bwp@ 35 - Dezember 2018

Ökonomisierung in der Bildung und ökonomische Bildung

Hrsg.: Karin Büchter, Tade Tramm & Jens Klusmeyer

Geschichten über Wirtschaft: Studentische Erzähltexte als Zugang zu Kategorien Ökonomischer Bildung

Beitrag von Marc Casper
bwp@-Format: Diskussionsbeiträge
Schlüsselwörter: Ökonomische Bildung, Narrative, Grounded Theory, Kategoriale Bildung

Wissen über Wirtschaft erscheint meist in deklarativer, „objektiver“ Form: In Zahlen, Daten, Fakten und theoretischen Modellierungen. Daneben existieren unzählige Facetten episodischen, subjektiven Erfahrungswissens über Wirtschaft: Konkretes, oft implizites Wissen, das erst in Kontemplation und Kommunikation gehoben werden muss und sich vor allem durch Erzählungen weitergeben lässt. Geschichten über Wirtschaft sind somit ein wichtiger Bestandteil Ökonomischer Bildung. Durch strukturiertes Reflektieren und Erzählen eigener Erfahrungen können Angebote Ökonomischer Bildung außerdem subjektorientierter gestaltet werden und zur kritischen Auseinandersetzung mit bestehenden Narrativen der Ökonomie anregen.

Das hier vorgestellte grounded theory-Projekt untersucht über 100 studentische Erzähltexte zu persönlichen „Momenten Ökonomischer Bildung“. In diesem Diskussionsbeitrag wird die literatur- und bildungstheoretische Sensitivität dieses Zugangs vorgestellt. Er hat das Potenzial, Eckpunkte kategorialer Ökonomischer Bildung über subjektiv relevante kritische Ereignisse zu bestimmen. Statt zu fragen, welche Wissensinhalte einen materialen Kanon Ökonomischer Bildung kennzeichnen, interessieren vielmehr typische Problem- und Handlungsfelder, die sich als Schlüsselprobleme im Sinne Klafkis analysieren lassen: wirtschaftliche Situationen, die jeden einzelnen persönlich betreffen (Klafki 2007, 52). In diesen Kontexten interessiert wiederum, wie Ökonomische Bildung normativ spürbar wird: Als Haltung der Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität (ebd.).

Der Beitrag erläutert den Prozess der Kategorienbildung aus den Erzähltexten und liefert ein heuristisches Modell als Zwischenergebnis. Der Ausblick verweist auf nächste Schritte und erste Implikationen für didaktische Gestaltung.

Stories about economy – an investigation of students’ narratives as an approach to different categories of economic education

English Abstract

Knowledge about economy is mostly conveyed in a declarative, “objective” manner: in the form of figures, data, facts and theoretical modelling. Besides this, countless facets of episodic and subjective experience-based knowledge about economy exist: Concrete, often implicit knowledge, which needs to undergo a process of contemplation and communication before it can be passed on, mainly by telling about it. Narratives about economy are thus an important part of economic education. Structured reflection and stories about personal experience also make it possible to provide economic education in a more subject-oriented way and encourage a critical examination of existing narratives of the economy.

The Grounded Theory project presented here examines more than 100 narratives told by students about their personal “moments of economic education”. In this interim report, the sensitivity with respect to literary theory and theory of education is presented first. The aim is to determine the cornerstones of categorial economic education by means of subjectively relevant critical events. Instead of asking what knowledge contents characterize a material canon of economic education, typical problem areas and fields of action are of interest, which can be analysed as key problems in the sense of Klafki: economic situations impacting each person individually (Klafki 2007, p. 52). In these contexts, it is of interest, in turn, how economic education can be felt in normative terms: as an attitude of self-determination, codetermination and solidarity (ib.).

This paper explains the process of the formation of categories based on the narratives and as an interim result provides a heuristic model. The outlook refers to next steps and initial implications for didactic design.

1 Erzähl‘ mir was über Wirtschaft

Ich wollte wissen, was sich Studierende der Berufs- und Wirtschaftspädagogik unter ‚Ökonomischer Bildung‘ vorstellen. Dazu bat ich Teilnehmende verschiedener Lehrveranstaltungen[1]:

„Erzählen Sie von einer Erfahrung, durch die Sie »wirtschaftlich gebildet wurden«. Vielleicht möchten Sie auch von einem Impuls durch einen besonderen Menschen berichten. Sie können sowohl positive als auch negative Erfahrungen schildern. Leitfragen für Ihren Text können sein:

  • Was ist geschehen, wann, wo und mit welchen Beteiligten?
  • Was war das „Bildende“ an dieser Erfahrung?
  • Wie hat sich Ihre Einstellung zu Wirtschaft bzw. Ihre Haltung in wirtschaftlichen Situationen dadurch verändert?

Gestalten Sie Ihren Text biographisch-erzählend (wie z. B. einen Tagebucheintrag, einen Brief an einen Freund oder eine Kurzgeschichte), kreativ und detailreich. Bitte schreiben Sie hierzu ca. eine DIN A4-Seite.“

Im Zugang zum Begriff ‚Ökonomische Bildung‘ über persönliche Erzählungen sehe ich wertvolle Merkmale und Potenziale für (fach-)didaktische Forschung und Gestaltung, die ich hier zur Diskussion stellen will:

  • Statt von einer oder mehreren (mehr oder minder ‚ökonomischen‘) Fachwissenschaften auszugehen und diese ‚didaktisch zu reduzieren‘, wird Ökonomische Bildung hier konsequent aus subjektiven Perspektiven heraus angegangen. Ich gehe induktiv vor und rekonstruiere Ökonomische Bildung als ein allgemeines Phänomen, das sich in speziellen, persönlich relevanten Fällen zu erkennen gibt und vor allem durch diese zu begründen ist. Ich nehme keinen bestehenden Kanon der Ökonomik und leite mithilfe intellektueller Intuition das ‚Bildende‘ darin ab. Ich fange bei den Menschen und ihren Geschichten an, nicht bei den Lehrbüchern oder den Stellenbeschreibungen von Unternehmen (zur Problematik der Ökonomik als „Lehrbuchwissenschaft“ vgl. van Treeck/Urban 2017; Graupe 2013; Hill/Myatt 2010).
  • Unter Schlagworten wie ‘economic competence’ und ‘economic literacy’ werden andernorts elaborierte Erhebungen und Modellierungen zur Kompetenzmessung durchgeführt (z. B. Wuttke et al. 2016), auf deren technischem Niveau ich wenig beizutragen hätte. In einer sprach- und bildungstheoretischen Perspektive sehe ich hingegen die Möglichkeit, mich Fragen der Kompetenzentwicklung und der Bildung im engeren Sinne zu widmen und konstruktive Beiträge zur Wirtschaftsdidaktik zu entwickeln.
  • Indem ich Studierende um ihre Erzählungen bitte, werden sie zur Stellungnahme und zum aktiven Schaffen aufgefordert. Die Autoren sind ebendies: Autoren, mit-gestaltende Subjekte meiner Untersuchung, nicht beobachtete oder vermessene Objekte.
  • Methoden des reflexiven Schreibens tragen in sich bereits hohes bildendes Potenzial (vgl. Bräuer 2003, Miskovic 2006). Nach Rotenstreich (1985) bedeutet Reflexion ein „zurückbeugen“ der individuellen Aufmerksamkeit auf (1) die Art des Denkens, (2) den Inhalt des Denkens und (3) die Validität des Denkens. Durch akzentuiertes Erinnern und Schreiben können aus bisher unverarbeiteten Erlebnissen greifbare Erfahrungen werden. Die darin liegenden Erkenntnisse können systematisiert werden. Durch das Suchen und Finden der richtigen Worte bilden die Schreibenden Begriffe, sie begreifen durch beschreiben. Die Methode bietet sich nicht nur für Erhebungen an, sie bereichert vor allem das Repertoire subjektorientierter Wirtschaftsdidaktik.

Ein solches Vorhaben sollte konsequent subjektorientiert und induktiv sein. Ausgehend von den Daten (hier: den Geschichten über Momente Ökonomischer Bildung, also sehr komplexen Daten) soll Modell- und Theoriebildung stattfinden. Ich strebe somit eine Theorie subjektbezogener Situationsprinzipien an, die sich aus den vorliegenden Erzählungen ‚ergeben‘ sollte, bzw. darin verwurzelt ist – ‚grounded‘. Daher folge ich dem Paradigma und den methodologischen Leitideen der Reflexiven Grounded Theory: Dieser „Forschungsstil […] ist multi- und interdisziplinär ausgerichtet. Er ist auf ein breites Spektrum sozial-, kultur- und kommunikationswissenschaftlicher Bereiche anwendbar. Er eignet sich speziell für Untersuchungsanliegen, bei denen die Forschenden ein gewisses Maß an identifikatorischem Herzblut mitbringen, die Züge persönlicher Projekte besitzen – bei denen nah heran gegangen wird, bei denen es etwas Neues zu entdecken bzw. zu konzeptualisieren gibt, und bei denen man zu Beginn eingestandenermaßen noch nicht recht Bescheid weiß. Die auf diese Weise bearbeiteten Projekte stellen nicht selten ein intellektuelles und persönliches Abenteuer dar, dessen Verlauf mancherlei Herausforderungen und Überraschungen bereithält.“ (Breuer et al. 2018, 12; H.i.O.) Ein solches Verfahren ist hoch inferent, hermeneutisch, deutend. Es bedarf der ständigen Überprüfung der eigenen Vorannahmen und Interpretationsmuster und eines regelmäßigen Abgleichs mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft, einer diskursiven Validierung im peer review. Daraus ergeben sich für mich zwei Konsequenzen: Erstens, eine frühe Publikation von Teilergebnissen und Diskussionsbeiträgen, um Feedback aus der Fachöffentlichkeit einzuholen – hierin liegt die Motivation dieses Aufsatzes. Zweitens scheint mir in der Dokumentation eines solchen Vorhabens ein persönlicher, assoziativ-erkundender Schreibstil angemessen – ein Text aus der ‚Ich‘-Perspektive, der reflexive Prozesse und Umwege transparent macht. Ich bitte Sie, sich beim Lesen darauf einzulassen. Phasenweise werden Sie sich wahrscheinlich fragen, was meine Ausführungen noch mit Ökonomie zu tun haben. Doch wenn es allzu vertraut und naheliegend wäre, wäre es nicht der Forschung und Diskussion wert.[2]

Mit diesem Zugang nähere ich mich letztendlich einer Theorie subjektbezogener Situationsprinzipien Ökonomischer Bildung, empirisch begründet in reflexiven, biographischen Erzählungen. Die Relevanz der Annäherung an eine solche Theorie begründe ich über eine bildungstheoretische Verkürzung zeitgenössischer Ökonomischer Bildung, die ich im zweiten Kapitel problematisiere. Das dritte Kapitel besteht aus zwei Beispielen für studentische Geschichten. Entlang dieser Beispiele zeige ich im vierten Kapitel, mit welchen Leitideen und methodischen Werkzeugen aus derartigen Geschichten Kategorien gewonnen werden können. Kapitel 5 gibt einen Einblick in den Stand meiner Modellierung. Das letzte Kapitel schließt mit einem didaktischen Ausblick.

2 Unsäglichkeiten der Ökonomik

In dieser Ausgabe von bwp@ laufen diverse Stränge der Kritik ökonomischer Lehre zusammen. Ich konzentriere mich in diesem Beitrag auf nur einen, meines Erachtens zentralen, Makel: Die paradigmatische ‚Nicht-Erzählbarkeit‘ der Mainstream-Ökonomik. Was ist damit gemeint? Axel Gloger bringt es in seinem Buch „Betriebswirtschaftsleere“ schön auf den Punkt. Seine „Mängelliste der BWL“ wird von der Einsicht angeführt, dass BWL ein recht uninspiriertes „Paukfach“ geworden ist (Gloger 2016). Kanonisches Wissen wird weitergegeben, gebüffelt und in Klausuren gegen Noten eingetauscht, was auch bedeutet, dass es durch diesen Tausch nach der Klausur meist fort ist. Wissen wird nach dessen Tauschwert im akademischen Leistungskontext bewertet, nicht nach dem Gebrauchswert in ökonomisch geprägten Lebenssituationen. Dafür fehlen in der Regel die persönliche Relevanz und die situative Eingebundenheit. Hier handelt es sich aber weniger um persönliches Versagen von Ökonomisten – engagierte Lehrende versuchen u. a., dem Problem mit Fallstudien und Situationsbeschreibungen entgegenzuwirken. So gelangten z. B. die Harvard Business School Case Studies zu breiter Anerkennung. Es handelt sich bei der ‚Nicht-Erzählbarkeit‘ vielmehr um ein paradigmatisches Problem: Der mainstream der Ökonomik will sich als Quasi-Naturwissenschaft verstehen. Es gibt zwar unzählige Facetten der Wirtschaftswissenschaft(en), jedoch dominiert in Fachzeitschriften, Lehrveranstaltungen und Lehrbüchern eine neoklassische, quasi-naturwissenschaftlich Ökonomik. Diese Dominanz führte u. a. zu einer kritisch zu betrachtenden Unterscheidung in ‚orthodoxe‘ und ‚heterodoxe Ökonomik‘ (Lawson 2006; Tafner 2018a, 121). Die so verstandene orthodoxe neoliberale Ökonomik kristallisierte sich besonders im zwanzigsten Jahrhundert heraus, durch die Verschmelzung der Paradigmen der BWL und VWL. Gemeinsam bewegten sich diese weg von einer geistes- und sozialwissenschaftlichen, hin zu einer mathematisch und axiomatisch argumentierenden Wirtschaftstheorie (zur historischen Darstellung vgl. Hesse 2010).

Diese Formalisierungswelle hat vieles berechenbarer gemacht. Berechenbarkeit birgt sicher Vorteile in einer zahlengetriebenen Wirtschaftswelt, „doch die Formalisierung der Wissensdarstellung in Form von Faktensätzen wird auf der anderen Seite dadurch erkauft, dass diese Darstellungsform relativ handlungsfern ist, dass ihr der direkte Lebens- bzw. Praxisbezug zumeist fehlt. Pure Faktendarstellungen erfüllen (anders als Geschichten) kaum Sinnleistungsfunktionen.“ (Totzke 2005, 31) Der markierte Konflikt lautet: Je abstrakter etwas dargestellt wird, desto schwieriger ist es, dasselbe an konkrete Erfahrung anzubinden; je einfacher sich etwas berechnen lässt, desto schwerer ist es zu erzählen. Fahrenwald (2005, 44) stellt in diesem Sinne „Wissenschaftliches Wissen“ und „Erfahrungswissen“ als zwei Wissensformen gegenüber:

Tabelle 1:     Unterschied zwischen wissenschaftlichem Wissen und Erfahrungswissen (Fahrenwald 2005, 44)

Wissenschaftliches Wissen

Erfahrungswissen

‚objektiv‘

‚subjektiv‘

abstrakt

konkret

theoretisches Wissen, Faktenwissen

praktisches Wissen, Handlungswissen

explizites Wissen

implizites Wissen

Wissen als Repräsentation

Wissen als Konstruktion

Wissenstransfer durch Zahlen, Texte, Datenbanken

Wissenstransfer durch Handlungen und Erzählungen

Nun ist aber weder die linke noch die rechte Seite Alleinheilmittel: Erfahrungswissen bleibt ohne Systematisierung subjektiv und unverlässlich, theoretisches Wissen bleibt ohne Konkretisierung leblos. Whitehead (1929) sprach noch von trägem („inert“) oder totem Wissen, was einen Beiklang von passiver Ungefährlichkeit hat. Adorno hingegen betont, dass unverdautes Theoriewissen nicht nur schwer im Magen liegt, sondern eine regelrechte Gefahr ist, wie freie Radikale. „Das Halbverstandene und Halberfahrene ist nicht die Vorstufe der Bildung, sondern ihr Todfeind: Bildungselemente, die ins Bewußtsein geraten, ohne in dessen Kontinuität eingeschmolzen zu werden, verwandeln sich in böse Giftstoffe, tendenziell in Aberglauben.“ (Adorno 1990 [1972], 111f.)

Zu den pädagogischen Problemen naturwissenschaftlicher Paradigmen hat auch Wagenschein einiges geschrieben (ursprünglich aus der Perspektive des Physiklehrers), was heute mit den Erfahrungen von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften resoniert (vgl. Thrun et al. 2018): So profiliere sich der Naturwissenschaftler u. a. „in Stolz auf die Menge des immer Neuen und Umwälzenden und in Esoterik, die sich in den Prunkmantel facheigener Wissenschaft einhüllt, bestickt mit den Symbolen ihrer abstrakten Kunst: undurchschaubaren Formalismen und Apparaturen“ (Wagenschein 2013, 66). Doch „der Wunsch zu imponieren widerspricht der bildenden Zuwendung: sie will vertrautmachen“ (ebd., 67) Auch Wagenschein stellt die deduktiven und induktiven Prinzipien in den Kontext unterschiedlicher Wissensformen, wobei Deduktion das Erfahrungswissen sprachlos mache: „Seit Euklid haben so scheint es, die Entdecker eine Scheu zu sagen »wie sie darauf gekommen sind«. Sie zeigen sich lieber als Sieger denn als Sucher. So haben sie es schwer, gute Lehrer zu werden. Sie deduzieren gern, denn da kann, wenn alles stimmt, keiner widersprechen und jeder »kann folgen«. Er wird nur gefragt »Kommen Sie mit?«, und nicht »Fällt Ihnen zu dem Problem etwas ein?« Er gewöhnt sich ab zu fragen: »Wie sind Sie darauf gekommen?«“ (ebd., 127). Wagenscheins Kritik gipfelt schließlich in dem Satz: „Herausgerissen, der Wurzeln beraubt zu werden und dafür ein Gerede angeboten zu bekommen, das ist ein nichtswürdiger Tausch (ebd., 65).

Es ist eine eherne pädagogische Herausforderung: Um dieser Entwurzelung, der Halbbildung vorzubeugen, müssen objektives und subjektives Wissen aufeinander bezogen werden. Bei der aktuellen Unterrepräsentation von Erfahrungswissen in der formalistisch dominierten Ökonomik wäre also ein möglicher Zugang, Erzählungen als verbindende Elemente zu stärken. Erzählungen können im Sinne Wagenscheins ‚einwurzeln‘, sie sind ‚genetisch‘ und verständnisfördernd, wenn sie beschreiben, „wie etwas kommt“ (ebd., 120). Dabei legt es eine „Erzählung […] nicht darauf an, das pure 'an sich' der Sache zu überliefern wie eine Information oder ein Rapport. Sie senkt die Sache in das Leben des Berichtenden ein, um sie wieder aus ihm herauszuholen.“ (Benjamin 1984, 388) Dieses ‚Einsenken und wieder herausholen‘ verstehe ich als sehr konkrete Form dessen, was Klafki abstrakt als „doppelseitige Erschließung“ bezeichnet, das „Sichtbarwerden von allgemeinen, kategorial erhellenden Inhalten auf der objektiven Seite und als Aufgehen allgemeiner Einsichten, Erlebnisse, Erfahrungen auf der Seite des Subjekts" (Klafki 1964 [1959], 410).

An Klafki orientiert sich schließlich auch mein Bildungsbegriff (auch wenn ich in meiner Forschung versuche, diverse Bildungsverständnisse zu erfassen). Ich verstehe Bildung wie Klafki allgemein als „geschichtlich vermitteltes Bewußtsein von zentralen Problemen der Gegenwart und - soweit voraussehbar - der Zukunft […], Einsicht in die Mitverantwortlichkeit aller angesichts solcher Probleme und Bereitschaft, an ihrer Bewältigung mitzuwirken. Abkürzend kann man von der Konzentration auf epochaltypische Schlüsselprobleme unserer Gegenwart und der vermutlichen Zukunft sprechen.“ (Klafki 2007, 56; H.i.O.). Wenn es nicht gelingt, individuelle Biographie, gegenwärtige gesellschaftliche Schlüsselprobleme und ökonomischen Sachverstand in Einklang zu bringen, kann ‚Ökonomische Bildung‘ keine ‚Bildung‘ in diesem Sinne sein. Sie verkommt zur technischen Qualifikation, zur systemstabilisierenden Ideologie – zum halbgebildeten „Aberglauben“, wie Adorno schrieb.

Diese Problemdarstellung führt an einen Punkt, an dem sich sprachwissenschaftliche und bildungstheoretische Wege kreuzen. Ich will das Pädagogische am Prozess des Erzählens nun weiter darstellen und dessen Potenzial für eine balanciertere Wirtschaftsdidaktik zur Diskussion stellen. Hierbei bergen jedoch alle drei Bezüge die Gefahr der Überabstraktion: Ökonomik, Sprachwissenschaft und Bildungstheorie neigen in ihren jeweiligen Begriffswelten und Sprachspielen zur eben diskutierten ‚Entwurzelung‘ (die oft verkürzt als ‚Praxisferne‘ interpretiert wird). Um diesem Holzweg nicht zu folgen, möchte ich als nächstes zwei Beispiele einfügen, an denen sich alles Weitere konkretisieren lässt. Es handelt sich um zwei der studentischen Texte zu Momenten Ökonomischer Bildung aus meiner Erhebung, unverändert und in voller Länge.

3 Zwei Beispiele

3.1 „Die richtigen Buchstaben auf der Kleidung“

„Wir schreiben das Jahr 2014. Ich bin 14 oder 15 Jahre alt und Schülerin eines Gymnasiums. Dominiert von pubertierenden kleinen Snobs und Möchte-Gerns, gleicht der Schulhof einem Marken-Dschungel. Die Schriftzüge Puma, Adidas, und Nike wirken wie Rangzeichen auf einer Uniform und haben dieselbe Wirkung. Nichts scheint so wichtig zu sein wie die richtigen Buchstaben auf der Kleidung zu tragen. Mama-Ärztin und Papa-Anwalt investieren in ihre Sprösslinge und statten diese, wenn schon nicht charakterlich, wenigstens rein optisch wertvoll aus. 

Eines Tages hatte meine Lehrerin den Marken-Krieg satt und widmete eine Stunde ihres Unterrichts diesem Thema. Sie suchte sich eine der großen Marken raus und befragte die Klasse, warum sie diese kauften. „Qualität“, „deutsche Marke“ waren die häufigsten Antworten. Sie klärte uns im Laufe der Stunde darüber auf, dass die Produktion der geliebten Markenschuhe fernab von Deutschland und jeglicher Menschen- und Arbeitnehmerrechte stattfindet und nicht mal 10 € pro Paar kostet. Das Erstaunen in den Gesichtern und meinen persönlichen Schock in Bezug auf die Gewinnspanne, werde ich nie vergessen. Ich lernte dadurch die Bedeutung von Marketing kennen und lernte wie wichtig es ist auch große Namen zu hinterfragen.“

3.2 „Eher wie ein Prozess“

„Für mich ist es schwierig zu sagen, welcher Mensch oder welche Situation mich ökonomisch gebildet hat, denn es verlief eher wie ein Prozess. Meine Mutter ist Bankkauffrau und daher bin ich schon immer mit Finanzfragen in Kontakt gekommen. Dadurch, dass mein Vater selbständig ist, habe ich auch dort das Wirtschaften gelernt. Ich würde sagen, dass dies die Grundbausteine waren, auf die ich mit meiner Ausbildung zur Bankkauffrau aufgebaut habe. Ich habe währen der Ausbildung gemerkt, dass mir das noch nicht reicht und habe mich deshalb für ein wirtschaftliches Studium entschieden. Während des Studiums habe ich in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen gearbeitet. Vom Einzelhandel, über Immobilien zu Investments. All diese Erfahrungen haben meine Einstellung und mein Verständnis für Wirtschaft beeinflusst und verändert. Mir macht es großen Spaß in der Wirtschaft zu arbeiten und im Finanzbereich der Unternehmen zu arbeiten.“

4 Von Geschichten zu Kategorien – der methodische Ansatz

4.1 Von der theoretischen Sensibilität zum Analyserahmen

Was macht man nun mit solchen Geschichten? Was kann man durch sie über ein allgemeines Phänomen namens ‚Ökonomische Bildung‘ erfahren und wie nähert man sich ihnen? Ich schreibe diesen Beitrag als Vorschau auf eine Monographie. Dort erläutere ich die Auseinandersetzung mit den Geschichten und das daraus erwachsene Modell im Detail. Hier will ich als vorgezogenen Diskussionsbeitrag mein Vorgehen skizzieren, einen Zwischenstand als Ausblick geben und allem voran, meine ‚theoretische Sensibilität‘ im Sinne der grounded theory darstellen. „Gemeint ist [damit] ein Bewußtsein für die Feinheiten in der Bedeutung von Daten. […] Theoretische Sensibilität bezieht sich auf die Fähigkeit, Einsichten zu haben, den Daten Bedeutung zu verleihen, die Fähigkeit zu verstehen und das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.“ (Strauss/Corbin 1996, 25) Kelle und Kluge fassen dies zusammen als „Fähigkeit, über empirisch gegebenes Material in theoretischen Begriffen zu reflektieren“ (2010, 28).

Was also ist wichtig und erhellend an den „richtigen Buchstaben auf der Kleidung“ und dem „Prozess“, was hingegen ist für meine Fragestellungunwichtig? Mit welchen Begriffen lässt es sich begreifen? Glücklicherweise hilft schon der gewählte Zugang des Narrativen (d. h., des Erzählens) dabei, Wichtiges hervorzuheben. Denn „narrative Erfordernisse [haben] ontologische Konsequenzen […] Man kann nicht alles, was geschieht, in die Erzählung mit einbeziehen, sondern wird in erster Linie dasjenige berücksichtigen, was für den Schluß der Geschichte relevant ist.“ (Gergen 2011, 174) „Schluss“ bedeutet hier nicht nur das zeitliche Ende, sondern auch den Vorgang des ‚Schließens‘, des ‚Schlüssig-Machens‘ eines Texts. Anders ausgedrückt: „Die zahllosen Möglichkeiten, aus etwas ein »Ereignis« zu machen, werden durch die Einführung eines Endpunktes erheblich reduziert.“ (ebd., 173) Der „Endpunkt“ ist in diesem Fall als „Moment Ökonomischer Bildung“ vorgegeben, als Gegenstand des Schreibimpulses. Folgt man der Idee der ‚ontologischen Konsequenzen‘ des Narrativen, so würde das Wichtige, Relevante zum Phänomen ‚Ökonomische Bildung‘ durch den Prozess des Erzählens vorselektiert, die Suchrichtung ‚ergibt‘ sich aus dem Material.

Beim Thema theoretische Sensibilität zeigt sich jedoch auch eine Kernschwierigkeit der grounded theory: Einerseits wird angestrebt, nur die Daten an sich sprechen zu lassen, induktiv im engsten Sinne, und ihnen möglichst kein bereits existierendes Theoriekorsett aufzuzwingen – denn wie könnte sonst eine neue, gegenstandsbezogene Theorie entstehen? Wie könnte ich ‚Ökonomische Bildung‘ aus den Erfahrungen der Studierenden heraus definieren, wenn ich zuvor selbst definieren würde, was einen Moment Ökonomischer Bildung ausmacht? Andererseits ist kein Forschender, kein Mensch überhaupt, gänzlich frei von Theorie bzw. kognitiven Ordnungsschemata, wenn er sich neuen Phänomenen widmet. Alles Neue versuchen wir zuerst mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln einzuordnen. Erst wenn unsere vorhandenen Muster, Begriffe, Schemata nicht mehr ausreichen, geschieht das, was Piaget ‚Akkomodation‘ nennt: Die Transformation unserer inneren Strukturen als Funktion des Neuen, das uns begegnet (vgl. Block 1982, 282) – meines Erachtens: eine Form der Theoriebildung angesichts kritischer Ereignisse (oder ‚Momente‘). Im Sinne der grounded theory gilt es daher nicht, sich vollständig von seinem Vorwissen zu befreien (was kaum möglich wäre) oder loszusagen (was nicht ehrlich wäre). Theoretische Sensibilität zu zeigen heißt demnach,

  • das eigene Vorwissen und die relevanten theoretischen Annahmen und Basissätze aufzuzeigen und
  • dies in kritisch-erfahrungsoffener Auseinandersetzung mit den Daten und sich selbst stetig weiterzuentwickeln, sowie diesen Prozess nachvollziehbar zu dokumentieren.

Hilfreich scheint mir außerdem die Unterscheidung zwischen „empirisch gehaltvollem“ und „nicht-gehaltvollem Theoriewissen“ (Kelle/Kluge 2010, 39): Ziel der Untersuchung ist es, empirisch gehaltvolles Theoriewissen zu schaffen, also ‚Ökonomische Bildung‘ über rational einsichtige Merkmale zu beschreiben, die sich anhand der vorliegenden und künftigen Geschichten bestätigen oder widerlegen lassen. Um diese zu finden, sind jedoch bestimmte empirisch nicht-gehaltvolle Theorien unabdingbar: grundlegende Ideen und Vorstellungen, die für sich genommen nicht wahr oder falsch sind, sondern z. B. Metatheorien, Methodologien oder bestimmte Deutungsmuster.

Für mich ergaben sich die Deutungsmuster zunächst aus dem Gegenstand selbst: a) Geschichten über b) Ökonomische c) Bildung spannen ein Dreieck auf, das sich wie folgt visualisieren lässt:

Abbildung 1: Eckpunkte und Kanten zu Geschichten Ökonomischer BildungAbbildung 1: Eckpunkte und Kanten zu Geschichten Ökonomischer Bildung

Aktiviert sind also literatur- bzw. sprachwissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche und bildungstheoretische Bezüge sowie deren Überschneidungsräume. In anderem Kontext wird sich für jeden Eckpunkt und jede Kante dieses Dreiecks ein eigenes Theoriekapitel lohnen. In diesem Diskussionsbeitrag setze ich nur einige Akzente, die auf die spezielle Methode hinwirken: Die kategorienbildende Interpretation von biographischen Geschichten.

Beispiel 1 mit den „richtigen Buchstaben“ ist für diese biographische Methode eine ideale Geschichte, in der tatsächlich ein ‚Moment‘ beschrieben wird: Ein kritisches Ereignis „schockiert“, „erstaunt“, regt zum Umdenken an, eine Akkomodation in Piagets Sinne erfolgt („Das Erstaunen in den Gesichtern und meinen persönlichen Schock in Bezug auf die Gewinnspanne, werde ich nie vergessen“). Die erste Sichtung der Texte ergab jedoch, dass rund ein Drittel strenggenommen die Aufgabe verfehlt: Es werden keine kritischen Momente herausgehoben, sondern längerfristige Enkulturationsprozesse beschrieben, wie es in Beispiel 2 geschieht. Dort werden Vorbilder genannt, Wirtschaft oft in abstrakteren Begriffen verhandelt und Gänge durch die Institutionen beschrieben (hier: Familie, Ausbildung, Studium). Diese Enkulturations’geschichten‘ treffen somit eher die Definition eines Lebenslaufs als einer Biographie: „Der Lebenslauf ergibt sich aus Entscheidungen im Laufe des Lebens, die Biographie aus der Reflexion über getroffene Entscheidungen.“ (Meulemann 1999, 305) Oder: „In der Biografie ist die Bewältigung des Lebenslaufes strukturiert.“ (Böhnisch 2008, 36) Es fehlt diesen eher faktischen Verlaufsberichten somit an reflexiver Tiefe, am „Zurückbeugen“ im Sinne Rotenstreichs (s. o.). Sie vermitteln kein persönliches Investment, keine Sinngebung. Dennoch können sie wertvolle Informationen bergen: Über einflussreiche Institutionen, die Dynamik von ökonomischer Enkulturation und vieles mehr. So erhielt ich aus dem Material selbst die Anregung, ein zweigleisiges Analyseschema für die Geschichten zu entwickeln:

  • Ein Strang zu Enkulturations’geschichten‘, die aufgrund ihrer geringeren reflexiven Tiefe eher vor dem Hintergrund der hidden curriculum-Theorie ideologiekritisch analysiert werden konnten (vgl. Bowles/Gintis 1976, Margolis 2001; Illich 2013, 71; Fend 2009);
  • und ein Strang zu echten ‚Momenten‘ mit narrativen Settings und kritischen Ereignissen, die narratologisch und bildungstheoretisch interpretiert werden konnten.

In diesem Beitrag blende ich den ersten (in Abbildung 2 oberen) Strang aus und fokussiere auf den zweiten Strang. In Abbildung 2 wird jedoch deutlich, dass sich beide Stränge in einem übergreifenden Analyseschema miteinander verbinden lassen und auf einige wesentliche gemeinsame Elemente zurückgreifen.

Abbildung 2: Zweistrang-Analyseschema zu Geschichten Ökonomischer BildungAbbildung 2: Zweistrang-Analyseschema zu Geschichten Ökonomischer Bildung

Dieses Analyseschema bedarf an anderer Stelle einer umfangreichen Erläuterung, hier zeige ich es nur zur Orientierung und Verortung. Mit der grounded theory Vertraute erkennen darin eine Ausdifferenzierung des Kodierparadigmas von Strauss/Corbin (1996): Sozialwissenschaftliche Forschung suche demzufolge nach

  1. Bedingungen eines Phänomens (hier: Setting, Anfangszustände, Ereignisse, …),
  2. Interaktionszusammenhängen (hier: Personenkreise, Institutionen, …),
  3. Handlungsstrategien (hier: handelnde Personen, Ereignisstruktur, …) und
  4. Konsequenzen (hier: Endzustände, Reflexionen, …).

Wie Tiefel richtig anmerkt, weist die grounded theory „aufgrund ihrer soziologischen Herkunft eine starke handlungstheoretische Fundierung auf“ (2005, 65). Meinem pragmatischen Grundverständnis kommt dies sehr entgegen und insbesondere Texte mit echten ‚Momenten‘ lassen sich vor diesem Hintergrund gut erfassen (spielen Sie es gern selbst am Beispiel der „richtigen Buchstaben“ durch). Für Enkulturations’geschichten‘ hingegen bietet sich eine Modifikation der „Kodierungsleitlinien für die Analyse biographischen Lernens“ an, wie Tiefel sie vorschlägt (ebd.). Da wir diesen Strang hier nicht weiterverfolgen, soll an dieser Stelle der Verweis genügen.

4.2 Von der narrativen Situierung zum Psychosozialen des Ökonomischen

Nach dieser Verortung und Abgrenzung möchte ich nun auf die Kernelemente einer Erzählung fokussieren, die Narrative meines Erachtens so fruchtbar machen: Eine Erzählung hat ein narratives ‚Setting‘, eine „Geschichte im eigentlichen Sinn des Wortes: Vorfälle, die sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgespielt haben“ (Rehbein 1980, 66). Die a) beteiligten Personen sind also eingebunden in b) Ort und c) Zeit.

Bei den „richtigen Buchstaben“ ist dies leicht zu erkennen: Die Erzählstimme ist „Schülerin“, sie situiert ihre Erfahrung in der Schule als Ort und Zeit bzw. Lebensabschnitt. Die beteiligten Personen sind klar benannt und werden mit Charaktereigenschaften belebt („pubertierende kleine Snobs“). Die Geschichte ist auch insofern situiert, als dass es sich um einen überschaubaren Zeitraum handelt, der als eine zusammenhängende (komplexe) Situation betrachtet werden kann. Der zweiten Geschichte zum „Prozess“ fehlt diese erzählerische Überschaubarkeit, das Szenenhafte: Der beschriebene Zeitraum ist lang und situationsübergreifend („in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen“ – wo und wann ist wem was genau passiert?). Das Beschriebene ist wenig belebt (Mutter und Vater werden in ihren wirtschaftlichen Funktionen vorgestellt, aber nicht in ihren menschlichen Eigenschaften), es wird kaum konkretisiert („All diese Erfahrungen haben meine Einstellung und mein Verständnis für Wirtschaft beeinflusst und verändert“ – aber wie, woher, wohin?). Die Erzählstimme kann kaum als involviert, als ‚situiert‘ betrachtet werden. Sie ist nicht narrativ eingebunden, damit auch nicht kulturell eingebunden: Der zweite Text könnte ebenso in Südostasien wie in Nordamerika verortet werden, während schon allein die „deutschen Marken“ im ersten Text ein geographisches und soziales Milieu andeuten.

Narrative Eingebundenheit bedeutet also auch kulturelle und gesellschaftliche Eingebundenheit, und im Sonderfall biographischer Erzählung vor allem persönliche, subjektive Eingebundenheit. Nicht zuletzt entspricht die narrative Triade PersonOrt – Zeit den konstituierenden Dimensionen einer „Lebenssituation“ im Sinne von Schütz/Luckmann (2003). Auch Hantke thematisiert dies in dieser Ausgabe von bwp@ (2018, 3f.), auf der Suche nach situativen Ankern transformativer Wirtschaftsdidaktik: Aus ebensolchen vereinzelten Lebenssituationen speisen sich Lebenswelten (Schütz/Luckmann 2003), subjektives Erfahrungswissen und kommunizierbare, systematisierbare Lebenssituationstypen (Götzl/Jahn 2017). Hier schließt sich der Kreis: Genau in Erzählungen sehe ich den methodischen Zugang zum gesuchten spezifischen Lebenssituationstyp, den Momenten Ökonomischer Bildung. Wie auch bei Hantke anklingt, werden diese Momente jedoch erst durch das nachträgliche, ggf. unterstützte Erzählen und Reflektieren kognitiv durchdrungen und gewissermaßen erst damit wirklich bildend.

Nun geschah bei der Lektüre der verschiedenen Geschichten etwas für die grounded theory Typisches: Ein geeignetes Deutungsmuster offenbarte sich meinem Kodierteam[3] quasi ‚von selbst‘, oder besser gesagt: Wir wurden von Auffälligkeiten des Materials daran erinnert, ein geeignetes Werkzeug bereits zur Hand zur haben. In der Schnittmenge PersonOrt – Zeit wurde immer wieder verdeutlicht, dass die individuelle Entwicklung des Menschen in Abhängigkeit seiner sozialen Bezüge stattfindet – auch im Hinblick auf Ökonomische Bildung. Im Beispiel der „richtigen Buchstaben“ brauchte es die peer group, die gleichaltrigen Mitschüler(innen) und die Lehrerin, um den bildenden Moment zu erfahren. In anderen Beispielen sind es die Eltern, Kolleg(inn)en am Arbeitsplatz, Kund(inn)en oder auch die eigenen Kinder. Um diese Prozesse weiter zu ergründen, wird also ein psychosoziales Deutungsmuster benötigt. Im Begriff des ‚Psychosozialen‘ fallen schließlich auch Selbst- und Sozialkompetenz zusammen, was das Potenzial dieser Forschung für didaktische, insbesondere curriculare Fragen unterstreicht: Wenn in der beruflichen Bildung ausgehend von Roth (1971) und den Rahmenlehrplänen der KMK Handlungskompetenz in Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz differenziert wird, fällt es am leichtesten, das Drittel der Sachkompetenz weiter zu operationalisieren. Zu dieser materialen Dimension Ökonomischer Bildung gibt es umfangreiche Kanonarbeit, worauf ich in den Kapiteln 1 und 2 verwies. Zu den Dimensionen der Sozial- und Selbstkompetenz hingegen sind Didaktiker(innen), Bildungsplanmacher(innen) und Lehrer(innen) auch heute noch vergleichsweise ratlos. Nicht selten lese ich in Unterrichtsentwürfen von angehenden Lehrer(inne)n Lernzielformulierungen nach dem Schema „Die Schüler(innen) entwickeln ihre Sozialkompetenz, indem sie in Gruppen arbeiten“. Das mag im Endeffekt sogar stimmen, zeugt aber von ebendieser Ratlosigkeit und einer erheblichen (fach-)didaktischen Professionalisierungs- bzw. Forschungslücke (vgl. Euler 2001, Schumann 2008). Sozial- und Selbstkompetenz stehen oft unverbunden und abstrakt ‚neben‘ der Sachkompetenz, anstatt inhaltlich/gegenständlich integriert zu sein. So verkommen diese beiden Dimensionen zu ‚übergreifenden‘, ‚allgemeinen‘ Kompetenzen – die im Endeffekt hintenüberfallen, weil sie im sach-lastigen Unterricht nicht ausdrücklich verankert werden. Sozial- und Selbstkompetenz will dann ‚nebenbei‘ mitentwickelt werden („häufiger zitiert als definiert“, ebd., 10), anstatt mit ökonomischen Lerngegenständen integriert auf den Begriff gebracht zu werden. Ebendiese Begriffe gilt es also zu bilden: Was genau sind die Sozial- und Selbstkompetenzaspekte Ökonomischer Bildung, was ist das Psychosoziale des Ökonomischen?

Während der ersten Sichtung der Texte kamen diese Ideen und Fragen auf, das empirische Material regte sie gewissermaßen in freier Assoziation an. Ich erinnerte mich daran, dass ich Eriksons Theorie der psychosozialen Entwicklung schon in anderen pädagogischen Kontexten schätzen gelernt hatte und begab mich, wiederum typisch für die grounded theory, in eine theoretische Schleife (Breuer et al. 2018, 139): Ich machte einen Literaturrecherche-Exkurs, um mein Deutungsschema des Psychosozialen zu fundieren, bevor ich mich weitergehend der Textanalyse widmete. Bei Erikson fand ich schließlich ein Phasenschema der Identitätsentwicklung in Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld, das für mein Vorhaben wie maßgeschneidert schien. Erikson dazu: „Im besten Fall ist es [d. h., die Identitätsentwicklung, M. C.] ein Prozeß zunehmender Differenzierung und er wird immer umfassender, während das Individuum sich fortschreitend eines sich erweiternden Kreises anderer bewußt wird, die für es Bedeutung haben, von der mütterlichen Person bis zur »Menschheit«. Der Prozeß »beginnt« irgendwo in der ersten echten »Begegnung« von Mutter und Säugling, als zweier Personen, die einander berühren und erkennen können, und er »endet« nicht, bis die Kraft eines Menschen zur wechselseitigen Bestätigung schwindet.“ (Erikson 1981, 19) Auf diesem Weg von der oder dem ersten ‚Anderen‘ bis zur Identifikation oder Verbitterung gegenüber ‚Allen‘ liegt die peer group aus unserem Beispiel mit den „richtigen Buchstaben“ irgendwo in der Mitte. Wo genau, dazu bietet Erikson ein Phasenschema, das er im Laufe seines Lebens ständig weiterentwickelte. Im „vollständigen Lebenszyklus“ (Erikson 2016) nahm es schließlich die Form an, auf die ich mich im Weiteren beziehe. In Tabelle 2 zeige ich eine Darstellung, die im Wesentlichen auf der Darstellung Eriksons (2016, 36f.) beruht, aber für den Zweck dieses Beitrags zum einen reduziert und zum anderen um die „Ich-Erkenntnisse“ aus „Jugend und Krise“ (Erikson 1981) erweitert wurde (die hervorgehobene Zeile nutze ich in Abschnitt 4.3, um mein Interpretationsverfahren am Beispiel der „richtigen Buchstaben“ zu erläutern).

Tabelle 2:     Eriksons Phasen der psychosozialen Entwicklung, eigene Auswahl basierend auf Erikson 2016, 36f. und 1981

Phasen

Psychosoziale Krisen

Radius wichtiger Beziehungen

Grundstärken

Kernpathologie

Ich-Erkenntnis

Ritualismus

I: Säuglingsalter

Grundvertrauen / Grundmisstrauen

Mütterliche Person

Hoffnung

Rückzug

Ich bin, was man mir gibt.

Idolismus

II: Kleinkindalter

Autonomie /
Scham + Zweifel

Elternpersonen

Wille

Zwang

Ich bin, was ich will.

Legalismus

III: Spielalter

Initiative / Schuldgefühl

Kernfamilie

Entschlusskraft

Hemmung

Ich bin, was ich mir vorstellen kann zu werden.

Moralismus

IV: Schulalter

Regsamkeit / Minderwertigkeit

Nachbarschaft, Schule

Kompetenz

Trägheit

Ich bin, was ich lerne.

Formalismus

V: Adoleszenz

Identität / Identitätskonfusion

Peer-Groups und fremde Gruppen

Treue

Zurückweisung

Ich bin, was ich bin.

Totalismus

VI: Frühes Erwachsenenalter

Intimität /
Isolierung

Partner in Freundschaft, Sexualität, Wettbewerb, Zusammenarbeit

Liebe

Exklusivität

Ich bin, was mich liebenswert macht.

Elitismus

VII: Erwachsenenalter

Generativität / Stagnation

Arbeitsteilung und gemeinsamer Haushalt

Fürsorge

Abweisung

Ich bin, was ich bereit bin zu geben.

Autoriarismus

VIII: Alter

Integrität / Verzweiflung

„Die Menschheit“, Menschen meiner Art“

Weisheit

Hochmut

Ich bin, was ich mir angeeignet habe.

Dogmatismus

Bis zur Phase der Adoleszenz hat der Mensch hiernach schon einige „Psychosoziale Krisen“ meistern müssen. Diese „Krisen“ sind als kritische Momente zu verstehen, bzw. als Entwicklungsaufgaben im Sinne Havighursts (1953). Es sind Herausforderungen, die in Überschneidungen aus individuellen Motivationen, biologischer Entwicklung und gesellschaftlichen bzw. sozialen Ansprüchen entstehen. Sie sind nicht zwingend einmalig oder streng chronologisch sortiert, doch schon allein die biologische Entwicklung legt eine bestimmte Abfolge von kritischen Themen nahe, die für alle Menschen recht ähnlich verläuft. So leuchtet ein, dass ein grundlegender Konflikt zwischen Urvertrauen und Urmisstrauen schon sehr früh angeregt wird, eben in einer Phase, in der der frisch geborene Mensch völlig auf andere angewiesen ist. Ein tiefer Konflikt zwischen Generativität und Stagnation hingegen wird sich in der Regel erst spät entfalten, eben wenn der Mensch alt genug ist, dass sowohl individuelle Biologie als auch gesellschaftliche Normen seine ‚Produktivität‘ auf den Prüfstand stellen. Wir sprechen dann umgangssprachlich von midlife crisis oder ‚Torschlusspanik‘. Torschlusspanik würde wohl nicht eintreten, wenn der „Radius wichtiger Beziehungen“ bzw. der soziale Vergleichsraum nicht entsprechend gewachsen wäre.

In dieser Entwicklungslogik knüpft Erikson u. a. an die Theorien der Freuds (hier vor allem Anna Freud) und von Piaget an, die sich auch „wohlwollend“ in dessen Arbeit wiederfinden konnten (vgl. Erikson 2016, insbes. 100f.) und führt diese über die Kindheit hinaus bis ans Lebensende fort. Der Wert dieses Phasenschemas liegt für mich nun vor allem darin, ein Biographiemodell zu bieten: Statt eines Lebenslaufs mit einem faktischen Gang durch gesellschaftliche Institutionen werden hier individuelle Prozesse und deren subjektive balancierende Bewältigung und Deutung modelliert: Prägende Krisen, Stärken, Pathologien, Erkenntnisse, Rituale.

Dass ein solches Biographiemodell in der Psychoanalyse und der Sozialpädagogik beliebt ist, leuchtet ein. Auch in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik wird gelegentlich auf Erikson Bezug genommen, in Problemfeldern der beruflichen Sozialisierung, zur Inklusion und im Übergangsbereich (z. B. Diezemann 2016, Petersen 2013, Thole 2017). Die Bezüge bleiben jedoch oft allgemein, referieren die generellen identitätspsychologischen Aspekte von Eriksons Arbeit oder fokussieren (gut begründet) auf die Phase der Adoleszenz. Das Potenzial einer tiefgehenden und übergreifenden Auseinandersetzung mit den psychosozialen Phasen als Deutungsschema für Situationstypen und curriculare Fragestellungen scheint bislang nicht ausgeschöpft. Ein Grund dafür kann sein, dass es sich bei den psychosozialen Phasen in ihrer ursprünglichen Form um eine wie oben erwähnte „empirisch nicht-gehaltvolle“ Theorie handelt, eine Metatheorie – ein Deutungsmuster eben. Um es für einen spezifischen Phänomenbereich (hier: Ökonomische Bildung) zu nutzen, muss es zunächst angewandt werden, als Filter auf empirisches Material – als theoretische Sensibilität.

Wendet man die psychosozialen Phasen als Biographiemodell auf Geschichten Ökonomischer Bildung an, so sollten sich die Geschichten schwerpunktmäßig je einer Phase zuordnen lassen, abhängig davon, welche „psychosoziale Krise“ in der Geschichte zentral verhandelt wird. Mit dieser Ordnung ließen sich den psychosozialen Krisen dann die jeweils verhandelten Ökonomischen Aspekte (Denkstile, Lösungswege, Perspektiven) und wirtschaftlichen Bereiche (Problem- und Handlungsfelder, Praxissituationen) zuordnen.[4] Im Endeffekt entstünde damit eine Art Lebenszeitcurriculum Ökonomischer Bildung entlang typischer biographisch relevanter kritischer Ereignisse. Doch wie müsste man das Phasenschema anwenden? Hierzu braucht es wiederum sprachwissenschaftliche Werkzeuge, die ich in einem technischen Exkurs skizzieren will.

4.3 Textinterpretation als sozialwissenschaftliches Verfahren: Close Reading und Semantische Isotopien

Wenn man die psychosozialen Phasen Eriksons als Metatheorie versteht, so bedeutet dies, man muss in der Anwendung auf Geschichten Ökonomischer Bildung damit interpretieren. Nun kann man, je nach Wissenschaftsverständnis, den Prozess des Interpretierens als unwissenschaftlich abtun. Interpretieren ist schließlich ein subjektiver, hoch inferenter Prozess – ein individuelles Deuten und Sinngeben, das keinen Anspruch auf Eindeutigkeit hat und somit kaum objektiv ‚wahr‘ sein kann. Doch in Anbetracht des oben erläuterten Problems, der überwältigenden Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften, und der zunehmenden Forderungen nach Multiperspektivität/Perspektivvielfalt (exemplarisch Engartner et al. 2018) sehe ich gerade in dieser geisteswissenschaftlichen, hermeneutischen Öffnung ein wichtiges Korrektiv. Zugespitzt wird dies bei Marquard: „Sie [die Geisteswissenschaft] entschärft – potenziell tödliche – Deutungskontroversen, indem sie das rechthaberisch eindeutige in das interpretierende und uminterpretierende Verständnis verwandelt und entdeckt: daß Bücher nicht nur eine Deutung haben und daß es nicht nur eine Geschichte gibt.“ (Marquard 2016, 265) Dafür braucht sie „die Kunst der Wiedervertrautmachung fremd werdender Herkunftswelten. Das ist die hermeneutische Kunst, die Interpretation: durch sie sucht man in der Regel für Fremdgewordenes einen vertrauten Kram, in den es paßt; und dieser Kram ist fast immer eine Geschichte. […] Das tun die Geisteswissenschaften: sie kompensieren Modernisierungsschäden, indem sie erzählen; und je mehr versachlicht wird, desto mehr - kompensatorisch - muß erzählt werden: sonst sterben die Menschen an narrativer Atrophie [Auszehrung].“ (Marquard 2016, 260f.)

Interpretation ermöglicht Diskurse und (wieder-)eröffnet Suchräume. Sie eignet sich demnach nicht nur als Methode der Forschung, sondern umso mehr als emanzipierende Lernmethode, als didaktisches Prinzip, worauf ich später zurückkommen will. Wichtig ist nun, Interpretation als Methode zu verstehen, als heuristischen Kniff, nicht als Ziel. Denn das hermeneutische Verstehen, so wichtig es als Prozess auch ist, „ist nicht eigentlich das Problem der qualitativen Sozialforschung. Sie will nicht deuten, entschlüsseln oder originale Zusammenhänge restaurieren, sondern Neues finden. Ihr Gegenstand ist die in ihren Verbindungen und Bezügen unentdeckte soziale Realität, nicht ein bereits – aber möglicherweise falsch – interpretiertes Gebilde. Qualitative Sozialforschung ist im Kern keine Deutungskunst, sondern ein Entdeckungs-Verfahren.“ (Kleining 1995, 17) Das interpretative Verfahren muss also auf empirisch gehaltvolle Ergebnisse ausgerichtet sein: Es müssen am Ende Lebenssituationstypen entdeckt werden, die man bestätigen oder widerlegen kann – validieren oder falsifizieren. Selbst wenn prinzipiell viele Wirklichkeiten zulässig sind, so sollen schließlich die möglichen Wirklichkeiten entdeckt werden, um mit ihnen in Gestaltung zu treten. Aus der hermeneutischen Interpretation der Geschichten muss also eine Zuordnung zu psychosozialen Phasen und eine Identifikation Ökonomischer Aspekte und Bereiche erfolgen, die sich möglichst eindeutig bestätigen oder ablehnen lässt. Hierbei spielen schließlich Ballungen eine Rolle: Je öfter, problematischer und prägnanter bestimmte Themen in einer Phase verortet werden können, desto valider die Zuordnung. Hierbei greife ich auf das Validitätsverständnis der kritischen qualitativen Erziehungswissenschaft zurück, insbesondere auf das Streben nach „katalytischer Validität“ (vgl. Cohen et al. 2007, 139): Valide sind bei einem emanzipatorischen Interesse insbesondere solche Forschungsergebnisse, die alle Betroffenen darin unterstützen, ihre „Verhältnisse besser zu verstehen, sie gesellschaftlich zu kontextualisieren und zu verändern“ (Winter 2010, Abs. 16). Forschung ist nach diesem Verständnis immer ‚politisch‘, da sie Diskurse öffnet oder schließt, Begriffe bildet und ihre Zielgruppe und deren Beteiligungschancen durch die Wahl ihrer (sprachlichen) Mittel definiert. 

Hier setzen schließlich die literatur- bzw. sprachwissenschaftlichen Werkzeuge an, der noch fehlende Eckpfeiler meiner theoretischen Sensibilität. Auch wenn es aufgrund der Mehrdeutigkeit von Sprache und individueller Assoziationen keine ultimativ ‚richtigen‘ oder ‚falschen‘ Interpretationen geben mag, so gibt es definitiv haltbare und weniger haltbare Interpretationen. Bestimmte Kombinationen von Begrifflichkeiten und Wortfeldern bilden in sich schlüssige, konsistente Deutungen, während andere sprachliche Kombinationen auseinanderfallen oder einer bestimmten Sinngebung nicht ohne Biegen und Brechen zugeordnet werden können: Die Interpretation wird dann brüchig, un-schlüssig. Meine theoretische Sensibilität beruht hierbei auf dem Interpretationsparadigma des new criticism, dessen zentrale Merkmale sind:

(a) „Konzentration auf den Text als Objekt,

(b) Das Prinzip des ›close reading‹,

(c) Die Suche nach Mehrdeutigkeit,

(d) Die Betonung der Einheit (›unity‹) im Disparaten“ (Wenzel 2004, 192f.).

Hier will ich insbesondere auf das methodische Prinzip des close reading eingehen. Als “autonome Interpretationsmethode” (Weimann 1974) stellt close reading den Text an sich in den Mittelpunkt und strebt eine textimmanente Interpretation an. Hierin brach der new criticism mit früheren literaturwissenschaftlichen Paradigmen, z. B. mit der Idee, die Biographie des Autors sei ein notwendiger Schlüssel zum Textverständnis. Im close reading geht es hingegen, wie der Name sagt, einzig um das genaue Lesen, die Arbeit eng (close) am Text, an den gewählten Worten und den sprachlichen Phänomenen. Dabei sind besonders „semantische Isotopien“ interessant (Greimas 1974): Verständnisebenen, die sich durch die Wahl bestimmter Begriffe und Wortfelder erkenntlich machen. Solche Isotopien sind gewissermaßen die ‚Themen‘ eines Texts, die sich in der Ähnlichkeit der Bedeutungselemente seiner Worte offenbaren.[5] In der Linguistik werden solche Bedeutungselemente ‚Seme‘ genannt (daher ‚Semantik‘) und in gängigen Analysen {in geschwungenen Klammern} dargestellt, um sie von gedruckten Wörtern, dargestellt in „Anführungszeichen“, zu unterscheiden. Ich möchte das an Tabelle 3 verdeutlichen:

Tabelle 3:     Beispiel für semantische Isotopien

Worte

„Bauer“

„Pferd“

„Hund“

Bedeutungselemente (Seme),
isotopisch geordnet

{Lebewesen}

{Lebewesen}

{Lebewesen}

{auf Bauernhof}

{auf Bauernhof}

{auf Bauernhof}

-

{Tier}

{Tier}

{Beleidigung}

-

{Beleidigung}

{Schachfigur}

{Schachfigur}

-

(…)

(…)

(…)

Nimmt man die drei Wörter „Bauer“, „Pferd“ und „Hund“, so lässt sich allen drei Worten eine schier unendliche Anzahl an Bedeutungen zuordnen – denn hinter jedem Wort verbirgt sich sehr viel mehr Bedeutung, als es ein Lexikoneintrag darstellen könnte (in der Tabelle angedeutet durch die offene letzte Zeile, …). Viele Bedeutungselemente werden jedoch so individuell-assoziativ sein, dass man nicht von allgemeinen Bedeutungselementen sprechen kann. So mögen Sie als Leser(in) beim Wort „Hund“ an ein persönliches Haustier denken, dem Sie eine ganz individuelle Bedeutung zumessen. Ein Kriterium für eine tragfähige Interpretation ist somit, von Bedeutungselementen auszugehen, die möglichst allgemein und intersubjektiv nachvollziehbar sind. Man kann für einen Text mit den Worten „Bauer“, „Pferd“ und „Hund“ schnell zwei Isotopien identifizieren: Bei den gegebenen Informationen geht es in diesem Text wohl um {Lebewesen}, wahrscheinlich um einen {Bauernhof}. Die anderen Bedeutungsebenen {Tiere}, {Beleidigungen} und {Schachfiguren} sind hingegen nicht konsistent – dort gibt es Isotopiebrüche. Die Interpretation, es ginge bei dem Text um eine Schachpartie, ist schwer haltbar, solange keine weiteren Informationen hinzugezogen werden können. „Bauer“ und „Pferd“ passen als {Schachfiguren}, aber was macht der „Hund“ in dieser Szene? Dazu bräuchte es mehr Kontext, das close reading konzentriert sich aber allein auf den vorliegenden Text (im Beispiel also lediglich auf die drei Worte).

Ich kehre nun zum Ökonomischen zurück. Wenn man die Geschichte von den „richtigen Buchstaben“ einer psychosozialen Phase zuordnen will, so muss man die einzelnen Phasen als solche semantische Isotopien verstehen, mit ihren jeweiligen Kategorien als Seme/Bedeutungselemente. Nun gilt es, eng am Text Ausdrücke zu sammeln, die sich mit diesen Bedeutungselementen decken. In Tabelle 4 habe ich das beispielhaft ausgeführt:

Tabelle 4:     Ergebnis eines close readings zur psychosozialen Phase „Adoleszenz“ am Beispiel der Geschichte „Die richtigen Buchstaben auf der Kleidung“

{Adoleszenz}

{Peer-Groups} und {fremde Gruppen}

{Treue}

{Zurückweisung}

{Totalismus}

„pubertierende“

„Möchte-Gerns“

„Qualität“, „widmete“, „geliebt“, „deutsche Marke“, „Schriftzüge“, „Marken“, „Rangzeichen“, „Uniform“

„die richtigen [vs. falschen] Buchstaben“, „hinterfragen“,

„fernab“, „Schock“

„dominiert“, „Nichts (scheint so wichtig wie)“,

„große Namen“,

 „Marken-Krieg“

Der Text hat insgesamt einen starken Ausdruck, er benutzt affektgeladene Worte („Snobs“, „Möchte-Gerns“). Die Grundproblematik ist die des Dazugehörens, der In-Group und Out-Group, der Identifikation mit großen Ideen bzw. Marken und des „Schocks“, der Verwirrung, wenn solch „große Namen“ ins Wanken geraten – es ist ein der Adoleszenz zuzuordnender Moment, der hier erzählt wird, in Inhalt und Sprache. Versuchen Sie es selbst und legen Sie die Tabelle 2 mit den Phasen neben den Text: Es wird andere Interpretationen geben, es werden sich andere Isotopien und ‚Themen‘ projizieren lassen, doch eine schlüssigere, textadäquatere Zuordnung als jene zur Adoleszenz ist schwer zu begründen. Bei der Zuordnung der Geschichten kommt es auch selten zu konkurrierenden Einschätzungen, was sich mir im Hinzuziehen von Studierenden und diversen wissenschaftlichen Kolleg(inn)en bislang bestätigte (ich lasse jede Zuordnung mindestens dreifach diskursiv validieren, bevor ich sie in meine Datenbasis übernehme). Meist stellen sich unterschiedliche Einschätzungen im Laufe einer diskursiven Validierung heraus als Folge

  1. von subjektiven Überbewertungen spezieller/schwacher Seme (vgl. das Beispiel oben, wenn mit „Hund“ zuallererst das eigene Haustier mit seinen Eigenarten assoziiert wird) oder
  2. von Missverständnissen der psychosozialen Theorie.

So ist der Beispieltext zwar ausdrücklich in der „Schule“ situiert, aber in der „Schulalter“ genannten Phase der psychosozialen Theorie stehen ausdrücklich Entwicklungsaufgaben im Kontext Lernen und Kompetenz im Mittelpunkt. Bei den „richtigen Buchstaben“ geht es hingegen nicht um das Wissen und Können im engeren Sinne, sondern um das Ein- und Ausgrenzen, um das Dazugehören (was wohl im Erfahrungsraum Schule mindestens so wichtig ist wie das Lernen an sich). Die vielen militanten Worte („Marken-Krieg“, „Uniformen“) unterstreichen, dass hier nicht Formalismus verhandelt wird, sondern Totalismus – alles oder nichts, drinnen oder draußen, wer kein Mitglied ist, ist nichts. In der Überwindung dieser typisch adoleszenten Herausforderung entsteht schließlich die in Tabelle 2 gezeigte Ich-Erkenntnis: „Ich bin, was ich bin“, meine Identität muss letzten Endes aus mir heraus und tief in mir gesichert sein, nicht allein aus einer Gruppenidentität. Auch die „deutsche Marke“ ist, was sie ist; nicht, was ihre Anhänger ihr totalitär zuschreiben. Das Markenimage, die Gruppenzugehörigkeit, macht die Realität der Produktionsbedingungen nicht ‚besser‘.

Lassen Sie mich meine Argumente und Thesen bis hierhin zusammenfassen:

  • Semantische Isotopien eines Texts bestimmen sein Sujet, sein Thema. Über close reading lassen sich die Bedeutungsebenen einer biographisch verankerten Geschichte identifizieren.
  • Jeder Moment Ökonomischer Bildung lässt sich einer psychosozialen Phase zuordnen, denn Ökonomische Aspekte und Handlungsfelder sind in allen Phasen der individuellen psychosozialen Entwicklung bedeutsam.
  • Im Umkehrschluss sind psychosoziale Krisen belegbare und begründbare Isotopien, Themen, Sujets der Ökonomischen Bildung – wenn man Studierende nach subjektiv relevanten Erfahrungen befragt, anstatt Ökonomische Bildung als Kanon materialer Bildung abzuleiten.
  • Über die Identifikation besonders häufiger/typischer, problemhaltiger und prägnanter Ökonomischer Themen pro psychosoziale Phase lässt sich ein entlang der Identitätsentwicklung strukturiertes Biographiemodell für Ökonomische Bildung skizzieren – gewissermaßen ein Lebenszeitcurriculum Ökonomischer Bildung mit dem Potenzial, Lerngegenstände zu bestimmen, die eine tatsächlich integrierte Förderung von Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz ermöglichen.

Dies ist verständlicherweise ein umfangreiches Unterfangen, mit einigem Erklärungs- und Überzeugungsbedarf gegenüber einer monodisziplinär dominierten Wirtschaftswissenschaft und einer Wirtschaftsdidaktik, die in dieser Bezugswissenschaft Orientierung sucht. Im nächsten Abschnitt will ich eine erste Vorschau geben.

5 Auf dem Weg zu einem Biographiemodell für Ökonomische Bildung

Ich setze noch einmal an den „richtigen Buchstaben“ an. Ich habe sie als „Adoleszenz“-geschichte einer psychosozialen Phase mit deren typischen Entwicklungsaufgaben zugeordnet. Was sind nun die Ökonomischen Aspekte und Bereiche in dieser Geschichte? Es geht im weitesten Sinne wohl um Gruppen, um Konsumentencluster, Zielgruppen, gewissermaßen auch um Teams. Auch wenn Arbeitsteilung/Organisation in diesem Beispiel keine Rolle spielt: Die interne Logik und Gruppenmoral der peer group wird den Heranwachsenden wenig später in ganz ähnlicher Form als Unternehmenskultur und Betriebsmoral wiederbegegnen, die „richtigen Buchstaben“ sind dann die Marken- und Rangzeichen des Arbeitgebers, die corporate identity. Derartige Geschichten gibt es in meiner Datenbasis zuhauf, in anderem Kontext werde ich sie analog zum Beispiel in diesem Beitrag entfalten.

Die adoleszente Entwicklungsaufgabe Identität vs. Ideologie hat meiner Datenbasis zufolge zwei besondere ökonomische Prägungen:

  1. Konsumstil: Wer bin ich als Konsument? Wie grenze ich meine tatsächlichen Bedürfnisse gegen die verwirrenden „großen Ideen“ der Konsumwelt ab?
  2. Berufliche Identität: Wer bin ich als arbeitendes, schaffendes Wesen? Wie grenze ich meine tatsächlichen Talente, Kompetenzen und Werte gegen die verwirrenden „großen Ansprüche“ der Arbeitswelt ab?

Auch Erikson betont in „Jugend und Krise“, wie stark in der Adoleszenz das Thema berufliche Identität mitschwingt: „Im allgemeinen ist es die Unfähigkeit, sich auf eine berufliche Identität festzulegen, die die meisten jungen Leute verwirrt. Um selbst nicht auseinanderzufallen, überidentifizieren sie sich mit den Helden von Cliquen und Massen, bis zu einem scheinbar völligen Verlust der Individualität.“ (Erikson 1981, 135) Nun darf man „große Ideen“ und „große Ansprüche“ jedoch nicht ausschließlich als Negatives, Übermächtiges verstehen, oder als Ideologien im Sinne verblendender Fehlleitung. Gemeint sind hier tatsächlich alle bewusstseinsbildenden großen Themen, Strömungen, ggf. auch, aber nicht nur, fehlleitende Ideologien der aktuellen Zeitgeschichte. Nicht selten fällt neben der ersten Berufsentscheidung auch die Entscheidung für eine andere Religion oder einen neuen Ernährungsstil in der Adoleszenz, oft in Abgrenzung von den Gewohnheiten der eigenen Eltern, die als nicht mehr zeitgemäß empfunden werden. Identität entwickelt sich nach Erikson also in der Auseinandersetzung des Einzelnen mit seinem sozialen Umfeld, vor dem Hintergrund der zeitgenössischen großen Themen und Herausforderungen – mit Klafkis Worten: epochaltypischen Schlüsselproblemen.

Auch in diesem Sinne sind Klafkis Bildungsverständnis und Eriksons Identitätsentwicklungsverständnis kompatibel. Bildung wird hier verstanden als gleichzeitig individueller und gesellschaftlicher Prozess, als Entwicklung des Menschen und der Menschen (der Menschheit) zu sich selbst, oder eng am Humboldt’schen Begriff: zu Frieden, Vernunft und Freiheit. Hierbei spielt das Ökonomische offensichtlich stets eine Rolle: Frieden als Ausgang der Menschen aus dem Kampf um Ressourcen; Vernunft als Leitinstanz des Verstandes und damit auch des ökonomischen Denkens; Freiheit als individuelle Wahlentscheidung und Abbau ökonomischer Herrschaftsverhältnisse; um nur Ansätze zu nennen. Ökonomische Bildung muss als bedeutsame Dimension sowohl beruflicher wie allgemeiner Bildung[6] in diesem Sinne gestärkt und entwickelt werden, denn sie stützt Identitätsentwicklung und gesellschaftlichen Wandel. Auch nach Erikson „können wir […] bei der Besprechung der Identität nicht das persönliche Wachstum vom Wandel der Gemeinschaft trennen, noch können wir [...] die Identitätskrise im individuellen Leben und die zeitgenössischen Krisen in der historischen Entwicklung voneinander trennen, denn die beiden helfen einander zu definieren und sind in der Tat relativ zueinander. Ja, das ganze Wechselspiel zwischen dem Psychologischen und dem Sozialen, dem Entwicklungsmäßigen und dem Historischen, für das die Identitätsbildung von prototypischer Bedeutung ist, kann tatsächlich nur als eine Art von psychologischer Relativität verbegrifflicht werden.“ (Erikson 1981, 19; H.i.O.)

Nun habe ich das Beispiel mit den „richtigen Buchstaben“ ausgesucht, weil es womöglich den Kern der Arbeit an beruflichen Schulen und Universitäten trifft. Auch Erikson widmete einen Großteil seiner Arbeit der Erforschung der Adoleszenz, als Dreh- und Angelpunkt der Identitätsentwicklung, da er lange Zeit mit Heranwachsenden (klinisch) arbeitete. Doch im „vollständigen Lebenszyklus“ sind die psychosozialen Phasen für ein ganzes Leben gegeben, und eine Sortierung relevanter Ökonomischer Aspekte über die gesamte Skala kann zweierlei Orientierung geben: Zum einen ein Curriculum für Lebenslanges Lernen, zum anderen eine Orientierung für Aufarbeitung des Vergangenen und Vorbereitung des Kommenden. In Tabelle 5 zeige ich eine Auswahl der bisher identifizierten Ökonomischen Aspekte und Bereiche entlang der früheren Phasen der Identitätsentwicklung. Die Adoleszenz ist hier erneut hervorgehoben, als Phase des Beispiels in diesem Beitrag.  

Tabelle 5:     Ausgewählte Ökonomische Aspekte und Bereiche entlang der psychosozialen Entwicklung

Phase – Ritualisierung (Erikson)

Ich-Erkenntnis (Erikson)

Ökonomische Bereiche

(Casper)

Ökonomische Aspekte

(Casper)

(…)

„Kleinkindalter“ – Legalismus

Ich bin, was ich will.

Orte des Konsums (Geschäfte), Hierarchien der Arbeit

Optimierung unter Nebenbedingungen („Wille/Zwang“)

-> Ökonomisches Prinzip

„Spielalter“ – Dramatik

Ich bin, was ich mir vorstellen kann zu werden.

Club-/Vereinsarbeit, Startup

„Aufhebung der Leblosigkeit“ (Hochmann 2016), sich mit etwas identifizieren, was man noch nicht ist

-> Das Unternehmerische

„Schulalter“ – Formalismus

Ich bin, was ich lerne.

Wirtschaftliche Lernorte (Betriebe, Schulen, Bildungseinrichtungen)

Streben nach informierter Entscheidung

-> Informations-ökonomie

„Adoleszenz“ – Totalismus (Ideologie)

Ich bin, was ich bin.

Konsumentengruppen, Teamarbeit, Betrieb

Zugehörigkeit und Werturteile, von ‚richtig oder falsch‘ (formal) zu ‚gut oder böse‘ (moralisch)

-> Institutionenökonomik und Wirtschaftsethik

(…)

Auffällig ist hier, dass der Kern der neoliberalen Lehrbuchökonomik, das Ökonomische Prinzip als Optimierung unter Nebenbedingungen, gewissermaßen ein „Kleinkinder“-Thema ist. Das mag als überspitzte Pointe erscheinen, doch die Geschichten zeigen in auffälliger Klarheit, wie früh und tief verwurzelt der Konflikt zwischen Wille und Zwang, hier: Bedürfnissen und Ressourcen, aufkommt. Dort häufen sich Geschichten über das erste Taschengeld; die ersten Erkenntnisse, dass man nicht immer bekommt, was man sich wünscht; und die Schwierigkeiten, unter straffem Budget eine Familie zu ernähren bzw. als Kind in solchen Verhältnissen aufzuwachsen. Auch der Grundstein des Unternehmertums wird, psychosozial betrachtet, sehr lange vor den ersten curricularen Berührungspunkten mit entrepreneurship education gelegt: Das Unternehmerische wird in den Texten als Lebhaftes, Spielerisches, Dramatisches ‚inszeniert‘, ganz im Sinne der „praxis- und naturtheoretischen Dekonstruktion des Unternehmerischen“ von Hochmann (2016). Es wird nicht angestrebt, die Zukunft möglichst genau vorherzusagen (wie es der Formalismus täte), sondern sie spielerisch zu gestalten, wie es im Kontext der entrepreneurship education z. B. der effectuation-Ansatz betont (Sarasvathy 2009).

Schon an diesem kleinen Auszug zeigt sich: Im Vergleich zu frühen Prägungen und der starken Betonung ethischer, ideologischer Auseinandersetzungen in der Adoleszenz schwindet hier der Stellenwert des Formalen enorm. Wo Ökonomische Bildung bislang stark auf eben jenen Formalismus begründet scheint, wie in Kapitel 2 dargestellt, ist die psychosoziale Relevanz Ökonomischer Themen sehr viel breiter und bunter. Ein wirklich kategoriales Curriculum Ökonomischer Bildung müsste vor diesem Hintergrund völlig neu diskutiert werden, zunächst unabhängig vom fachwissenschaftlichen Kanon der im obigen Sinne ‚orthodoxen‘ Ökonomik. Nun habe ich mit den beiden Anschlüssen für ‚das Unternehmerische‘ aber zeigen wollen, dass dies keinesfalls eine Abkehr von der Wissenschaftsorientierung bedeutet, ganz im Gegenteil: Zu all den bislang identifizierten Themen gibt es wertvolle Literatur, aktuelle Forschung, progressive Diskurse – die jedoch in weiten Teilen (noch) nicht kanonisiert sind, sondern ein ‚heterodoxes‘ Schattendasein fristen. Warum? Zum Teil, weil sie dem Selbstanspruch des streng formalisierten mainstream und dessen Anreizsystemen nicht entsprechen; zum Teil, weil sie mit politischen Agenden und entsprechenden Vorbehalten verbunden werden, oder weil sie bestimmten Interessensgruppen aus Machtsicherungsgründen schlicht nicht gefallen (vgl. hierzu diverse Beiträge in dieser Ausgabe, z. B. Ackermann et al. 2018 für die Situation in der Schweiz, zusammenfassend z. B. Benton et al. 2018, K. 1 und K. 5). Wie soll man also mit diesem Forschungsansatz und diesen Zwischenergebnissen umgehen? Dies mündet in einen Ausblick, mit dem ich diesen Beitrag schließe.

6 Ausblick für Forschung und didaktische Gestaltung

Die didaktische Konsequenz eines solchen psychosozialen Biographiemodells darf nun nicht sein, Kleinkindern das Ökonomische Prinzip beibringen zu wollen, in der Adoleszenz mit formalem Denken aufzuhören und die Thematisierung von Fürsorge ins fortgeschrittene Erwachsenenalter zu vertagen. Auch wenn die psychosozialen Phasen als Entwicklungsstufenmodell zu verstehen sind und gemäß Erikson linear durchlaufen werden, so lässt sich dieses ‚Durchlauf‘-Prinzip weder dogmatisch auf Einzelbiographien anwenden, noch lässt es sich didaktisch übersetzen. Vielmehr spricht auch Erikson von einem organismischen, epigenetischen Prinzip (Erikson 2016, 27ff.): Die Entwicklungsstufen des Menschen sind biologisch mit-bestimmt, sie sind genetisch angelegt und entfalten sich in einer gewissen Logik, doch in dieser genetischen Anlage ist von Beginn an alles enthalten: Die ersten Zellen des Menschen beinhalten schon die Informationen für die gesamte biologische Differenzierung, die späten Zellen behalten die Erinnerung an Früheres. Dieses biologische, psychosoziale epigenetische Prinzip wiederum hat eine nahezu direkte didaktische Übersetzung - das genetisch-exemplarische Prinzip, wie es insbesondere Wagenschein auf den Punkt brachte: „Das Einzelne, in das man sich hier versenkt, ist nicht Stufe, es ist Spiegel des Ganzen.“ (Wagenschein 2013, 32; H.i.O.). Das hat m. E. folgende Konsequenzen:

Ökonomische Bildung sollte, sofern sie formell verfolgt wird, an den psychosozial relevanten Kernthemen der jeweiligen Entwicklungsstufe ansetzen, diese exemplarisch ausarbeiten und Themen, die anderen Phasen zuzuordnen sind, der Entwicklungslogik entsprechend aufgreifen. Vergangenes sollte also über reflexive, biographische Methoden angegangen werden (wie biographisch narratives Erzählen, systemische Aufstellungen, themenzentrierte Gesprächskreise…), Zukünftiges über gestaltungsorientierte Methoden (wie Zukunftswerkstätten, Kreativaufgaben, Debatten…) und Gegenwärtiges mit den der Phase entsprechenden Methoden. Für die hier zentral interessierende Phase der Adoleszenz und ihre Nachbarn bedeutet dies tatsächlich eine Reduzierung von Formalismen und eine stärkere Zuwendung zu identifikatorischen Methoden: zu reflexiver Auseinandersetzung, zum Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Vernetzung und Öffnung relevanter Bezugsgruppen, zur wirtschaftsethischen Auseinandersetzung und zur Klärung von Werten. Anders ausgedrückt: Für die meisten Berufsschüler(innen) und Wirtschaftsstudierende hat eine formalistische Wirtschaftswissenschaft keine unmittelbare psychosoziale Relevanz. Will man subjektorientiert Wirtschaft vermitteln und nicht den Großteil seiner Lernenden mit Fremdsteuerung frustrieren, so muss man bei ideologischen und identitätsbildenden Fragen ansetzen und die entsprechenden Methoden und Darstellungsformen wählen.

In diesem Sinne wäre ein bildendes neues ‚Schulfach’, wenn man schon darüber diskutieren will, nicht ‚Neoliberalismus light‘ nach den Partikularinteressen der Privatwirtschaft (vgl. in dieser Ausgabe Ackermann et al. 2018), sondern eher ‚Wirtschaft und Kultur‘, als epochaltypisch und psychosozial ausgerichtete Auseinandersetzung mit den historisch gewachsenen und kulturell verankerten ökonomischen Imperativen. Darin ließe sich u. a., auch für jüngere Lernende, eine Auseinandersetzung mit kulturellen Artefakten stärken – ein Verstehen der ökonomischen Imperative in expressiven, künstlerischen Darstellungen: Literatur, Film, Musik, Design, Werbung bis hin zum Videospiel – ganz im Sinne eines oft vernachlässigten Kriteriums für die Auswahl von Bildungsinhalten, der „Leistung eines Gegenstandes für Weltverstehen, d.h. für die Orientierung innerhalb einer Kultur und für die Interpretation ihrer Phänomene“ (Robinsohn 1981, 47).

Neben diesen curricularen und methodischen Überlegungen hat mein Ansatz schließlich auch Implikationen für das normative Leitbild Ökonomischer Bildung. Statt auf die getreue Wiedergabe von Formalismen und die rationale Lösung von Entscheidungsproblemen zu zielen, wäre die neue Zielmarke eine identitätsbalancierende Haltung der Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität (Klafki 2007, 52) in solchen wirtschaftlichen Situationen, die die psychosoziale Entwicklung betreffen. Dabei sind psychosoziale Krisen als individueller Ausdruck epochaltypischer Schlüsselprobleme zu verstehen. Mit einem solchen humanistischen Ideal könnte man m. E. getrost von Ökonomischer Bildung sprechen, anstatt unter diesem Etikett schlicht formales Training neoliberaler Modellierungstechniken anzubieten. Solches Training mag in einigen Verwendungszusammenhängen seine Berechtigung haben, aber es verdient den Begriff Bildung nicht. Im schlimmsten Fall ist es das krasse Gegenteil.[7]

Als Ausblick auf weitere Forschung gebe ich zunächst meine ausstehende Monographie, in der ich die Grenzen dieses Beitrags überwinden und ein vollständiges Biographiemodell Ökonomischer Bildung vorlegen will, an diversen Textbeispielen für Momente Ökonomischer Bildung ausgeführt. Des Weiteren sehe ich in den psychosozialen Phasen ein geeignetes Deutungsschema für einen breiteren Diskurs, u. a. für die Suche nach Resonanzräumen, wie sie Hantke (2018) in dieser Ausgabe anstößt: Ich sehe im Erzählerischen einen wie von ihm geforderten ästhetischen, sinnlichen Zugang zur Verhandlung des „Subpolitischen“, das ich mir durchaus in der Terminologie der psychosozialen Theorie abgebildet vorstellen kann. Nicht zuletzt erhoffe ich mir, mit meinen Anregungen einen kleinen Beitrag zur Überwindung des Grabenkampfes Ökonomische Bildung vs. Sozioökonomische Bildung zu leisten. Darin sehe ich nämlich in weiten Teilen eine „einschlägige fruchtlose Kontroverse“[8], die zu sehr um den Begriffsteil ‚Ökonomik‘ streitet (Orthodox oder heterodox? Neoliberal oder sozialwissenschaftlich?) als um den Begriffsteil ‚Bildung‘. Das Bildende (oder das Psychosoziale?) des Ökonomischen konnte in diesem Diskurs noch nicht griffig auf den Punkt gebracht werden, soweit ich bislang verfolge. Doch in genau dieser Begriffsbildung sehe ich einen notwendigen Ankerpunkt, insbesondere der Lehrerbildung und (fach-)didaktischen Professionalisierung.

Zum Abschluss möchte ich die Argumente meines Diskussionsbeitrags zusammenfassen:

  • Die psychosoziale Theorie, insbesondere Eriksons „vollständiger Lebenszyklus“, hat großes Potenzial als Deutungsschema für ein bildungstheoretisch tragfähiges ‚Lebenszeit-Curriculum‘ Ökonomischer Bildung.
  • Die (fach-)didaktische Forschung und Entwicklung braucht ein tragfähiges Paradigma für subjektorientierte, pragmatische Erziehungswissenschaft mit „katalytischer Validität“ (s. o.). Die grounded theory bietet dies, in Verbindung mit narrativer Psychologie und den Gütekriterien kritischer qualitativer Sozialforschung (vgl. Winter 2010).
  • Vorbehalte gegen nicht-kanonisierte (‚heterodoxe‘) wirtschaftswissenschaftliche Beiträge müssen im Interesse der Lernenden überwunden werden. Dies gilt insbesondere für eine Auseinandersetzung mit progressiver Wirtschaftswissenschaft und kritischer, freudomarxistischer Theorie (auch die Anwendung der psychosozialen Theorie auf Ökonomische Bildung lässt sich m. E. als freudomarxistische Theoriebildung einordnen).
  • Professionalisierung bedeutet auch berufliche Identitätsarbeit. Hierzu braucht es eine ‚Narrative Didaktik‘, mit Methoden des reflexiven Schreibens und der Auseinandersetzung mit biographischen Erzählungen anderer – nicht nur, aber insbesondere in der Lehrerbildung.

Letztendlich möchte ich zur Diskussion stellen, dass Bildung immer auch Identitätsarbeit bedeutet. Identitätsarbeit ist nicht Selbstoptimierung oder Perfektionierung eines Lebenslaufs, sondern die Sinnstiftung zur eigenen Biographie. Identitätsarbeit bedeutet, die eigene Geschichte zu schreiben. Das ist ein existenziell bedeutsamer psychologischer Prozess, an dem Pädagogik eine hohe Verantwortung trägt, denn „Pädagogik ist die Kunst, Therapien antizipierend zu ersetzen. Therapie ist nachträgliche Pädagogik.“ (Cohn 2016, 176) So will ich mit einer psychoanalytischen Perspektive enden: „Menschen wenden sich traditionellerweise an die Psychoanalyse, wenn die Geschichte, die sie sich selbst über ihr Leben erzählen, abgebrochen ist oder zu schmerzhaft wurde, oder beides. Ziel der Analyse ist es, die losen Enden – und loseren Anfänge – dieser Geschichten wiederherzustellen.“ (Phillips 1993, xx, eig. Übers.) Wer anderen Menschen pädagogisch-professionell Orientierung und Kraft geben will,  sollte sie im ‚Erzählen‘ unterstützen. Denn Erzählkompetenz ist autobiographische Kompetenz: Das eigeneLeben schreiben können. Nichts anderes verstehe ich unter Mündigkeit.

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[1]    Maßgeblich für dieses Vorhaben ist das Lehrveranstaltungskonzept und Forschungsprogramm „Wirtschaftswissenschaften als Gegenstand Ökonomischer Bildung (WiGÖB)“ an der Universität Hamburg, aus dem auch die Arbeiten Thrun et al. (2018) und Benton et al. (2018) aus dieser Ausgabe hervorgehen.

[2] Einstein soll gewitzt haben: “If we knew what we were doing, we wouldn’t call it research.”

[3]    Mein herzlicher Dank gilt Tim Thrun, Liv Leber und zahlreichen Studierenden, die sich an diesem Prozess beteiligt haben.

[4]    Mit dieser Unterscheidung zwischen Aspekt und Bereich (siehe auch im Analyseraster) beziehe ich mich auf die Unterscheidung von ‚Ökonomik‘ und ‚Ökonomie‘ u. a. von Tafner (2018b) in dieser Ausgabe. Wir greifen dies auch in unserem Beitrag Thrun et al. (2018) in dieser Ausgabe auf, in der Unterscheidung der Erfahrungsräume universitärer Ökonomik und kaufmännischer Ökonomie.

[5] griechisch isos = {gleich}; topos = {Thema}

[6]    Bei einem solchen Bildungsverständnis ist eine Trennung allgemeiner und beruflicher Bildung äußerst kontraproduktiv, aber diesen Diskurs muss ich im Rahmen dieses Beitrags ausblenden.

[7] Adornos „Gift“, s. o. 

[8] Ein treffender Ausdruck, jedoch in anderem Kontext, von Lempert 2007, S. 12.

Zitieren des Beitrags

Casper, M. (2019): Geschichten über Wirtschaft: Studentische Erzähltexte als Zugang zu Kategorien Ökonomischer Bildung. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 35, 1-28. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe35/casper_bwpat35.pdf (24.03.2019).