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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT01 - Agrarwirtschaft
Herausgeber: Michael Martin & Manfred Bräuer

Titel:
Übergänge in der agrarwirtschaftlichen Berufsbildung – eine Herausforderung für Bildungsakteure auf unterschiedlichen Ebenen


Vom Lehramtsstudium ins Referendariat – ein gleitender Übergang?

Beitrag von Lars BADZIO (6./7. Schulpraktisches Seminar Steglitz-Zehlendorf)

1 Einleitung

„Das Referendariat war die schlimmste Zeit meines Lebens“ oder „Willkommen in der Hölle“ – solche Sätze bekommt man zu hören, wenn man in den zweijährigen Vorbereitungsdienst für ein Lehramt eintritt. Dazu passt, dass eine beträchtliche Zahl an Ratgebern erhältlich ist, die Tipps und Hilfestellungen für die überwiegend als schwierig wahrgenommene Ausbildungsphase offerieren. Die Bandbreite der Hinweise reicht vom „richtigen“ Verhalten im Lehrerzimmer über allgemeine Tipps zum Umgang mit den Schülern bis hin zu Ratschlägen für die persönliche Organisation zur Bewältigung des hohen Arbeitspensums.

Im Internet existieren Ratgeberseiten und Foren wie www.referendar.de oder www.lehrerforen.de. In den Foren werden neben persönlichen Überlastungs- und Ohnmachtsgefühlen immer wieder auch problematisch erscheinende Aspekte struktureller bzw. institutioneller Natur geäußert. Gerade diese Fragen nach der Organisation der Ausbildung sind aber entscheidend dafür, dass das Referendariat von den meisten Lehramtsanwärtern als eine sehr anstrengende und belastende Zeit wahrgenommen wird.

Dieser Beitrag wendet sich daher folgenden Fragen zu: Worin bestehen die organisatorischen Probleme in Lehramtsstudium und Referendariat? Wie werden sie bewältigt und könnten sie besser bewältigt werden?

Um die Problemlage zu eruieren, hat der Verfasser zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen des Fachseminars Agrarwirtschaft an der Peter-Lenné-Schule in Berlin „Knackpunkte“ herausgearbeitet, die im Übergang zwischen Universität und Referendariat bzw. in der Organisation des Referendariats wahrgenommen werden.

Für diese Probleme wurden Lösungsideen entwickelt. Dabei wurden sowohl die persönlichen „Best-Praxis“-Erfahrungen der Teilnehmer berücksichtigt als auch Erkenntnisse aus den Workshops der Hochschultage 2011 in Osnabrück. Der Beitrag versteht sich daher nicht als wissenschaftliche Abhandlung, sondern eher als Erfahrungs- respektive Praxisbericht.

2 Persönlicher Erfahrungshorizont

Der Autor dieses Beitrags befindet sich mit der Fächerkombination Landschaftsgestaltung/ Deutsch seit Februar 2010 im Referendariat am 6./7. Schulpraktischen Seminar Steglitz-Zehlendorf in Berlin. Zuvor absolvierte er das Lehramtsstudium an der Technischen Universität Berlin. Während dieser Zeit ergab sich die Möglichkeit, am Lehrstuhl für Fachdidaktik Bautechnik und Landschaftsgestaltung (Prof. Dr. Johannes Meyser) als studentischer Mitarbeiter tätig zu sein. Während der Verfasser selbst noch nach alter Studienordnung studierte, konnte er sich ein Bild von der Umstellung der Lehramtsstudiengänge zu modularisierten Bachelor- und Masterstudiengängen machen, die damals bevorstand. Im Hinblick auf eine Harmonisierung beider Ausbildungsphasen wurden dabei einige Verbesserungen initiiert. So wurde etwa die Anfertigung eines prozess- und produktorientierten Portfolios in der neuen Bachelor-Studienordnung verankert. Dieses Portfolio soll neben der Ergebnisdokumentation von selbstständig durchgeführten Feldstudien vor allem den persönlichen Lernweg und Erkenntnisprozess reflektieren.

Die Einsichten auch in den inneren Prozess der universitären Lehre waren der Grund dafür, dass die Tagungsleitung an den Autor herantrat und um eine kritische Einschätzung der persönlichen Wahrnehmungen bat sowie um die Identifizierung problematischer Sachverhalte im Übergang von erster und zweiter Phase der Lehramtsausbildung.

Natürlich kann der Verfasser nur für sich und sein begrenztes kollegiales Umfeld sprechen. Das persönliche Fazit für das reichliche Jahr Referendariats ist zunächst folgendes: Das Referendariat ist eine Ausbildung, die diesen Namen verdient! Eine Ausbildung mit echter Verantwortung vom ersten Tag an; mit Seminaren, die – durchaus theoriegeleitet – sinnvolle praxisorientierte Hilfestellungen geben; mit Seminarleitern, die zwar mit ihren hohen Ansprüchen nicht hinterm Berg halten, bei aller Kritik aber zumeist motivierend wirken und Unterstützungsbereitschaft signalisieren.

Als weniger positiv erscheinen folgende Tatsachen: Der Unterricht wird in mehr oder weniger hohem Maß auch von den Vorlieben der anleitenden Lehrkräfte und Seminarleiter beeinflusst. Mag der eine lebhafte Aktivitäten wie Rollenspiele, legt ein anderer das Gewicht auf intensive Textarbeit. Ist dem einen die Medienarbeit relativ unwichtig, moniert ein anderer eine nur leicht schief projizierte Folie... Referendare haben in schulischen Konferenzen kein Stimmrecht, sind aber verpflichtet, an diesen regelmäßig teilzunehmen. Referendare, die ihre Ausbildung an zwei Schulen absolvieren, müssen damit zusätzliche Präsenz- und Fahrtzeiten einkalkulieren. Gleichwohl ist nicht zu verschweigen, dass die Arbeitsbelastung phasenweise, sprich: vor anstehenden Unterrichtsbesuchen, immens hoch ist.

Persönlich kann ich Horrormeldungen von furchtbaren Klassen, anleitenden Lehrern, Seminarleitern und Schulleitern nicht bestätigen, habe aber im unmittelbaren kollegialen Umfeld von solchen Erfahrungen gehört (Zitat: „Da [im Telefongespräch mit einer anleitenden Lehrerin, Anm. d. Verf.] bin ich heulend zusammengebrochen.“). Dies macht das Problem der Zufälligkeit deutlich, die für den Autor eindeutig eine Schwachstelle der Organisation des Referendariats darstellt. Variablen wie Fächerkombinationen, Schulformen, die Zuweisung von Seminarleitern sowie von anleitenden Lehrkräften – deren Motivation, Lehramtsanwärter über ihr beträchtliches Arbeitspensum hinaus zu betreuen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist – und nicht zuletzt die Klasse(n), in denen man unterrichtet, bestimmen gerade am Anfang der Ausbildung den Grad an Selbstsicherheit, Motivation und Zufriedenheit. Hier kann gerade zu Beginn des Referendariats erheblicher und lange nachwirkender Schaden angerichtet werden.

3 Identifizierte Probleme

Nach diesen eher persönlichen Wahrnehmungen sollen einige strukturelle Probleme der Referendariatsausbildung skizziert werden, die im Rahmen der Vorbereitung der Hochschultage 2011 in Osnabrück identifiziert wurden.

3.1 Unzureichende Passung der universitären Lehrveranstaltungen in Bezug auf den gartenbaulichen Unterricht

Dass die Konzeption von universitären Lehrveranstaltungen und deren Abstraktionsniveau sich vom Unterricht in der Schule deutlich unterscheidet, ist weder neu, noch an sich übermäßig problematisch. Diese Konzeption bewährte sich so lange, wie an der Berufsbildenden Schule fächersystematisch unterrichtet wurde – so lange also, wie etwa die Inhalte der Vorlesung „Phytomedizin“ durch die didaktische Reduktion Gegenstand des Unterrichtfachs „Pflanzenschutz“ wurden. Zeitgemäßer Unterricht folgt aber dem didaktischen Konzept der Handlungsorientierung. Inwieweit sich daher das Lernen an der Universität und die Arbeit im Unterricht unterscheiden, zeigt die nachfolgende Gegenüberstellung:

Tabelle 1: Gegenüberstellung der Ausbildungskonzepte (eigene Darstellung)

Universität

Berufsschule

Fachlogik

Handlungslogik

fachsystematisches Vorgehen

ganzheitliche, handlungsorientierte Arbeitsaufgabe

Erwerb von Fachwissen

Erwerb von Arbeitsprozesswissen


Im Zuge des Paradigmenwechsels vom Lernziel- zum kompetenzorientierten Unterricht kommt das althergebrachte System an seine Grenzen. Relevant für den heutigen Unterricht ist ein fächerübergreifendes und vor allem arbeitsprozessorientiertes Vorgehen. Verstärkt wird also Wert darauf gelegt, dass die Auszubildenden ihren Arbeitsprozess im Sinne der ablaufenden Arbeitsschritte, der benötigten Werkzeuge und Materialien sowie der zu treffenden Maßnahmen des persönlichen Arbeitschutzes planen, durchführen und überprüfen – also lernen, beruflich selbstständig zu handeln. Einer universitären Fachlogik steht also eine Handlungslogik im Unterricht gegenüber, auf die sich der frischgebackene Referendar erst einmal einstellen muss.

Das unterschiedliche Vorgehen macht sich auch an dem relativ neuen Konzept der kompetenzorientierten Arbeits- und Lernaufgaben bemerkbar. Früher behandelte man Schritt für Schritt überwiegend deduktiv die fachlichen Aspekte einer Thematik. Um beim Beispiel Pflanzenschutz zu bleiben: abiotische Schadursachen, biotische Schadursachen, Maßnahmen, des integrierter Pflanzenschutz etc.

Nach dem neuen Konzept werden nun auf Basis einer konkreten, beruflichen Handlungssituation mehrere Themengebiete gleichzeitig bearbeitet und am Ende steht ein Produkt. Nachfolgend ist ein Beispiel für solch eine Arbeitsaufgabe aufgeführt, die durch weitere Lernaufgaben strukturiert und konkretisiert werden könnte: „Ein Kunde ihrer Firma ruft an: Die kürzlich von Ihnen gepflanzten Rosen zeigen schwarze Flecken auf den Blättern. Was soll ich tun? Ihr Chef beauftragt Sie, sich den Schaden anzusehen und geeignete Maßnahmen einzuleiten. Wie gehen Sie vor? Erstellen Sie ein Infoblatt, das den Kunden über die häufigsten Rosenkrankheiten informiert und sowohl prophylaktische als auch konkrete Bekämpfungsmaßnahmen aufzeigt.“

3.2 Unzureichende Verwertbarkeit der pädagogischen Studienanteile

In den Studienordnungen für Lehrämter dominierten bisher die fachwissenschaftlichen Veranstaltungen. Doch wie steht es um die pädagogischen bzw. berufswissenschaftlichen universitären Veranstaltungen? Hier wurden und werden oftmals lediglich Theorien über Menschenbilder, lernpsychologische Abläufe, didaktische Ansätze etc. entfaltet. Dies alles war und ist sinnvoll im Rahmen der Horizonterweiterung und in Bezug auf ein Metawissen über den Unterricht.

Ebenso wie in den fachwissenschaftlichen Veranstaltungen wird überwiegend Wissen abgefragt oder die Darstellung wissenschaftlicher Ansätze im Rahmen von Hausarbeiten verlangt. Wie man aber in einer Klasse mit den unterschiedlichsten Problemen und kulturellen Vorrausetzungen selbstbewusst auftritt oder wie man seine eigenen Fähigkeiten kritisch reflektiert, lernt man hier zumeist nicht. Als völlig unzureichend müssen auch die Einblicke in die Problematik des sprachsensiblen Unterrichts bewertet werden sowie der Umgang mit lernschwachen Schülerinnen und Schülern. Hier besteht Handlungsbedarf.

3.3 Unzureichende Passung der ersten und zweiten Phase der Lehramtsausbildung

Im Hinblick auf den Übergang von der Universität zur schulpraktischen Ausbildung ist dem Verfasser in einem Workshop Folgendes aufgefallen: Während sich Berliner Lehramtsanwärter primär an der Schule verorten, ist dies etwa in Rheinland-Pfalz nicht der Fall. Hier wird „das Seminar“ als primärer Ausbildungsort angesehen. Zu Beginn der Ausbildung dominieren Seminarveranstaltungen, die man von der Universität her gewohnt ist, und Hospitationen. Die Lehramtsanwärter werden langsam an ihr neues Betätigungsfeld herangeführt, der Übergang von der Universität zur Schule erscheint harmonischer als in Berlin. Dort folgt auf das schulferne Studium die schnelle Einbindung in die volle Unterrichtsverpflichtung von vier Blöcken (= acht Stunden).

Sicherlich spricht vieles für eine schnelle Einbindung in das komplexe Schulgeschehen und die individuelle Erprobung von Gelerntem in der Praxis. Dem Verfasser erscheint aber das angesprochene Konzept des langsamen und begleiteten Übergangs vorteilhafter, zumal die Unterrichtsplanung kaum Gegenstand universitärer Veranstaltungen ist und erst gelernt werden muss.

Die Konzeption der Fachseminare und des Hauptseminars zielen auf eine theoriegeleitete Begleitung der Unterrichtspraxis ab. Dies ist gut und richtig. Problematisch erscheint jedoch, dass die Inhalte der erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Lehrveranstaltungen nur rudimentär aufgegriffen werden. Gleichzeitig scheinen manche Universitätsdozenten seit ihrer eigenen Schulzeit keinem schulischen Unterricht mehr beigewohnt zu haben. Für sie steht Wissenschaftlichkeit weit vor praktischer Verwertbarkeit.

Unstrittig ist, dass beide Ausbildungsorte ihr eigenes Profil haben – und haben müssen. Kooperationen existieren auf der Basis von Eigeninitiativen. Meines Erachtens sollte der Austausch und sollten verbindliche Kooperationen der Protagonisten beider Institutionen auf Augenhöhe verpflichtend sein und auch in Verordnungen festgehalten werden.

In Hamburg wird gegenwärtig ein Ausbildungsmodell auf den Weg gebracht, das festlegt, dass schon die Studierenden an der Schule und im schulpraktischen Seminar ausgebildet werden. Natürlich ist auch dies keine Garantie für eine gute Kooperation der beiden Ausbildungsorte. Das kurz vor der Erprobung stehende Konzept kann aber aus meiner Sicht den Übergang vom Studium in die Schulpraxis erleichtern.

3.4 Unzureichende Einheitlichkeit der schulpraktischen Ausbildung

Nicht nur die beiden Ausbildungsinstitutionen – Universität und schulpraktisches Seminar – arbeiten unterschiedlich. Auch die Ausbildung innerhalb der zweiten Phase erscheint nicht aus einem Guss.

Die Hauptseminarleiter des 6./7. Schulpraktischen Seminars treffen sich regelmäßig zu Dienstbesprechungen mit den Fachseminarleitern. Gemeinsame Einigungen werden protokolliert. Es existiert also eine Hauptlinie in der Ausbildung nach kompetenzorientierten Standards. Dennoch treten kleinere Unstimmigkeiten und unterschiedliche Interpretationen auf, die bei den Referendaren für Verwirrung sorgen. So etwa die Frage, wann eine Schülerarbeit ein Zwischenprodukt, ein Produkt oder kein Produkt ist. Mündliche Äußerungen, die der Schüler „nicht nach Hause tragen kann“ sind eigentlich keine Produkte im beruflichen Unterricht. Im Englischunterricht, der gerade auch auf mündlichen Kommunikationsprozessen basiert, dann aber wohl doch.

Ein Plakat ist auch nach der Präsentation nur ein Zwischenprodukt. Erst wenn es abgeschrieben, evaluiert oder im Rahmen eines Transferauftrags verwendet wurde, wird es zum Schülerprodukt.

Trotz der erwähnten gemeinsamen Hauptlinie und der Prüfungsordnung für das Referendariat, die den Fachseminaren die Thematisierung bestimmter Aspekte vorgibt, existieren keine einheitlichen Standards im Sinne verbindlicher Seminarcurricula für die Fachseminarleiter. Die Seminarleiter können weitgehend nach eigenem Gusto vorgehen. Das führt im schlimmsten Fall zur Besprechung veralteter Fachliteratur bis hin zu gemeinsamem Ablästern über die Seminarklasse.

Im besten Fall können jedoch gerade diese Freiheiten in der Seminargestaltung positive Resultate zeitigen. Neben Referaten zu didaktischen Schwerpunkten, die über die Theorie hinaus auch auf die Darstellung der eigenen Praxis abzielen, wird der Unterricht in der Seminarklasse gemeinsam auf positive Aspekte und Schlüsselmomente hin analysiert. Zudem werden aktuell anstehende Probleme und Fragen aufgegriffen, z.B. die Konzeption und Bewertung von Klassenarbeiten. Die Referendare werden an der inhaltlichen Halbjahresplanung der Fachseminare beteiligt.

Auch hier wird wieder das Problem der Zufälligkeit deutlich. Die dargestellte Bandbreite der Seminararbeit zeigt, dass die Lehramtsanwärter in unterschiedlichem Maß von der Arbeit im Fachseminar profitieren können, dem sie zugeteilt wurden. Und nicht immer besteht die Möglichkeit, das Seminar zu wechseln.

Die Beispiele verdeutlichen die Problematik des Übergangs von der ersten in die zweite Ausbildungsphase. Mein Zwischenfazit: Es sind die strukturellen Unterschiede der Anforderungen im Studium, der Arbeitsweisen im Unterricht und der schulpraktischen Ausbildung allgemein, die starke Reibungsverluste erzeugen und die Teilnehmer mitunter überfordern können.

Welche Lösungsansätze lassen sich dem entgegensetzen? Oder anders gefragt: Wodurch kann Referendaren der Übergang in die zweite Ausbildungsphase erleichtert werden? Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen des Fachseminars Agrarwirtschaft wurden nachfolgende Anregungen und Forderungen herausgearbeitet. Interessant dabei ist, dass weniger die schulpraktische Ausbildung als primär das Lehramtsstudium reformbedürftig erscheint.

4 Lösungsansätze

4.1 Orientierung vor dem Studium / Beginn des Studiums

Nicht neu ist die Forderung nach Eignungstests für die Interessenten eines Lehramtsstudiums. Nach wie vor gibt es Befürworter von Tests des Stimmvolumens und der Stresstoleranz. Aber was kann darüber hinaus getestet werden? Würde ein solches Verfahren nicht die individuelle Entwicklungsmöglichkeit, die Dimension des erlernbaren Handwerks vernachlässigen? Eine Alternative sind möglicherweise Auswahl- und Beratungsgespräche, die von einigen Universitäten bereits durchgeführt werden.

Unstrittig ist, dass Interessenten von Seiten der Universität mehr über die tatsächlichen Aufgaben des Lehrers aufklärt werden sollten. Mitunter hat es den Anschein, dass etliche Studienanfänger auf dem Immatrikulationsantrag relativ leichtfertig „Lehramt“ ankreuzen.

Auch die Forderung nach höheren Anteilen an Schulpraxis ist nicht neu. Ausnahmslos alle Kollegen fanden es wünschenswert, in den ersten Semestern nicht nur das kurze Orientierungspraktikum zu absolvieren, sondern über mehrere Semester in das tatsächliche Unterrichtsgeschehen involviert zu sein. Was utopisch scheint, ist hier und da durchaus schon Praxis – allerdings keineswegs flächendeckend.

Eine Seminarleiterin berichtetet von ihren eigenen Fachdidaktikveranstaltungen im Studium: Einmal pro Woche seien die Studierenden an die Schule gegangen, um eine ihnen zugeteilte Lehrkraft zu begleiten. Für diese sei kein übermäßiger Aufwand entstanden. Im Gegenteil: Mittelfristig sei sie sogar entlastet worden, da sie von den Studierenden mit der Zeit verstärkt Unterstützung erhielt.

Obwohl in dieser Praxis meines Erachtens auch gewisse Nachteile liegen – z.B. eine gewisse Festlegung (die erste Prägung kann ja entscheidend sein) auf ein möglicherweise begrenztes Repertoire an Sozialformen, Methoden und Medien – erscheint eine in das Studium integrierte, durch festgelegte Leistungen abrechenbare, längerfristige Hospitanz/Aktivität an der Schule durchaus sinnvoll. Gerade im Hinblick auf die realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und auf den späteren Übergang in den Schulalltag, da der Lehramtsanwärter – so er im Bundesland Berlin verbleibt – zumindest die Struktur und Unterrichtsweise an den Oberstufenzentren kennt und im besten Fall die Bekanntschaft mit zahlreichen Lehrkräfte erneuern kann.

In diesem Zusammenhang scheint das erwähnte Hamburger Modell zukunftsweisend.

4.2 Inhalte des fachwissenschaftlichen Studiums

Als wünschenswert wird von einigen Lehramtsanwärtern die Abstimmung der Fachinhalte des Studiums mit den Rahmenplänen der Schulen angesehen. Dabei solle aber die Wissenschaftlichkeit des Studiums erhalten bleiben. Hier scheint nicht weniger als die Quadratur des Kreises verlangt zu werden. Da die Rahmenpläne von Bundesland zu Bundesland verschieden sind und die Umsetzung des Lernfeldkonzepts unterschiedlich weit gediehen ist, kann eine solche thematische Verengung nicht Aufgabe und Anspruch der Universität sein.

Was die Universitäten indes anbieten sollten, sind fachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen speziell für Lehramtsanwärter. Hier sollten, statt abstrakte Fachzusammenhänge darzustellen, Fachinhalte, z.B. der Bau von Wegen, Spielplätzen oder Wasseranlagen, in Hinblick auf den Arbeitsprozess von der Baustelleneinrichtung bis zur Abnahme erarbeitet werden.

4.3 Inhalte des fachdidaktischen Studiums

Bei den hier angesprochenen Punkten stellt sich jeweils die Frage, inwieweit eine Kompetenzvermischung zwischen universitären Fachdidaktikveranstaltungen und den Seminaren der schulpraktischen Ausbildung wünschenswert, ja notwendig erscheint:

Gefordert wird von den Lehramtsanwärtern, schon während des Studiums Unterricht zu planen und Unterrichtsmaterialien zu erstellen. Dies könnte im Rahmen der Vorbereitung auf das Unterrichtspraktikum stattfinden. Die Materialien aller Teilnehmer, gesammelt auf einer CD-Rom oder DVD, könnten ein „Startpaket“ für das Referendariat darstellen und damit dessen Beginn erleichtern.

Ein weiterer Wunsch vieler Lehramtsanwärter ist, dass Aspekte der Unterrichtspraxis wie Bewertung, Umgang mit Unterrichtsstörungen etc. schon Gegenstand der fachdidaktischen Veranstaltungen sind.

Wie bereits angemerkt hat jede Institution ihren spezifischen Auftrag. Wenn es aber im Rahmen fachdidaktischer Veranstaltungen möglich ist – warum nicht? Warum nicht einmal ein Rollenspiel zur Übung und Verdeutlichung von Unterrichtsstörungen durchführen?

Vor dem Hintergrund einiger dieser Forderungen erscheint der Ansatz der Mitarbeiter des Fachgebietes FD Bautechnik und Landschaftsgestaltung am Institut für berufliche Bildung und Arbeitslehre an der TU Berlin sehr positiv.

Im Rahmen der ersten Unterrichtsversuche im Praktikum werden von den Studierenden Videomitschnitte erstellt, die später umfassend auf Auftreten, Stimmeneinsatz und weitere Aspekte hin analysiert werden. Zur Kooperation und Teamentwicklung der Seminarteilnehmer untereinander regt ferner die Internetplattform „BauLandschaft-Wiki“ an. Hier werden Arbeitsprodukte gesammelt, Absprachen getroffen und Erfahrungen ausgetauscht.

Weshalb die Akteure der Ausbildungsinstitutionen gemeinsame Absprachen treffen sollten, zeigt auch die Forderung nach der Vereinheitlichung der Unterrichtsentwürfe, sowohl für das Unterrichtspraktikum als auch für das Referendariat. Damit wüssten die Studierenden schon, was im Referendariat auf sie zukomme.

Eine Angleichung ist sicherlich wünschenswert, jedoch verlassen zahlreiche Studierende nach dem Studium das Land Berlin. Sollten die Universitätsdozenten deutschlandweit an jedem Seminar die häufig Änderungen unterworfenen Standards für die Entwürfe abfragen? Wohl kaum. Gleichwohl gibt es die Möglichkeit, in Berlin diese Angleichung vorzunehmen.

5 Fazit

Die Darstellungen einiger Problemlinien in diesem Beitrag haben gezeigt: Die Anfänger im Referendariat empfinden eine große Belastung nicht allein durch das hohe Arbeitspensum, sondern auch dadurch, dass in beiden Ausbildungsabschnitten unterschiedlich gearbeitet respektive ausgebildet wird.

Die Ausführungen haben die unterschiedlichen Arbeits- und Ausbildungsweisen dargestellt. Es ist deutlich geworden, dass sich die Protagonisten beider Seiten auf Augenhöhe begegnen müssen, um eine bessere Verzahnung von erster und zweiter Ausbildungsphase zu erreichen.

Das Lehramtstudium in den beruflichen Fachrichtungen sollte den Paradigmenwechsel zum arbeitsprozessorientierten, handlungsorientierten Vorgehen soweit wie möglich in speziell für Lehramtsstudierende ausgerichteten Lehrveranstaltungen nachvollziehen.

Die Dozenten der Fachdidaktik sollten den Schulterschluss mit den (Fach-)Seminarleitern suchen, um die Studierenden gezielter auf das Referendariat vorzubereiten als dies gegenwärtig der Fall ist.

Die genannte Begegnung auf Augenhöhe darf nicht zufällig und im Rahmen der Eigeninitiative einiger Engagierter stattfinden, sondern sollte, um mehr Verbindlichkeit zu erzeugen, in Verordnungen gegossen werden.

Der Verfasser ist davon überzeugt, dass eine Harmonisierung der Arbeits- und Ausbildungsweisen beider Phasen manche Reibungsverluste verringern und somit die gefühlte Belastung reduzieren könnte. Spannung und Abwechslung werden noch genügend durch Wechselfälle, Zufälle und Bewährungsproben gesichert, die dafür sorgen, dass die Lehramtsanwärter in der Ausbildung auch persönlich wachsen.


Zitieren dieses Beitrages

BADZIO, L. (2011): Vom Lehramtsstudium ins Referendariat – ein gleitender Übergang? In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 01, hrsg. v. MARTIN, M./ BRÄUER, M., 1-9. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft01/badzio_ft01-ht2011.pdf (26-09-2011).



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