Telekommunikationsgeräten (4.742), sonstige Post-, Kurier-, und Expressdienste (5.320), Erbringung von sonstigen Dienstleistungen der Informationstechnologie (6.209), Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben (7.010), Ingenieurbüros (7.112), Hausmeisterdienste (8.110), Call Center (8.220), Gesundheitswesen a.n.g. (8.690), soziale Betreuung älterer Menschen und Behinderter (8.810), sonstiges Sozialwesen a.n.g. (8.899).

Der Zeitraum, in dem das Wachstum beobachtet wurde, ergab sich aus der Umstellung der Klassifikation der Wirtschaftszweige im Jahr 2008. Alle ausgewählten Klassen weisen ein überdurchschnittliches Personalwachstum (absolut oder relativ) zwischen 2007 und 2009 auf. Zudem wurde überprüft, dass auch die Hauptklassen, welche nach der Umstellung 2008 in den hier ausgewählten Klassen aufgegangen sind, zwischen 2003 und 2008 einen Personalzuwachs aufweisen. Damit wurde sichergestellt, dass die ausgewählten Wirtschaftsklassen nicht nur einem kurzfristigen Wachstumstrend unterlegen haben, sondern das Wachstum über einen Zeitraum von sieben Jahren zurückzuverfolgen ist.

Die Stichprobe wurde geschichtet nach den Betriebsgrößenklassen aus der Betriebsdatei der Bundesagentur für Arbeit gezogen. Insgesamt beinhalten die elf hier ausgewählten Wirtschaftsklassen 125.274 Betriebe mit 1.673.472 Beschäftigten. Es wurden ca. 22.000 Betriebe, etwa 2.000 aus jeder Wirtschaftsklasse, angeschrieben, von denen 1.215 den Fragebogen beantworteten.

Die Feststellung, dass alle Wirtschaftsklassen einen Personalzuwachs aufweisen, lässt jedoch keine Aussage auf einzelbetrieblicher Ebene zu. Vielmehr befinden sich in der Stichprobe sowohl Betriebe, die in den vergangenen Jahren einen Personalzuwachs hatten, als auch solche, bei denen die Beschäftigungsentwicklung stagnierte, oder sogar abgenommen hat.

In den folgenden Darstellungen werden schwerpunktmäßig Ergebnisse der Betriebsbefragung dargestellt (zu den Ergebnissen der Expertinnen- und Expertenbefragung siehe BAHL et al. 2011 , DIETZEN et al. 2012 ). Die Daten stellen, soweit nicht anders angegeben, nach Betriebsgrößenklassen und Wirtschaftszweigen gewichtete Werte dar.

4 Ergebnisse

4.1 Entwicklungen der Qualifikationssegmente

Zuerst soll betrachtet werden, welche Entwicklungen die Betriebe in den nächsten fünf Jahren in den einzelnen Qualifikationssegmenten anstreben. Abbildung 1 zeigt die Angaben der Betriebe (zu dem Segment der Mitarbeitenden ohne Berufsausbildung machten fast 50% aller Betriebe Angaben, zu den Segmenten der Mitarbeitenden mit Meister-, Fachwirt- oder ähnlicher Fortbildung, mit Fachhochschulausbildung sowie mit Universitätsausbildung über 50% und zum Segment der Mitarbeitenden mit abgeschlossener Berufsausbildung über 80%).

Deutlich wird, dass sich die angestrebten Entwicklungen für das Segment der Mitarbeitenden ohne Berufsausbildung deutlich von denen der anderen Segmente unterscheiden. Hier ist der Anteil der Betriebe, die eine Abnahme anstreben, in etwa genau so groß, wie der Anteil der Betriebe, die eine Zunahme anstreben (jedoch beide auf einem relativ geringen Niveau von deutlich unter 10% der Betriebe). Eine angestrebte Abnahme in diesem Segment darf jedoch nicht mit einem Personalabbau gleichgesetzt werden. Vielmehr kann festgestellt werden, dass die Nachqualifizierung von Mitarbeitenden ohne Berufsabschluss von einem bedeutenden Teil der Betriebe als eine wichtige Maßnahme zur Fachkräftesicherung gesehen wird.

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Abb. 1: Angestrebte Entwicklungen der Mitarbeitendenzahlen in den jeweiligen Qualifikationssegmenten

In den anderen Segmenten zeigt sich jeweils, dass nur ein sehr geringer Anteil von Betrieben eine Abnahme plant. Deutlich mehr Betriebe planen jeweils die Zahl der Mitarbeitenden in den einzelnen Segmenten zu erhöhen, und die überwiegende Zahl der Betriebe gibt an, dass die Zahl gleich bleiben soll. Es zeigt sich nicht unerwartet, dass der Anteil der Betriebe, die eine Zunahme planen, im Segment der Mitarbeitenden mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung am höchsten ist. Insgesamt wird jedoch schon hier deutlich, dass zumindest in den kurzfristigen Planungen (Planungszeitraum sind die nächsten fünf Jahre) kein elementarer Abbau der Beschäftigten der mittleren Qualifikationsebene erkennbar ist. Das Ausbaupotential (also der Anteil von Betrieben, die einen Zuwachs planen), unterscheidet sich kaum von den Planungen in den Segmenten der Mitarbeitenden mit Fachhochschulausbildung und den Mitarbeitenden mit Universitätsausbildung.

Im nächsten Schritt soll nun überprüft werden, wie sich die Planungen in einzelnen Segmenten, bei Betrieben, die für die jeweiligen Segmente Angaben gemacht haben (dies waren mehr als 40%), zueinander verhalten. Tabelle 1 zeigt die angestrebten Entwicklungen für das Segment der Mitarbeitenden mit Fachhochschulausbildung (links) mit den angestrebten Entwicklungen für das Segment der Mitarbeitenden mit Meister-, Fachwirt- oder ähnlicher Fortbildung.

Zuerst einmal wird deutlich, dass fast zwei Drittel der Betriebe (65%) eine gleichbleibende Mitarbeitendenzahl in beiden Segmenten planen. 14% hingegen wollen die Zahl der Mitarbeitenden mit Fachhochschulabschluss erhöhen, während die Zahl der Mitarbeitenden mit Meister-, Fachwirt- oder ähnlicher Fortbildung gleichbleiben soll. Eine umgekehrte Entwicklung, also eine Zunahme der Beschäftigten mit Meister-, Fachwirt- oder ähnlicher Fortbildung, bei gleichbleibender Zahl der Beschäftigten im anderen Segment planen, mit 6% der Betriebe hingegen deutlich weniger.

Tabelle 1: Angestrebte Entwicklung der Mitarbeitendenzahlen in den angegebenen Segmenten

Angestrebte Entwicklung bei Beschäftigten mit Fachhochschulabschluss

Zunahme

< 1 %

14 %

10 %

gleichbleibend

< 1 %

65 %

6 %

Abnahme

< 1 %

2 %

< 1 %

 

 

Abnahme

gleichbleibend

Zunahme

 

 

Angestrebte Entwicklung bei Beschäftigten mit Meister-, Fachwirt- oder ähnlicher Fortbildung

 

10% der Betriebe planen, die Zahl der Mitarbeitenden in beiden Segmenten zu erhöhen. Insgesamt kann festgestellt werden, dass es inkeinem der beiden Segmente zu einem nennenswerten Abbau kommt. Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass drei Viertel der Betriebe eine identische Entwicklung beider Segmente anstreben (unter 1% planen eine Abnahmen in beiden Segmenten, 65% eine gleichbleibende Zahl von Mitarbeitenden und 10% eine Zunahme in beiden Segmenten). Jedoch muss festgestellt werden, dass bei Betrieben, die zu beiden Segmenten Angaben gemacht haben, der Anteil derjenigen, die eine Erhöhung der Mitarbeitenden mit Fachhochschulabschluss, bei gleichbleibender Zahl im anderen Segment, mehr als doppelt so hoch ist wie umgekehrt, also das Entwicklungspotential für Mitarbeitende mit Fachhochschulabschluss höher ist.

Weitergehend wurde analysiert, wie sich die geplanten Entwicklungen für das Segment der Mitarbeitenden mit Universitätsabschluss und dem Segment der Mitarbeitenden mit Meister-, Fachwirt- oder ähnlicher Fortbildung zueinander verhalten. Wiederum wurden nur Betriebe einbezogen, die zu beiden Segmenten Angaben gemacht haben (ebenfalls wieder mehr als 40%). Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse.

Wieder zeigt sich deutlich, dass der größte Teil der Betriebe eine identische Entwicklung in beiden Segmenten anstrebt (insgesamt mehr als 81%). Drei Viertel der Betriebe wollen die augenblickliche Zahl der Mitarbeitenden aus beiden Qualifikationssegmenten beibehalten, und 6% wollen die Zahl erhöhen. Auch hier kann nicht festgestellt werden, dass es zu einer Erhöhung der Zahl der Mitarbeitenden aus einem Qualifikationssegment zu Lasten des Anderen kommen soll. Im Gegensatz zu der vorherigen Analyse sind die Anteile der Betriebe, die die Zahl der Mitarbeitenden eines Segmentes erhöhen wollen, während die Zahl des anderen Segmentes gleichbleibt, in etwa identisch. Hier zeigt sich also für beide Segmente ein ähnliches Entwicklungspotential.

Tabelle 2: Angestrebte Entwicklung der Mitarbeitendenzahlen in den angegebenen Segmenten

Angestrebte Entwicklung bei Beschäftigten mit Universitätsabschluss

Zunahme

< 1 %

7 %

6 %

gleichbleibend

< 1 %

75 %

8 %

Abnahme

< 1 %

1 %

< 1 %

 

 

Abnahme

gleichbleibend

Zunahme

 

 

Angestrebte Entwicklung bei Beschäftigten mit Meister-, Fachwirt- oder ähnlicher Fortbildung

 

Abschließend dazu werden die geplanten Entwicklungen der Segmente der Mitarbeitenden mit abgeschlossener Berufsausbildung sowie der Mitarbeitenden mit Meister-, Fachwirt- oder ähnlicher Fortbildung zu einem Segment (Fachkräfte) zusammengefasst (es wurden Betriebe einbezogen, die mindestens zu einem dieser Segmente eine Angabe gemacht haben, sollten zu beiden Segmenten Angaben vorliegen, so wurden die Betriebe ausgeschlossen, die einmal Zunahme und einmal Abnahme angegeben haben). Ebenso werden die geplanten Entwicklungen für Mitarbeitende mit Fachhochschulausbildung und Universitätsausbildung zum Segment der Akademikerinnen und Akademiker zusammengefasst (auch hier musste zu mindestens einem Segment eine Angabe vorliegen). Die Ergebnisse zeigt Tabelle 3.

Tabelle 3: Angestrebte Entwicklung der Mitarbeitendenzahlen in den angegebenen Segmenten

Angestrebte Entwicklung bei Akademikerinnen und Akademikern

Zunahme

< 1 %

10 %

16 %

gleichbleibend

< 1 %

49 %

19 %

Abnahme

< 1 %

2 %

< 1 %

 

 

Abnahme

gleichbleibend

Zunahme

 

 

Angestrebte Entwicklung bei Fachkräften

 

Im Vergleich zu den bisherigen Analysen sind es hier nur etwas mehr als zwei Drittel der Betriebe, die eine identische Entwicklung beider Bereiche anstreben, und sogar weniger als die Hälfte der Betriebe, die eine gleichbleibende Mitarbeitendenzahl in beiden Bereichen planen. Der Anteil der Betriebe, die eine Zunahme im Fachkräftebereich planen, während die Zahl der Akademikerinnen und Akademiker gleich bleiben soll, ist fast doppelt so hoch wie der, die eine umgekehrte Entwicklung anstreben.

Alle Analysen zeigen, dass augenblicklich bei den hier befragten Betrieben nicht festzustellen ist, dass Entwicklungen geplant werden, bei der die Zahl der Mitarbeitenden eines Segmentes zu Lasten der Zahl in einem anderen Segment erhöht werden soll. Vielmehr zeigt sich, dass die Planungen für die Segmente oftmals identisch sind.

Wie zu Beginn gezeigt werden konnte, ist der Anteil der Betriebe, die eine Zunahme planen für das Segment der Mitarbeitenden mit abgeschlossener Berufsausbildung am höchsten. Dieses Ergebnis korrespondiert mit den Angaben, die die Betriebe zur eigenen betrieblichen Ausbildung machen. Zum Zeitpunkt der Befragung bildete etwa jeder fünfte Betrieb aus. Dieser Anteil liegt nur knapp unter der Ausbildungsbetriebsquote aller Betriebe in Deutschland (vgl. HUCKER 2012, 4). Insgesamt wird deutlich, dass der Stellenwert der eigenen Ausbildung in Zukunft eher noch zunehmen wird. Während etwa ein Drittel der ausbildenden Betriebe angibt die Zahl der Ausbildungsplätze auch in der Zukunft beizubehalten wollen, möchte fast jeder vierte ausbildende Betrieb die Zahl der eigenen Ausbildungsplätze in Zukunft noch erhöhen. Hinzu kommt, dass mehr als 10% der Betriebe, die augenblicklich nicht ausbilden, planen, dies in Zukunft (wieder) zu tun. Die Betriebe bilden auf der einen Seite vor allem aus, um den eigenen Fachkräftenachwuchs zu sichern und so einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, auf der anderen Seite aber auch, weil Ihnen so passgenaue Fachkräfte zur Verfügung stehen, deren betriebsspezifische Profile und Kenntnisse sie besonders schätzen.

Auch die Präferenzen der Betriebe bei der Besetzung von Stellen für gehobene Fachkräfte stellen die Bedeutung dieses betriebsspezifischen Wissens heraus. Dabei zeigt sich mittels multivariater Analysen, dass Betriebe, die selber ausbilden, Stellen für solche Fachkräfte eher intern besetzen, als Betriebe, die nicht selber ausbilden (vgl. WÜNSCHE et al. 2011, 36). Mehr als die Hälfte aller Betriebe besetzt Positionen für Führungskräfte in der Regel intern.

Weniger eindeutig stellt sich die Befundlage zu den dualen Studiengängen (hier verstanden als ausbildungsintegrierte duale Studiengänge, welche die praktische Berufsausbildung im Betrieb mit dem Studium an einer Hochschule oder Akademie kombinieren) als eine Möglichkeit eines internen Rekrutierungsweges. In den Expertinnen- und Expertenbefragungen wird dem dualen Studium eine hohe Bedeutung beigemessen. Dabei wird es von den Betrieben her eher als Ausbildung, denn als „Studium plus Praxis“ gesehen, und die realisierte Verbindung von akademischem und betriebsspezifischem Wissen wird einhellig sehr geschätzt. Quantitativ lässt sich die hohe Wertschätzung nicht belegen, was u.a. auf deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Betriebsgrößenklassen und deren Verteilung im Sample zurückführbar ist. Während bei den Betrieben mit mehr als 249 Mitarbeitenden jeder dritte mindestens einen solchen Studiengang anbietet, sind es in den anderen Größenklassen deutlich weniger. Dabei zeigt sich, dass es zumeist Betriebe sind, die sowohl eine normale betriebliche Erstausbildung als auch eine Ausbildung im Rahmen eines dualen Studienganges anbieten. Die Betriebe schätzen dabei vor allem die schnellere Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit von hoch qualifizierten Beschäftigten und Hochschulabsolventen für das Unternehmen und sehen gute Möglichkeiten aufstiegsorientierten Auszubildenden hinreichende Entwicklungs- und Karriereperspektiven im Unternehmen anzubieten.

4.2 Tätigkeitsstrukturen

In Bezug auf einzelne Tätigkeiten wurden die Betriebe befragt, welche Tätigkeiten hinsichtlich des Arbeitsvolumens zugenommen haben. Weitergehend sollten sie angeben, welche(s) Qualifikationsniveau(s) für die jeweilige wachsende Tätigkeit in der Regel von Ihnen benötigt wird/werden. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf nicht gewichtete Daten (vgl. WÜNSCHE et al. 2011, 15ff.).

Zehn Tätigkeitsgruppen wurden jeweils von mehr als 40 Betrieben genannt, wobei diese teilweise nur in einzelnen Beschäftigungsfeldern von Bedeutung sind (so wurde etwa die Tätigkeitsgruppe gesundheitlich/sozial helfen, pflegen von mehr als 200 Betrieben genannt, welche bis auf wenige Ausnahmen dem Beschäftigungsfeld Gesundheit/Soziales angehören). Von besonderem Interesse sind die Qualifikationen, die die einzelnen Betriebe für die Tätigkeiten in der Regel benötigen. Bei keiner Tätigkeit geben 3/4 oder mehr der Betriebe dasselbe Qualifikationsniveau an, und nur bei drei der zehn Tätigkeiten sind es mehr als 2/3 der Betriebe, die dasselbe Niveau benötigen. Dies ist bei den Tätigkeitsgruppen gesundheitlich/sozial helfen, pflegen und fertigen, bearbeiten/verarbeiten, bauen/ausbauen, installieren, montieren das Qualifikationsniveau abgeschlossene Berufsausbildung. Während bei der erstgenannten Tätigkeitsgruppe Fachhochschul-/Hochschulausbildung die zweitmeisten Nennungen erhielt, sind es bei der zweitgenannten Tätigkeitsgruppe Personen mit einer Meister-, Techniker oder anderen Fortbildung. Bei der Tätigkeitsgruppe forschen, entwerfen, konstruieren, entwickeln, gestalten wird von mehr als 2/3 der Betriebe angegeben, dass als Qualifikation eine Fachhochschul-/Hochschulausbildung benötigt wird.

Bei fünf Tätigkeiten gaben immerhin mehr als die Hälfte der Betriebe, jedoch weniger als 2/3 dasselbe Qualifikationsniveau an, bei zwei Tätigkeiten waren es mehr als 1/3 aber weniger als die Hälfte.

Deutlich wird, dass sich aus der jeweiligen Tätigkeit nicht auf ein passendes Qualifikationsniveau schließen lässt. Vielmehr hängen die benötigten Qualifikationen von unterschiedlichen Faktoren ab. Notwendig ist eine Verbindung von Tätigkeiten, Arbeitsplatz, der Arbeitsorganisation und nicht zuletzt von der Personalpolitik des Unternehmens, um genaue Hinweise auf die gewünschten Qualifikationsniveaus und -profile zu erhalten.

Wo aber sind die Betriebe bereit Kompromisse einzugehen, wenn es zu Problemen bei der Personalsuche für die Tätigkeiten kommt? Es zeigt sich, dass dies vor allem die Berufserfahrung ist. Bei jeder der zehn Tätigkeitsgruppen geben mehr als die Hälfte der Betriebe an, dass sie von ihren Vorstellungen bezüglich der Berufserfahrung abweichen würden, und dann auch weniger Berufserfahrung akzeptieren würden. Weniger kompromissfähig zeigen sich die Betriebe im Hinblick auf die Gehaltsvorstellungen. Nur bei drei Tätigkeitsgruppen (forschen, entwerfen, konstruieren, entwickeln, gestalten; Management-, Leitungs- und Führungstätigkeiten sowie fertigen, bearbeiten/verarbeiten, bauen/ausbauen, installieren, montieren) sind mehr Betriebe bereit, höhere Gehaltsvorstellungen zu akzeptieren als in Bezug darauf keine Kompromisse eingehen wollen/können.

Bei den anderen Tätigkeiten sind es grundsätzlich mehr Betriebe, die keine Kompromisse hinsichtlich des Gehaltes eingehen würden. Bei den Tätigkeitsgruppen gesundheitlich/sozial helfen, pflegen und erziehen, ausbilden, lehren wollen mehr als die Hälfte der Betriebe nicht auf ihre formalen Qualifikationsanforderungen verzichten. Bei den anderen Tätigkeiten hingegen signalisieren jeweils mehr als die Hälfte der Betriebe eine Kompromissbereitschaft (dies kann eine geringere Qualifikation als gewünscht bedeuten, aber auch eine höhere).

5 Fazit und Perspektiven

Auf der Basis zusammenfassender Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Studie kommen wir zu folgenden Einschätzungen.

Generell wünschen sich Betriebe branchenübergreifend Kompetenzprofile, die ein erweitertes theoretisch-systematisches Fachwissen mit einem betrieblich-beruflichem Anwendungs- und Erfahrungswissen verbinden. Hierin wird auch die Bedeutung von Aufstiegsfortbildungen gesehen und in den Planungen der zukünftigen Qualifikationssegmente berücksichtigt. Mittlere Führungspositionen sollen über Absolventen einer Aufstiegsfortbildung möglichst intern besetzt werden. Dies gilt für alle Betriebe und für die Großbetriebe am deutlichsten. Für diesen Zweck wird Weiterbildung gezielt eingesetzt und gefördert. Ebenso werden duale Studiengänge als geeignete Wege gesehen, Mitarbeiter/-innen für Führungskraftpositionen auf der mittleren Ebene zu entwickeln. Externe Rekrutierung akademisch Qualifizierter erfolgt vorwiegend für höhere Managementpositionen (vgl. Dietzen et al. 2012)

Generell haben Qualifikationsstrategien, die auf einer internen Bedarfsdeckung beruhen, eine hohe Bedeutung in den untersuchten Betrieben.

Ein Beleg dessen ist die hohe Bedeutung der eigenen betrieblichen Ausbildung, die für die Betriebe als Instrument zur Deckung des eigenen Bedarfs von elementarer Bedeutung ist, um betriebsspezifische Profile und Kenntnisse zu entwickeln. Das lässt sich sowohl über die qualitative Studie (vgl. BAHL et al. 2011) als auch über die quantitativen Daten belegen (vgl. WÜNSCHE et al. 2011, S.21ff).

Als weitere Optionen interner Bedarfsdeckung werden in den Experten- und Expertinneninterviews duale Studiengänge, das Studium an Berufsakademien und die Möglichkeit eines Fachhochschulstudiums im Anschluss an die duale Ausbildung oder nach erfolgreichem Abschluss einer beruflichen Fortbildung als weitere Optionen angesprochen. Quantitativ lässt sich dieses Ergebnis allerdings nicht ausreichend belegen. Die Aussagen der betrieblichen Experten und Expertinnen sind jedoch als Wunsch der Betriebe zu deuten, Möglichkeiten zu entwickeln, die Vorteile einer akademischen Bildung mit denen einer beruflichen-betrieblichen Bildung in einem eigenen internen Rekrutierungsweg zu verknüpfen.

Wachsende Betriebe decken ihren Qualifikationsbedarf offensichtlich weiterhin in den unterschiedlichen Qualifikationssegmenten. Die vorhandenen betrieblichen Segmente zeigen sich zunächst einmal als relativ stabil und lassen den Betrieben zufolge auch in naher Zukunft keine großen Strukturveränderungen erwarten.

Ein Wachstum der akademischen Segmente zu Lasten des Segmentes der Meister/-innen, Techniker/-innen, Fachwirte und -wirtinnen etc. ist anhand der Daten nicht festzustellen. Beschäftigungswachstum in Bezug auf unterschiedliche Fachkräftetypen scheint häufig komplementär angelegt zu sein. Inwieweit die Betriebe beide Bildungshintergründe in getrennten beruflichen Arbeitsmärkten verorten, die einander ergänzend aber nicht substituierend sind, müsste weiterhin untersucht werden.

Konkurrenzbeziehungen zwischen betrieblich und hochschulisch ausgebildeten Fachkräften sind nur in einzelnen Tätigkeitsbereichen (Techniker/-innen und Bachelorabsolventen und ‑absolventinnnen) identifizierbar (vgl. DIETZEN et al. 2012).

Für breite Verdrängungsphänomene von beruflich qualifizierten Fachkräften auf der mittleren Qualifikationsebene finden sich keine Belege.

Hierzu sind weitere Analysen auf der Tätigkeitsebene erforderlich. Unsere Befunde zeigen zunächst, dass einzelnen Tätigkeiten kontextungebunden kein eindeutiges passendes Qualifikationsniveau zuzuordnen ist. Einzelne Tätigkeiten werden in unterschiedlichen Betrieben auch auf unterschiedlichen Qualifikationsniveaus ausgeübt bzw. es werden unterschiedliche Qualifikationsniveaus zum Ausüben der Tätigkeit gesucht (DIETZEN und WÜNSCHE 2011). Das spricht dafür, dass in Betrieben Flexibilitätsspielräume zwischen Bildungsgängen und beruflichen Einsatzfeldern existieren, und dass Tätigkeiten von Personen unterschiedlicher Bildungshintergründe ausgeübt werden können.

Letztlich ist davon auszugehen, dass der betriebliche Qualifikationsbedarf von mehreren Kontextfaktoren abhängt, nicht zuletzt von den Strukturen, die über Arbeitsorganisation und betriebliche Steuerungsinstrumente gesetzt sind. Notwendig ist eine Verbindung von Tätigkeiten, Arbeitsplatz und betrieblicher Strukturierung um genaue Hinweise auf die benötigten Qualifikationsniveaus und -profile zu erhalten.

Für die Zukunft stellt sich die Frage, wie sich die Qualifikationssegmente des deutschen Bildungssystems weiterentwickeln. Wird der deutsche Sonderweg mit einem starken System betrieblicher Berufsausbildung weiterhin Bestand haben (vgl. BOSCH 2012, 33)? Inwieweit werden Verschiebungen zwischen den Segmenten der Berufsausbildung und des Hochschulstudiums zu Lasten des einen gegenüber dem anderen System führen?

Mit der Etablierung von Kooperations- und Integrationsmodellen zwischen Studium und Berufsausbildung wie sie in den dualen Studiengängen erfolgen, werden bestehende Grenzen zwischen den Bildungssegmenten tendenziell aufgelöst. Sie realisieren eine Dualität von Lernorten im Wechsel zwischen theoretischem Unterricht an der Hochschule und praktischen Phasen im Ausbildungsbetrieb, die bislang vor allem prägend für den beruflichen Bildungsweg war. Bildungspolitisch sind duale Studiengänge interessant, weil von ihnen ein erheblicher Druck ausgeht, die Studienmodule und Ausbildungsordnungen curricular und organisatorisch abzustimmen und wechselseitig anzuerkennen.

Eine weitere Variante der Grenzauflösung zwischen Studium und beruflicher Bildung geht auf Bemühungen von Anbietern beruflicher Fortbildungen wie den Kammern um die quasi- akademische Anerkennung ihrer Lehrgänge zurück. Ein Beispiel dafür sind „Aufqualifizierungen“ für beruflich Fortgebildete, die eine umfassende Verzahnung von betrieblichen und akademischen Qualifikationsinhalten vorsehen. Fortbildungsqualifikationen die auf der Basis betrieblicher Praxis erworben wurden, werden vollständig berücksichtigt. Die Weiterbildung sieht einen akademischen Standard vor, der durch die beteiligte(Fach)Hochschule gewährleistet wird. Die Prüfung findet vor einer Industrie- und Handelskammer, beansprucht einen akademischen Standard ohne dass ein akademischer Abschluss zu erworben wird. Vorteile solcher Bildungsmaßnahmen bieten sich insbesondere für Personen mit Aufstiegsqualifizierungen, die bereits in verantwortlichen Positionen im Unternehmen tätig sind und diese ausbauen wollen. Durch zeitliche Bindung ist ihnen ein Hochschulstudium oft nicht möglich. Auch fällt eine notwendige Existenzsicherung für ein Studium weg, die oft als Hindernisgrund für berufliche Ausgebildete darstellt (vgl. FASSNACHT/ HERB/ REINECKE 2011, 18).

Mit der Ausweitung dualer Studiengänge und Vermehrung von Angeboten im Bereich von akademisch ausgerichteten Zusatzqualifikationen einer Ausweitung von Anrechnungsmöglichkeiten beruflich erworbener Kompetenzen für den Zugang zur Hochschule etabliert sich gegenwärtig eine breite Übergangszone zwischen beruflicher und Hochschulausbildung. Es ist mit Spannung zu erwarten, ob sich darüber eine „ deutsche dualisierte Variante der Akademisierung oder anders formuliert eine neue „Oberetage des dualen Systems“ herausbildet (BOSCH 2010, 57).

Literatur

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Zitieren dieses Beitrages

DIETZEN, A./ WÜNSCHE, T. (2012): Die Bedeutung der Aufstiegsfortbildung als Schnittstelle zur Hochschule – eine Untersuchung in Betrieben wachsender Beschäftigungsfelder. In: bwp@ Berufs- und Wirtschafts¬pädagogik – online, Ausgabe 23, 1-17. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe23/dietzen_wuensche_bwpat23.pdf  (12-12-2012).


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