bwp@ Ausgabe 24 - Juni 2013

Didaktik beruflicher Bildung

Hrsg.: H.-Hugo Kremer, Martin Fischer & Tade Tramm

Lernergebnisorientierung und Lernergebniseinheiten in der beruflichen Bildung. Eine theoretische und komparative Einordnung aktueller curricularer Gestaltungsansätze

Die Bezeichnungen „Lernergebniseinheit“ und „Lernergebnisorientierung“ gewinnen für die Entwicklung der curricularen Grundlagen in der beruflichen Bildung seit geraumer Zeit einen markanten Bedeutungsaufschwung. Es werden mit diesen Bezeichnungen typische curriculare Elemente („Lernergebniseinheiten“) und Formulierungs- bzw. Konstruktionsprinzipien („Lernergebnisorientierung“) gekennzeichnet, mit denen didaktische und ordnungspolitische Funktionen verbunden sind.

In dem Beitrag sollen diese aktuellen Gestaltungsansätze curriculumtheoretisch und international-vergleichend erörtert und in Relation zu alternativen Ansätzen gestellt werden. Es werden Potenziale und Grenzen aufgezeigt, schließlich auch, um die hohen (bildungspolitischen) Ziele, die mit diesen Instrumentarien verbunden werden, kritisch zu beleuchten. Die drei folgenden Schwerpunkte werden behandelt:

  • Das Curriculum als Ordnungsmittel und zentrale Größe für die Entwicklung und Veränderung beruflicher Bildung im In- und Ausland;
  • Die Lernergebnisorientierung in der beruflichen Bildung: Didaktische und ordnungspolitische Funktionen eines alternativen Konstruktionsprinzips curricularer Grundlagen;
  • Lernergebniseinheiten in der beruflichen Bildung: Merkmale, Ausprägungen und Funktionen in Deutschland und in ausgesuchten europäischen Ländern.

Dem Beitrag liegen neben den curriculumtheoretischen Bezügen aus der Literatur eigene empirische Untersuchungen zugrunde, hier insbesondere eine Studie zu den Ausprägungen der Learning Outcomes in Europa. Hinzu kommen die Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Begleitung von BMBF-Modellversuchen und Programminitiativen, in denen diese aktuellen Gestaltungsansätze erprobt worden sind. Generell sollen mit dem Beitrag Forschungsdesiderate im Bereich der Didaktik der beruflichen Bildung, hier speziell für die Curriculumforschung, ausgewiesen werden.

Learning outcome orientation and learning outcomes in vocational education. A theoretical and comparative classification of current approaches to curricular design

English Abstract

The terms “learning outcome” and “learning outcome orientation” have been gaining a striking increase in significance for some time now for the development of curricular foundations. With these terms, typical curricular elements (“learning outcomes”) and formulation or construction principles (“learning outcome orientation”) are characterised, with which didactic functions and functions related to regulatory measures are associated.

  • This paper aims to discuss these current approaches to design in curricular theoretical terms and from an international and comparative perspective, and to place them in relation to alternative approaches. Potential and limits are indicated, with the aim of critically illuminating the high (educational political) aims with which these instruments are connected. The three following main areas of focus are dealt with:
  • The curriculum as a regulatory instrument and key factor for the development and changing of vocational education in Germany and in other countries;
  • Learning outcome orientation in vocational education and training: didactic and regulatory functions of an alternative construction principle of curricular foundations;
  • Learning outcomes in vocational education and training: features, characteristics and functions in Germany and in selected European countries.

This paper is based on the curricular theoretical references from the literature, but also on empirical investigations we have conducted, and here in particular on a study on the characteristics of learning outcomes in Europe. Additionally, the paper refers to experience from the academic partnership of BMBF pilot projects and programme initiatives, in which these current design approaches have been tested. In general terms the paper aims to show the gaps in the research in the field of didactics of vocational education and training, here with particular reference to curriculum research.

1 Problemstellung und Aufbau des Beitrages

Die Bezeichnungen „Lernergebnisorientierung“ und „Lernergebniseinheit“ gewinnen für die Gestaltung beruflicher Bildung und speziell für die Entwicklung der curricularen Grundlagen seit geraumer Zeit einen markanten Bedeutungsaufschwung. Es werden mit diesen Bezeichnungen ein didaktisch-curriculares Konstruktionsprinzip („Lernergebnisorientierung“) sowie typische curriculare Elemente („Lernergebniseinheiten“) gekennzeichnet. Aktuell stehen auch die „Bildungsstandards“, „Learning Outcomes“ und die „Outcomeorientierung“ im Blickfeld der curricularen Gestaltung beruflicher Bildung, schon etwas länger die „Kompetenzorientierung“, die „Lernfeldorientierung“ oder die „Modularisierung“. Es werden in diesen Veränderungsschritten und Modernisierungsdiskursen die Entwicklungsprinzipien und die Strukturkonzepte curricularer Grundlagen verhandelt. Die Lernergebnisorientierung und die Entwicklung von Lernergebniseinheiten bestimmt in Deutschland zunehmend die Ordnungsarbeit. Die didaktischen und ordnungspolitischen Funktionen, die curriculare Grundlagen erfüllen sollen, werden damit neu gewichtet und ausgerichtet.

In dem vorliegenden Beitrag werden diese aktuellen Gestaltungsansätze curriculumtheoretisch und international-vergleichend erörtert und in Relation zu alternativen Ansätzen gestellt. Es werden ihre erwarteten Potenziale aufgezeigt und gewürdigt. Darüber hinaus werden die Grenzen eingeschätzt, schließlich auch, um die hohen (bildungspolitischen) Erwartungen, die mit diesen Ansätzen verbunden werden, zu reflektieren.

In Kapitel 2 werden die grundsätzlichen Funktionen der curricularen Grundlagen in der beruflichen Bildung skizziert, um die Bedeutung der Ordnungsmittel und damit das vorliegende Thema und dessen Relevanz zu begründen. Die Entwicklung und Neuordnung curricularer Grundlagen ist das zentrale Mittel zum Zwecke der Veränderung und Modernisierung beruflicher Bildung im In- und Ausland. Auch deswegen ist das Curriculum als Forschungsgegenstand in der beruflichen Didaktik hervorzuheben. In Kapitel 3 erfolgt die curriculumtheoretische Einordnung des Ansatzes der Lernergebnisorientierung, der grundsätzlich nicht neu ist. In Kapitel 4 wird der Ansatz der Lernergebniseinheiten in der beruflichen Bildung vergleichend erörtert, und zwar als ein alternatives curriculares Strukturierungsprinzip.

Dem Beitrag liegen vor allem international-vergleichende Untersuchungen zugrunde, einerseits auf der Basis der Analyse relevanter Sekundärliteratur und insofern mit Blick auf den Diskurs über die Curriculumentwicklung in der beruflichen Bildung, andererseits und ergänzend unter Einbezug der Ergebnisse empirischer Erhebungen zum Zwecke der Erfassung der Ausprägungen beruflicher Curricula und speziell der „Learning Outcomes“ in verschiedenen Ländern in Europa (vgl. ausführlich: FROMMBERGER/ KRICHEWKY 2012). Hinzu kommen die Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Begleitung der BMBF-Pilotinitiative DECVET, in der diese aktuellen Gestaltungsansätze im deutschen Kontext weiterentwickelt und erprobt worden sind (vgl. BMBF 2012). Generell sollen mit dem Beitrag Forschungsdesiderate im Bereich der Didaktik der beruflichen Bildung, hier speziell für die Curriculumforschung, ausgewiesen werden.

2 Das Curriculum als Ordnungsmittel und zentrale Größe für die Entwicklung und Veränderung beruflicher Bildung

Im Zusammenhang des vorliegenden Beitrages wird das Curriculum als schriftlich festgehaltene Dokumentation gewünschter Aus- und Weiterbildungsprozesse verstanden („intendiertes Curriculum“ bzw. „written curriculum“). Als solches ist das Curriculum in der beruflichen Bildung etwa in Form von Rahmenlehrplänen und Ausbildungsordnungen zu finden. Zu unterscheiden ist diese Bedeutung des Curriculumbegriffs nach IEA (2010) einerseits von den in Unterricht und Ausbildung tatsächlich angebotenen Inhalten („implementiertes Curriculum“ bzw. „taught curriculum“), andererseits von den schließlich erreichten Ergebnissen der intendierten und angebotenen Lehr-Lern-Prozesse („erreichtes Curriculum“ bzw. „achieved Curriculum“). Mit dem intendierten Curriculum wird insofern das Curriculum als Institution näher in den Blick genommen (vgl. SLOANE 2010), also als Regulativ bzw. Norm des Handelns in Unterricht, Ausbildung und Prüfung. Häufig wird auch von einem Ordnungsmittel gesprochen.

In der Curriculumforschung, die das intendierte Curriculum zum Gegenstand macht, stehen zwei Erkenntnisrichtungen im Mittelpunkt der Betrachtung. Einerseits wird die Gewinnung, Auswertung und Deutung erfassbarer Informationen zum Zwecke der Beschreibung, Differenzierung und Erklärung existierender Curricula in der beruflichen Bildung verfolgt (Curriculumanalyse), andererseits zum Zwecke der Entwicklung und Implementation curricularer Elemente in der beruflichen Bildung (Curriculumkonstruktion) (vgl. PÄTZOLD/ REINISCH 2010). Es dominieren im Rahmen der Curriculumforschung in der Berufsbildungsforschung die Arbeiten zu den Fragen der Curriculumkonstruktion, traditionell auch als Curriculumentwicklung bezeichnet. Teil der Curriculumentwicklungsarbeit ist die Qualifikationsforschung. Die wissenschaftlich fundierte Entwicklung curricularer Grundlagen ist für die ordnungspolitische Aufgabenwahrnehmung und Gestaltung von wichtiger Bedeutung. Für die Weiterentwicklung der theoretischen Grundlagen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik wäre aber vor allem eine stärkere Ausrichtung auf die Curriculumanalyse wünschenswert (vgl. auch REINISCH 2003). Die wissenschaftliche Untersuchung des implementierten Curriculums ist der Unterrichtsforschung zu subsumieren (vgl. für die Berufsbildung hierzu NICKOLAUS/ WUTTKE 2010); die Bildungs- und Berufsbildungsforschung, die sich den tatsächlich erreichten Ergebnissen, nach der obigen Definition dem erreichten Curriculum, widmet, firmiert überwiegend unter dem Begriff der Kompetenzforschung, etwa im Rahmen der Planung von Large Scale Assessments in der beruflichen Bildung (vgl. hierzu NICKOLAUS 2011).

Dort, wo die berufliche Bildung modernisiert bzw. „neugeordnet“ wird oder dort, wo sie aufgebaut und entwickelt werden soll, zum Beispiel im Kontext der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit, sind die Entscheidungsfragen der Curriculumentwicklung von besonderer Wichtigkeit. Die Beziehung zwischen den individuell zu bewältigenden Lebenswelten (hier vor allem in Arbeit und Beruf) und den darauf vorbereitenden und organisierten Lern-, Ausbildungs- und Evaluationsprozessen in Schule und Betrieb wird durch das intendierte Curriculum hergestellt und vermittelt (vgl. HUISINGA 2010). In den Ordnungsmitteln wird manifestiert, was die Lernenden mindestens oder insbesondere wissen, verstanden und können (und insofern lernen) sollten, um in der Lage zu sein, sich in typischen privaten und beruflichen Anforderungssituation möglichst erfolgreich zu verhalten.

Daher ist das Curriculum von höchster Relevanz für die Planung von Ausbildungs- und Qualifizierungsprozessen. Das Curriculum erfüllt mithin zentrale didaktische und ordnungspolitische Funktionen. In der historischen Entwicklung von Bildungs- und Berufsbildungssystemen sowie im internationalen Vergleich sind die curricularen Grundlagen sehr unterschiedlich ausgeprägt (gewesen). Denn das Curriculum ist nicht allein als eine Art Ableitung erfasster Lebensweltanforderungen zu verstehen, sondern zugleich als ein Ergebnis der Entscheidungen sozialer Akteure und Institutionen zu verstehen (vgl. DEISSINGER 2009). Es wird damit auf den ständigen Wandel der Realitäten und Ansprüche in Wirtschaft und Gesellschaft reagiert. Insofern sind die Fragenkreise der Curriculumforschung und Curriculumentwicklung permanent zu beantworten, um den Realitätsbezug der Ausbildung in Schule und Betrieb nicht zu verlieren.

Mit den Ordnungsmitteln ist eine gesellschaftliche und staatliche Steuerungs- respektive Standardisierungsabsicht verbunden, vor allem zum Zwecke der Festsetzung einer Mindestqualität für Unterricht und Ausbildung sowie der Transparenzschaffung und Vergleichbarkeit der Ausbildungsmaßnahmen und Abschlüsse. In Bezug auf die Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung, in welcher analytisch zwischen den Sequenzen Input, Throughput, Output, Transfer und Outcome unterschieden wird (vgl. EBBINGHAUS 2006; 2009), stellen die Ordnungsmittel insofern eine Rahmenbedingung von Ausbildungsprozessen dar und sind damit ein Faktor, der dem eigentlichen Ausbildungsgeschehen als Input vorgelagert ist. Das heißt, dass auch die aktuell vermehrt praktizierte Konstruktion outcome- bzw. lernergebnisorientierter curricularer Grundlagen (siehe Kapitel 3) zwar eine Maßnahme darstellt, die konzeptionell auf den Output und den Outcome gerichtet, hinsichtlich der Qualitätssicherung jedoch weiterhin Teil der Inputgestaltung ist. Eine konsequente Outcomeorientierung des Berufsbildungssystems ist mit der Umgestaltung der curricularen Grundlagen allein also nicht zu erreichen. Diese liegt vor allem im Blick auf die Erfassung der Effekte und Wirkungen beruflicher Bildungsmaßnahmen, einschließlich der individuellen Kompetenzentwicklungen. Das Curriculum kann für die strukturelle Verankerung dieser Blickrichtung jedoch eine wichtige Voraussetzung darstellen.

3 Die Lernergebnisorientierung in der Ordnungsmittelentwicklung in der beruflichen Bildung.

3.1 Einordnung der Lernergebnisorientierung

Im Rahmen der Lernergebnisorientierung bestimmen die gewünschten Ergebnisse der Lehr-Lernprozesse die Formulierungsanlage der curricularen Elemente. Es sind also die im Anschluss an einen Lernprozess erreichten und grundsätzlich überprüfbaren individuellen Verhaltensdispositionen, die deskriptiv formuliert und zugleich als vorweggenommene „Lernergebnisse“ quasi präskriptiv in Form curricularer Standards festgeschrieben werden.

Lernergebnisse werden auf der berufsbildungspolitisch geprägten Gestaltungsebene aktuell als Aussagen darüber verstanden, was Lernende wissen, verstehen und in der Lage sind zu tun, nachdem ein Lernprozess abgeschlossen ist (vgl. EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES 2008). Aussagen über Lernergebnisse können (und müssen schließlich) aus didaktischen und ordnungspolitischen Erwägungen qualitativ unterschieden werden. Hierfür sind transparente Unterscheidungskriterien notwendig. In einer aktuell geläufigen Unterteilung, die im Rahmen der Entwicklung des Europäischen Qualifikationsrahmens verwendet wird und welche die Curriculumentwicklung derzeit auch in der beruflichen Bildung tangiert, wird das Spektrum der möglichen Lernergebnisse horizontal den Verhaltensdispositionen Kenntnisse, Fertigkeiten und/oder Kompetenzen zugeordnet und mithilfe einer näheren Bestimmung in mehrere Niveaustufen unterschieden. Kenntnisse werden verstanden als die Gesamtheit der Fakten, Grundsätze, Theorien und Praxis in einem Arbeits- oder Lernbereich und werden als Theorie- und/oder Faktenwissen beschrieben (know-why / know that; competency); Fertigkeiten sind bezogen auf die Anwendung von Wissen, um Aufgaben auszuführen und Probleme zu lösen (know-how) und werden als kognitive Fertigkeiten (logisches, intuitives und kreatives Denken) und praktische Fertigkeiten (Geschicklichkeit und Verwendung von Methoden, Materialien, Werkzeugen und Instrumenten) beschrieben; Kompetenz bezeichnet in der hier zitierten Empfehlung die nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten in Arbeits- oder Lernsituationen und für die berufliche und persönliche Entwicklung zu nutzen; sie wird im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbstständigkeit beschrieben. Das Ausmaß und die Qualität dieser Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen entscheiden über die Niveauzuordnung einer Lernergebniseinheit (siehe Kapitel 4) oder eines Bildungsabschlusses. Dieses hier zitierte Rahmenwerk zur Unterscheidung der Aussagen über Lernergebnisse ist jedoch kein allgemein gültiges, theoretisch gesichertes und empirisch gehaltvolles Konstrukt. Es stellt vielmehr ein berufsbildungspolitisch akzeptiertes Verständnis dar. So werden im Zuge der Entwicklung nationaler Qualifikationsrahmen durchaus sehr verschiedenartige Rahmenwerke entwickelt, die den nationalen Vorstellungen bzw. Traditionen zur Unterscheidung und Hierarchisierung von individuellen Verhaltensdispositionen und Verhaltensäußerungen folgen. Im Kontext der Entwicklung so genannter Kompetenzstrukturmodelle und zugehöriger komplexer und differenzierter Aufgabenformaten wird derzeit versucht, die Belastbarkeit der konzeptionell vorgenommenen Unterscheidungen von Verhaltensdimensionen und Verhaltensstufen zu erhöhen (vgl. WINTHER 2011).

Ein alternatives Prinzip zur Lernergebnisorientierung stellt die Lernzielorientierung dar, das viele Jahrzehnte die Formulierung der Elemente curricularer Grundlagen bestimmt hat. Die Lernzielorientierung, die in den 1960er und 1970er Jahren maßgeblich zur Reform des Bildungs- und Berufsbildungswesens beitragen sollte (vgl. MÖLLER 1995), löste die bis dahin dominierende bloße Auflistung von (meist) fachlich bestimmten Inhaltskatalogen ab, um die Lerngegenstände für Unterricht, Ausbildung und Überprüfung damit näher zu bestimmen und brauchbarer zu machen. Die Lerngegenstände werden im Rahmen der Lernzielorientierung mit Angaben darüber verknüpft, welches beobachtbare Verhalten die Lernenden in Bezug auf den Umgang mit den Lerngegenständen in Lehr-Lernprozessen entwickeln sollen. Für die Planung von Lernprozessen und Prüfungen war diese nähere curriculare Bestimmung zunächst ein Fortschritt, die Lernenden und die Lehrenden wussten sehr viel genauer, wie die Lerngegenstände in Unterricht und Ausbildung zu behandeln waren, zum Beispiel welches Ausmaß der kognitiven Durchdringung angestrebt werden sollte.

Die Aussagen über die Lernziele werden – ebenso wie aktuell die Lernergebnisse – mittels verschiedener Bezugsgrößen dimensioniert und hierarchisiert, um Unterschiede der Lernleistungen für Unterricht und Lernstandüberprüfung transparent festzulegen, so vor allem über die kognitiven und affektiven Dimensionen und etablierte Lernzieltaxonomien. Häufig sind auch in den aktuellen Rahmenwerken zur Unterscheidung der Lernergebnisformulierungen diese Lernzieltaxonomien wiederzufinden, so zum Beispiel die Lernzieltaxonomie nach Bloom (1972) zur Unterscheidung kognitiver Leistungen. Eine zentrale Kritik gegenüber der Lernzielorientierung lag in der Befürchtung, eine zu starke Operationalisierung beobachtbarer Verhaltensweisen verführe zur Realisierung von Lehr-Lern-Prozessen, die behavioristisch geprägten Annahmen von Lernen folgten. Problematisch wäre demnach, dass Lehr-Lern-Prozesse primär auf die Erreichung unmittelbar beobachtbarer und damit eindeutig überprüfbarer Verhaltensäußerungen gerichtet werden könnten – und damit die Vorstellung degradiert werde, Lernen und Bildung soll vor allem zu komplexen individuellen und zugleich nicht unmittelbar beobachtbaren Verhaltensdimensionen führen. Insofern steht also auch die Lernergebnisorientierung im Rahmen der Bestimmung curricularer Elemente vor der Herausforderung, insbesondere solche Lernprozesse zu ermöglichen und zu fördern, die über die Ausrichtung auf eine Überprüfung der unmittelbar erreichten Lernergebnisse weit hinausreichen.

Eine spezielle Ausprägung der Lernergebnisorientierung für die Formulierung curricularer Bestandteile stellt die Kompetenzorientierung dar. Ordnungsmittel werden vermehrt kompetenzorientiert gestaltet (vgl. BETHSCHEIDER/ HÖHNS/ MÜNCHHAUSEN 2011). Im Mittelpunkt der Ausformulierung der Ordnungsmittel stehen damit „Kompetenzen“, mithin eine Variante möglicher Lernergebnisse. Die Verwendung des Begriffs Kompetenzorientierung abstrahiert von der Kärrnerarbeit der Curriculumentwicklung, indem die „Kompetenz“ zur Leitgröße erhoben wird. Einerseits ist diese Strategie der Kompetenzorientierung für die Gestaltung curricularer Elemente nachvollziehbar und begründet, um mit dieser „Zauberformel“ die Ausrichtung auf die Entwicklung individueller Fähigkeiten und Bereitschaften mit den Anforderungen der Lebens- und Berufswelt elegant zu verbinden. Andererseits dominiert hier ein Begriff die Curriculumentwicklung, der eine individuelle Verhaltensdimension kennzeichnet, die nicht direkt beobachtbar ist. Beobachtbar sind bekanntermaßen nur die Performanzen, von welchen mit mehr oder weniger bestätigten Wahrscheinlichkeiten auf die Kompetenzen geschlossen werden können (vgl. BOHLINGER 2011). Eine reine Kompetenzorientierung bliebe also für die curriculare Festlegung gewünschter Verhaltensdimensionen und der damit umrissenen Lehr-Lern-Prozessen viel zu unbestimmt. Tatsächlich werden in der Ordnungsmittelarbeit mithin die Kompetenzen aktuell mit beobachtbaren Lernergebnisformulierungen untersetzt. Kompetenzen können im Zuge dessen zwar Lernergebnisse darstellen, denkbar und realistisch sind daneben jedoch viele andere Lernergebnisse. Von daher sind lernergebnisorientierte curriculare Grundlagen nicht per se kompetenzorientiert.

In traditionellen curricularen Grundlagen, die nicht den Prinzipien der Lernergebnisorientierung oder Lernzielorientierung folgten, wurden allein die Lerngegenstände bzw. fachlichen Inhalte thematisch aufgelistet, mehr oder weniger stark untergliedert. In solchen alten Ausprägungen von Lehrplänen erfolgte keine unmittelbare Verbindung dieser Inhalte mit den Verhaltensdimensionen der Lernenden, wodurch die Lern- und Ausbildungsniveaus allein mit Blick auf das Curriculum im Prinzip nicht unterschieden werden konnten. Diese Unterscheidung erfolgte dann vielmehr in Bezug auf die Ausbildungsinstitutionen und deren allgemeinen Bildungsauftrag. Insofern ist hier die Bedeutung der jeweiligen Bildungsinstitution zentral gewesen. Mit der Lernergebnisorientierung soll diese zwingende Bindung zwischen Lernerfolgen und institutionellen Bedingungen eher gelöst werden, so dass auch diejenigen Personen Lernergebnisse und Abschlüsse erwerben können, die einen typischen Bildungsgang nicht durchlaufen (können).

3.2 Didaktische und ordnungspolitische Funktionen der Lernergebnisorientierung

In der beruflichen Didaktik ist es ein bekanntes Problem, dass ein berufliches Curriculum, das eine Vorwegnahme von Lern- und Überprüfungsprozessen darstellt, nicht gleichzusetzen ist mit dem erreichten Curriculum, also mit den tatsächlich vermittelten oder gar erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten. Um diese Lücke zwischen dem intendierten und den tatsächlich vermittelten und erreichten individuellen Verhaltensäußerungen und -dispositionen besser zu überbrücken, können anstatt der Ziele vielmehr die gewünschten Ergebnisse der Aus- und Weiterbildungsprozesse hervorgehoben werden und die Formulierungsanlage der Curriculumelemente bestimmen. Mit dieser Lernergebnisorientierung im Rahmen der Ordnungsmittelgestaltung werden insofern bereits auf der Ebene des intendierten Curriculums die Lerngegenstände in semantischer Hinsicht sehr viel enger mit den gewünschten bzw. tatsächlichen personalen Dispositionsspielräumen der Lernenden verknüpft. Die Lernenden und deren Entwicklungen und die manifesten Fähigkeiten dieser Lernenden stehen im Mittelpunkt der curricularen Standardisierung von gewünschten Lernprozessen, nicht etwa die abstrahierenden Inhaltskataloge oder stärker indirekt angelegten Soll-Formulierungen. Damit gewinnen der Lernprozess und das Lernergebnis im Rahmen der Beschreibung der curricularen Grundlagen die Vorderhand.

Zugleich wird mit der Lernergebnisorientierung der Output (also die Ergebnisse der Lehr-Lern-Prozesse) sowie der Outcome (also die Verwendungsseite der Lernergebnisse im privaten und beruflichen Verwendungszusammenhang) tangiert und systematisch in die Gestaltung der Inputdimension, also in die Curriculumentwicklung, integriert. Der Erfolg und die Wirkung von Ausbildungsprozessen geraten durch diese Ausrichtung stärker in den Blick und damit wird - quasi indirekt – der Transfergedanken für die Lehr-Lern-Prozesse stärker betont und gefördert. Die Lernenden kennen damit die Anwendungsbezüge der zu erwerbenden Kenntnisse und Fähigkeiten und die Lehrenden stehen – auch aufgrund dieser Transparenz - stärker in der Pflicht, mit den von ihnen verantworten Lehr-Lern-Prozessen auch die gewünschten Lernergebnisse zu erreichen. Es geht mit der Lernergebnisorientierung häufig auch die Erwartung einher, die Lehr- und Lernprozesse könnten die Motivationen und die Lernaktivitäten der Lernenden stärken.

Lernergebnisse bezeichnen also vielmehr als die Auflistung von Inhaltskataloge oder intendierter Lernziele individuelle Verhaltenskomponenten, meist unmittelbar verbunden mit Bezügen zu konkreten fachlichen Aufgaben und Anwendungsbereichen. Dieses Konstruktions- und Formulierungsprinzip kann auch dem pragmatischen Prinzip der Curriculumgestaltung zugeordnet werden (vgl. KÜNZLI 1978, 29). Demnach ist das pragmatische Prinzip dadurch gekennzeichnet, dass die konkreten Erziehungsdimensionen stärker in den Vordergrund rücken. Das zu vermittelnde Wissen orientiert sich relativ deutlich an der Frage, wozu das Wissen dient und welchen anwendungsbezogenen Zweck es erfüllt. Das pragmatische Prinzip wird in der Betrachtung der Unterschiede „didaktischer Kulturen“ grundsätzlich eher der Curriculumtheorie und –praxis des angelsächsischen Raumes zugesprochen (vgl. HOPMANN/ RIQUARTS 1995). Es werden die Begriffe wie “needs based approach” und “curriculum as a cultural map” verwendet. Die Lernerfahrungen stehen im Mittelpunkt der Lehrplanentscheidungen.

Davon unterschieden werden rationalistische Lehrplanprinzipien, die der Diskussion nach eher im deutschen Sprachraum denn im angelsächsischen und angloamerikanischen zu finden seien (vgl. KÜNZLI 1978, 32 f.). Diese führten zur Auswahl und Anordnung von Inhaltsbereichen für den Lehrplan, die zugleich der systematischen Ordnung der menschlichen Rationalität anhängten. Das Gefüge der resultierenden distinkten sinnkonstitutiven Inhalts- und Wissensbereiche ziele auf die Entwicklung der menschlichen Vernunft, und es werde davon ausgegangen, dass in der Wissenschaft die notwendige Systematik des Wissens dafür vorläge. Der eigentliche Vermittlungs- bzw. Aneignungsaspekt, namentlich die Frage, wie der Transfer von Wissen in Verhaltensdispositionen gefördert wird, liegt nach dieser Auffassung in der (von Wissenschaft generierten) Struktur und Hierarchisierung der Wissensbereiche aufgehoben.

Die Lernleistung selbst wird im Rahmen der Lernergebnisorientierung also zu einem Planungselement. Der Lernerfolg wird in der traditionellen Lehrplanarbeit, insbesondere im Rahmen der bloßen Anordnung von Inhaltsbereichen, nicht verantwortlich zugewiesen und im Prinzip in die Verantwortung der Auszubildenden gelegt: “Kontrolliert und zu verantworten ist Plankonformität, nicht aber Planerfüllung” (KÜNZLI 1999, 24). Insofern rückt gegenwärtig die Lern- und Lehrerfolgskontrolle in das öffentliche Interesse, und die Steuerung beruflicher Ausbildung erfolgt vermehrt produktorientiert. Auch Lehrkräfte sollen damit stärker Rechenschaft über die Lehr- und Lernerfolge ablegen.

Mit der Form der Lernergebnisorientierung ist zugleich die (insbesondere bildungs- und ordnungspolitisch geprägte) Annahme (und Erwartung) verbunden, die primäre Formulierung der Ergebnisse von Ausbildungs- und Lernprozessen verbessere die Vergleichsmöglichkeit solcher Lernleistungen, die in verschiedenen Lernkontexten oder außerhalb der jeweils curricular normierten Bildungsgänge, zum Beispiel informell, erworben werden. Damit wird zugleich die Transfermöglichkeit der Abschlüsse und der Teilabschlüsse erhöht. Die Loslösung von der strengen inhaltlichen Kanonisierung und Institutionalisierung, so die Überlegung, könnte den Prozess der Anerkennung und Anrechnung erleichtern, schließlich auch in Form einer „gleichen Sprache“ zum Zwecke der Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Bildungs- und Berufsbildungsteilbereichen und Systemen. Denn die Frage der Gleichwertigkeit und Äquivalenz ist durch die tendenzielle Abstrahierung von den Inhalten eher zu beantworten, die Prüfung auf Äquivalenz kann primär in Bezug auf die Gleichwertigkeit erfolgen, die inhaltlich geprägte Gleichartigkeit ist demnach nicht zwingend.

Diese Bestrebungen der stärkeren Abstrahierung und Loslösung von institutionellen Kontexten folgen aber auch weiteren bildungspolitischen Motiven. So haben sich für das Schul- und Ausbildungssystem in vielerlei Hinsicht Verhaltensweisen verselbstständigt und von den originären Zwecksetzungen von Schule und Ausbildung entfernt. Es ist durchaus beobachtbar, dass die eigentliche Zwecksetzung der Ausbildungsprozesse (Erweiterung der Kenntnisse, des Verstehens, der Fähigkeiten) durch den Prozess des „qualification earning“ substituiert wird, auch bezeichnet als „Diploma Desease“: “Schools used to be for educating people, for developing minds and characters. Today, as jobs depend more and more on certificates, degrees and diplomas, aims and motives are changing. Schooling has become more and more a ritualised process of qualification-earning (DORE 1976; hier zitiert nach LITTLE 1997). Häufig stehen also nicht die Qualifizierungsprozesse im Mittelpunkt der individuellen Verhaltensmotive, sondern der Erwerb von Abschlüssen, die mit Zugangsberechtigungen verbunden sind. Diese Begleiterscheinung, die im Zuge der Entwicklung von Bildungs- und Berechtigungssystemen häufig auftritt, führt zu Bestrebungen, die staatliche Regulierung zurück zu nehmen, beispielsweise, indem Ausbildungs- und Zertifizierungsprozesse wieder geöffnet oder gar liberalisiert werden, um eine stärkere Nähe zu den tatsächlichen Nachfragern nach Qualifikationen herzustellen, weil dadurch – so die wohl gewagte Annahme – wieder das tatsächliche Können und nicht der erworbene Abschluss für die berufliche und schulische Weiterentwicklung an Bedeutung gewinnen könnte.

3.3 Zu den Grenzen der Lernergebnisorientierung

Aus der didaktischen Sicht steht diese zuletzt skizzierte Steuerungsphilosophie der Lernergebnisorientierung vor besonderen Herausforderungen, denn Aussagen über Lernergebnisse sind ohne Bezug auf die Lerngegenstände und die Organisation von Lernprozessen nicht vermittelbar. Für die Lernenden und die Lehrenden erfordern die curricularen Angaben mithin deutliche fachliche Bezüge, andernfalls entsteht eine Form der Beliebigkeit für die Planung und Überprüfung von Lernprozessen bzw. Lernergebnissen. Insofern ist die Strategie der Lernergebnisorientierung immer auch mit dem Risiko verbunden, die institutionelle Verankerung und Gewährleistung von Ausbildungs- und Lernprozessen aus dem Auge zu verlieren. Und damit könnte schließlich auch die Verantwortung für die Gewährleistung von Lernprozessen an die Lernenden zurückgegeben werden. Diese Form der Destandardisierung der Berufsbildung zu vermeiden, ist eine Aufgabe der Akteure und Institutionen, die für die Curriculumentwicklung verantwortlich sind. Es genügt also nicht, die Qualitätssicherung im Rahmen der Lernergebnisorientierung vermehrt auf die Überprüfung der Lernleistungen zu verlagern und eine geringere Standardisierung der Inputs gewissermaßen mit einer stärkeren Kontrolle der Outputs und Outcomes zu kompensieren. Vielmehr sind die Aussagen über Lernergebnisse durchgehend und eng mit den fachlichen Standards der Ausbildungsrichtungen zu verbinden, deren Vermittlung bzw. Erwerb zudem institutionell zu sichern sind.

In der beruflichen Bildung hängen die Kompetenzentwicklung und damit vor allem die beruflichen Entscheidungsfähigkeiten unmittelbar mit der Fachlichkeit zusammen, welche wiederum inhaltlich zu definieren ist. Das Potential von Lern-, Entwicklungs- und Ausbildungsprozessen steht in einer engen Beziehung zu den Gegenständen des Lernens, das heißt zu den Inhalten. Erst bestimmte und sorgfältig ausgewählte Fachinhalte führen zum notwendigen Fachverständnis und auf dieser Basis zum Kompetenzaufbau und zur gewünschten weiterführenden Kompetenz. Der Sinn institutionalisierter Aus- und Weiterbildungsprozesse liegt vor allem darin, diese fachlichen Lernprozesse zu ermöglichen, und zwar nicht nur im Anwendungskontext und damit praxisbezogen, sondern auch in abstrahierenden Lernprozessen und theoriebezogen. Denn eine Ausbildungsordnung für einen Ausbildungsberuf stellte bislang eben nicht ein abbilddidaktisches Konstrukt dar, das die realexistierende Berufswirklichkeit quasi spiegelbildlich transportieren sollte. Vielmehr sind es die berufspädagogischen Imperative, die dieses Konstrukt dem Grunde nach legitimieren. Gelegentlich ist jedoch eine berufsbildungspolitische Entwicklungstendenz wahrzunehmen, mit welcher Aus- und Fortbildungsprofile als reine Abbilder der Berufspraxis verstanden werden. In diesem Falle würde langfristig eine explizite Aus- und Fortbildung obsolet werden und die Qualität der Facharbeiterausbildung ginge verloren. Dann könnten die Auszubildenden auch alternativ „on the Job“ lernen.

4 Lernergebniseinheiten in der beruflichen Bildung

4.1 Der Ansatz der Lernergebniseinheiten im Verhältnis zum deutschen Ausbildungsberufskonzept

Die ausgewählten Bestandteile der Ordnungsmittel und damit die diversen Lern- und Prüfungsgegenstände, die für einen beruflichen Bildungsgang und anerkannten Abschluss als relevant erachtet werden, können verschiedenartig zusammengefasst, angeordnet und in Reihenfolge gesetzt werden. Es wird diesbezüglich von der curricularen Strukturierung und Sequenzierung bzw. der sachlichen und zeitlichen Gliederung der Themengebiete gesprochen. So erfolgt beispielsweise für die Berufsausbildung im Dualen System die sachliche und zeitliche Gliederung der bedeutsamen Lerngebiete im Rahmen eines geordneten Ausbildungsberufes. Die genaue Unterteilung der curricularen Bestandteile erfolgt für die Berufsausbildung im Ausbildungsbetrieb im Ausbildungsrahmenplan, wo die Teile des Ausbildungsberufsbildes über zu vermittelnde Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten präzisiert werden. Für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule erfolgt die Festlegung mittels der Bestimmung und Anordnung von Lernfeldern, in denen die berufsschulischen Lerngebiete des Ausbildungsberufes über Zielformulierungen und Inhaltsauflistungen näher definiert werden.

Die zentrale didaktisch-curriculare Idee dieses Ausbildungsberufskonzeptes liegt in der bundesweiten Standardisierung eines mehrjährigen Ausbildungs- und Unterrichtskanons, welcher von allen Auszubildenden mindestens zu absolvieren und mit einer Gesamtabschlussprüfung erfolgreich abzuschließen ist, um den Facharbeiter-, Gesellen- oder Angestelltenstatus in einem bestimmten Beruf erreichen und den dortigen beruflichen Anforderungen gerecht werden zu können. Zwar finden im Verlaufe der Ausbildung lernbegleitende Rückmeldungsprozesse statt, insbesondere in der Berufsschule, und zunehmend wird auch das Modell der gestreckten Abschlussprüfung verankert. Zudem sind über Vertiefungen, Auswahlmöglichkeiten und Erweiterungen Abweichungen von diesem obligatorischen Mindestkanon möglich, so dass auf betriebliche Spezialisierungen und individuelle Interessenschwerpunkte reagiert werden kann. Doch im Kern verwirklicht das Ausbildungsberufskonzept den didaktischen Anspruch, dass diejenigen, die ein anerkanntes berufliches Abschlusszertifikat erhalten möchten, ein relativ umfängliches mehrjähriges Mindestwissen und –können in Schule und Betrieb zu erwerben haben. Damit ist also auch ein ausgeprägtes ordnungspolitisches Grundverständnis im Rahmen der Standardisierung der Berufsausbildung im Dualen System verbunden, das in Deutschland historisch gewachsen ist und über die traditionelle Berufsausbildung im Handwerk hinaus auch in anderen Sektoren und Branchen Fuß fassen und sich etablieren konnte.

Gemäß der EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 18. Juni 2009 zur Einrichtung eines Europäischen Leistungspunktesystems für die Berufsbildung (ECVET) bezeichnet der Ausdruck „Einheit von Lernergebnissen“ „einen Teil einer Qualifikation, bestehend aus einem kohärenten Satz von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen, der bewertet und validiert werden kann“ (EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES 2009). Insofern handelt es sich um Bestandteile eines Curriculums in der beruflichen Bildung. Eine Lernergebniseinheit ist gemäß dieser Definition Bestandteil eines übergeordneten und weiterreichenden Berufsbildungsganges bzw. eines anerkannten Abschlusses („Qualifikation“). Der Ansatz der Entwicklung von „Lernergebniseinheiten“ („units of learning outcomes“) gewinnt mindestens im Rahmen einer Reihe von Pilotprogrammen und Modellversuchen auch in Deutschland zunehmend eine gewichtige Bedeutung für die Curriculumentwicklung in der beruflichen Bildung. Insofern handelt es sich um ein Beispiel dafür, wie sehr die nationalen Strukturprinzipen in Bildung und Berufsbildung, hier die Ordnungsmittel, durch berufsbildungspolitische Ansätze der Organe der Europäischen Union tangiert und gegebenenfalls nachhaltig verändert werden können.

Lernergebniseinheiten sind - allgemein betrachtet - ebenso wie Ausbildungsberufe als Standards der Organisation sekundärer und damit gesellschaftlich bzw. staatlich intendierter Ausbildung und Erziehung zu verstehen (vgl. OELKERS 2004). Es erfolgt über diese Standards eine inhaltliche und formale Regulierung der Qualifizierung und Zertifizierung im Feld der beruflichen Bildung. In Lernergebniseinheiten wird ein Set von Aussagen über gewünschte Lernergebnisse zusammengefasst, beispielsweise ausgerichtet auf eine typische vollständige betriebliche oder fachlich näher bestimmte Aufgaben- und Handlungssituation. Als thematisch abgeschlossene Lern- und Zertifizierungseinheiten können die Lernergebniseinheiten grundsätzlich fragmentiert und ohne weitere Beziehungen zueinander nebeneinander stehen und Qualifizierungs- und Zertifizierungsprozesse normieren; sie können aber auch inhaltlich und normativ aufeinander bezogen sein, etwa als Bestandteile einer übergeordneten Qualifikation. Zum Beispiel könnten bestimmte Lernergebniseinheiten notwendige Teilsegmente eines anerkannten Ausbildungs- oder Fortbildungsberufes darstellen – so wie es die oben zitierte Empfehlung grundsätzlich vorsieht.

In verschiedenen Modellversuchen und Pilotprojekten in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden Lernergebniseinheiten für typische duale Ausbildungsberufe entwickelt und erprobt (vgl. BMBF 2012; THOMANN/ EBERHARDT 2012). Zu diesen Zwecken wird in Deutschland das Gesamtcurriculum eines Ausbildungsberufes, bestehend aus dem Berufsbild und dem Ausbildungsrahmenplan für den betrieblichen und dem Rahmenplan für die berufsbezogenen Lernfelder des schulischen Teils der Ausbildung, in Lernergebniseinheiten unterteilt. Damit entspricht die Gesamtheit der in den Lernergebniseinheiten beschriebenen Lernergebnisse der im Berufsbild des jeweiligen Ausbildungsberufes festgelegten spezifischen beruflichen Handlungskompetenz. Die Lernergebniseinheiten werden also bislang primär aus den jeweils geltenden Ordnungsmitteln der beiden Lernorte Betrieb und Berufsschule entwickelt. Um die Gültigkeit der zu konstruierenden Lernergebniseinheiten für die Ausbildungspraxis – insbesondere im Betrieb – zu erhöhen, wird sekundär im Rahmen der Modellversuche auch auf die konkreten Anforderungen des Beschäftigungssystems durch Heranziehung betrieblicher Ausbildungsmaterialien, Arbeitsplatzanalysen und Expertengespräche Bezug genommen. Ein Ausbildungsberuf kann mithin aus einer Anzahl von Lernergebniseinheiten zusammengesetzt werden.[1]

Gleichwohl kann der Ansatz der Lernergebniseinheiten ein entscheidendes traditionelles Merkmal des Ausbildungsberufskonzeptes berühren und verändern. Die Erstausbildung im Dualen System wird auf der Basis einer Gesamtabschlussprüfung summativ evaluiert, unterjährige Teilzertifizierungen von Einzelbestandteilen der Ausbildung sind bislang ausgeschlossen. Diejenigen, die eine Berufsausbildung beginnen, sollen die Pflicht und das Recht haben, den definierten Berufsbildungsgang vollständig zu absolvieren und abzuschließen. Damit sollen auch zwischenzeitliche Freisetzungen oder Abbrüche vermieden werden. Da es sich um eine Form der sekundären Erziehung und Ausbildung auf der Ebene der Sekundarstufe II handelt und diese zudem noch der Teilzeitschulpflicht unterliegt, handelt es sich damit auch um eine staatlich regulierte Mindestfürsorge. In der Sicherung dieses vollständig zu erwerbenden Ausbildungsberufes liegt eine wesentliche Funktion der Gesamtabschlussprüfung.

Die Definition der Lernergebniseinheiten schließt hingegen eine separate Prüfung ein und könnte damit prinzipiell den Erwerb von Abschlüssen ermöglichen, die unabhängig von der Gesamtqualifikation sind. Entscheidend für den Erhalt bzw. die nachhaltige Veränderung des Ausbildungsberufskonzeptes ist insofern, inwieweit die Lernergebniseinheiten mit einer separaten Zertifizierung einhergehen, die dazu führt, dass diese als unabhängige Teilabschlüsse einen Tauschwert auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Sofern die Gesamtabschlussprüfung in der dualen Berufsausbildung in ihrer Bedeutung vollständig erhalten bliebe und die Überprüfungen der Lernstände auf der Basis der Lernergebniseinheiten mithin allein zum Zwecke der lernbegleitenden Lernstandmeldung erfolgte, wäre dies kein Widerspruch zum Ausbildungsberufskonzept, sondern mit einer nützlichen didaktischen Rückmeldefunktion verbunden. Doch im Ansatz der Lernergebniseinheiten wird von einer Akkumulation der Lernergebniseinheiten und damit von einem relativ weitgehenden formativen Evaluationsansatz ausgegangen. Hierdurch unterscheidet sich der Ansatz der Lernergebniseinheiten auch von dem Ansatz der so genannten Ausbildungsbausteine, die für diverse Ausbildungsberufe in Deutschland derzeit entwickelt werden: Diese Ausbildungsbausteine „sehen keine Prüfungen bzw. Zertifizierungen vor; d. h., die Prüfungsregelungen der geltenden Ausbildungsordnungen bleiben unverändert (Zwischen- und Abschlussprüfungen)“ (FRANK/ GRUNWALD 2008).

Mit Lernergebniseinheiten sind weitergehende ordnungspolitische und didaktische Intentionen verbunden. Die Perspektive im Rahmen der Entwicklung von Lernergebniseinheiten folgt dem Prinzip der Modularisierung und zielt auf die bausteinartige Zusammensetzung bzw. Unterteilung gewünschter Berufsbildungsgänge oder – in der weitgehenden Ausprägung - freier und ungeordneter Berufsbildungs- und Qualifizierungsverläufe. Damit entstammt dieser Ansatz nicht der Tradition des deutschen Ausbildungsberufskonzepts, sondern einer völlig anderen Ausgangslage und Funktionszuschreibung. Nicht die Sicht auf einen ganzheitlichen obligatorisch angelegten mehrjährigen Ausbildungsberuf bestimmt die Curriculumentwicklung, sondern die Konstruktion singulärer und relativ knapper Lern- und Zertifizierungseinheiten. Im Unterschied zum Ausbildungsberufskonzept liegt die primäre Anlage der Lernergebniseinheit also in dem Versuch, eine sehr viel weniger umfangreiche und verhältnismäßig überschaubare thematisch umgrenzte curriculare Lern- und Zertifizierungseinheit zu konstruieren, die zugleich einen Tauschwert auf dem Arbeitsmarkt besitzt. Wie hinreichend bekannt und in der Fachliteratur diskutiert (vgl. PILZ 2009), ist dieses Strukturierungsprinzip insbesondere dort zu finden, wo entweder der Versuch unternommen wird, ein sehr ungeordnetes Spektrum unterschiedlicher Qualifizierungswege in ordnungspolitischer Absicht stärker einer Transparenz zuzuführen und zu regulieren (z. B. im angelsächsischen Bereich) oder die Absicht besteht, dort mehr Flexibilität in die Bildungsgangverläufe zu bringen, wo zu starre Schablonen die Berücksichtigung individueller Interessen der Lernenden und spezialisierter Anforderungen der Betriebe zu sehr einschränken (z. B. in Dänemark oder in den Niederlanden).

Lernergebniseinheiten im Sinne modulartiger curricularer Gestaltungsansätze stehen jedoch nicht allein im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Aufbau von nationalen Berufsbildungsstrukturen oder der Flexibilisierung vorhandener Strukturen, sondern im Zuge der Politik der Organe der Europäischen Union vor allem im Kontext der Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität in der beruflichen Bildung. So werden die Lernergebniseinheiten aktuell als ein wesentliches Merkmal für ein Instrument begriffen, dem „European Credit System for Vocational Education and Training“ (ECVET), das der Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität dienen soll: „Eine Qualifikation umfasst grundsätzlich mehrere Einheiten und wird aus einem Gesamtsatz von Einheiten gebildet. Somit kann ein Lernender eine Qualifikation durch Akkumulierung der erforderlichen Einheiten erreichen, auch wenn sie in verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Lernumgebungen (formal sowie gegebenenfalls nicht formal und informell) erworben wurden (…)“ (EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES 2009). Mit den „Einheiten“ sind dort die Lernergebniseinheiten gemeint. Sie sollen demnach die Curriculumentwicklung in der beruflichen Bildung prägen, und zwar in erster Linie in der Absicht, auf dieser Grundlage die grenzüberschreitende Abstimmung, Anerkennung und Anrechnung beruflicher Teilabschlüsse und Abschlüsse strukturell zu erleichtern. Insbesondere für die grenzüberschreitende Anrechnung von Teilen einer Berufsausbildung können kleinere curriculare Einheiten hilfreich sein, die separat evaluiert und zertifiziert werden.

4.2 Das deutsche Ausbildungsstrukturmodell im Vergleich: Curriculummodelle in der beruflichen Bildung zwischen Angebots- und Nachfrageorientierung

In verschiedenen Ländern sind die Ausprägungen der curricularen Struktur für die berufliche Erstausbildung sehr unterschiedlich. Curriculare Standardisierungs- und Differenzierungsformen, die eine relativ strenge staatlich erwünschte präskriptive Formgebung der Bildungs- und Berufsbildungsgangverläufe darstellen, die mehrjährig angelegt und als obligatorischer Mindestkanon angelegt sind, können als angebotsorientierte Ausbildungsstrukturmodelle bezeichnet werden (vgl. FROMMBERGER 2005). Der duale Ausbildungsberuf in Deutschland ist hierfür ein Beispiel und auch die vollzeitschulischen Berufsbildungsgänge, die beispielsweise in den romanischen oder skandinavischen Ländern dominieren, fallen unter diese Kategorie. Im Gegensatz dazu kann von nachfrageorientierten Ausbildungsstrukturmodelle gesprochen werden, sofern eine sehr differenzierte Palette unterschiedlicher kleinteiliger Qualifikationen den Ausbildungsmarkt bestimmen, die eine ausgeprägte Wahlfreiheit ermöglichen. Nachfrageorientierte Ausbildungsstrukturmodelle stellen solche Formen der curricularen Standardisierung und Differenzierung dar, die den organisatorischen, zeitlichen und inhaltlichen Aufbau und Ablauf von Bildungsgängen, Ausbildungsverläufen sowie Zertifizierungsvorgängen nicht zwingend an eine geschlossene und administrativ gewünschte Kollektion von curricularen Elementen binden, sondern öffnen und der Entscheidungs-und Gestaltungsmöglichkeit der Lernenden übergeben. Die noch immer verhältnismäßig stark fragmentierten angelsächsischen Zertifizierungsansätze sind hierfür das typische Beispiel. Die Lernergebniseinheiten entstammen dieser Tradition. Ein unübersichtliches Spektrum von Qualifizierungs- und Zertifizierungsmöglichkeiten wird über eine zunächst sehr flexible Form der Standardisierung zunehmend geordnet.

Mit der folgenden Abbildung sollen diese gegensätzlichen Ausbildungsstrukturmodelle veranschaulicht werden. Zwischen den Polen der Angebotsorientierung und Nachfrageorientierung sind Ausbildungsstrukturmodelle anzusiedeln, die zwischen den traditionellen kontinentaleuropäischen und den angelsächsischen Ansätzen liegen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Ausbildungsstrukturmodell in den Niederlanden, in dem ein Modularisierungsansatz verbunden wird mit einem in der Regel mehrjährigen Gesamtabschlussbezug der beruflichen Erstausbildung.

Abb. 1: Ausbildungsstrukturmodelle in der beruflichen Bildung zwischen Nachfrage- und Angebotsorientierung (Abbildung entnommen aus: FROMMBERGER/ KRICHEWSKY 2012)Abb. 1: Ausbildungsstrukturmodelle in der beruflichen Bildung zwischen Nachfrage- und Angebotsorientierung (Abbildung entnommen aus: FROMMBERGER/ KRICHEWSKY 2012)

Lernergebniseinheiten bzw. Module können Teile einer Gesamtkollektion sein (z. B. im Rahmen eines Ausbildungsberufes) oder als eigenständige curriculare Elemente zur Auswahl stehen. In der extremen Ausprägung der Modularisierung (zum Beispiel im System der National Vocational Qualification in England) ist es möglich, dass die Nachfrager ihr „Qualifikationsportfolio“ individuell zusammenstellen. Es handelt sich demnach um ein individuelles Portfolio mit einer Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten von Teilabschlüssen – bis hin zur Möglichkeit, mit einem Teilabschluss (z. B. Marketing oder Personalwirtschaft) ohne weiterführende Teilabschlüsse bereits in ein Beschäftigungsverhältnis zu wechseln – je nach Situation und Bedarf auf dem Arbeitsmarkt. Die moderate Variante (zum Beispiel in den Niederlanden) ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Gesamtabschluss zwar die Summe erworbener Teilabschlüsse darstellt, diese Teilabschlüsse jedoch systematisch einem Aus- oder Weiterbildungsabschluss als obligatorische Bestandteile zugeordnet und für den Erhalt dieses Abschlusses zu absolvieren sind (vgl. BUSSE/ FROMMBERGER 2012).

Mit Blick auf verschiedene Strukturierungskonzepte für die berufliche Bildung in Europa ist insgesamt der Trend zu beobachten, dort, wo ein hohes Maß der Fragmentierung der verschiedenen Teilabschlüsse vorherrscht, eine stärkere Systematisierung herbeizuführen, und dort, wo die Berufsbildungsgänge und Abschlüsse traditionell wenig individuellen Gestaltungsspielraum aufweisen, die Wahloptionen zu erhöhen (vgl. FROMMBERGER/ KRICHEWSKY 2012).

Auch die Curriculumentwicklung und Neuordnung in Deutschland wurden in den vergangenen Jahrzehnten von sehr verschiedenen Konzepten und Überlegungen zur veränderten Standardisierung oder Flexibilisierung geprägt, beispielsweise durch die Entwürfe zur beruflichen Grundbildung oder zum grund- und fachberuflichen Ausbildungskonzept, durch die Ansätze der Schlüsselqualifikationen, der gemeinsamen Kernqualifikationen, der Wahlqualifikationen, durch das Konzept der gestaltungsoffenen Ausbildungsberufe, der Struktur der Einsatzgebiete, der Stufenausbildung, durch das Bausteinkonzept bzw. dem Ansatz der Modularisierung oder der Lernfeldorientierung. Daneben werden die traditionellen Strukturmodelle durch Differenzierungen im Eingangs- und Ausgangsbereich der Erstausbildung verändert, und zwar in Form diverser Angebote der Berufsausbildungsvorbereitung, insbesondere der Qualifizierungsbausteine, sowie der Zusatzqualifikationen. Für die Gestaltung der curricularen Grundlagen in Deutschland ist also beobachten, dass sich für die Frage der curricularen Strukturierung und Sequenzierung der Modus durchsetzt, die individuellen Wahlmöglichkeiten, im Anschluss an die obligatorischen Grundlagen, zu erhöhen. Diese vermehrten Wahlangebote, die häufig modulartig organisiert werden, können als eine (nun alternative) Form der Standardisierung und Differenzierung verstanden werden, die alte Lösungsmuster ablösen und ergänzen (sollen).

5 Schlussbemerkungen

Zweifelsohne verändern die hier erörterten alternativen didaktisch-curricularen Orientierungen und Ansätze die Balance der traditionellen Konstruktions- und Strukturierungsprinzipien in der dualen Berufsausbildung in Deutschland. Die Lernergebnisorientierung setzt sich im Rahmen der Ordnungsarbeit zunehmend durch, aktuell z. B. vor dem Hintergrund der Verbindung beruflicher und hochschulischer Bildungsangebote. Es wird auch hier davon ausgegangen, dass mit Lernergebnissen die etablierten Unterschiede verschiedener Bildungsteilbereiche und institutioneller Anbindungen von Bildungsprozessen nivelliert und damit besser verglichen werden könnten. Zudem wird die Lernergebnisorientierung auch im Hochschulbereich verankert, zumindest dort, wo die Studiengänge akkreditiert werden.

Die Lernergebnisorientierung führt zu einer Verlagerung des Planungsschwerpunktes beruflicher Bildung auf die Überprüfung erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten. Damit gewinnen curriculare Grundlagen mehr als bisher die Funktion, als direkte Referenzgröße für die Prüfungs- bzw. Kompetenzerfassungsprozesse zu dienen. Doch welche Bedeutung haben diese Entwicklungen für die Durchführung von Ausbildungs- und Lernprozessen in Betrieb und Berufsschule? Wie können Lehrkräfte und Ausbilder/-innen mit den curricular normierten Lernergebnissen für die Planung der Unterrichts- und Ausbildungsprozesse umgehen? Führen diese curricularen Ansätze tatsächlich zu mehr Lerneraktivitäten und eine Erhöhung des Lerntransfers? Und erfüllen die Veränderungen der curricularen Grundlagen die Erwartungen hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Lernleistungen aus verschiedenen Bildungsteilbereichen und werden damit Übergänge und Durchlässigkeit erleichtert? Bislang liegen im Grunde keine belastbaren wissenschaftlichen Antworten zu diesen und anderen Fragen vor, die im Zusammenhang mit den Wirkungen der modifizierten intendierten Curricula stehen. Insofern sollten die Erwartungen, die insbesondere mit der Lernergebnisorientierung in der Ordnungsarbeit und zum Zwecke der Übergangs- und Mobilitätsförderung verbunden werden, zunächst eher gedämpft werden.

Darüber hinaus sind Aus- und Fortbildungsgänge nicht als bloße Blaupausen für die Durchführung von Prüfungs- und Zertifizierungsprozesse zu verstehen. Lernergebniseinheiten, die lernergebnisorientiert formuliert werden, könnten diese Funktion durchaus vermehrt gewinnen. Im Gegenteil, noch dominiert die didaktische und ordnungspolitische Absicht in Deutschland, in der Berufsausbildung und in der Fortbildung explizit und systematisch Kompetenzen weiterzuentwickeln, insbesondere solche, die im unmittelbaren Kontext von fremdgesteuerter (Auftrags)Arbeit, Erwerbsbeschäftigung und Beruf eben nicht erworben werden können. Dieser Anspruch setzt weiterhin auch die Entscheidungsnotwendigkeit voraus, ein Mindestkanon und damit Minimum zu absolvierender Aus- und Fortbildungsbestandteile zu absolvieren.

Für die Weiterentwicklung der Curriculumforschung in der beruflichen Didaktik ist der Blick auf die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ebenen des Curriculumbegriffs zu empfehlen, das heißt in Anlehnung an ADAMSON und MORRIS (2007) zwischen den intendierten, implementierten und erreichten Curricula. Doch auch die Informationen allein in Hinsicht auf die nähere Beschreibung der einzelnen Ebenen sind rar. Dies gilt insbesondere für den internationalen Vergleich, so ist für das Feld der beruflichen Bildung zum Beispiel kaum etwas bekannt über die Ausprägungen und Merkmale der Ausbildungs- und Unterrichtsprozesse.

Tabelle 1: Die vier Dimensionen des Curriculums und der Curriculumforschung (ADAMSON/ MORRIS 2007)

Aspect of curriculum

Typical manifestation

Typical research method

Ideology

Books; academic papers; policy documents

Discourse analysis

Planned / intended

Policy documents; syllabuses; prospectuses; teaching materials; schemes of work; lesson plans; assessment materials; minutes of meetings; notices

Discourse analysis; interviews

Enacted

Teacher and student action (e.g. use of time and resources); roles of teachers and students; student interest and involvement; classroom interaction (e.g. questioning patterns; use of group work); school interaction; student output

Lesson observations; teacher’s log; interviews; ethnography; activity records

Experienced

Change in student attitude and/or behaviour; change in teacher attitude and/or behaviour; student’s cognitive processes

Questionnaires; interviews; autobiographical narratives; reflections; psychometric tests

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[1] Kritisch anzumerken ist hier, dass mit der Entwicklung solcher Lernergebniseinheiten ein berufsbildungsrechtliches und gleichermaßen -politisches Problem verbunden ist, denn es wird eine Ergänzung und gegebenenfalls eine Veränderung der geltenden Ordnungsmittel vorgenommen, ohne dass der gesetzlich vorgeschriebene Abstimmungsprozess zwischen den Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und den Vertretungen der Bundesländer durchgeführt wird. Im Rahmen der Modellversuche stellt diese Vorgehensweise kein Problem dar; ansonsten wären Neuordnungsverfahren notwendig.

Zitieren des Beitrags

FROMMBERGER, D. (2013): Lernergebnisorientierung und Lernergebniseinheiten in der beruflichen Bildung. Eine theoretische und komparative Einordnung aktueller curricularer Gestaltungsansätze. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 24, 1-20. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe24/frommberger_bwpat24.pdf (25-06-2013).