bwp@ Spezial 14 - Juli 2017

Homo oeconomicus oder Ehrbarer Kaufmann – Reflexionen zum Verhältnis der Wirtschaftspädagogik zu den Wirtschaftswissenschaften

Hrsg.: Tade Tramm, Tobias Schlömer & Christiane Thole

Wächter der Werte – Studierende auf der Suche nach dem Sinn des Kaufmännischen

Was bedeutet es eigentlich, Kaufmann oder Kauffrau zu sein, zu werden und – aus der Perspektive beruflicher Bildung – Kaufleute auszubilden? Worin macht sich ‚das Kaufmännische‘ bemerkbar, welche Art von Arbeit ist ‚kaufmännisch‘, welchen Wert und welchen Sinn können kaufmännische Tätigkeiten haben? Inwieweit können sie Identität stiften – oder in Krisen stürzen? Diesen Fragen widmete sich ein Master-Seminar mit Studierenden des Handelslehramts an der Universität Hamburg. Dieser Beitrag zeichnet die Impulse und Diskussionen des Seminars nach und kommt zu der gewagten These, dass Kaufleute eine zentrale, verantwortungsvolle Funktion in entwickelten Gesellschaften aus­führen: Sie sind Wächter der Werte. 

1 Das Nicht-Bessere

Vielleicht kennen Sie diesen Videoclip: Ein junger Mann, nur mäßig begeistert, wird gekämmt, akkurat gescheitelt, mit einem Kamm aus Horn, passend zur Brille. Eine weitere fremde Hand strafft die Krawatte, ein Stift wird in die Brusttasche geschoben, ein Sakko übergestülpt. Das erste Aufbäumen des jungen Mannes wird mit schlichter Bestimmtheit unterdrückt, man dämpft ihn zurück auf seinen Platz: An einen Schreibtisch, einen von vielen in einem lichtscheu gestalteten Raum. Stimmig lichtscheue Charaktere bringen ihm Akten, Verträge und Unmut: Seine Lippen kräuseln sich, das parat gehaltene Telefon schlägt er aus, die Krawatte löst er, gar die Brille muss dran glauben und offenbart ihre rein symbolische Funktion. Mit dem gleichen Elan, mit dem er sämtliche Dokumente vom Tisch fegt, besteigt er diesen. Die Männer, die ihn aufhalten wollen, reißen lediglich die zweite, falsche Haut aus Hemd und Anzug von ihm, unter der sich sein „wahres Ich“ zeigt: Befreit vom Büromuff springt er, endlich nun in der Arbeitskleidung eines Tischlers, direkt vom Schreibtisch in die Holzwerkstatt, erleichtert grinsend. So heißt schließlich der Clip, „Dein wahres Ich. Das Handwerk“, der im Rahmen einer Imagekampagne für Ausbildungen in handwerklichen Berufen wirbt - mit der Pointe „Ich hab was Besseres vor“.[1]

Besser als was? Der Anzugträger, das Büro, die Bildsprache der Verwaltung deuten auf et­was, das wir als das ‚Kaufmännische‘ zusammenfassen könnten. Das Kaufmännische steht hier dem Handwerklichen gegenüber, historisch gewachsen, so wie die Handelskammer der Handwerkskammer und die Handelslehrerausbildung der Gewerbelehrerausbildung. Doch so klar, wie das Feindbild des Clips zunächst erscheinen mag, ist es hinter der Symbolik nicht – denn was genau ist es, dieses ominöse ‚Kaufmännische‘? Diverse Kolleginnen und Kollegen der Zunft haben sich dieser Frage bereits gewidmet, auf unterschiedlichsten Wegen. Reinisch und Götzl (2011) zeichneten die Historie des Kaufmännischen nach, Kutscha (2009) entwarf ein bildungstheoretisch fundiertes Strukturgitter, Kaiser (2015) analysierte Ordnungsmittel kaufmännischer Berufe und Tramm (2014) reflektierte aus wirtschaftsdidaktischer Perspek­tive die besondere Stellung systemischen Denkens als Dimension kaufmännischer Bildung.

Sicherlich habe ich einige interessante Zugänge übersehen, beispielsweise im kulturwissen­schaftlichen und wirtschaftshistorischen/-theoretischen Lager. Doch unabhängig von der Breite des fachlichen Diskurses interessierte mich im Sommer 2016 vor allem eins: Der Reichtum individueller Erfahrungen und subjektiver Zugänge zum ‚Kaufmännischen‘, die ‚meine‘ Studierenden in ihrem Selbstverständnis als künftige Lehrende in kaufmännisch-ver­waltenden Berufen prägen. Sollte es bei einem Werbe-Gag bleiben, oder liegt ein Funke Wahrheit darin, das ‚Kaufmännische‘ als sinnentfremdetes, rein symbolisches Vor-sich-hin­vegetieren zu demaskieren? Und selbst, wenn es faktisch nicht so sei: Was macht diese Sym­bolsprache, diese Erzählung des Sinnlosen, die sich auch in Hit-Fernsehsendungen wie Büro Büro, The Office und Stromberg ausdrückt, viel früher noch in der Literatur wie bei Melvilles Bartleby; was macht sie mit dem beruflichen Selbstverständnis all jener zigtausend jungen Menschen, die Jahr für Jahr Berufsausbildungen im kaufmännisch-verwaltenden Bereich auf­nehmen? Mit diesen Fragen auf der Agenda schrieb ich eine Wahlpflichtveranstaltung für Studierende im Master ‚Lehramt an Beruflichen Schulen‘ an der Universität Hamburg aus, mit folgendem Ankündigungstext:

Forschungslabor: "Auf der Suche nach dem Sinn und Wert des Kaufmännischen"

Was bedeutet es eigentlich, Kaufmann zu sein, Kaufmann zu werden und - aus der Per­spektive beruflicher Bildung - Kaufleute auszubilden? Worin macht sich "das Kaufmän­nische" bemerkbar und was grenzt kaufmännische Berufe von anderen ab?

Im Gegensatz zu handwerklichen und produzierenden Berufen bewegen sich kaufmänni­sche Berufe vor allem in den abstrakten, symbolischen Räumen der Wert-, Informations- und Belegströme. Durch Arbeitsteilung und Spezialisierung können kaufmännische Hilfs­prozesse dem zugrundeliegenden Leistungserstellungsprozess derart entrückt werden, dass sich oft schwer sagen lässt, was ein Kaufmann eigentlich "produziert". Wenn kauf­männische Arbeit jedoch kaum Konkretes erzeugt oder in den Hierarchien großer Unter­nehmen so weit von Konkretem entfernt stattfindet, stellt sich die Frage, worin Kaufleute die Früchte ihrer Arbeit ernten, wie sie Identität und Stolz für ihren Beruf verorten und worin sichtbar wird, was "gutes" kaufmännisches Handeln ausmacht. So stehen Auszu­bildende und Berufstätige oft vor Fragen wie:

  • Was "mache" ich hier eigentlich? Was ist mein produktiver Beitrag?
  • Welchen Sinn sehe ich in meiner Arbeit? Kann ich mich mit meinem Beruf identifi­zieren?
  • Welchen Wert haben meine Tätigkeiten für mich selbst, für das Unternehmen und für die Gesellschaft?

Mit diesem Seminar wollen wir Ihnen die Möglichkeit geben, sich über ein Semester mit dem Themenkomplex "Sinn und Wert des Kaufmännischen" forschend auseinanderzuset­zen. Sie werden eigene Forschungsfragen entwickeln und Ihren individuellen Interessen nachgehen. Neben dem inhaltlichen Schwerpunkt werden also auch projekt- und for­schungsmethodische Kompetenzen entwickelt.

Das Seminar hat mich – und soweit ich die Rückmeldung der Teilnehmenden interpretiere auch diese – tief herausgefordert und begeistert. Beides, Herausforderung und Begeisterung, möchte ich in diesem Beitrag mit Ihnen teilen.

2 Zur Seminarstruktur

In den ersten Seminarstunden stellte ich den Studierenden eine Auswahl einführender Litera­tur zum Themenfeld ‚Sinn und Wert des Kaufmännischen‘ zur Verfügung und bat sie um eine erste interessengeleitete Recherche, mit Hilfe einer Lesedokumentation (ein Großteil dieser Literatur findet sich im Verzeichnis dieses Beitrags wieder). Daran anschließend formulierten wir gemeinsame Forschungsinteressen und schlossen Projektgruppen zu deren Verfolgung. Die finalen studentischen Projekte verfolgten die Fragen:

  • Anhand welcher Indikatoren wird Wertschätzung und Anerkennung in kaufmännischen Berufen wahrgenommen?
  • Wie ließe sich ein auf die eigene berufliche Identität zielender Unterricht mit dem Gegen­stand ‚aktuelle Entwicklungen und gesellschaftliche Bilder der Bankausbildung‘ curricu­lar verankern und didaktisch gestalten?
  • Wie können Lehrkräfte ihren Auszubildenden bei einer beruflichen Sinnkrise zur Seite stehen?
  • Welche Herausforderungen und Entwicklungen kommen in Zukunft auf kaufmännische Berufe zu und welche Folgen haben sie für kaufmännische Auszubildende?
  • Welche Maßnahmen können Arbeit aufwerten, wenn das Okunsche Gesetz an Geltung verliert?[2]

Den Prozess und die Ergebnisse der einzelnen Forschungsprojekte nachzuzeichnen, würde diesen Beitrag bei Weitem sprengen.[3] Worüber ich hier jedoch berichten kann bzw. was ich hier zusammenfassend darstelle, das sind die begleitenden Impulsvorträge und deren Diskus­sionen, die sich die Studierenden quasi als Querschnittsthemen zur fachlichen Unterstützung ihrer Projekte von mir wünschten. Gemeinsam entschieden wir uns somit für den endgültigen Syllabus der Veranstaltung, der neben projektmethodischen Einheiten maßgeblich aus vier inhaltlichen Schwerpunkten bestand:

  • ‚Der Kern des Kaufmännischen‘
  • ‚Eine kurze Geschichte der Arbeit‘
  • ‚Werte in Ökonomie und Psychologie‘
  • ‚Unsinn, Sinn und Sinnlichkeit‘

Jene Themenblöcke gliedern auch diesen Aufsatz. In einem Mix aus Bericht und Diskus­sionsbeitrag zum Diskurs um Kaufmännische und Ökonomische Bildung[4] möchte ich hier zusammenfassen, wie wir uns gemeinsam auf die Suche nach dem Sinn und Wert des ‚Kauf­männischen‘ machten und was wir dabei fanden – oder zu finden glaubten. Wenn ich dabei gelegentlich ins Assoziieren und Philosophieren verfalle, bitte ich dies zu verzeihen – es ent­spricht dem kursorischen, experimentellen Zugang dieses studentischen Forschungslabors und dem Esprit der Diskussionen, die dieses Seminar hervorbrachte und alle Beteiligten nachhal­tig sensibilisierte. Nicht zuletzt entstehen die fruchtbarsten Gedanken meiner Erfahrung nach im ungebremsten Spiel aus Ordnung und Unordnung.

3 Warum man ‚kaufleutet‘ und ob es sich gehört

Dieser sprachlich wenig galante Versuch, ‚kaufmännisches Handeln‘ in einem Verb auszu­drücken, dient höchstens als Illustration des Holzweges, dieses simpel zusammenzufassen. Es scheint unausweichlich, ‚kaufleuten‘ analytisch in seine Bestandteile zu zerlegen, um heraus­zufinden, was Kaufleute denn eigentlich machen. Nehmen wir die drei stärksten kaufmänni­schen Berufsgruppen: Handel, Finanzen und Verwaltung. Hierin können wir auf die Kollegen Reinisch und Götzl (2011) und Kutscha (2009) zurückgreifen und diese drei Gruppen einer­seits als historisch gewordene Facetten des Kaufmännischen betrachten, andererseits (oder gerade daraus erwachsen) als Systemdimensionen, bei Kutscha: Güter, Geld und Informatio­nen. Nun belegt Reinischs historischer Zugriff, dass diese Dimensionen sich immer wieder als gesellschaftlich relevant bewiesen, und Kutschas Analyse verweist gar auf die Zeitlosigkeit der zentralen ‚kaufmännischen‘ Probleme „Knappheit der Ressourcen“ (Güter), „Unbe­stimmtheit der Austauschrelation“ (Geld) und „Komplexität der Umweltereignisse“ (Infor­mationen) (2009, 52). Doch trotz (oder vielleicht gerade wegen?) dieser Bedeutung des ‚Kaufmännischen‘ genießen die entsprechenden Berufe zweifelhafte Reputation, damals wie heute. Schon bei Platon wird die Polis überhaupt erst gegründet, damit man „einander die Er­zeugnisse seiner Arbeit mitteilen“ kann (Platon 2010, 79f.), der Koordinator des Waren­tauschs muss jedoch scheinbar nicht viel können außer zu warten und zu verwalten. So seien diese dubiosen Marktmenschen „in den gut eingerichteten Staaten in der Regel die körperlich schwächsten und zu jeder anderen Verrichtung unbrauchbaren Leute“ (ebd.).

Autsch, dachte ich und wägte mich kurz in Sicherheit, denn ich selbst bin gottseidank kein einfacher Händler, sondern ein hochqualifizierter und spezialisierter Finanzfachmann, ein gelernter Bankkaufmann. Dieser Hochmut ist natürlich typisch, überzeichnet und kommt vor dem Fall, hier: dem Fall der Börsenkurse. Spätestens mit der nächsten Finanzkrise wird daran erinnert, dass es scheinbar die Banken waren, die im Laufe des 20. Jahrhunderts den Betrug zum Geschäftsmodell erhoben und unverblümt den Euphemismus ‚Beratung‘ für den Verkauf eigener Produkte nutzen. Nicht umsonst führt der Duden das „salopp abwertende“ Wort „Bankster“ (www.duden.de), eine Wortschöpfung aus ‚Banker‘ und ‚Gangster‘. Diese ist zu­mindest geringfügig eingängiger als ‚kaufleuten‘ und erscheint laut Duden.de im Alphabet zwischen „bankrottieren“ und „Banküberfall“ (ebd.). Ironie oder Essenz?

Gut, dass ich die dritte Berufsgruppe der Verwaltenden bereits oben kulturell mit Stromberg und Bartleby abstrafen konnte und uns nun hoffentlich langsam aus der Misere der öffentli­chen Wahrnehmung kaufmännischer Tätigkeiten befreien kann, um – scheinbar andernorts – herauszufinden, was denn das Sinnige, Wertige, das ‚Gute‘ am ‚Kaufmännischen‘ ist – falls sich diese Kategorien nicht gar widersprechen. Schließlich gab und gibt es auch diverse Fun­damentalkritik am Kaufmannstum. Die vielleicht einleuchtendste Argumentationskette hierzu: Kaufleute sind Risikoträger. Der Handel beispielsweise unterliegt den Risiken der Logistik, der Natureinwirkungen, Piraterie und Überfällen, und nicht zuletzt dem generellen Absatz­risiko. Kaufleute leben in gewisser Weise von Risiko und Gefahr. Maschke (1964, 317) sieht darin gar die zentralen „Bewusstseinselemente“ zumindest des mittelalterlichen Kaufmanns. Dieser war, neben seiner eigenen Tüchtigkeit, schließlich besonders auf Gottes Gnade ange­wiesen, um vor äußerem Unheil bewahrt zu werden. „Daher war auch sein Frömmigkeitsstil kommerziell eingefärbt.“ (ebd., 325) Jede kaufmännische Tugend zielte auch darauf, sich mit Gott gnädig zu stellen, um das eigene Geschäft zu sichern.

Ein Beigeschmack dieser eigennutzenorientierten, besonders eigensinnigen kaufmännischen ‚Moral‘ zieht sich durch die Geschichte, wie auch Weber (2015 [1905]) in seiner Analyse des ‚Kapitalistischen Geistes‘ nachzeichnet. So zitiert Weber beispielsweise Benjamin Franklin, der heute noch die 100 $ Note ziert: „Neben Fleiß und Mäßigkeit trägt nichts so sehr dazu bei, einen jungen Mann in der Welt vorwärts zu bringen, als Pünktlichkeit und Gerechtigkeit bei allen seinen Geschäften.“ (ebd., 18, Hervorh. i. Orig.). Beschäftigt man sich intensiver mit Franklin und Weber, so kommen schnell Zweifel auf, inwieweit dort text- und sinngemäß ge­arbeitet wurde.[5] Aber genau das spielt unserem Argument zu: Der Verdacht, dass Kaufleute ihre Moral letztlich dem Eigennutz unterordnen und die teilweise großen Bemühungen, diese Un- (oder A-?) Moral in kaufmännisches Handeln hineinzuinterpretieren und in teils willkür­lichen Collagen zu argumentieren, scheinen konstant. Man misstraute dem fahrenden Händler, allein, weil er ein Fremder im eigenen Dorf war. Man misstraut heute dem Bankster, wie man stets dem Zins misstraute. Dieser wird je nach Religion gar als Grundlage des Wuchers ver­boten, schon im Alten Testament wird der Zins als unsolidarisch gekennzeichnet: „Du sollst von deinem Bruder nicht Zinsen nehmen, weder für Geld noch für Speise noch für alles, wo­für man Zinsen nehmen kann. Von dem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, aber nicht von deinem Bruder […]“ (Die Bibel, 5. Mose 23, 20-21). Der Zins, die Marge, die geldliche Ver­bindlichkeit, ist also ein Ausdruck fehlender Solidarität, fehlenden Vertrauens. Ist es nicht interessant, diesen Gedanken auf unsere monetaristisch gesteuerten Wirtschaftssysteme zu übertragen? Nicht umsonst wird Geld an sich nicht nur in der säkularen Philosophie und Psy­choanalyse (z. B. Brown 1985; aktuell Türcke 2015; Sedlácek und Tanzer 2017), sondern auch in modernen religiösen bzw. spirituellen Zugängen als Fetisch, als höchste symbolische Neurose entlarvt: „Geld und Wirtschaftswachstum bilden einen defekten Mythos, da sie keine Erlösung von Schuld liefern können oder in buddhistischer Terminologie: keine Lösung für den Mangel.“ (Loy 1996, 92). Noch schlimmer als „keine Lösung“, so scheint Geld den meisten zum waschechten Problem geworden zu sein. Es ist zum wichtigsten Produktions­faktor geworden und als einziges noch ernstzunehmendes Kapital diesem begrifflich schon gleichgesetzt. In diesem Sinne ist zum Reiz- und Schimpfwort geworden, "was noch immer befremdlich im Singular als Kapitalismus bezeichnet wird" (Hochmann 2016, 138). Wo wir schon dabei sind, da fällt mir ein weiteres Kaufmännisches Schimpfwort ein: ‚Bürokratie‘.[6]

Das Kaufmännische muss sich also dem Vorwurf stellen, fremdartig, egozentrisch und risiko­reich, gar gefährlich zu sein, dazu noch patriarchisch-verwaltend und bis zur Vollstarre unfle­xibel bürokratisiert. Warum braucht man es dann, warum sollte es sinnvoll sein, zu ‚kaufleu­ten?‘ Was kann an diesen Merkmalen ‚gut‘ sein? Bemühen wir die Kopfstandmethode und kehren wir jeden Vorwurf nonchalant ins Positive: Wenn das Kaufmännische fremd und unvertraut anmutet, dann hat es gleichsam das Potenzial des Neuen, der Innovation. Wenn es egozentrisch angelegt ist, kann es auch Unabhängigkeit vom Kollektiv schaffen, sprich: Frei­heit und individuellen Wohlstand. Schließlich ist es in der Lage, Risiken und Gefahren syste­matisch an- und einzugehen – es ist die Wagnis-Kunst, es ist der Kern des Unternehmerischen im Kontrast zum konservativen Nichts-Tun bzw. zum traditionalistischen Alles-so-Tun-wie-immer. In seiner bürokratischen Facette schließlich schafft es Ordnung, Struktur, gewisser­maßen Sicherheit in sonst unerträglich komplexen Zusammenhängen. In diesem Gut-oder-Böse-Sprachspiel hat die Skepsis gegenüber dem Kaufmannstum dann mindestens zwei Dimensionen: Erstens die Skepsis gegenüber spezifischen Kaufleuten, denn das Individua­listische kann zweierlei ausgelebt werden: Als Innovation für alle, aber auch als Eigennutz auf Kosten der anderen. Zweitens die Skepsis gegenüber der systemischen, funktionalistischen Merkmale des Kaufmännischen: Es ist fremd, abstrakt und komplex. Etwas, das wir nicht kennen und nicht verstehen, betrachten wir mit Vorsicht und schnell mit Argwohn.

Versuchen wir diese Skepsis zu mildern, indem wir uns mit den systemischen Merkmalen und Funktionen des Kaufmännischen vertraut machen. Versuchen wir, es zu verstehen, uns anzu­eignen; den Sinn und Wert darin zu erkennen. Wie bereits deutlich geworden sein sollte, gibt es zahlreiche potenzielle Zugänge zum Kern des Kaufmännischen. Perspektiven, die wir im Seminar diskutierten, waren beispielsweise:

  • Historisch: Woher kommen Kaufleute, wie hat sich das Kaufmännische entwickelt und verändert?
  • Kulturell: Durch welche Symbole, Geschichten, Bilder, Prototypen, Ideale äußert sich das Kaufmännische?
  • Rechtlich: Wann gilt etwas vor dem Gesetz als Kaufmännisch? In welchen (gesellschaftli­chen) Normen ist das Kaufmännische geregelt?
  • Soziologisch-funktional: Welche Funktion hat das Kaufmännische in der Gesellschaft? Welche Funktionen erfüllen Kaufleute?
  • Leitfrage im Kontext des Seminars: Welche philosophischen und psychologischen Katego­rien ermöglichen eine Annäherung an ‚Sinn‘ und ‚Wert‘ des Kaufmännischen?

Im Seminar kamen die Studierenden zu dem Schluss, dass uns insbesondere der funktionale Zugang Klarheit zum Sinn und Wert des Kaufmännischen bringen müsse. Hierzu müssen wir jedoch mehr über den übergeordneten Begriff wissen: Wollen wir Struktur, Funktion und da­mit Sinn der kaufmännischen Arbeit als Teil gesellschaftlicher Arbeit nachvollziehen, so müssen wir zunächst klären, was eigentlich Arbeit bedeutet und wie sie in die menschliche Erfahrung eingebunden ist.

4 Arbeit, nichts als Arbeit

Was ist Arbeit und warum bequemen wir uns dazu? Eine erste semantische Definition bietet das Wort selbst. In den meisten Sprachen lässt sich ‚Arbeit‘ auf die Bedeutungselemente ‚Mühe‘ und ‚Werk‘ zurückführen (vgl. Füllsack 2009), am direktesten illustrieren dies die englischen Worte ‚work‘ und ‚job‘. Ersteres ist wohl selbsterklärend Arbeit als Werk, gleich­ermaßen in Substantiv- und Verbform. Letzteres ist die englische Version des alttestamentari­schen Hiob, auf den der Begriff der ‚Hiobsbotschaft‘ zurückgeht. Einst ein wohlhabender, gesegneter Mann, wird Hiob zum göttlichen Spielball. Sein Glück kehrt sich ins absolute Gegenteil, als wolle man durch ihn die Warnung aussprechen, dass so viel Gutes einen Men­schen letztlich nur zur Zielscheibe des Unglücks mache (vgl. zur psycho-ökonomischen Inter­pretation der Hiobsgeschichte auch Sedlácek und Tanzer 2017, 294). Von Krankheit und Un­glück geplagt, beweist Hiob seinem Gott Frömmigkeit allein durch das Erleiden, das Aussit­zen größtenteils unnötiger Mühsal - ein nicht unerheblicher Grund, warum ich mich dagegen weigere, Berufliche Bildung begrifflich auf ein ‚job training‘ reduzieren zu lassen.

Die Kultur in westlichen Industrieländern ist geprägt von Symbolen und Erzählungen, die Arbeit in dieser Dualität teils idealisieren (den Werk-Aspekt betonen), teils diffamieren (die Mühsal betonen). Man denke an ‚Helden der Arbeit‘, die nationalsozialistische Appropriation in ‚Arbeit macht frei‘ und die wiederkehrende Debatte um Work-Life-Balance, nun im Zeit­alter der Entgrenzung der Arbeit durch Digitalisierung und ständige Erreichbarkeit. Aber warum sollte der Mensch grundsätzlich Mühe auf sich nehmen (nehme man den Frömmig­keitsbeweis aus der Gleichung), warum sollte der Mensch etwas schaffen wollen? Salopp: Weil ihm nichts Anderes übrigbleibt. In den Worten von Gehlen (2016) ist der Mensch im Vergleich zum Tier ein Mängelwesen, physiologisch so unterausgestattet für das Überleben in der Natur, dass er sie Kraft seines Intellekts und seiner Willensstärke umformen muss. Der Mensch bearbeitet seine Welt, erstellt und erweitert sich die Kultur als zweite, gewissermaßen genuin menschliche Natur. Bei Füllsack heißt es: „Wir arbeiten, so ließe sich sagen, um unsere Welt und unser Dasein so zu gestalten, wie wir es für sinnvoll erachten. Wir gestalten arbeitend unsere Welt.“ (2009, 8) Hier wird Arbeit als Sinnstifter, zumindest als Sinnvehikel angedeutet und wir bekommen eine Ahnung, dass der Sinn des Kaufmännischen in seiner spezifischen Form der Arbeit zu finden sein könnte. Schließlich gehört die Arbeit zu den zen­tralen Identifikatoren, zu dem, was uns als Wesen konstant erscheint: „Arbeit, Sexualität und Territorialität sind Bereiche, wo Habitualisierung sehr wahrscheinlich ist. Jedenfalls sind dies die Gebiete, die in der Gesellschaft habitualisiert sind.“ (Tafner 2015, 60) Dies wird auch in solchen Grenzerfahrungen erlebbar, wo eine vormals routinierte Arbeit wegfällt und sich ein Gefühl der Leere breitmacht, wie in etlichen Veröffentlichungen zum Themenfeld Arbeitslo­sigkeit und Depression dokumentiert.

Arbeitslosigkeit ist ein Thema für sich und ein schwer nachvollziehbares Konzept, wenn man sich vor Augen führt, was es alles zu tun gäbe. Die Gesamtheit der Arbeit, die sich eine kom­plexe Gesellschaft vornehmen kann, ist so umfangreich und differenziert, dass sie ohne Ord­nung und Verwaltung, ohne Arbeitsteilung, nicht zu bewerkstelligen wäre. Kehren wir damit zur Idee zurück, das Kaufmännische anhand seiner Funktionen innerhalb der gesellschaftli­chen Arbeitsteilung zu beschreiben. Im Seminar diente zum Einstieg das an Platons Polis an­gelehnte pseudo-anthropologische Gedankenspiel, ab wann man Kaufleute bräuchte, wenn man beabsichtigt, eine (neue) Gesellschaft zu gründen. Zunächst müssten die Grundbedürf­nisse und die Arterhaltung gesichert werden. Hierzu genügt die in vielen Kulturen erstaunlich bewährte Arbeitsteilung zwischen Erziehenden und Ernährenden: Wo das eine Elternteil auf die Jagd geht, macht es Sinn, dass das andere beim Neugeborenen bleibt, um weder das Kind noch den Jagderfolg zu gefährden. Eine derartige Arbeitsteilung mündet schnell in ein kon­servatives Bild typischer Männer- und Frauenarbeit. Wie Reinisch und Götzl betonen, ist „Verberuflichung“ jedoch ein Prozess „sozial und nicht biologisch begründeter Arbeitstei­lung; wobei deren Herausbildung von der Existenz von Herrschaftsstrukturen und damit ver­bundener sozialer Ungleichheit abhängig ist“ (2011, 15).

So einigen sich die Mitglieder einer sozialen Gruppe bestenfalls gemeinsam auf einen Prozess der Arbeits(zu)teilung, oder aber sie treten diese Entscheidungsmacht ab, an einen gewählten oder leidlich akzeptierten Herrscher. Im Regelfall wird dies derjenige sein, der über die Pro­duktionsmittel verfügt – willkommen in der sozialen Frage des Kapitalismus, die im Falle einer sozialen Marktwirtschaft wie Deutschland sogar im Grundgesetz bedacht wird, wenn „Eigentum verpflichtet“ (Art. 14, Abs. 2). Dieser Entscheider, dieser Arbeitszuteiler, hat dann eine übergeordnete Rolle. Er verfügt gewissermaßen nicht nur über die Produktionsmittel, sondern (vorübergehend) auch über die übrigen Arbeitenden, er verwaltet sie. Neben der bedeutsamen Frage nach der Natur des Eigentums und der Verfügung über andere Menschen, führt dieser Gedanke schon sehr nah an eine zentrale Funktion kaufmännisch-verwaltender Berufe: die des Managements oder der Ordnung und Strukturierung, bei Kutscha die Dimen­sion der Informationen (s. o.).

Ordnung wird erst dann erstrebenswert, wenn Unordnung als Problem erlebt wird. Es drängt sich die Hypothese auf, dass dieser ordnende, verwaltende Aspekt des Kaufmännischen wich­tiger wird, je größer und komplexer eine Gesellschaft wird. Hier greift eine Annahme der formalen Soziologie: „Begrenzungen und Optionen erschließen sich zu einem Gutteil allein aus der Größe der sozialen Formation.“ (Stegbauer 2011, 111) „Mit jeder Form von Arbeits­teilung taucht […] das grundsätzliche Koordinations- und Verteilungsproblem auf, wie und wodurch sichergestellt wird, daß der, der spezialisiert arbeitet, mit seiner Arbeit auch tatsäch­lich andere versorgt und seinerseits durch Arbeit der anderen mitversorgt wird.“ (Beck et al. 1980, 26; Herv. i. Orig.) So ist eine direkte Abhängigkeit zwischen nur zwei Personen in der Regel einfacher zu koordinieren als die Versorgung innerhalb einer größeren Familie, diese wiederum wesentlich einfacher als das soziale System einer ganzen Nation.

Apropos Familie: An dieser Stelle zeigt sich auch, dass Eigentum, Leistung und Versorgung entgegen der neoliberalen ökonomischen Perspektive eher selten und nur unter ganz bestimm­ten Voraussetzungen zusammenfallen. In den Standardwerken der Ökonomie wird zwar gern auf das Prinzip „There’s no free lunch“ zurückgegriffen (z. B. Mankiw und Taylor 2008, 4), betrachtet man jedoch ein wonneproppiges, aber ökonomisch vollkommen nutzloses Klein­kind, so ist doch offensichtlich, dass der Mensch einige Jahre seines Lebens durchaus „free lunch“ bekommt. Wer die familiäre Leistung und Versorgung als Marktmodell erklären will, braucht viel Fantasie - mir fallen zumindest keine sinnvollen Verzinsungskriterien auf die Währung eines Kinderlachens ein.[7] Märkte und ad-hoc-Geschäfte sind eben, wie Institutionen­ökonomie und Governance-Literatur schon lange differenzieren, nur einer von vielen Regulationsmechanismen, die darüber hinaus in der Realität meist in Mischformen auftreten (vgl. z. B. Kuper 2004). Der sofortige und anonyme Tauschhandel, wie er in der Form von Geld-gegen-Leistung den Alltag in konsumorientierten Gesellschaften prägt, ist zwar allgegenwärtig, liegt deshalb aber noch lange nicht in der Natur des Menschen. Viel natürlicher und ursprünglicher scheinen hingegen Formen der Reziprozität, die in hohem Maße an bestimmte Personen gebunden sind (und damit alles andere als anonym). So betont Mauss (1968) das psycho-ökonomische Prinzip der Gabe: Jedes Geschenk ist nicht nur Ob­jekt, sondern gleichzeitig die Übergabe eines Teils des Schenkenden, eine persönliche Invol­viertheit, ein Stück sozialer Bund – oder im Vorgriff auf das Werte-Dreieck, das ich unten erläutern will: eine Form von Wertschätzung und Wertempfinden, denn auch im Geben erlebt der Habende sein Haben, nicht nur im Konsum.[8]

Auf dem Weg von familiärer Wirtschaft zur Nationalökonomie geht jedoch manches dieser sozialen Funktion verloren, denn mit zunehmender Größe und Individualisierung einer Gesellschaft entstehen Abhängigkeiten in der Versorgung, die weit über den Personenkreis hinausgehen, den man als Großsippe oder Dorfgemeinschaft noch mit persönlicher Invol­viertheit zusammenhalten konnte. Es wird zunehmend naiv und selbstgefährdend, zu schen­ken, zu vertrauen, emotionale Bindung aufzubauen: Sicherheit vor Ausbeutung bietet letzt­endlich nur der (rein theoretische) sofortige Tauschhandel mit sofortiger Qualitätsprüfung. Dass dieser angesichts der Unwägbarkeiten des Lebens nie in Idealform zustande kommt, leuchtet ein, und somit bleibt ein erstaunliches Residuum, eine verblüffende Störgröße menschlicher Transaktionen, die sich wohl nie wegtechnologisieren lässt: das Vertrauen[9] (vgl. Tafner 2017). Eben hierin liegt die ursprünglichste Form von Wertschätzung in wirtschaftli­chen Transaktionen: Im Nicht-für-selbstverständlich-halten des Vertrauens, dass sich Trans­aktionspartner unweigerlich schenken, selbst wenn dieses oft nur noch wie ein zur Unkennt­lichkeit herabrationalisiertes Restvertrauen anmutet, dass sich weniger auf die andere Person, als auf Mechanismen wie ‚den Markt‘ oder ‚das System‘ beruft.

Unterschiedliche Ausprägungen der genannten Aspekte Eigentum, Leistung und Versorgung lassen sich je nach Bezugssystem und -kultur auf einem Spektrum zwischen Individualismus und Kollektivismus verorten. Ich vertrete die These, dass sich aus ebendiesen Spektren die ökonomischen Kernprobleme ergeben: Wer leistet, wer besitzt und wer wird versorgt? Hier­über werden die Probleme Knappheit, Unsicherheit, Herrschaft und Wandel angesprochen, die als Bezugspunkte Ökonomischer Theorie betrachtet werden können.[10] Das Beispiel der Familienwirtschaft ließe sich hier verorten als tendenziell individuelle Leistungen – tendenzi­ell kollektives Eigentum – tendenziell kollektive Versorgung. Ich spreche hier von Tendenzen, da sich auf einem derartigen Spektrum auch extremere Ausprägungen finden lassen – neben der Zugewinngemeinschaft hat in der Familie schließlich jedes Mitglied noch einen eigenen Sparstrumpf. Ich überlasse es Ihnen, an diesem Schema verschiedene Kulturen und Wirt­schaftssysteme durchzuspielen: Wie sähe Kommunismus aus, wie würden sich der amerikani­sche und der japanische Kapitalismus unterscheiden?

Abbildung 1: Aspekte der Arbeit in kulturellen Spektren als Bezugspunkt ökonomischer KernproblemeAbbildung 1: Aspekte der Arbeit in kulturellen Spektren als Bezugspunkt ökonomischer Kernprobleme

Sind wir vollkommen vom Weg abgekommen? Ganz im Gegenteil. Ich denke, genau hier ha­ben wir einen neuralgischen Punkt, einen Meilenstein auf der Suche nach dem Sinn und Wert des Kaufmännischen. Wenn Kaufleute, wie nach Kutschas Dimensionen, an der Schnittstelle von Güter-, Geld- und Informationsströmen sitzen, so sitzen sie inmitten der Transaktions-, Bewertungs- und Verwaltungsfragen einer Gesellschaft. Es mag politische, soziale, philoso­phische und naturwissenschaftliche Lösungen für einige der brennendsten ökonomischen Probleme geben – aber zentral sehe ich die tagtäglich praktizierten kaufmännischen Lösun­gen.

„Ökonomische Probleme – Kaufmännische Lösungen“ könnte auch eine Formel für das Ver­hältnis von Ökonomischer Bildung und Kaufmännischer Bildung sein: Ökonomische Bildung als soziokulturell akzentuierte Aspekt- und Bereichslehre, Kaufmännische Bildung als sub­jektive Entfaltung von Handlungskompetenz und Kritikfähigkeit. Hiermit rücken Kaufleute nicht nur zahlenmäßig, sondern auch funktional ins Zentrum der Gesellschaft: Ihr idealtypi­sches Handeln - ihre Berufung, ihr Sinn - ist in besonderem Maße durch Vertrauen und Ver­antwortung gekennzeichnet. Nun ließe sich behaupten, dass dies für jeden Beruf gilt, denn jede Form von Arbeitsteilung verlangt, wie oben erwähnt, dass der Einzelne seine Leistung in einer für das Gesamtergebnis dienlichen, verantwortungsvollen Weise ausführt. Spielt man den Gedanken jedoch weiter, so lassen sich bestimmte Berufe recht einleuchtend mit be­stimmten Schwerpunkten der Verantwortung betrauen. Ausführende von Rechtsberufen wären demnach Wächter des Rechts, Mediziner wären Wächter der Gesundheit und Wissen­schaftler Wächter des Wissens (oder gar der Wahrheit, wenn man diese mit einer gewissen Genügsamkeit definiert). Für Kaufleute habe ich einen Vorschlag, der kühn genug für ein eigenes Kapitel ist: Ich sehe sie als Wächter der Werte.

5 Werte schöpfen, schätzen und empfinden

Was sind Werte und was kann der Wert einer Arbeit sein? Der Duden definiert Wert zunächst als „einer Sache innewohnende Qualität, aufgrund deren sie in einem gewissen Maße begeh­renswert ist“ und noch allgemeiner als „positive Bedeutung, die jemandem, einer Sache zu­kommt“ (www.duden.de). Etwas Wertiges ist demnach, recht schlicht gesagt, etwas für ‚gut‘ Befundenes. Dieses Verständnis von Werten werden wir unten noch ausbauen müssen, doch für die Einstiegsfrage sollte es genügen: Inwiefern kann Kaufmännische Arbeit gut und wertig sein?

Greifen wir zurück auf den Gedanken, dass Arbeit integraler Bestandteil menschlichen Lebens ist, warum unterscheiden wir dann zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit? Oder: Was hält uns von Arbeit ab? Im Seminar sammelten wir Ideen hierzu und unterschieden schließlich die folgenden Gründe für Nicht-Arbeit:

  • Arbeit ist nicht möglich (z. B. Höhlenmenschen verzichten im Schneesturm auf die Jagd und das Sammeln);
  • Arbeit ist nicht nötig (z. B. es ist noch genug Essbares da);
  • Arbeit ist nicht erwünscht (z. B. Müdigkeit, Desinteresse, Frustration).

Als eigenwillig bestimmender Faktor bliebe somit die Erwünschtheit, gewissermaßen also die Gutheit von Arbeit. Im Zusammenhang mit dem oben genannten Aspekt, dass Arbeit die not­wendige Gestaltung unserer Welt, sprich: unseres Lebens nach unseren Sinnvorstellungen ist, kamen wir zu dem Schluss: Die Gutheit von Arbeit hängt ganz fundamental mit den individu­ellen Vorstellungen zu einem guten Leben zusammen. Pädagogisch gewendet: Um junge Menschen zu ‚guter‘ Arbeit auszubilden, stünde die berufliche Bildung am Ende der Begrün­dungskette ‚Gutes Leben > gute Arbeit > gute Schule‘[11]. Blicken wir zunächst zurück.

Allgemeine Konzepte zum ‚guten Leben‘, so unterschiedlich der Einzelne es ausleben mag, gibt es nicht wenige. Antoni-Komar (2009) stellt diverse vor und gegenüber, leistet jedoch keine zusammenfassende Synopse der angebotenen Kategorien für ‚gutes Leben‘, was ich hier anbieten will:

Kategorien (Casper)

WHO (1997)

Donald (2003)

Allardt (1995)

Layard (2005)

Sen (2000)

Gesundheit

[„Körper“]

physical health;
psychological state

emotional wellbeing;

physical wellbeing

„having“ – material […] needs

   

Selbstbestimmung

(Überlebens-, Wahl-, Handlungs-fähigkeit)

[„Geist“]

level of independence;

personal beliefs

ability to function in the ordinary tasks of living

„having“ – […] impersonal needs;

„being“ – needs for personal growth

Status;

Sicherheit

„welfare“ = „capabilities“ = individuelle Wahlmöglich-keiten und Wahlfreiheit

Zugehörigkeit (Zwischen- und Über-menschlich­keit)

[„Seele“]

social relation­ships;

relation­ship to salient features of the environment

social wellbeing

„loving“ – social needs

Vertrauen

 

Abbildung 2: Kategorien der Lebensqualität nach Antoni-Komar (2009), eig. Darstellung, Sortierung und Ergänzung

Dem Pädagogen werden sich hier bildungstheoretische Analogien aufdrängen. Körper, Geist und Seele finden sich wieder in Pestalozzis Formel von Kopf, Herz und Hand. Nur ein kleiner interpretatorischer (und geschichtlicher) Sprung und wir finden die basalen pädagogischen Kategorien des Sachlich-Dinglichen, der Selbstbestimmung und des Sozialen, elaboriert unter anderem in der Tätigkeitstheorie der sowjetischen Psychologen als „Gegenstandsbezug“ und „Sozialbezug“ von Arbeit und Lernen des Einzelnen (Schnotz 2011, 58), später in der Form von „Sach-, Sozial- und Werteinsicht“ als Bestandteile der Handlungsfähigkeit bei Roth (1971, 596), im darauf aufbauenden Bildungsverständnis von Hentigs als „Praktische Bil­dung“, „Politische Bildung“ und „Persönliche Bildung“ (Hentig 2012, V 26f.) mit Rückgriff auf Bildungsbegriffe der Antike und schließlich in seiner wohl zugänglichsten, verdichtetsten Form in der Themenzentrierten Interaktion (TZI) von Cohn (2016 [1975]) als ES, WIR und ICH.

Die fundamentalen Kategorien des (guten) Lebens erscheinen danach als Auseinandersetzung (1) mit den Dingen, den Sachen, den Objekten, dem Material, den Ideen und den Begriffen, die sich in unserer Mitwelt finden; (2) mit den anderen Menschen und Wesen, mit denen ich in lebendiger Kommunikation stehe; und schließlich (3) mit mir selbst, meinen Ambitionen, meinem Innenleben und meiner selbstreferenziellen, reflektierten Sicht auf mich – dem, was uns Menschen letztlich als besonders denkende Spezies auszeichnet. Nehmen wir an, dass sich ein ‚gutes Leben‘ in diesen Dimensionen entfalten will, jedes in einer anderen spezifi­schen Ausgestaltung, so nähern wir uns dem Beitrag, den wertige, ‚gute‘ Arbeit hierzu leisten mag: Sie muss sich in der Auseinandersetzung mit Dingen nicht destruktiv-verschwendend, sondern als wertschöpfend erweisen, in der Auseinandersetzung mit anderen Wertschätzung erlebbar machen und dem Einzelnen reale, konkrete, sinnliche Wertempfindung ermöglichen. Orientiert am TZI-Dreieck[12] ergibt sich folgendes Bild:

Abbildung 3: Wertbegriffe in Anlehnung an das TZI-DreieckAbbildung 3: Wertbegriffe in Anlehnung an das TZI-Dreieck

Diese im Seminar entwickelte Zuordnung erschien uns als wertvolles Analyseraster, um den Sinn und Wert des Kaufmännischen weiter zu ergründen. Dessen Gutheit müssten wir suchen

  • in der Form der Wertschöpfung (Was ‚machen‘, welche Objekte und Ideen ‚erzeugen‘ Kaufleute für die Mitwelt?),
  • in der Form der Wertschätzung (Wie wird kaufmännische Arbeit von der Gesellschaft wahrgenommen, wie wird die Kommunikation zwischen Arbeitenden und der Mitwelt wertschätzend gestaltet?) und schließlich
  • in der Form des Wertempfindens (Welche persönlichen Interessen, Werte und höheren Ziele leben Kaufleute in ihrer Tätigkeit aus, welche sinnlichen Erfahrungen geben ihnen empfindbares Feedback?).

Zur Wertschöpfung von Kaufleuten konnten wir bereits einiges festhalten: Kaufleute koordi­nieren Güterflüsse, sie sind also Intermediäre bzw. Mittelsmänner der Bedürfnisbefriedigung. Sie produzieren zwar wenig selbst, sind aber von immenser Bedeutung für die Vermittlung, Vernetzung und Verhandlung zwischen den Erstellern von Werten und denen, die danach streben. Im Handel realisieren sie somit Versorgung, Genuss, Vielfalt und Individualismus. Im Finanzwesen sichern sie bestehende Werte und Zahlungsflüsse, vermindern und streuen die Risiken der Wertentwicklung und etablieren Finanzmärkte – sie verantworten also die Wertströme, die mit den Güterströmen des Handels zusammengehören. Die zugehörigen Informationsströme schließlich liegen in der Verantwortung der Verwaltung. Hier realisieren Kaufleute Ordnung, Klarheit und Verlässlichkeit.

Auch zur Wertschätzung wurde mittlerweile einiges gesagt. Einerseits müssen sich Kaufleute gegen einen zweifelhaften Ruf behaupten, andererseits sind die kaufmännisch-verwaltenden Berufe die beliebtesten in Deutschland, zumindest gemessen an der Anzahl der Ausbildungs­verhältnisse. Ein deutliches Problem liegt sicher darin, dass ein Großteil der Wertschätzung kaufmännischer Tätigkeiten indirekt oder stellvertretend verläuft, da viele der Wunder des Handels heute zu Selbstverständlichkeiten verkommen sind. Eine Reise in ein Entwicklungs­land kann dabei helfen, die Wunder eines gut sortierten Supermarkts, eines Online-Sparkontos oder einer strukturierten Stadtverwaltung wieder als solche zu erkennen – als Meilensteine einer unglaublich differenzierten Zivilisation. Leider ist es mit der Wertschätzung ähnlich wie mit der Liebe. Man kann kaum steuern, wie viel man erhält, sehr wohl aber, wie viel man gibt. Es kann dienlich sein, bestimmte Formen der Kommunikation zu kultivieren, doch letzt­endlich liegt die Wertschätzung des Kaufmännischen insbesondere in der Rolle der Konsu­menten. Soweit ich überschauen kann, ist dies ein bislang kaum durchdachter Aspekt Öko­nomischer Bildung; dass sie auch Ästhetische Bildung sein müsste, die uns in der Rolle des Konsumenten wieder das Wundern und Anerkennen der ökonomischen Leistungen unserer Hochkultur lehrt. Schließlich richtet sich die Auswahl von Bildungsinhalten auch nach der „Leistung eines Gegenstandes für Weltverstehen, d.h. für die Orientierung innerhalb einer Kultur und für die Interpretation ihrer Phänomene“ (Robinsohn 1981, 47).

Der Aspekt der Wertempfindung schließlich verlangt einen genaueren Blick darauf, was Werte sind und wie sie im Individuum zur Geltung kommen, wie sie empfunden werden kön­nen. Heid nähert sich dieser Frage, indem er drei Grundtypen der empirischen Wertforschung unterscheidet: (1) Probanden sollen etwas bewerten, (2) Probanden sollen sich zu Werten äußern und (3) Werte sollen definiert, interpretiert, beschrieben werden (vgl. 2013, 239). Hier zeigt sich, dass es analytisch wertvoll sein könnte, zwischen dem zu unterscheiden, was Werte sind, was sie für das Individuum bedeuten, und wie das Individuum mit ihnen agiert. Der vorige Satz verläuft in der umgekehrten Reihenfolge von Heid, da er meine folgende Argu­mentation vorwegnimmt.

Was einzelne Werte sind, kann strenggenommen nur ein sprachlicher oder kulturwissen­schaft­licher Zugang offenbaren. So gibt es in der deutschen Sprache das Wort ‚Pünktlichkeit‘. Es lässt sich definieren, sein Gebrauch lässt sich empirisch untersuchen, doch bereits bei dem Versuch, es anhand konkreter Beispiele zu illustrieren, verlassen wir die Frage, was ‚Pünkt­lich­keit‘ ist und begeben uns dahin, was wir für und von ‚Pünktlichkeit‘ halten. Neben dem objektiven Wert gibt es demnach eine subjektive Werthaltung (vgl. Renner 2005, 8f.). Dieser Unterschied wird noch bedeutsam.

Bleiben wir noch einen Moment beim Konstrukt ‚Pünktlichkeit‘ per se, so könnten wir uns fragen, wann und warum dieses Konzept relevant genug wurde, sich im Sprachgebrauch zu etablieren. An dieser Stelle wird die kulturelle Konstruktion von Werten spürbar: Während wir in Sprichwörtern, Anekdoten und Handreichungen wie dem Knigge der ‚Pünktlichkeit‘ heute einen festen Ort in unserer symbolischen Ordnung geben, so gab es Zeiten und gibt es Kulturräume, deren Zeitverständnis ein Konzept der ‚Pünktlichkeit‘ kaum bräuchten. Hall (1983) unterscheidet hierzu monochrone (lineare) und polychrone (kreisläufige) Kulturen, was uns viel darüber verrät, warum es für einen Deutschen sehr frustrierend sein kann, sich mit einem Südamerikaner für eine bestimmte Uhrzeit zu verabreden.

Das in Industriekulturen vorherrschende monochrone, lineare Zeitverständnis hat übrigens einen kaufmännischen Charakter, wenn man es als Resultat der Industrialisierung interpre­tiert, als notwendige Bedingung sowie Konsequenz von Arbeitsteilung, Effizienz, Taktung, Planung und Verwaltung sowie verlässlichen Geschäftsbeziehungen (erinnern wir uns an die obige Erwähnung von ‚Pünktlichkeit‘ bei Franklin bzw. Weber). Wir könnten ‚Pünktlichkeit‘ als kaufmännischen Wert interpretieren und uns fragen, ob es so etwas wie typische oder gar dezidierte kaufmännische Werte gibt. Hier könnten wir in die wiederbelebte Diskussion um den ehrbaren Kaufmann oder, mit etwas Lokalkolorit, um die hanseatischen Werte einsteigen, zu denen die ‚Verlässlichkeit‘ als Verwandte der ‚Pünktlichkeit‘ gezählt wird (vgl. Richter 2014; Lenzen 2014). Einerseits wäre das genug Stoff für einen weiteren Artikel, andererseits stellt sich auch die Frage, wie konstruiert, wie beliebig solch ein Wertekanon letztendlich ist. Auch der Volksmund ‚Fünf Minuten vor der Zeit ist des Deutschen Pünktlichkeit‘[13] ist schließ­lich ein Kulturprodukt und kein genetisches Programm (sonst müsste ich dringend meinen Stammbaum hinterfragen). Schön auf den Punkt bringt es Kopp-Wichmann: „Minu­tengenaue Pünktlichkeit ist ein Fetisch unserer Zeit. Seit der Atomuhr zählen wir jetzt selbst Millisekunden, damit hat sich auch unser Anspruch erhöht. Die Natur funktioniert aber seit Millionen Jahren prima und ist auch nicht pünktlich. […] Der Wettermensch in der Tages­schau sagt: Dieses Jahr kommt der Sommer zu spät, doch die Natur kümmert sich nicht da­rum. […] Pünktlichkeit ist eine gesellschaftliche Übereinkunft.“ (Simon 2014)

Hiermit sei angestoßen, wie wichtig es auch für die Wirtschaftspädagogik heute und in Zu­kunft ist, Slogans vom Wertewandel und kulturellen Wandel der Arbeitswelt ernst zu nehmen (vgl. die Debatten um Wirtschaft und Arbeit "4.0", z. B. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2017) und mit kulturwissenschaftlichen Methoden zu durchdringen, um die pädago­gischen Imperative wahrzunehmen. Denn entscheidend wird dieses Kulturwissen im Indivi­duum. Wer Werte, ihren Entstehungskontext und ihren Wandel kennengelernt hat, kann sich zu ihnen positionieren. Wer das Konzept ‚Pünktlichkeit‘ verstanden hat, kann es nutzen, um seine persönlichen Interessen mit Bezug auf kulturelle Übereinkünfte zu begründen. Wenn ich nicht auf jemanden warten will, weil ich meine Zeit anders nutzen möchte, kann ich mich auf ‚Pünktlichkeit‘ berufen. Wenn ich die Tagesschau im Fernsehen sehen will, muss ich pünkt­lich einschalten. Wenn ich hingegen eine Tagesschau-App nutze, ist mir Pünktlichkeit nicht besonders wichtig. Wenn mir ‚Pünktlichkeit‘ Druck und Unbehagen beschert, kann ich mich auf andere kulturell verankerte Konzepte berufen, beispielsweise auf ‚Flexibilität‘ oder ‚Ge­lassenheit‘. So kommen wir von ‚Pünktlichkeit ist ein Wert, den ich als kulturelles Konzept nachvollziehen kann‘ über ‚Ich verhalte mich zu Pünktlichkeit in einer gewissen Weise‘ hin zu ‚Ich beurteile Sachverhalte anhand des Kriteriums Pünktlichkeit‘, dem letzten Punkt bei mir bzw. dem ersten bei Heid.

Es ist bei Heid mit gutem Grund der erste Punkt, denn erst durch das Bewerten von konkreten Sachverhalten bekommen Werte ihren Inhalt. Ohne Inhalt sind sie nicht nur schwer zugängli­che abstrakte (kulturell-historische) Relikte, sondern gar gefährliche Instrumente der Indok­trination. Im Positivismusstreit hieß es, mit Sekundärtugenden wie ‚Pflichtgefühl‘ oder eben auch ‚Pünktlichkeit‘ könne man, frei nach Oskar Lafontaines berühmter Aussage, auch ein KZ leiten. Sie sind inhaltsleer und damit weder von Bildungseinrichtungen noch von Indivi­duen als Selbstzweck hochzuhalten. Heid stellt im Anschluss die Frage, ob es überhaupt sin­nig sei, neben solchen Sekundärtugenden bestimmten (Grund-)Werten einen primären, weil allgemeingültigen Charakter zuzusprechen und findet als Gegenargument das Beispiel inhalts­leerer ‚Freiheit‘, welches ich so eindrücklich und wichtig für meine Argumentation finde, dass ich es ausgiebig zitieren will:

„[…] so kann es auch die Freiheit nicht ohne ihren Inhalt geben. Ich erläutere das an dem tra­ditionsreichen Satz, der häufig formuliert, aber niemals problematisiert wird: ‚Die Freiheit eines Menschen endet dort, wo die Freiheit eines anderen anfängt‘ (jüngst Kleiner[14] […]). Was ist das eigentlich, was dort endet, wo das andere anfängt? Es ist doch nicht die Freiheit, die bei mir endet, wenn oder weil oder wo sie beim anderen anfängt, sondern es ist ein kon­kretes Verhalten, durch das ich das Verhalten eines anderen beeinträchtige. Woran mein Tun stößt, das ich dadurch rechtfertige, dass ich mich auf meine Freiheit berufe, genau das tun zu dürfen, ist nicht die imaginäre Grenze einer nicht real existierenden Freiheit, sondern dasje­nige konkrete Verhalten eines anderen, das er durch mein Verhalten beeinträchtigt sieht und für dessen Ablehnung er ‚seine‘ Freiheit reklamiert. In allen Fällen, auf die der zuvor zitierte Satz sinnvoll angewendet werden kann, geht es also nicht um konkurrierende Freiheiten, son­dern darum, dass die Freiheit, etwas inhaltlich Bestimmtes zu tun, von demjenigen bestritten wird, der sich auf seine Freiheit beruft, genau das zu kritisieren oder zu verhindern. Nur mit Bezug auf die Inhalte konkreten Verhaltens, ohne die es den Konflikt überhaupt nicht gäbe, kann der Rekurs auf konkurrierende Freiheiten ein Thema sein.“ (Heid 2013, 247)

Mit diesem kritischen Blick kommt Heid schließlich zur Konsequenz für die Pädagogik: „Es sind keine Werte, die Heranwachsenden ‚vermittelt‘ werden können, sondern es kann und sollte jene Urteilskraft sein, die sie befähigt zu durchschauen, welche Funktion die Bezug­nahme auf Werte in den Auseinandersetzungen um die Rechtfertigung oder Kritik strittiger Sachverhalte unter den jeweiligen Bedingungen ihrer Realisierung erfüllt. Heranwachsende müssen nicht lernen, Normen oder Werte zu respektieren, sie könnten stattdessen lernen, kon­krete Menschen zu respektieren.“ (Heid 2013, 253f.; Herv. i. Orig.) Zum Begriff ‚Urteilskraft‘ bemühe ich gern eine der wenigen sprachlich pointierten Definitionen von Kant: „Urteilskraft überhaupt ist das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben, so ist die Urteilskraft, wel­che das Besondere darunter subsumiert, […] bestimmend. Ist aber nur das Besondere gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urteilskraft bloß reflektierend.“ (Kant 2016 [1793], 21 [86]; Herv. i. Orig.)

Für eine pädagogische Beschäftigung mit Werten sind demnach nicht die thematisierten Werte an sich entscheidend – auf einem konkreten Wertekanon zu verharren, kann nur ideo­logisch sein. Damit ist keinesfalls gesagt, dass sich Erziehung nicht an Normen orientieren sollte (hierin widerspreche ich Heid), denn Normen sind von Werten zu unterscheiden. „Wäh­rend durch Normen deutlich definierte Anweisungen vorgegeben werden, wie gehandelt wer­den soll, sind Werte Präferenzen, die das Handeln von Menschen legitimieren.“ (Poetzsch-Heffter 2016, 37) Erziehung hat sich an geltenden Normen zu orientieren (ganz basal z. B. an Menschenrechten, Verfassungen, kodifizierten Prinzipien wie der sozialen Marktwirtschaft), aber eben auch deren Verhältnis zu Werten und individuellen Interessen müssen geklärt wer­den, ihre Begründungen, Entstehungsprozesse und ihre Veränderlichkeit müssen verdeutlicht werden, um zu politischer Mitbestimmung zu ermächtigen – oder im Extremfall zum begrün­deten zivilen Ungehorsam. Dazu zähle ich auch den ‚betrieblichen Ungehorsam‘, mit dem sich eine gebildete Fachkraft gegen unlautere unternehmerische Prozesse stellen sollte.

Werte sind im pädagogischen Sinn daher nur exemplarisch, sie sind Vehikel dafür, Menschen für die Prozesse des (Be-)Urteilens, des Bestimmens und Reflektierens zu erschließen. Erst im Urteilen werden abstrakte, inhaltsleere, sprachlich-objektive Werte zu subjektiven Werthal­tungen, die schließlich zu relativ stabilen Persönlichkeitsmerkmalen werden können (s. o., für einen anschaulichen Überblick Poetzsch-Heffter 2016, 20ff.). Auch Moral entsteht erst im Urteilen, erst in der Bestimmung oder Reflexion, ob etwas ‚gut‘ oder ‚schlecht‘, ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ ist, ob es meinen Interessen entspricht oder ihnen entgegensteht. Hierin „teilt [der Mensch] die Welt in zwei Bereiche: in das, was er achtet, und das, was er ächtet“ (Precht 2012, 175). In beidem, Achtung und Ächtung, lassen sich zudem Rangfolgen bilden. In der obigen Unterscheidung von Werten und Normen klang das Wort „Präferenzen“ an, das bei Ökonomen Resonanz erzeugen sollte: Wenn Werte (auch die philosophisch abstrakteren) Vehikel für die Interessen, Bedürfnisse und Präferenzen von Menschen sind, dann wird der Umgang mit Werten und das Aushandeln von Interessenskonflikten zu einem Prozess gegen­seitiger Wertschätzung und Lösungen, die zunächst widersprüchlich anmutende Interessen vereinbar machen, sind Wege der Wertschöpfung. Gerade im Lösen von Wertdilemmata sehen Hampden-Turner und Trompenaars (1995) die Funktion von Unternehmen. Innovative Produkte und Dienstleistungen entstehen oft durch die Vereinigung einst widersprüchlicher Interessen. Man denke an ‚sichere Autos‘, ‚Diät-Mahlzeiten‘ oder mein aktuelles Lieblings­beispiel, die ‚Vegetarische Mühlen Salami‘[15].[16] In diesem Sinne ist Wertschöpfung nicht nur das Schöpfen von Werten, sondern gleichzeitig das Schöpfen aus Werten.

All dies wird unmittelbar von den kaufmännischen Domänen Handel, Finanzen und Verwal­tung realisiert. Die werte-relevante Bezugswissenschaft der Kaufleute müsste demnach nicht nur die pseudo-naturwissenschaftliche Ökonomik sein, die sich schnell mit einem engen mathematischen Wertbegriff begnügt, sondern vielmehr eine kulturalistische Sozio-Ökonomie und – wenn man schon von Werten spricht – die Philosophie. Darf man dann nicht - muss man dann nicht den Kaufleuten einer Gesellschaft die Funktion und Verantwortung als Wächter der Werte zusprechen?

6 Unsinn, Sinn und Sinnlichkeit

Fassen wir zusammen und führen wir fort: Werte sind kulturell geteilte, kommunizierbare Vehikel der individuellen Interessen. Wo es um individuelle Interessen geht, sind Bedürf­nisse, Gefühle und Sinne angesprochen. Somit ist das (Be-)Werten, bzw. nach der Modellthe­orie von Schwartz das Aktivieren eines Werts, ein äußerst emotionaler Prozess, ein Prozess der Empfindung, Motivation und des sinnlichen Erlebens (2012, 3f.). Das Sinnliche wird auch dadurch unterstrichen, dass sich Werte aus „Vernunft, Moral oder Ästhetik“ begründen lassen (Renner 2005, 8).

‚Sinn-lich‘ verstehe ich hier im doppelten ‚Sinn‘. Zuletzt sollte klargeworden sein, dass akti­vierte Werte durch Wahrnehmungsprozesse über die Sinnesorgane und deren physiologische und psychische Verarbeitung emotional belegt und in diesem Sinne ‚sinnlich‘ sind. Entspre­chend müsste auch der ökonomische Wertbegriff wieder emotional belegt werden. Wir könn­ten außerdem fragen, was das Sinnliche in kaufmännischen Berufen sein kann. Spielen wir die Sinneskanäle durch: Ist es der Geruch von Druckerschwärze und Tipp-Ex oder der Ge­schmack von Briefmarkenkleber? Ist es die Ansicht einer aufgeräumten Warenauslage, das haptische Gefühl von Geldscheinen oder dem Profil der Kassentastatur? Sind es die Fieps-Geräusche des Warenscanners, das Rattern der Geldzählmaschine oder der Signalton einer Fehlermeldung im Office-Software-Paket? Gern denke ich hierbei an einen Bildband zur Geschichte und Ästhetik des Büros, den ich im kaufmännischen Unterricht zum Thema ‚Arbeitsplatzgestaltung‘ einsetze (Pélegrin-Genel 1996). Es mag bizarr anmuten, in solchen Dingen den ‚Sinn‘ des Kaufmännischen zu suchen und es ist zugegebenermaßen dasjenige der beiden ‚Sinn‘-Verständnisse, dem ich die kleinere Rolle zuspreche. Dennoch: Wenn wir oben von ästhetischer Bildung sprachen, von Wertempfindungen und dem eingangs erwähnten Problem, dass die Früchte kaufmännischer Arbeit oft sehr abstrakt und kaum spürbar sind, dann verdient dieser Punkt Erwägung. Eine Konsequenz kann sein, dass Kaufleute im Handel eine starke Identifikation mit ihren Gütern entwickeln, da diese ihre sinnliche Erfahrung prä­gen (im Vergleich zu den dazugehörigen abstrakten Wert- und Informationsströmen, die je­doch den Kern der genuin kaufmännischen Prozesse ausmachen). Eine andere Konsequenz ist, die kaufmännische Funktion des Ordnens, Strukturierens und Verwaltens zu relativieren. Radikale Ordnung, die zu persönlichkeits- und sinnesfeindlichen Clean Desk Policies oder zur Bürokratie als Selbstzweck führt, ist hiernach nicht sinnlich, nicht sinnvoll, nicht wertschöp­fend. Ein empfindsames, laufendes ästhetisches Spiel aus Ordnung und Unordnung hingegen ist es durchaus (vgl. Nehring 2013).

Im Empfinden eigener Werte (besser: eigener Werthaltungen) macht sich schließlich auch mein zweites, maßgebliches Verständnis von ‚Sinn‘ bemerkbar, nämlich jenes allgemeine, das sich hinter den großen Sinnfragen und Sinnkrisen verbirgt. Aber was ist jener ‚Sinn‘ und wa­rum beschäftigt er uns? Adorno meinte dazu: „Leben, das Sinn hätte, fragte nicht danach.“ (1997, 369) Dieser Zugang scheint vielversprechend und womöglich erschließt sich uns der ‚Sinn‘ über den ‚Unsinn‘, denn „im Alltagsleben setzen wir Sinn ‚sinnvollerweise‘ voraus, und nur in bestimmen Grenz- und Krisenfällen, dann, wenn wir keine Alternativen mehr haben, wenn wir keinen Ausweg mehr sehen, beginnen wir, über dieses ‚Konzept‘ nachzu­denken“ (Schützeichel und Ebertz 2010, 7). Schützeichel und Ebertz nehmen ‚Grenze‘ und ‚Krise‘ schließlich als definierende Momente und finden in ‚Sinn‘ die Aspekte ‚Kohärenz‘ (Sinn macht, was dauerhaft stimmig ist und Kontinuität schafft) und ‚Selektion‘ (Sinn macht, was sich vom Unsinn abhebt – hierin klingt erneut die Verwandtschaft zu ‚Sinnen‘ und ‚sinn­lich‘ als Aspekte der Wahrnehmung an). Sie unterscheiden außerdem drei Dimensionen von Sinn, konstativ, konativ und evaluativ, die ich in folgender Übersicht veranschaulichen möchte:

 

konstativ

konativ

evaluativ

Bezug

Deutungsmuster, Wahrnehmung

Ziele, Handeln

Urteil, Haltung, Identität

Aspekt Selektion (Abgrenzung vom Unsinn)

Bewältigung von Komplexität

bewusste Entscheidung

relative Funktionalität

Aspekt Kohärenz (dauerhaft stimmig)

Bewältigung von Unsicherheit

Nachvollziehbarkeit, Begründbarkeit

beständige Funktionalität

Beispiele (fragwürdig![17])

„Sein Verhalten macht Sinn, ich hätte nichts anderes erwartet“

„Es schien mir sinnvoll, diesen Auftrag noch vor dem Urlaub abzuschließen“

„Mit dem Fahrrad durchs Watt fahren ist doch sinnlos“

Abbildung 4: Dimensionen von ‚Sinn‘ nach Schützeichel und Ebertz (2010, 8), eig. Darstellung und Beispiele

Betrachten wir ‚Sinn‘ so, dann wird seine pädagogische Bedeutung schnell zugänglich. In der letzten Spalte wird ‚Sinn‘ in Bezug zu Identität gesetzt. Sinnkrisen sind in der Regel Identi­tätskrisen. Pädagogische oder psychotherapeutische Interventionen werden meist dann be­deutsam, wenn Menschen allein nicht (mehr) in der Lage sind, Selektion und Kohärenz herzu­stellen. Identität gerät dann in eine Krise, wenn die eigene Geschichte nicht mehr selbständig fortgeschrieben werden kann.[18] ‚Sinn‘ und ‚Identität‘ sind zentrale Konzepte der Emanzipa­tion und der Autobiographie, hier verstanden als Fähigkeit und Freiheit, das eigene Leben zu schreiben bzw. zu gestalten. Sofern sich der Bildungsbegriff noch auf Emanzipation berufen darf, müsste sich berufliche Bildung also in besonderem Maße mit den Konzepten ‚Sinn‘ und ‚Identität‘ beschäftigen. Zur Identitätsarbeit verweise ich gern auf meine Kollegin Christiane Thole (2015 und in diesem bwp@ Spezial), zu ‚Sinn‘ auf meinen Kollegen Georg Tafner (2015 und in diesem bwp@ Spezial). Dieser bemühte andernorts Klafki: „Der Sinn der Leis­tung kann nie ausschließlich in ihr selbst liegen.“ (1996, 265) Jedes bewusste Handeln ist in einen größeren Kontext eingebunden, in einen höheren Sinn: Es grenzt sich gegen anderes ab (Selektion) und steht in einer gewissen Kontinuität (Kohärenz). Es drückt aus, wie ich wahr­nehme, was meine Ziele sind und welche Haltung mich als Individuum kennzeichnet. Bei Tafner erscheint ‚Sinn‘ auch als Eckpunkt seiner „Anthropologie der reflexiven Wirtschafts­pädagogik“ (2015, 713), die ich gern in den Kontext dieses Beitrags stellen möchte - um ihn zusammenzufassen und abzuschließen. Hierbei muss natürlich erwähnt werden, dass die Aus­führungen bei Tafner weit über den minimalen Ausschnitt hinausgehen, den ich hier verwen­de. Ich nutze die Relation hier eher als Verweis, wie sich meine Überlegungen in die Tradi­tion und den aktuellen Diskurs der Wirtschaftspädagogik einfügen.

Abbildung 5: Relation: Wertbegriffe Casper (s. o.) und Anthropologie der reflexiven Wirtschaftspädagogik Tafner (2015, 713)Abbildung 5: Relation: Wertbegriffe Casper (s. o.) und Anthropologie der reflexiven Wirtschaftspädagogik Tafner (2015, 713)

‚Sinn‘ bei Tafner findet sich in meinem Verständnis von ‚Wertempfinden‘ wieder. Die zent­ralen Fragen nach Wahrnehmung, Bewertung und Arbeit als Teil individueller Lebensgestal­tung laufen hier zusammen. Solange wir in Gesellschaft leben, steht mein individueller Sinn, steht mein Streben nach gutem Leben jedoch stets auch in Relation zu den Lebensentwürfen der anderen und zu der Rolle, die ich in einer existierenden Kultur und Gemeinschaft ein­nehme. Da sich ICH und WIR gegenseitig prägen, sprechen wir von Wertschätzung und Ver­antwortung, ohne die jedes Tun auf lange Sicht zwangsläufig ins Pathologische abdriften muss. Mein Tun wirkt auf andere und das Tun anderer aktiviert meine Werthaltung. Aus dem Umgang mit teils konkurrierenden Interessen und den Werten, in denen sich diese Interessen versprachlichen, entwickelt eine Gesellschaft schließlich typische Prozesse, typische Ideen, Prinzipien und Lösungsansätze für ihre gängigsten Probleme. In einer postindustriellen Ge­sellschaft gehört ‚Effizienz‘ zu den zentralen prozessoralen Prinzipien, sie ist zentral für eine ressourcenabhängige Wertschöpfung. Sie findet ihren Ausdruck in tüchtiger kaufmännischer Arbeit – aber sie kann diese nicht hinreichend erklären, wie ich oben gezeigt habe. Es ist erst die Balance aus Sachlichem, Persönlichem und Sozialem, die einer Tätigkeit (gar einem gan­zen Leben) Tiefe, Gehalt und Berechtigung gibt. Dies gilt auch, aber nicht nur, für das Kauf­männische.

7 Eschata

Statt eines Fazits oder Ausblicks möchte ich enden, wie ich begann: Mit einer Geschichte. Eine Freundin, die sehr unglücklich mit ihrer kaufmännischen Tätigkeit war, erzählte mir einst von ihrem bildenden Moment, von der Erkenntnis, durch die sie begann, den Sinn ihres Tuns zu hinterfragen. Der bildende Moment, und bitte lassen Sie sich unvoreingenommen da­rauf ein, kam ihr beim Spielfilm I am Legend (2007). Will Smith spielt in dieser Zombie-Dystopie den scheinbar letzten lebenden Menschen in New York. Zusammen mit seiner Hün­din streift er durch die geisterstadthaften Ruinen der ehemaligen Metropole, auf der Suche nach Vorräten und anderen Menschen. Die Erkenntnis, von der mir meine Freundin berichtete war: Wenn alles zusammenbricht, wenn alle Kultur von uns genommen wird, wenn es wirk­lich um den Kern des Lebens geht – am Ende, da wollen wir nur zwei Dinge. Wir wollen essen und nicht allein sein.

Den Einen oder Anderen mag es trösten, dass man nicht in die Tiefen der Philosophie hinab­steigen und Adornos Minima Moralia lesen muss, um zu dieser Einsicht zu gelangen. Ein Kinobesuch tut’s auch. Eine Konsequenz aus dieser Erkenntnis könnte sein, dass wir den Sinn unserer Tätigkeiten eben, wie bei Klafki oben, nicht ausschließlich in ihnen selbst suchen. Das Kaufmännische ist ein Bündel aus Prinzipien, Funktionen und Hilfsprozessen, die für unsere Gesellschaft, unsere Kultur in ihrem Status quo, wertig und sinnvoll sind. In diesem Sinne sind Kaufleute tatsächlich Wächter der Werte – der eigenen und der ihnen anvertrauten. Doch das Kaufmännische ist kein Selbstzweck, sowenig wie es das alleinige Wertschöpfungs­ziel eines Unternehmens sein kann, Gewinn zu erwirtschaften. Der Gewinn und die Effizienz an sich sind nur formale Ziele, nur Sekundärtugenden, nur inhaltslose Werte. Entscheidend ist nicht das Formale, sondern das Sachliche; nicht das Inhaltsleer-abstrakte, sondern das Kon­krete, Sinnliche. Inhaltslose Werte sind geradezu gefährlich – für das Individuum und seinen Sinn, seine Identität; aber auch für die Gesellschaft als Ganzes.

Wo immer wir konkretes Verhalten vorfinden, das sich unabhängig von den ummantelnden Werten als unhaltbar zeigt, müssen wir uns daher gegen ein Primat des Ökonomistischen wehren. Zur Not mit dem angesprochenen zivilen und betrieblichen Ungehorsam müssen wir uns gegen die Strukturen, Prozesse und konkretes Verhalten wehren, die sinnentfremdend, inhaltslos und wertvernichtend sind. Sonst reproduzieren wir, was uns schadet, sonst wird das wunderbare Potenzial des Kaufmännischen in sein hässliches Gegenteil verkehrt und wir erle­ben die Befürchtung des sinnentfremdeten, rein symbolischen Vor-sich-hinvegetierens. Dann werden Gewinn und Geld zum Fetisch, Effizienz wird zur Neurose fern jeder Moral. Moral aber hieße, Achtung und Ächtung auszudrücken, somit privat wie beruflich bewusst ‚Ja‘ und ‚Nein‘ zu sagen. ‚Ja‘ zu uns, unseren Interessen und unserem Bedürfnis nach Sinn und Wert.

Gegen das, was uns fehlleitet und einengt, was uns Sinn nimmt und Werte zerstört, kann man wiederum ‚Nein‘ sagen. Meines Erachtens muss man es sogar – woher sollte sonst der Impuls kommen, die Rahmenbedingungen menschenwürdig zu ändern, wenn nicht aus dem ‚Nein‘ derer, die sich in ihnen bewegen müssen? Ein Wächter der Werte zu sein bedeutet auch, Werte zu schützen und mit manch unbequemem ‚Nein‘ zu verteidigen. Dass dieses ‚Nein‘ schwerfällt, ist klar. Es verlangt Einsicht; in die Dinge, mich selbst und meine Mitmenschen. Auch braucht es Mut; zu zweifeln, meine Komfortzone zu verlassen und auf meine Mitmen­schen zuzugehen. Wollen wir diesen Mut und diese Einsicht ‚Bildung‘ nennen und uns ge­genseitig darin stärken?

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[1]    Der Clip wurde 2016 in Kino und TV ausgestrahlt und ist heute über den Mitgliederbereich http://werbemittel.handwerk.de oder den YouTube-Kanal „DasHandwerk“ zu sehen, https://www.youtube.com/channel/UCWLOwToqqeUh301DuZMIHZQ (01.07.2017).

[2]    Das sogenannte ‚Okunsche Gesetz‘ beschreibt die von Okun (1962) beobachtete positive Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Aktuelle volkswirtschaftliche Analysen legen nahe, dass sich dieser Zusammenhang nicht (mehr) bestätigen lässt (z. B. Kocic 2015). Faktoren wie Digitalisierung, Automatisierung und kreditfinanzierter Konsum führen demnach zur zunehmenden Prekarisierung von Arbeit, ohne dass hierdurch Wachstum gebremst würde.

[3]    Auf Anfrage geben wir jedoch gern Einblick in die Ergebnisse.

[4]    Um der Irritation entgegenzukommen: Ich schreibe Kaufmännische und Ökonomische Bildung bewusst groß, da ich nicht ausdrücken will, wie diese Form von Bildung ist, also kaufmännisch oder ökonomisch im Sinne eines echten Adjektivs. Sie kann und darf nur in dem Sinne substantiviert Kaufmännisch sein, als dass es sich um die Bildung handelt, die entweder ein Kaufmann hat (als Subjekt, als Handelnder), oder die in einem bestimmten Ausschnitt der Lebenswelt entsteht, also in der Auseinandersetzung mit einem Gegenstand, der sich als Kaufmännisches (als Objekt, als Medium) beschreiben ließe. Sonst würden wir dem Begriff ‚Bildung‘ kaum gerecht.

[5]    Liest man bspw. Franklin im englischsprachigen Original, muss man doch die Stirn runzeln, da genau dieser Satz im von Weber zitierten Kontext bei Franklin schlichtweg nicht existiert. Der vollständige Kontext bei Weber lautet: „Bedenke, daß – nach dem Sprichwort – ein guter Zahler der Herr von jedermanns Beutel ist. Wer dafür bekannt ist, pünktlich zur versprochenen Zeit zu zahlen, der kann zu jeder Zeit alles Geld entlehnen, was seine Freunde gerade nicht brauchen. [Abs.] Dies ist bisweilen von großem Nutzen. Neben Fleiß und Mäßigkeit trägt nichts so sehr dazu bei, einen jungen Mann in der Welt vorwärts zu bringen, als Pünktlichkeit und Gerechtigkeit bei allen seinen Geschäften. Deshalb behalte niemals erborgtes Geld eine Stunde länger, als du versprachst, damit nicht der Ärger darüber deines Freundes Börse dir auf immer verschließe.“ (Weber 2015 [1905], 18) Nun das Original bei Franklin: „Remember this Saying, That the good Paymaster is Lord of another Man’s Purse. He that is known to pay punctually and exactly to the Time he promises, may at any Time, and on any Occasion, raise all the Money his Friends can spare. This is sometimes of great Use: [hier fehlt der von Weber fälschlicherweise eingefügte Satz!] Therefore never keep borrow’d Money an Hour beyond the Time you promis’d, lest a Disappointment shuts up your Friends Purse forever.“ (Franklin 1748)

[6]    „Meist wird der Begriff Bürokratie heute synonym für die Bürokratiepathologien verwendet.“ (Schedler und Proeller 2003, S. 17; eig. Hervorh.) Neben ‚Kapitalsmus‘ und ‚Bürokratie‘ ereilt dieses Schicksal viele weitere ökonomische Begriffe, bspw. ‚Nutzenmaximierung‘, ‚Eigeninteresse‘, ‚Opportunität‘, ‚Wettbewerb‘. Es wäre wünschenswert, diese Konzepte zunächst frei von wertenden Konnotationen zu durchdringen und danach (!) in einem notwendigen (!) zweiten Schritt ihre kritischen Ausformungen zu diskutieren.

[7]    Das ist rhetorisch gemeint und nicht ganz wahr. Als Wirtschaftswissenschaftler habe ich natürlich Methoden kennengelernt, zukünftig erwartete Zahlungen einzupreisen und dem Kleinkind einen abgezinsten Barwert zuzuschreiben; oder es über den altruistischen ‚Nutzen‘ der Eltern irgendwie mit Mühe und Zwang in das ökonomische Nutzenkonstrukt zu pressen. Ich finde solche Ansätze allerdings derart irreführend, ubiquitär und weder philosophisch noch kritisch-rationalistisch wissenschaftlich, dass ich lieber die schmerzhafte „ökonomische Nutzlosigkeit“ des Kleinkinds stehen lasse als den Wert eines Menschen einem zur Absurdität verfremdeten Nutzenkonstrukt zu unterwerfen.

[8]    “Giving frequently concerns - and addresses our concerns about - all we believe we have, and in terms that are much more than material.” (Smith 2013, 159)

[9]    In der oben erwähnten Gegenüberstellung von Regulationsmechanismen bei Kuper (2004, 243) steht „Vertrauen als leistungssteigerndes Additiv“ als zentrales Merkmal realtypischer Gemeinschaften. Neben „Gemeinschaft“ als Regulationsmechanismus nennt Kuper „Märkte“, für welche Konkurrenz und damit vergleichsweise höheres Misstrauen kennzeichnend sind, und „Organisationen“, die sich durch Abhängigkeit von den gegebenen Strukturen und mikropolitische Verbünde kennzeichnen. Damit steht Kuper ganz in der Tradition der Governance-Literatur.

[10]   Für eine gut visualisierte Übersicht vgl. https://www.exploring-economics.org/de/orientieren/ (30.06.2017).

[11]   In der Verlegenheit, ein Akronym für ein hierauf gerichtetes Forschungsprogramm zu finden, schlage ich augenzwinkernd vor: „GuLASch – Gutes Leben, gute Arbeit, gute Schule“.

[12]   Der Übersichtlichkeit halber lasse ich den in der TZI typischen Umkreis des „Globe“ in dieser Zeichnung aus. Dass sich diese Aspekte stets in Wechselwirkung mit einer spezifischen Um- oder Mitwelt situiert finden, nehme ich als gegeben an.

[13] Wahlweise auch mit ‚Soldaten‘ oder ‚Maurern‘ statt ‚Deutschen‘.

[14]   Heid bezieht sich auf den folgenden Vortrag, in dem sich Kleiner wiederum auf Kant bezieht: http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/2011/rede_kleiner_bonn_jv_110706.pdf (30.06.2017).

[15]   http://www.ruegenwalder.de/produkte/vegetarische-muehlen-salami-bunter-pfeffer (30.06.2017).

[16]   Vgl. Hampden-Turner und Trompenaars 1995, 6: “So, far from regarding enterprises and their products as being, as Economics tells us, mere accretions of resources, it would be truer to say that an enterprise is the fine-tuning and harmonizing of values often in tension with one another, the reconciliation of the dilemmas caused by conflicting values. Industries create new products by joining together satisfactions, many of which have previously resisted combination, i. e. 'slimming meals,' 'friendly computers,' 'safe automobiles.'“

[17]   Die Beispiele sind offensichtlich fragwürdig, da diese Dimensionen von ‚Sinn‘ derart miteinander verschränkt sind, dass sich kaum Fälle finden, die trennscharf nur eine Dimension hervorheben.

[18]   “People have traditionally come for psychoanalytic conversation because the story they are telling themselves about their lives has stopped, or become too painful, or both. The aim of the analysis is to restore the loose ends - and the looser beginnings - to the story.” (Phillips 1993, xx)

Zitieren des Beitrags

Casper, M. (2017): Wächter der Werte – Studierende auf der Suche nach dem Sinn des Kauf­männischen. In: bwp@ Spezial 14: Homo oeconomicus oder Ehrbarer Kaufmann – Reflexio­nen zum Verhältnis der Wirtschaftspädagogik zu den Wirtschaftswissenschaften, hrsg. v. Tramm, T./Schlömer, T./Thole, C., 1-26. Online: http://www.bwpat.de/spezial14/casper_bwpat_spezial14.pdf (27-07-2017).