bwp@ Spezial 14 - Juli 2017

Homo oeconomicus oder Ehrbarer Kaufmann – Reflexionen zum Verhältnis der Wirtschaftspädagogik zu den Wirtschaftswissenschaften

Hrsg.: Tade Tramm, Tobias Schlömer & Christiane Thole

Synergetische Ökonomische Bildung als Konkretisierung einer reflexiven Wirtschaftspädagogik

Realwirtschaftliche Phänomene wie Finanzkrise, Überschuldung von Staaten, Niedrigzinspolitik der EZB, Arbeitsplatzvernichtung durch profitgierige Manager und ökologische Katastrophen werden häufig den Wirtschaftswissenschaftlern und den Wirtschaftsdidaktikern angelastet. Um die Diskussion zu versachlichen, ist es sinnvoll, eine Theorie der Ökonomischen Bildung zu entwickeln, die die Bereiche Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftsdidaktik und Wirtschaftspraxis in Einklang bringt, die die Unterschiede konstruktiv überbrückt, um das Fundament für einen ökonomischen Bildungsprozess mit entsprechendem Forschungspotential aufzuzeigen. Hier bietet sich die Synergetik als Theorie der Selbstorganisation an. Die wirtschaftsdidaktische Interpretation des Grundmodells der Synergetik erfolgt mit Blick auf

  • den freiheitlichen Grundgedanken der freien (sozialen) Marktwirtschaft und des Bildungsgedankens
  • Freiheit, Individualismus und Selbstorganisation als zentrale Werte einer zwar werturteilsfreien, keineswegs aber wertfreien Wirtschaftswissenschaft
  • das selbstorganisierte Lernen als methodisch-didaktische Unterrichtskonzeption
  • Piagets konstruktivistische Lernauffassung
  • Forschungsbeiträge, die die Synergetik auf kognitive Lernprozesse und fachdidaktische Kontexte anwenden.

Mit Hilfe der Synergetik lässt sich erklären, wie Ökonomische Bildung als dynamisches Muster im Kontext eines reflexiven, kreiskausalen Bildungsprozesses, Selbstbestimmungsfähigkeit fördern und fordern sowie Phasenübergänge resp. Schwellenkonzepte, die ökonomisches Wissen und eine entsprechende Haltung ermöglichen, kritisch und konstruktiv begleiten kann. Empirische Methoden der Komplexitätsforschung ermöglichen das Aufspüren derartiger Phasenübergänge und das Setzen entsprechender ‚Nudges’, um junge Menschen zu befähigen, in der Wirtschaftswelt sachgerecht und verantwortungsvoll zu analysieren, zu beurteilen, zu entscheiden und zu handeln. 

1 Einführung in die Thematik

1.1 Ein Blick in die Historie

The difficulty lies, not in the new ideas, but in escaping from the old ones, which ramify, for those brought up as most of us have been, into every corner of our minds.” (Keynes 1936)

Oftmals verhindern alte Ideen das Aufkommen neuer Gedanken. Diese Vermutung bestätigt auch Keynes, der im Vorwort seines grundlegenden Werkes ‘The general theory of employment, interest and money’ darauf hinweist, wie schwierig es vielfach ist, sich von alten Ideen zu befreien, die jeden Winkel unseres Verstandes durchdrungen haben und den Weg zu neuen Denkweisen verhindern.

Überträgt man die Anmerkungen Keynes auf die aktuelle Situation der Praxis, so muss man konstatieren, dass die Ökonomische Bildung, wie Krafft einmal gesagt hat, als „Stiefkind der deutschen Bildung“ behandelt wird (Krafft 1988, 175ff.).

Die Tatsache, dass die „Wirtschaft” ein sehr wichtiger Bereich in unserem Leben darstellt, wird oft ignoriert und heruntergespielt. Diese Form der Ignoranz hat eine lange Tradition. Der Gegensatz von Bildung und Wirtschaft gilt bereits für die europäische Antike:

Im alten Griechenland waren Kaufleute minderwertige und gesellschaftlich nicht anerkannte Bürger. In den „wohleingerichteten Städten“ von Platons Politeia sind die Krämer „fast immer die körperlich schwächsten (...), die nicht taugen, irgendein anderes Geschäft zu verrichten“ (Schleiermacher 1985, 372). Es klingt ein wenig Bedauern heraus, dass diese Krämer in einer Stadt notwendig seien; sie seien ein zu ertragendes Übel, um zum Beispiel die tapferen, eifrigen und sanftmütigen Wehrmänner, die sich mit Philosophie, den Musen und der Gymnastik zu beschäftigen haben, mit dem Notwendigsten zu versorgen. Und so lässt Platon Aristoteles sagen:

„Das Geld ist um des Tausches Willen erfunden worden. Durch den Zins vermehrt es sich aber durch sich selbst, und das ist eindeutig wider die Natur und wider die Gerechtigkeit.“ (A.pol, I, 10, 1258b4-8)

Hermes galt als Gott des Handels, aber auch der Diebe.

Diese kritische Einstellung gegenüber der Wirtschaft zieht sich über das Mittelalter bis in die Neuzeit und gilt sicher nicht nur für unseren Kulturkreis.

Was hat dieser kurze Ausflug in die Vergangenheit mit der heutigen Situation zu tun?

1.2 Ein Blick in die Gegenwart

Es gibt vielfältige ökonomische Probleme in unserem Land:

Eine Ursache liegt in den falschen Rahmenbedingungen, die die Staaten in den vergangenen Jahren gesetzt und damit Habgier und Schlimmerem Tür und Tor geöffnet haben. Eine andere Ursache liegt in den objektiven Veränderungen der gesamten Weltwirtschaft, die keinen Haushalt, keine Unternehmung und keine Verwaltung in Deutschland und Europa unberührt lassen.

In der heutigen Gesellschaft sind ökonomische Grundkenntnisse zweifelsohne eine immer wichtiger werdende Voraussetzung, um die zunehmend komplexen Zusammenhänge von Wirtschaft, Technik, Gesellschaft und Politik verstehen zu können.

Die raschen technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungsprozesse führen zu einer immer größeren Vernetzung, zu Rückkopplungen, Turbulenzen; kurzum zu einer steigenden Komplexität der globalisierten Wirtschaft, die uns umgibt und in der wir leben. Diese zunehmende Komplexität führt auch zu veränderten Herausforderungen in der Bildung mit der Konsequenz, dass immer früher konkretes Wissen über den verantwortungsvollen Umgang mit ökonomischen Alltagsgegebenheiten, aber auch Orientierungswissen und die Fähigkeit zu realistischer Selbsteinschätzung im Hinblick auf eine selbstbestimmte und rational begründete, verantwortungsvolle Lebensplanung benötigt werden. Obwohl die Ökonomische Bildung in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen hat, weist unsere Gesellschaft immer noch erhebliche Defizite hinsichtlich wirtschaftlicher Verständnisse und ökonomischer Grundregeln sowie Zusammenhänge auf. Die Defizite sind enorm, obgleich „unser Alltag“, wie Krafft betont, „nicht nur, aber weitgehend, Wirtschaftsalltag“ ist (Krafft 2010, 237).

Jedoch ist kaum eine Bürgerin oder ein Bürger mit ökonomischen Phänomenen vertraut, geschweige denn in der Lage, komplexe ökonomische Probleme zu analysieren und Lösungsstrategien für ein verantwortliches Handeln zu entwickeln.

Hierzu kann jedoch die Ökonomische Bildung einen wichtigen Beitrag für ein gelingendes Leben in Wirtschaft und Gesellschaft leisten. Die notwendige fachliche Basis kann dabei unbestritten nur die Wirtschaftswissenschaft darstellen, sollte man meinen.

Allerdings finden wir in der aktuellen Debatte zahlreiche Stimmen, die aufgrund ihrer Einstellung gegenüber Wirtschaft und ihrer Wissenschaft einen „multiperspektiven“ (Hedtke/Famulla et al. 2010; Engartner/Krisanthan 2013, 247) oder „interdisziplinaren“ (Famulla/Fischer et al. 2011) bzw. „transdisziplinaren“ Zugang fordern. Dabei wird die Wirtschaftswissenschaft als wissenschaftliche Basis von Ökonomischer Bildung kritisiert, indem beispielsweise behauptet wird, sie böte kein „handlungsrelevantes Wissen für Konsumenten, Arbeitnehmer oder private Anleger“ (Hedtke 2009, 4). Wenn die Kritik zuträfe, wäre die Wirtschaftswissenschaft per definitionem tatsächlich überflüssig, da Handlungs- und Praxisrelevanz natürlich immer auch der Anspruch einer Realwissenschaft, die auf Theorie und Praxis fußt, sein muss. Sicher kann nicht jede Grundlagenforschung unmittelbar praxisrelevant sein, das will und soll sie auch gar nicht. Ein Großteil der ökonomischen Theorien und Konzepte sind es gleichwohl, wie der Alltag in der Wirtschaft leicht nachvollziehbar von der individuellen, über die Unternehmensebene bis hin zur Ebene des Staates und der Staatengemeinschaften zeigt.

Ferner wird zum Beispiel behauptet, die Wirtschaftswissenschaft und insbesondere die BWL stelle „Handlungsempfehlungen und Instrumente bereit(...), u. a. damit sie Konsumenten und Arbeitnehmer im Unternehmensinteresse beeinflussen können.“ (Hedtke 2009, 4). Das entspricht nun wahrlich nicht der Leitidee des ehrbaren Kaufmanns, dem die meisten Unternehmen, und insbesondere die KMUs als Säulen unserer Wirtschaft folgen, sondern damit sind wohl eher die schwarzen Schafe der Wirtschaft gemeint, die es zweifelsohne gibt. Gerade das Vorenthalten eines fundierten betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Wissens führt dazu, dass Arbeitnehmer und Konsumenten etc. ihre Rechte und Interessen kaum wahrnehmen können.

Die aus der Kritik an einem Fach Wirtschaft und der Wirtschaftswissenschaft als Basisdisziplin entstandene Initiative für eine bessere ökonomische Bildung (iböb) engagiert sich folgerichtig für eine kritische, sozialwissenschaftlich orientierte ökonomische Bildung (vgl. Famulla/Fischer et al. 2011). Als Lösung der vermeintlichen Erkenntnisse werden z. B. Integrationsfächer wie Sozialwissenschaften mit Wirtschaft, Soziologie und Politik dargestellt. Hedtke betont, dass sein sozialwissenschaftlicher Ansatz dabei „die Wirtschaftswissenschaften nicht als a priori bevorzugte Bezugsdisziplinen“ (Hedtke 2007, 5) behandelt. Auch findet man vielfach die Forderung nach fächerübergreifender Integration Ökonomischer Bildung. Dieser Meinung scheint man beispielsweise auch im Kultusministerium in Düsseldorf zu sein, wenn die Ministerin im Mai 2016 auf einer Podiumsdiskussion bemerkt: „Wir wollen die Schulen dabei unterstützen, ökonomisches Wissen und Verbraucherthemen fächerübergreifend zu vermitteln.“ (https://www.uni-siegen.de/fokos/aktuelles/682766.html)

Dabei käme niemand auf die Idee, eine wichtige Thematik wie Mathematik oder Deutsch nicht disziplinorientiert in einem Fach zu unterrichten. Kein Bildungsexperte würde vorschlagen, für den Mathematikunterricht als alleinige fachliche Bezugsdisziplin nicht die Mathematik, für den Deutschunterricht nicht die Germanistik und für den Englischunterricht nicht die Anglistik anzusehen. Niemand käme auf die Idee, beispielsweise das Feld der Mathematik in andere Fächer aufgehen und damit fachfremd unterrichten zu lassen. Bislang gibt es jedenfalls keine Forderungen, Mathematik durch Religionslehrer oder Soziologielehrer zu unterrichten. Sicher ist es richtig, dass erst die fachlich fundierte Durchdringung von vielen Disziplinen und Perspektiven am Ende eine Gesamtsicht auf die Welt ermöglicht. Jede Disziplin stellt dabei einen wichtigen Teilaspekt, eine wichtige Perspektive auf die Welt dar. Erst in der Gesamtschau ergibt sich dann das ganze Bild. Aber jede Disziplin muss wohlbedacht und durchdacht werden können, damit man sie verstehen, durchdringen und auch kritisieren kann. Das benötigt Zeit und Konzentration und daher ein eigenes Schulfach.

Aber das Thema Wirtschaft soll in der Schule – geht es nach den Protagonisten der „besseren“ Ökonomischen Bildung, die sich neuerdings auch als „sozioökonomisch“ titulieren und in der neu gegründeten „Gesellschaft für sozioökonomische Bildung und Wissenschaft“ versammeln, durch Erkenntnisse der Soziologie oder der Politikwissenschaft etc. (mit-)geprägt werden (http://soziooekonomie-bildung.eu).

Die Betrachtung anderer Disziplinen als die Wirtschaftswissenschaft hilft zum Verständnis ökonomischer Situationen, Prozesse und Strukturen jedoch nur sehr bedingt weiter; oder, um es mit Volker Ladenthin zu sagen:

„Wenn Wirtschaft eine Leitfrage unserer Existenz ist, dann kann man diese Leitfrage nicht soziologisch, politisch oder historisch beantworten – sondern eben nur wirtschaftlich.“ (Ladenthin 2006, 45),

Damit sollte außer Frage stehen, dass die Wirtschaftswissenschaft die Basis der Ökonomischen Bildung und dass ebenso die Wirtschaftspraxis von besonderer Bedeutung ist. 

Auch wenn also die Argumente der Kritiker eines Schulfachs Wirtschaft auf Basis der Wirtschaftswissenschaft abwegig erscheinen, ist gleichwohl die Ökonomische Bildung keine Abbilddidaktik, keine reduzierte Wirtschaftswissenschaft, wenngleich eine derartige Abbilddidaktik sicher immer noch besser wäre, als ein Sammelsurium an unterschiedlichen Theorien und Perspektiven. Folgte man den Befürwortern einer multiperspektivischen Ökonomischen Bildung, dann verbliebe, wie Krafft zurecht betont, nur „ein fachdidaktischer Multimix, in dem am Beispiel des Früchtebreis die Besonderheiten der Obstsorten erklärt werden soll. Was verbleibt ist der Brei..." (Krafft 2010, 236)

Wenn aber Ökonomische Bildung trotz wirtschaftswissenschaftlicher Fundierung keine Abbilddidaktik ist, wie wir später noch näher begründen werden, dann bedeutet dies, dass weder eine reine Vermittlung ökonomischer Theorien, noch alternativ z. B. die Betrachtung ökonomischer Alltagserfahrungen Ökonomische Bildung ausmachen, auch wenn es strukturelle Ähnlichkeiten, also Homomorphismen zwischen Theorie und Praxis gibt. Es ergeben sich im Bildungsprozess vielmehr zwei didaktische Differenzen, die wir näher betrachten müssen:

Zum einen lässt sich eine Differenz zwischen Ökonomischer Bildung und Wirtschaftswissenschaft und zum anderen eine Differenz zwischen Ökonomischer Bildung und Wirtschaftsalltag diagnostizieren.

Im vorliegenden Aufsatz werden diese Differenzen herausgearbeitet und ein Vorschlag für eine wirtschaftsdidaktische Konzeption unterbreitet, die den komplexen didaktischen Herausforderungen, aber auch der zunehmenden Komplexität in der Wirtschaftswelt wie auch der Wirtschaftswissenschaft gerecht wird.

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, schreibt der Dichter Hölderlin (Hölderlin 2001) und so bieten gerade die Theorien Komplexer Systeme eine denkbare Lösung für die Gestaltung einer Wirtschaftsdidaktik, die den Lernenden die Möglichkeit bietet, in der ökonomischen Welt sachgerecht und verantwortungsvoll für sich selbst, aber auch im Hinblick auf die Mitmenschen zu agieren und die eigene Zukunft zu gestalten. Zu diesem Zwecke wird aus dem Kanon der Theorien Komplexer Systeme die Synergetik als Basis für die didaktische Konzeption herausgegriffen, die aufgrund der Fokussierung auf Selbstorganisation einen Homomorphismus zu marktwirtschaftlichen Konzepten zeigt und gleichzeitig bereits gewinnbringend in wirtschaftsdidaktischen Bildungskontexten eingebracht wurde (z.B. Liening 2013). Damit erscheint die Synergetik auf besondere Weise geeignet, ökonomische Fragestellungen im Bildungsprozess gelingend zu integrieren. Ohne zwar hier im Detail die Synergetik erläutern zu können, liegt der Modellierung diese Theorie zugrunde und liefert so die Basis für das beschriebene Konzept.

2 Erhöhte Komplexität im Bildungsprozess durch wirtschaftsdidaktische Differenzen

2.1 Differenz zwischen Wirtschaftswissenschaft und Ökonomischer Bildung

Zunächst muss man Kaiser und Kaminski folgend festhalten, dass die „Komplexität moderner Industriegesellschaften [...] ohne ökonomische Grundkenntnisse nicht durchschaubar“ ist (Kaiser/Kaminski 2012, 8). Wenn Schule die jungen Menschen auf das Leben in Wirtschaft und Gesellschaft vorbereiten soll, darf sie sich der Wirtschaftswissenschaft nicht verschließen, da unser Leben in sehr starkem Maße auf den Errungenschaften basiert, die die Wirtschaftswissenschaft erst ermöglicht hat. Mithilfe der Wirtschaftswissenschaft gelingt es uns, eine besondere Sichtweise auf die Wirtschaftswelt, nämlich die ökonomische, zu generieren, die viele andere denkbaren Sichtweisen ergänzt, um das alltägliche Wirtschaftsgeschehen bis hin zu den großen ökonomischen Zusammenhängen einer zunehmend komplexen, globalisierten Welt zu verstehen. Sie ist die einzige Wissenschaft, die uns ein Methodenset liefert, um in einer von Knappheitssituationen durchdrungenen Welt rationale Entscheidungen zu treffen, um so verantwortungsvoll zu handeln und z. B. Verschwendung zu vermeiden.

Die Wirtschaftswissenschaft bemüht sich, die Geschehnisse in der Wirtschaftswelt zu objektivieren. Um die intersubjektive Nachprüfbarkeit zu gewährleisten, wird es vermieden, der Ökonomik einen subjektiven Bedeutungsgehalt zuzusprechen. Die Wirtschaftswissenschaft reduziert die Wirtschafts- und Lebenswelt damit auf das empirisch Erfahrbare und klammert die Frage nach der individuellen Bedeutsamkeit aus. Es entsteht somit eine wirtschaftsdidaktische Differenz (vgl. Blankertz 1980, 47), d.h. eine Trennung zwischen dem Wissenshorizont der Ökonomik und ihrer Bedeutsamkeit (vgl. Klafki 1989, 8f.).[1]

Diese Differenz zwischen der Wirtschaftswissenschaft und der Ökonomischen Bildung zeigt, dass es im Rahmen eines bildenden Unterrichts keineswegs um eine reine Wissenschaftsorientierung gehen kann, die in einer Abbildung von Wirtschaftswissenschaft mündet, wie in der Einleitung bereits behauptet wurde. Ökonomische Bildung kann, wenn sie den Begriff der Bildung ernst nimmt, somit niemals eine ‚Abbilddidaktik’ oder gar ‚reduzierte Wissenschaft’ sein.

Zur Wissenschaftsorientierung bemerkt Menze:

„Eine rein wissenschaftsorientierte Schule läßt den jungen Menschen mit der Frage nach Sinn und Bedeutung allein. [...] Wird [...] Schule als Funktion des wissenschaftlichen Fortschritts begriffen, folgt daraus, daß der Mensch die Fähigkeit einbüßt, sich orientieren zu können, daß also die Wissenschaftsorientierung den Verlust der Orientierung in der Welt nach sich zieht.“ (Menze 1980, 185f.)

Gebildet zu sein bedeutet am Ende, dass man in der Lage ist, das eigene Leben sachgerecht und verantwortungsvoll zu gestalten. Es geht daher um die Beantwortung der Frage, wie sich der Lernende sinnvoll sachgerecht wirtschaftlichen Fragestellungen und Herausforderungen stellen kann (vgl. Krafft 2010, 227). Hierzu bedarf es selbstverständlich einer adressatengerechten Auseinandersetzung mit wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden, die jedoch die Inhalte für den individuellen Geltungsanspruch aufschließen muss.

Was aber als Differenz bleibt, ist die fehlende Ich-Bezogenheit, die fehlende Beantwortung der Frage nach der individuellen Bedeutung einer ökonomischen Erkenntnis.

2.2 Differenz zwischen Wirtschaftsalltag und Ökonomischer Bildung

Die zweite didaktische Differenz ergibt sich zwischen dem Wirtschaftsalltag und der Ökonomischen Bildung. 

Dabei ist es zunächst unstrittig, dass die Erfahrung für die Erkenntnis notwendig ist. So stellt Kant fest:

„Daß alle unsere Erkenntniß mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnißvermögen sonst zur Ausübung geweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere Sinne rühren [...]. Der Zeit nach geht also keine Erkenntniß in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser fängt alles an.“ (Kant 1995, 49)

Auf das Wirtschaftsleben bezogen bedeutet dies, dass Lernen durch Erfahrung dem Verstehen der ökonomischen Welt dient.

Ladenthin gibt jedoch zu bedenken:

„Schließlich sind die Regeln für das richtige Verhalten in der Erfahrungswelt nicht wieder aus dieser selbst abzuleiten! Wenn Bildung in der Fähigkeit besteht, sich wertend zu den Anforderungen der Lebenswelt in ein Verhältnis zu setzen, können die Regeln hierfür nicht wieder aus dem gewonnen werden, wozu man sich doch wertend ins Verhältnis setzen will.“ (Ladenthin 1995, 17)

Berücksichtigt man Ladenthins Worte, dann muss man ebenfalls bedenken, dass der ausschließliche Erkenntnisgewinn aus Erfahrungen im Wirtschaftsalltag den Einzelnen sozialisieren und gleichzeitig zu einem fragwürdigen Verhalten in der Gesellschaft führen kann. So kann der Einzelne beispielsweise erfahren, dass er bei der Hinterziehung seiner Steuern einen großen Vorteil hat und in Abwägung des Risikos, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, sich für die Hinterziehung entscheiden. Dieses Verhalten wäre sicher rein zweckrational und sicher auch zielgerichtet, planvoll, bewusst, entspräche dem ökonomischen Nutzen-Kosten-Denken und wäre daher vielleicht sogar effizient. Ist dieses Verhalten aber gleichwohl das ‚richtige’ Verhalten? Im besten Fall erhält man so eine Anpassung an die Wirtschaft. Zeigt das aber, dass der Einzelne gebildet ist? Wohl kaum.

Die Frage nach der ‚richtigen’ Entscheidung und dem ‚richtigen’ Verhalten lässt sich mit der gemachten Erfahrung und möglichen Erfahrungen nicht beantworten. Oder, wie Buck bezüglich der Erfahrung formuliert:

„Sie macht uns klüger, aber der Erfahrende wird sich durch sie nicht seiner Erfahrung und das heißt: seiner selbst bewußt.“  (Buck 1989, 82)

Erst das „sich-seiner-selbst-bewusst“-Werden lässt die Frage nach der Verantwortung aufkommen. Die Art des Lernens durch Erfahrung bildet daher nicht, da sie nichts zurechtrückt (vgl. Buck 1989, 82).

Wie allgemeine Bildung (vgl. Ladenthin 1995, 17) soll aber auch Ökonomische Bildung gerade dieses ‚Zurechtrücken’ bedeuten! Von daher können wirtschaftsdidaktische Bildungsprozesse und Erfahrungen in der Wirtschaftswelt nicht identisch sein.

Ferner ist der Komplexitätsgrad der ökonomischen Welt so groß geworden, dass sie durch Erfahrung allein nicht mehr verstanden werden kann. So kann sich beispielsweise bereits das erfahrungs- bzw. handlungsorientierte Praktikum eines Schülers in einer Bank schwierig gestalten, weil er über die Bankgeschäfte, die er verstehen will, letztendlich gar nichts lernen kann, da die wichtigen Abläufe, hinter Metallplatten digitalisiert, im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr greifbar sind. Im Unterricht hätte der Schüler u. U. wesentlich mehr über die einzelnen Schritte bei Bankgeschäften lernen können.

Und ob es sich um makroökonomische Zusammenhänge handelt, wie z. B. zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit oder zwischen dem Wachstum einer Volkswirtschaft und seinen supranationalen Verflechtungen, oder ob man beispielsweise etwas über moderne computer- und internetgestützte Fertigung und über Produktionsplanungssysteme lernen will: In ihrer Funktion, ihrer Entstehung, ihrer Anwendung und ihren Auswirkungen sind diese Ausschnitte ökonomischer Realität keineswegs unmittelbar einsichtig. Die Theorien Komplexer Systeme untermauern diese allgemeine Erkenntnis und stellen sie aufs Neue heraus.

Durch Umgang und Erfahrung lässt sich in der modernen komplexen Gesellschaft in vielen Lebensbereichen kaum etwas erlernen.

Es bedarf vielmehr, wie Regenbrecht feststellt, „einer sorgfältigen theoretischen Analyse von Informationen, die keineswegs jedem zur Hand sind, sondern erst in spezifischen Lehrmitteln oder -systemen verfügbar gemacht werden müssen“ (Regenbrecht 1995, 8).

Krafft spricht in diesem Zusammenhang auch von einer neuen Dimension des Erfahrungsverlustes, die eine immer komplexer werdende Welt nach sich zieht:

„Die neue Dimension des Erfahrungsverlustes besteht darin, daß nun nicht nur die Tätigkeiten und Instrumente zu ihrer Ausübung von den Menschen entfernt, sondern durch die Mikroelektronik diese Instrumente selbst 'entanschaulicht' werden. Das Räderwerk einer Uhr ist durch die Anschauung nachvollziehbar, die einzelnen Teile sind greifbar; die Regelelektronik einer modernen Uhr bleibt jedoch der Anschauung verschlossen, ihr Aufbau ist erklärbar, jedoch nicht 'faßbar'. Der Kopf ist gefordert, die Hand verzichtbar.“ (Krafft 1988, 178)

Es muss an dieser Stelle darüber hinaus bedacht werden, dass Erfahrungen auch einen ambivalenten Charakter besitzen. Einerseits beschäftigt man sich gerade dann mit bestimmten Dingen, wenn eine persönliche Anteilnahme, eben eine konkrete Erfahrung, vorliegt. Oder wie die Pädagogen sagen: das Lernen muss intrinsisch motiviert sein. Andererseits liegt in dieser persönlichen Anteilnahme gerade die Gefahr, dass das Ergebnis des Fragens antizipiert wird. Anders formuliert:

„Interessegeleitetes Fragen steht immer unter Ideologieverdacht, und nicht unbegründet wird Ideologie ja auch als ‚Irrtum aus Interesse’ definiert.“ (Regenbrecht 1995, 9)

Man benötigt also eine kritische Distanz zur eigenen Erfahrung, soll diese einen nicht blenden und in die Irre leiten.

Ladenthin hat den problematischen Zusammenhang von Bildung und Erfahrung, die für ihn Geschichte darstellt, folgendermaßen geschildert:

„Wäre Geschichte (Erfahrung) der Inhalt von Bildung, dann wäre Bildung nicht die Freisetzung des Menschen, sich selbst zu bestimmen (Heitger 1990), sondern dann wäre Bildung identisch mit der Affirmation des Menschen an die Geschichte.“ (Ladenthin 1995, 22)

Erfahrungen sind immer zufällig, sie sind bruchstückhaft und überdies unkritisch gegenüber den komplexen, nicht-linearen Strukturen, in denen sich Erfahrungen sammeln lassen.

So defizitär Erfahrung auch ist (die Differenz zur Ökonomischen Bildung wird mit den obigen Ausführungen offenkundig), so sehr wohnt der Erfahrung doch etwas inne, was der traditionelle Unterricht oft vermissen lässt. Bereits der Pädagoge Herbart schreibt:

„Diese Fülle, und dieses Darbieten ohne Anspruch und Zwang, wie will es der Unterricht erreichen?“ (Herbart 1806, 46)

Und weiter heißt es bei ihm fast enthusiastisch:

„In der That, wer möchte Erfahrung und Umgang bey der Erziehung entbehren? Es ist als ob man des Tages entbehren, und sich mit Kerzenlicht begnügen sollte!“ (Herbart 1806, 46)

2.3 Bezugstheorie: Grundlagen der Synergetik

Die Theorie der Synergetik hat ihren Ursprung in der Physik. Sie wurde 1963 von Hermann Haken aufgestellt, um die Entstehung von Laserlicht zu erklären, bei dem die Atome des laseraktiven Materials mittels externer Energiezufuhr angeregt werden und durch einen internen Selbstorganisationsprozess gleichgerichtete Lichtwellen emittieren.

Das Konzept der Synergetik als Theorie der Selbstorganisation wurde im Laufe der Jahre auf zahlreiche andere Disziplinen übertragen. So findet sie sich z. B. in der Medizin (vgl. Haken 1991; Kröger 2015), Chemie (vgl. Epstein/Pojman 1998), Psychologie (vgl. Haken/Schiepek 2010), Soziologie (vgl. Weidlich/Haag 1983) und der Wirtschaftswissenschaft (vgl. Liening 2013; Liening 2013; Liening 2014) wieder. Darüber hinaus wird die Synergetik auch für dynamische Betrachtungen von psychotherapeutischen Behandlungen angewendet. Haken hat in diesem Kontext ein Grundschema der Synergetik erstellt, welches die formale Darstellung der Theorie in einer verallgemeinerten Abbildung zusammenfasst (vgl. Haken 2006). Dieses Grundschema wurde von Strunk und Schiepek (2006) erweitert (vgl. Abbildung 1)  und dient für die folgende Erläuterung des synergetischen Grundmodells als Grundlage.

In der Synergetik werden offene Vielkomponentensysteme betrachtet, die aus vielen miteinander verknüpften Systemelementen bestehen. Die Systemelemente befinden sich hierbei auf einer Mikroebene, wobei jedes Systemelement innerhalb des betrachteten Systems zwar nicht weiter dekomponierbar ist, für sich genommen jedoch ein eigenes Subsystem darstellen kann.

Abbildung 1: Grundmodell der Synergetik (in Anlehnung an Strunk/Schiepek 2006)Abbildung 1: Grundmodell der Synergetik (in Anlehnung an Strunk/Schiepek 2006)

Dieser Zustand kann von einem Kontrollparameter grundlegend verändert werden.

Ein Kontrollparameter ist ein externer Energiedurchfluss, der das System einerseits spezifisch beeinflusst, da ein System nicht auf jeden Kontrollparameter reagiert. Andererseits ist der Einfluss jedoch unspezifischer Natur (vgl. Schiepek 1994), da ein Kontrollparameter das System bzw. dessen Systemkomponenten nur zu einer Verhaltensänderung anregt, die Richtung der Änderung jedoch nicht vorgibt.

Wird die Intensität des Kontrollparameters erhöht, weicht der dynamische Gleich-gewichtszustand allmählich auf und das System wird instabil gegenüber äußeren und inneren Störungen. Dies kann durch das Phänomen des „kritischen Langsamerwerdens“ (Haken/ Schiepek 2010) beobachtet werden. Übersteigt der Kontrollparameter schließlich einen spezifischen Schwellenwert, löst sich die bestehende Ordnung völlig auf und es entsteht mikroskopisches Chaos auf der Mikroebene. Gleichzeitig bilden sich durch den emergenten Prozess der Selbstorganisation neue, zunächst noch instabile Ordnungsparamater heraus. Diese sogenannte „Moden“ (Liening 1999) befinden sich solange im Wettbewerb miteinander, bis ein Modus schließlich dominiert und sich als Ordner herausbildet. Sind die Moden gleich stark, können bereits kritische Fluktuationen, d. h. minimale Störungen über die Realisierung eines Ordners entscheiden (vgl. Haken/Schiepek 2010). Der Ordner versklavt anschließend wieder die Elemente auf der Mikroebene, wodurch sich die Anzahl der Freiheitsgrade des Systems enorm reduziert. Nicht alle Ordnungsparameter sind direkt auf der Makroebene beobachtbar, sondern bilden im Rahmen dieses kreiskausalen Prozesses ein sichtbares dynamisches Muster heraus.

Aufgrund der allgemein gehaltenen Form des synergetischen Grundmodells bietet sich ein Transfer auf (fach-)didaktische Modelle an, um selbstorganisierte Lern- und Bildungsprozesse besser abbilden und erklären zu können.

2.4 Erfahrungs- und wissenschaftshomomorpher Unterricht

a)      Ein erster Baustein eines synergetischen Bildungskonzeptes

Die im Folgenden skizzierte Idee des erfahrungs- und wissenschaftshomomorphen Wirtschaftsunterrichts, der im Rahmen des oben beschriebenen synergetischen Konzeptes als Kontrollparameter fungiert, basiert auf den Konzepten, die Ladenthin (vgl. Ladenthin 1995) für die allgemeine Didaktik als erfahrungs- und wissenschaftsanaloges Lernen entwickelt hat. Der Begriff des Homomorphismus entstammt dabei der Mathematik, die sich in diesem Sinne mit strukturerhaltenden Abbildungen zwischen zwei Strukturen beschäftigt, die das hier gemeinte vielleicht besser umschreiben als der Begriff des Analogons.[2]

b)      Erfahrungshomomorpher Unterricht

Betrachtet man die oben beschriebenen Merkmale von Erfahrung, dann gibt es trotz des defizitären Charakters doch eine Reihe von Übereinstimmungen zwischen den Erfahrungen im Wirtschaftsalltag und Ökonomischer Bildung. So ist Lernen im Bildungsprozess des Wirtschaftsunterrichts immer auch subjektbestimmt wie auch subjektbestimmend. Erst wenn ökonomisches Wissen nicht als isolierte Tatsache wahrgenommen, sondern gleichsam verinnerlicht wird, kann dieses Wissen zur Ökonomischen Bildung des Lernenden beitragen. Diese Verinnerlichung und das damit verbundene "für-wahr-halten" zwingt den Lernenden dazu, sich in seinem Verhältnis zur Welt neu zu sehen. Insofern ist übrigens Ökonomische Bildung immer auch handlungsrelevant.

In den Erfahrungen im Wirtschaftsalltag bezieht der Einzelne sein ökonomisches Wissen damit auf sich, auf seine eigene individuelle Lebenssituation. In diesem Sinne also, dass Erfahrungen nämlich stets auf die eigene Person bezogen sind, verweist Ökonomische Bildung auf die eigenen Erfahrungen im – von Komplexität durchdrungenen – Wirtschaftsleben. Deshalb ist Ökonomische Bildung zwar nicht mit Erfahrung gleichzusetzen, aber Ökonomische Bildung benötigt diese Erfahrung.

Ein Bildungsprozess sollte insofern immer auch erfahrungshomomorph sein. Ein solcher erfahrungshomomorpher Unterricht kann gelingen, wenn er z. B. mit Planspielen (z. B. Business Games), Fallstudien (z. B. nach der Sherman-Methode), Wikis oder ökonomischen Experimenten (Experimental Learning) angereichert wird, die die Möglichkeit der Einbeziehung von Erfahrungen und Alltag erlauben und dabei die intrinsische Motivation fördern.

c)       Wissenschaftshomomorpher Unterricht

Was man aufgrund der obigen Bemerkungen zweitens benötigt, sind nicht nur erfahrungshomomorphe, sondern zugleich wissenschaftshomomorphe Lernarrangements. Wissenschaftshomomorphe Lernarrangements thematisieren die wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse, ohne dabei zukünftige Entscheidungen zu determinieren oder zu behindern. Hierzu kann die Lehrperson in einem dialogischen Sinne beitragen, um den Lernenden zu befähigen, eine je eigene, aber rational begründete Einsicht in die ökonomische Denkweise zu erlangen. Dieser Dialog kann nur gelingen, wenn sich Lehrende und Lernende bewusst sind, dass sie um eine gemeinsame ‚Wahrheit’ miteinander ringen. Im wissenschaftlichen Diskurs kann man sich nie sicher sein, dass in der Auseinandersetzung mit der ökonomischen Wirklichkeit Fehler unterlaufen und Irrtümer entstehen. So wird das ökonomische Wissen immer nur zur vorläufigen Gewissheit. Die Idee des Irrtums impliziert nach Popper aber die Idee der Wahrheit, die – als höchster Maßstab – als notwendige Bedingung der Möglichkeit von Wissenschaft, vorausgesetzt werden muss (Pähler 1988, 254ff.). Damit sind Schüler und Lehrer hinsichtlich der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse an die Idee der Wahrheit gebunden. Insofern stehen Lernende und Lehrende auf der gleichen Stufe und können nur gemeinsam versuchen, wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse zu durchdringen, zu verstehen, zu kritisieren und im Hinblick auf Geltung beanspruchende Sinnbestimmungen letztendlich als ‚wahr’ zu erkennen oder abzulehnen.

Dieses Bekenntnis: ‚Ja, ich habe die wirtschaftswissenschaftliche Position XY verstanden und vor dem Hintergrund meiner als bedeutsam erkannten Herausforderungen stehe ich dazu/lehne ich sie ab’ (Geltungsanspruch), kann nur eine je individuelle, auf rationalem Diskurs und rational begründete Entscheidung sein.

d)      Die Bedeutung des wissenschafts- und erfahrungshomomorphen Unterrichts als synergetischer Kontrollparameter

Erst ein Wirtschaftsunterricht, der wissenschafts- und erfahrungshomomorph zugleich ist, ermöglicht eine zukunftsoffene, rationale Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Herausforderungen, die es letztendlich dem Lernenden ermöglicht, seine Zukunft selbst zu gestalten.

Insofern stellen dergestalt gedachte Lernarrangements den Kontrollparameter im synergetischen Sinne dar, der das dynamische, nicht-lineare System „Bildungsprozess“ von außen mit Energie versorgt und damit einen wichtigen Einfluss auf den Bildungsprozess nimmt, ohne jedoch dabei im Vorfeld den Bildungsprozess in irgendeiner Form zu determinieren. Die Dynamik im Bildungsprozess kann damit zwar gefördert, Phasenübergänge oder im Jargon der Ökonomischen Bildung gesprochen „thresholds“ (Davies 2007) eingeleitet, die Ergebnisse jedoch nicht vorherbestimmt werden, was für einen bildenden Unterricht von besonderer Bedeutung ist.

2.5 Wissen und Haltung

a)       Die Erlangung von Wissen

Ein dergestalt gedachter wissenschafts- und erfahrungshomomorpher Unterricht gibt den Lernenden z. B. in der gymnasialen Oberstufe Anreize, Wissensstrukturen herauszubilden, die in der Ökonomischen Bildung anerkannt sind (vgl. degöb 2009) und es dem Einzelnen erlauben, Handlungssituationen ökonomisch zu analysieren, ökonomische Systemzusammenhänge zu erklären, Rahmenbedingungen der Wirtschaft zu verstehen und mitzugestalten und Entscheidungen ökonomisch begründen zu können.

Ein solcher Unterricht berücksichtigt, die hier als interne Parameter bezeichneten kognitiven Stile sowie kognitive[3]und soziale Gewohnheiten[4]  der Lernenden (vgl. Riding 1998), greift externe Parameter wie ihre Alltagserfahrungen, vorwissenschaftlichen Theorien, soziale Herkunft etc. sowie deren diversen Sichtweisen auf die Welt auf und befähigt die Lernenden durch eigene, selbstorganisierte und immer wieder rückgekoppelte Auseinandersetzungen mit dem wirtschaftswissenschaftlich fundierten Stoff im Dialog mit dem Lehrenden, das notwendige zukunftsoffene Wissen zu generieren.

Während die internen und externen Parameter in Bezug auf Bildung zunächst eher diffus oder gar chaotisch anmuten und im synergetischen Kontext einer Mikroebene zugeordnet sind, finden wir das sich herauskristallisierende zukunftsoffene Wissen als Ordnungsparameter einer dynamischen, geordneten Struktur auf einer höheren, sogenannten Makroebene wieder.

Konkret kann dies bedeuten, dass die Lernenden verstehen lernen, in Nutzen-Kosten-Kalkülen zu denken, Transaktionskosten zu berücksichtigen, Opportunitätskosten bei Entscheidungen abzuwägen, die je eigene Selbstständigkeit (Entrepreneurial Spirit) bewusster zu (er-)leben etc. Diese konkreten Ordnungsparameter entstehen dabei nicht nur selbstorganisierend, sondern werden auch durch ständige Rückkopplungsprozesse stabilisiert oder ggf. destabilisiert.

Ökonomisches Wissen als Teil der Ökonomischen Bildung sollte sich daher strukturbildend - wie Kruber betont – z. B. auf Denken in Kategorien der ökonomischen Verhaltenstheorie, Denken in Kreislaufzusammenhängen oder auch Denken in Ordnungszusammenhängen beziehen (vgl. Kruber 1996, 51).

b)      Die Erlangung von Haltung

In diesem Zusammenhang muss bedacht werden, dass es nicht nur darum gehen kann, dass man am Ende individuell, situationsabhängig, zukunftsoffen, nachhaltig oder sachgerecht, sondern auch ‚richtige’ Entscheidungen zu treffen in der Lage ist.

Hierbei spielt die Frage nach der individuellen Bedeutsamkeit einer Sachlage eine wichtige Rolle. Die damit verbundene Beantwortung der Frage, welche Lösung nun die individuell ‚richtige’ ist, kann aber aufgrund des Anspruchs der Werturteilsfreiheit nicht in der Wissenschaft selbst und auch nicht aufgrund von Erfahrungen zu beantworten sein. Wissenschaft und Erfahrungen zeigen mir auf, was ich tun kann, nicht aber, was ich tun soll! Die Frage nach diesem Sollen bedarf der Herausbildung von Werturteilsfähigkeit sowie moralischer Urteilsfähigkeit!

Werturteilsfähigkeit zu erwerben bedeutet, im rationalen Dialog das Werten zu lernen. Dies führt letztendlich dazu, zu ergründen, welche Bedeutung etwas für einen selbst besitzt. Oder wie Pöppel sagt:

„Das Ziel meines Wertens liegt also zwischen sachlicher Erkenntnis und sittlichem Handeln, zwischen Einsicht und Wollen [...].“ (Pöppel 1990, 38)

Darüber hinaus muss der Lernende angeleitet werden, sein Leben nach selbst gewählten Grundsätzen verantwortlich zu gestalten. Diese Grundsätze dürfen aber nicht der Gefahr der subjektiven Beliebigkeit anheimfallen oder auf Tradierung basieren, dessen Rechtfertigung in einem ‚das war schon immer so’ besteht. Vielmehr müssen diese Grundsätze auf Geltung beanspruchende Sinnbestimmungen zurückzuführen sein. Damit ist aber Moral nicht länger als festes System unterschiedlich verbindlicher Normen für menschliches Handeln zu betrachten. Hinter diesem Ziel steht eine neue Definition von Moral, die letztendlich das sich im Handeln vollziehende Ergebnis von rationalen Wertungen im Hinblick auf Geltung beanspruchende Sinnbestimmungen meint und damit einen dynamischen Emergenzprozess im Sinne der Theorien Komplexer Systeme aufzeigt.

Der Bildungsprozess kann in diesem Verständnis ebenfalls nur ein dialogischer sein, der seinerseits, wie im Bereich des Wissens, eine als notwendig gedachte Voraussetzung hat, die hier als das sittlich ‚Gute’ umschrieben werden kann. Ein solcher Bildungsprozess ist „weder Affirmation an ein vergangenes, noch an ein gegenwärtiges, noch an ein zukünftiges Normensystem“ (Pöppel 1990, 23).

c)       Der Phasenübergang – Notwendigkeit von ‚Nudges’

Die Ökonomische Bildung jedes Einzelnen wird im synergetischen Modell auf der Makroebene als Ordnungsparameter in Form von Wissen und Haltung sichtbar, indem auf der Mikroebene durch die entsprechenden fachdidaktischen Lernarrangements, die durch die Kontrollparameter gegeben werden, Selbstorganisations- sowie Reflexionsprozesse ausgehend vom Vor-Wissen, den Vor-Urteilen etc. angeregt werden.

Der Übergang von einem Zustand zu einem anderen stabilen Zustand, der letztendlich zur Ordnungsbildung beiträgt, kann in der Synergetik anschaulich mit dem Modell einer Kugel, die in einem Tal rollt, charakterisiert werden und wird auch als Phasenübergang bezeichnet. Durch Änderung der Rahmenbedingungen wird der zuvor stabile Zustand immer kritischer, bis die Kugel in unterschiedliche Richtungen rollen kann und rollt und so einen neuen stabilen Zustand annimmt.

Abbildung 2: Drei Schritte eines Phasenüberganges (in Anlehnung an Haken/Schiepek 2010, 85)Abbildung 2: Drei Schritte eines Phasenüberganges (in Anlehnung an Haken/Schiepek 2010, 85)

Ob der Ordnungsparameter, der demgemäß entsteht, jedoch der fachlich korrekte Begriff ist, liegt sehr stark daran, wie der Kontrollparameter ggf. auf Veränderungsprozesse reagiert und wie er ggf. neu justiert wird. Die Synergetik sieht hier keine Notwendigkeit eines zusätzlichen Eingriffes, da sie lediglich beschreibt, wie Selbstorganisationsprozesse zu einer Ordnungsbildung führen. Sie kann insofern als werturteilsfrei bezeichnet werden. Ob der so entstandene Ordnungsparameter fachlich korrekt ist oder nicht, ist daher nicht dadurch entschieden, weil sich der Begriff als Ordnungsparameter manifestiert hat. Man könnte auch sagen: Die Ordnungsbildung in der Synergetik ist blind gegenüber der ‚Wahrheit’ oder dem ‚Guten’.

„Nudges[5] unterstützen das Entstehen von Ordnungsparametern, die sachlich korrekt sind, und begünstigen eine begründete Haltung zum Wissen.

Im Rahmen eines Bildungsprozesses kann man die oben beschriebene Blindheit jedoch nicht akzeptieren, da es gerade das Ziel von Bildung ist, dem Einzelnen die Möglichkeit zu bieten, das ‚Wahre’ und ‚Gute’ so weit wie möglich zu erschließen und für sich als richtig zu erkennen. Daher hat die Lehrperson die Verantwortung, darauf zu achten, dass die rational erschlossenen Argumentationsketten nicht in die Beliebigkeit abgleiten und eine strikte Bindung an Wahrheit gegeben bleibt. Wenn keine andere Hilfestellung als Kontrollparameter mehr möglich erscheint, sollte die Lehrperson durch ihr Bekenntnis aufgrund der Unmöglichkeit einer Letztbegründung den Schmetterlingseffekt, der so oder so stattfindet, auslösen.

Somit entsteht im Sinne eines synergetisch gedeuteten Bildungsprozesses diese neue, emergente und dynamische Struktur, deren Ordnungsparameter Wissen und Haltung umfassen und mit Ökonomischer Bildung umschrieben werden kann. Diese Struktur wird im Rahmen eines selbstorganisierenden Rückkopplungsprozesses in Abhängigkeit von den Anreizsituationen, die durch die veränderbaren Kontrollparameter (wissenschafts- und erfahrungshomomorphe Lernarrangements) gestaltet werden, erzeugt. Da auch die Kontrollparameter Rückkopplungsprozessen unterliegen, werden diese durch den Bildungsprozess selber immer wieder in Frage gestellt und neu gestaltet.

2.6 Synergetisches Modell Ökonomischer Bildung

Die oben erschlossenen komplexen Zusammenhänge lassen sich zusammenfassend als Modell einer synergetischen Ökonomischen Bildung darstellen.

Damit eine Übertragung der Synergetik auf die Domäne Ökonomische Bildung dabei möglich wird, muss das Basismodell der Synergetik allerdings ein wenig modifiziert bzw. erweitert werden. Während die Systemelemente, die in den Naturwissenschaften modelliert werden (z. B. die Atome im Lasersystem), im Vergleich zum Entrepreneurship einfachere Strukturen aufweisen und das System als solches erkennbarer von der umgebenden Umwelt getrennt ist, sind die betrachteten Elemente im Ökonomischen Bildungsbereich wesentlich komplizierter.

Kurzum: Wenn der Laser bereits ein komplexes Phänomen darstellt, dann ist der Ökonomische Bildungsbereich, in dem Menschen sich einzeln oder miteinander mit ökonomische Wissens- und Tatbestände kritisch und konstruktiv auseinandersetzen, umso komplexer. Die Elemente in der Ökonomischen Bildung sind dabei von inneren und äußeren Beschränkungen stärker betroffen und interagieren mit ihrer Umwelt in einem höheren Maße. Daher wird hier das erweiterte Synergetik-Modell von Haken und Schiepek bzw. Eckhard Schiepek et al. verwendet, welches den besonderen Einfluss der Umwelt sowie interne und externe Systembeschränkungen berücksichtigt, wie die nachfolgende Abbildung veranschaulicht (vgl. Eckert/ Schiepek et al. 2005; Haken/Schiepek 2010).

Abbildung 3: Erweitertes Synergetik-Modell (vgl. Strunk/Schiepek 2006, 81; Haken/Schiepek 2010)Abbildung 3: Erweitertes Synergetik-Modell (vgl. Strunk/Schiepek 2006, 81; Haken/Schiepek 2010)

Auf der mikroskopischen Ebene finden wir eine Vielzahl von interagierenden Systemelementen. Die Umwelt repräsentiert die Umgebung des Systems und ist hoch dynamisch, da sie selber auch aus verschiedenen selbstorganisierenden Systemen besteht, welche wiederum mit dem System auf der mikroskopischen Ebene interagieren.

Einerseits ist die Umwelt in der Lage, stimulierende Signale zu den Systemelementen zu senden. Sie kann überdies auch konkrete Kontrollparameter bereitstellen, die von den dynamischen Bedingungen der Umwelt gesetzt werden und die Systemelemente aktivieren, sowie die Entstehung von Ordnungsparametern oder schließlich ein neues makroskopisches Muster herbeiführen. Andererseits kann umgekehrt die Umwelt von Ordnungsparametern bis zu einem bestimmten Grad beeinflusst oder gar bestimmt werden.

Darüber hinaus stellt die Umwelt externe Systembeschränkungen zur Verfügung, die einen regulierenden Einfluss auf das Verhalten der Systemelemente haben.

Neben den externen Systembeschränkungen gibt es interne Beschränkungen, die im Wesentlichen auf den Ordnungsparametern und den makroskopischen Mustern beruhen, welche in der Vergangenheit aufgebaut wurden. Sobald Ordnungsparameter auftreten, ändern sie das gesamte Systemverhalten und beeinflussen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer Ordnungsparameter in der Zukunft. So wird insbesondere die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Ordnungsparameter mit fast identischen Merkmalen auftreten. Man kann hier auch von einer koagulierten bzw. geronnenen Systemgeschichte sprechen, da alle im Vorhinein aufgetretenen Ordnungsparameter im System gespeichert sind und die internen Beschränkungen festlegen, die wiederum die Bedingungen für die Entstehung neuer Ordnungsparameter schaffen. Die internen Beschränkungen sind in der Lage, die Funktionsfähigkeit und die Interdependenz der Systemelemente zu beeinflussen und den Systemrahmen zu determinieren.

Als abschließende Unterscheidung zum ursprünglichen Synergetikmodell wird der Begriff ‚Versklavung’ im erweiterten Modell bewusst zu ‚Reflexion’ verändert. Der Begriff der ‚Versklavung’, der wie bereits dargestellt als terminus technicus von Haken seinerzeit eingeführt wurde, um das Verhalten von Atomen zu beschreiben, provoziert ggf. im menschlichen Kontext irreführende Assoziationen. Zumal der dahinter stehende Prozess beim Menschen bewusst geschieht, letztendlich also reflektierend[6]. Bis zu diesem Punkt wurde Synergetik nochmals als eine Theorie dargestellt, welche einen erklärenden Ansatz zur Selbstorganisation bietet und um einige Aspekte, die für den Bereich Ökonomische Bildung sinnvoll erscheinen, erweitert. Im Folgenden wird der Bildungsprozess nun als Selbstorganisationsprozess synergetisch erklärt.

Wissen und Haltung sind somit dynamische Muster einer Makroebene, die im Bildungsprozess, angeregt durch wissenschafts- und erfahrungshomomorphe Lernarrangements selbstorganisierend entstehen, und die je individuell das auf einer gedachten Mikroebene zunächst beobachtbare Sammelsurium von internen Parametern wie kognitive Stile und Gewohnheiten, externen Parametern wie Alltagstheorien und Erfahrungen, vorwissenschaftlichen Erkenntnissen etc. letztendlich selbstorganisierend und immer wieder mit den eigenen Parametern reflektierend, ordnen und zurechtrücken.

Abbildung 4: Synergetisches Modell der Ökonomischen BildungAbbildung 4: Synergetisches Modell der Ökonomischen Bildung

Ökonomische Bildung äußert sich damit gerade durch die Art und Weise, wie der Einzelne seine ökonomischen Einsichten, Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten mit seinen Absichten und Einstellungen zusammenbringt (Wissen und Haltung).

Wir wollen hier daher wie folgt festhalten:

Ob jemand Ökonomische Bildung erworben hat, kann daran erkannt werden, ob er in der Lage ist, im Wirtschaftsleben für sich, aber auch für andere, Verantwortung zu übernehmen.

Ökonomische Bildung lässt sich daran erkennen, ob der Wirtschaftsbürger in der Rolle des Verbrauchers, in der Rolle des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers, als Beteiligter oder Gestaltender im Rahmen wirtschaftspolitischer Entwicklungen sachgerecht und verantwortungsvoll zu handeln vermag.

Priddat stellt zum verantwortlichen Handeln fest:

„Das verantwortliche Handeln unterliegt der besonderen Bedingung, hier und jetzt Entscheidungen für die Zukunft zu tätigen, die den Status des Lebens, den die Evolution uns hat erreichen lassen, bewahren.

Das hat Folgen für die Auffassung des Handelns in der Zeit: der Raum der Möglichkeiten ist weder leer noch unendlich. Nicht alles, was die Menschen wollen, kann realisiert werden, weil viele der möglichen Entscheidungen die Bedingungen nicht reflektieren, die zur Aufrechterhaltung des künftigen Entscheidenkönnens notwendig einzuhalten ist.“ (Priddat 1994, 20)

Und weiter heißt es:

„In diesem Sinne ist die Reflexion der zukünftigen Handlungsmöglichkeiten – die ‚Zukunftsgestaltung’, der die modernen Menschen fähig sind – aus der Perspektive der Verantwortung nicht a priori als Steigerung der Möglichkeitsverwirklichungen zu sehen, sondern bedarf einer zusätzlichen Reflexion, die – in einem gewissen Sinne ‚geschichtlich’ oder vergangenheitsorientiert – sich Gewißheit verschafft über die Bedingungen, die bisher natürlicherweise eingehalten worden sind, um den Stand der Entscheidungsmöglichkeiten zu erreichen, den wir heute als Problem haben.“ (Priddat 1994, 20f.)

2.7 Empirische Methoden und Forschungsfelder

Um die Synergetische Ökonomische Bildung nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch zu untersuchen, bieten sich eine Vielzahl von Methoden aus der Theorie Komplexer Systeme an, die von der Berechnung von Lyapunov-Exponenten bis hin zum Einsatz von Transformationsalgorithmen reicht. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über wichtige Methoden.

Tabelle 1:     Empirische Methoden (vgl. Strunk 2015; Liening 2017)

Lyapunov-Exponenten

Bifurkationsanalyse

  • Wolf-, Rosenstein-, Kantz- u. a. Algorithmen (vgl. Wolf, 1985; Rosenstein et al., 1993; Kantz, 1994),
  • Voraussetzung: Phasenraumrekonstruktion (vgl. Takens 1981; Theiler, 1987; Jumarie, 1990)

Fraktale

  • Grundlage: Länge des Randes, Selbstähnlichkeit, (gebrochene) Dimension
  • Attraktor-Dimensionen (Boxdimension D, D2, PD2) (vgl. Theiler, 1989; Skinner et al. 1994)

Entropiekodierungen

  • Shannon-Entropie als Vorüberlegung (Shannon, 2001 (Nachdruck))
  • Permutationsentropie (vgl. Bandt & Pompe, 2002)

Transformationskodierungen

  • Z. B. FT, DCT, Kompressionsalgorithmen (vgl. Ziv & Lempel, 1977; Welch, 1984; Neubauer 2012; Rao & Yip, 2010)
  • incl. Surrogatentests (vgl. Strunk & Schiepek, 1994)

Entscheidend ist dabei auch, dass diese Methoden nicht nur mathematisch gut beschrieben sind, sondern auch operativ mithilfe entsprechender Softwareprogramme eingesetzt werden können. Softwareprogramme wie SPSS o. ä., die normalerweise für statistische Zwecke eingesetzt werden, helfen hier nicht weiter, da die notwendigen Verfahren zur Komplexitätsmessung in diesen Standardsoftwarepaketen (noch) nicht vorhanden sind. Es gibt mittlerweile jedoch innovative und bereits erfolgreich getestete Softwarepakete wie GChaos. GChaos ist z. B. eine Software die diese Verfahren der nichtlinearen Zeitreihenanalyse zur Verfügung stellt. Die Software wird seit 1992 von Guido Strunk entwickelt. Diese 64bit-Software wurde objektorientiert mit C++ entwickelt, ist lauffähig ab Windows XP und wurde auch unter Windows 8.1 erfolgreich getestet (vgl. Strunk 2016).

Mithilfe der in der obigen Tabelle skizzierten empirischen Methoden lassen sich entlang des synergetischen Modells eine Reihe von Forschungsfeldern identifizieren, die in der nachfolgenden Tabelle angedeutet werden, und die von Teilaspekten wie kognitiver Aktivierung bis hin zur Entwicklung und Untersuchung von umfassenden Bildungskonzepten im Bereich Ökonomischer Bildung reichen.

Tabelle 2:     Forschungsfelder Synergetischer Ökonomischer Bildung (vgl. Liening 2014, 2017)

Kontrollparameter

  • Kognitive Aktivierung (z. B. Strunk, Liening et al., 2015)
  • Design von Lernarrangements (Fallstudien, Planspiele, Experimente, (vgl. z. B. Liening & Kirchner, 2011; Liening & Zardini, 2013; Liening 2017)

Mikroskopische Systemebene

  • Lernvoraussetzungen
  • Laientheorien vs. Expertendenken Alltagsvorstellungen (Lerndiagnostik, z. B. Mittelstädt, Sender, Liening, 2016)

Ordnungsparameter

  • z. B. Schwellenkonzepte; Kategorien Ökonomischer Bildung (z. B. Kricks, Mittelstädt, Liening, 2013)

Phasenübergänge incl. Nudges

  • Identifizierung von Phasenübergängen in ökonomischen Lernprozessen
  • Komplexitätsmessung zur Bestimmung der Platzierung von Nudges (vgl. Liening et al., 2012; Liening et al., 2013)

Gesamtkonzept

  • Entwicklung und Umsetzung von Bildungskonzepten: vgl. z. B. Junior Business School, Entrepreneurship School (7)

Beispielsweise besteht eine Herausforderung des Lehrenden darin, zu erkennen, ob die Lernenden sich kurz vor einem Phasenübergang befinden oder nicht. Erst dann macht es Sinn, mittels eines ‚Nudge’ in einen sich selbstorganisierenden Lernprozess einzugreifen. Letztendlich ist dies aber genau das, was eine erfahrene Lehrperson, die synergetische Ökonomische Bildung betreibt, tagtäglich macht, ohne dies im Einzelnen möglicherweise erklären zu können. Es bedarf hier vor allem sehr viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen, da die empirisch mit traditioneller Statistik nicht erfassbaren individuellen Lernprozesse ein tiefes Verständnis vom Lernenden und seinen Entwicklungen voraussetzt, worüber beispielsweise weder ein Novize noch ein noch so sehr auf Erkenntnisse der Künstlichen Intelligenz basierendes computergestütztes Lernprogramm verfügen kann (vgl. Tschacher/Haken 2011).[8] Mithilfe der Komplexitätsmessungen lassen sich jedoch die Zeitpunkte empirisch errechnen, ab wann für welchen Lernenden Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den gewünschten Lernerfolg mit einem leichten ‚Nudge’ zu ermöglichen, wann also ein Phasenübergang bevorsteht.

Letztendlich sind Lernen und Lehren beidermaßen komplexe Unternehmungen. Wie die Tabelle oben aufzeigt, lassen sich entlang aller Aspekte von den Kontroll- bis zu den Ordnungsparametern der Synergetischen Ökonomischen Bildung interessante Forschungsfelder beschreiben.

2.8 Schlussbemerkung – ein Plädoyer für ein allgemeinbildendes Fach Wirtschaft

a)       Das synergetische Modell Ökonomischer Bildung

Das oben skizzierte Modell einer synergetischen Ökonomischen Bildung veranschaulicht z. B., dass Kontrollparameter die Aufgabe haben, die Mikrostruktur eines Systems anzuregen, selbstorganisiert auf einer Makroebene Ordnungsmuster herauszubilden.

Lernarrangements können nur dann als Kontrollparameter im synergetischen Sinne fungieren, wenn das ökonomische Wissen nicht nur systematisch, methodisch und intersubjektiv überprüfbar, sondern auch zukunftsoffen dem Lernenden dargeboten und die Frage nach der Bedeutsamkeit des Wissens für den Lernenden offengehalten wird. Dies liefert gerade der wissenschaftshomomorphe Ansatz. Dieser notwendig nichtdeterminierende Aspekt, der gleichzeitig aber den notwendigen Anreiz für die Ökonomische Bildung liefert, ist damit charakteristisch für diesen spezifischen Ansatz einer synergetischen Ökonomischen Bildung.

Das synergetische Modell veranschaulicht, dass die Lehrperson ökonomisches Wissen damit nicht einfach vermitteln kann. Sie ist stattdessen auf die Einsicht der Lernenden angewiesen, die der Lernende nur selber erreichen kann und die damit eine Selbst-Organisation im wahrsten Sinne des Wortes voraussetzt.

Das synergetische Modell beschreibt diesen Selbstorganisationsprozess. Dieser Prozess impliziert aber, dass Ökonomische Bildung nicht mit einem Schüler-Lehrer Verhältnis einhergehen kann, wie es beispielsweise in der geisteswissenschaftlichen Pädagogik vertreten wird, wo der ‚gebildete’ Lehrende die Inhalte des Unterrichts als Bildungswerte quasi repräsentiert und einen pädagogischen Bezug zum ‚ungebildeten’ Lernenden herstellt. Auch ein Verhältnis, wie es sich die Empiristen vorstellen, das ­ basierend auf behavioristischen, mechanistischen Ansätzen ­ als reaktive Abhängigkeit des Lernenden vom Lehrenden betrachtet wird, indem das Wissen durch optimale Lehrstrategien, Beobachtung und Messung des Wissenstands vermittelt werden soll, muss verworfen werden. Dieser Ansatz, wie er durch die PISA-Studien motiviert wird, und der das Lehrer-Schüler Verhältnis auf ein Input-Output-Modell reduziert, steht im Widerspruch zum wissenschaftshomomorphen Zugang.

Vielmehr fordert der wissenschaftshomomorphe Ansatz ein dialogisches Verhältnis von Lehrenden und Lernenden. Sie sind damit Partner und prinzipiell an die Vernunft gebunden. Der eine soll dem anderen nicht etwas ‚beibringen’ oder ‚vermitteln’, sondern beide können sich im rationalen Diskurs dem notwendigen ökonomischen Wissen nähern. Dadurch wird eine subjektivistische oder gar ideologische Überfremdung ausgeschlossen. Letztendlich steht damit die synergetische Ökonomische Bildung in der Tradition der Aufklärung:

„Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (Kant 1995, 162)

Was aber, wenn der Lernende im ökonomischen Unterricht sich seines eigenen Verstandes gar nicht selbstorganisierend bedienen will? Auf der einen Seite soll in Anbetracht der Idee der Freiheit des Menschen auf dessen Einsicht in die Wahrheit der Dinge gesetzt werden. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob der Lernende dieses dialogische Angebot überhaupt annehmen will. Kant formulierte das Problem in einer einfachen prägnanten Frage:

„Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?“ (Kant 1983, 711)

Die Antwort kann nur lauten:

Ein weiterer Kontrollparameter, umschrieben mit erfahrungshomomorphen Lernarrangements, muss die notwendige intrinsische Motivation anregen, und das Wissen in den Zusammenhang zurückstellen, aus dem es entstanden ist. Der dynamische Prozess, der individuell bei jedem Einzelnen – wenn er denn gelingt – die dynamische Struktur ‚Ökonomischer Bildung’ hervorbringt, kann im Wirtschaftsunterricht dabei nur einsetzen, wenn der Lehrende, also derjenige, der die Kontrollparameter zunächst plant und vorgibt, Richtiges und Falsches benennt, ohne dabei zu bevormunden. Dabei muss der Lehrende aber die Notwendigkeit des Wissenserwerbs zur Geltung bringen, ohne jedoch normativ zu sein. Zur Begründung dieses Geltungsanspruches muss „das Denken sein Wissen vor den Richterstuhl der Wahrheit bringen. Dieser Richterstuhl muss als Bedingung in der eigenen Vernunft vorausgesetzt werden.“ (vgl. Heitger 1990, 18f.) Diese Geltungsbindung ist weder willkürlich, weder dogmatisch noch beliebig, noch ist sie weltanschaulich oder religiös, sondern vielmehr notwendig[9] Petzelt stellt hierzu fest:

„Kein Lehrer darf ‚wirken’ wollen, sondern er dient dem Lehrgut, damit der Lernende sich in seiner Führung selbst in eigenen Akten unterrichtet. Kein (Lehrender, d. Verf.) darf wirken, sondern er zeigt jene Haltung als Muster, nach welcher der (Lernende, d. Verf.) selbst in eigenen Akten seine Haltung zu gestalten hat, also sich selbst erzieht.“ (Petzelt 1964, 158)

Diese Form der Selbstorganisation, wie sie in dem vorliegenden synergetischen Modell beschrieben wird, in dem der Lernende sich letztendlich selbst erzieht, in dem er sich seiner selbst in Bezug auf sein Leben in der Wirtschaft bewusst wird, dieser emergente Prozess führt zu einer dynamischen Struktur, der Ökonomischen Bildung, die aus eingesehenem ökonomischen Wissen und der Haltung zu diesem Wissen besteht. Sie führt zu einem dynamischen Prozess, bei dem der Lernende Verantwortung für sein eigenes Wissen übernehmen muss.

b)      Konsequenzen und Forderungen

Aus der Tatsache, dass sich die Komplexität moderner Industrie-, Dienstleistungs- und Wissensgesellschaften, die sich aus strukturellen Zusammenhängen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, zwischen Technologie und Natur, zwischen Politik und Medien etc. ergibt, nicht allein aus den Erfahrungen des Alltags erschließen lassen, folgt aber auch, dass der Erwerb ökonomischer Grundkenntnisse notwendig ist, um als gebildet zu gelten.

Wenn also Ökonomische Bildung auf die Fähigkeit zielt, wirtschaftliche Lebenssituationen (selbst-)verantwortlich bewältigen zu können, so muss diese Form der Bildung somit ein integraler Bestandteil der Allgemeinbildung sein, denn eine Vielzahl von Entscheidungen, die im Alltag getroffen werden müssen, sind ökonomischer Natur. Ökonomische Bildung ist darüber hinaus für die politische Willensbildung unabdingbar. Ob über Europa ein Rettungsschirm aufgespannt wird, Konjunkturpakete verabschiedet, Steuern erhöht oder gesenkt werden, die EZB die Leitzinsen verändert oder nicht, oder ob eine kriselnde Bank gerettet wird – um die Konzepte von Regierung und Opposition beurteilen zu können, braucht es (mindestens) ökonomisches Grundwissen.

Unwissen macht verführbar! Es kann zur Dämonisierung der dann unverstandenen Kräfte des Marktes wie auch zum irrationalen Glauben an die Möglichkeiten des Staates beitragen.

  • Konsequenterweise muss daher erstens eine Ökonomische Bildung für alle Bürger eingefordert werden, die zeitgemäß ist, ohne dabei dem Zeitgeist zu folgen; die irreversible Entwicklungen berücksichtigt, ohne dabei zu konditionieren; die also bildend ist und damit zur Verantwortung und der Fähigkeit erzieht, diese Verantwortung in der Wirtschaftspraxis wahrzunehmen.
  • Dies setzt zweitens eine adäquate Berücksichtigung in den Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen voraus.
  • Drittens kann jedoch nur dann eine erfolgreiche Ökonomische Bildung realisiert werden, wenn auch in der Lehrerausbildung eine entsprechend wissenschafts- und praxisbezogene ökonomische Ausbildung erfolgt.
  • Dies erfordert viertens eine hinreichende Ausstattung der Hochschulen mit Lehrstühlen für Ökonomische Bildung bzw. ‚Wirtschaftswissenschaft und ihre Didaktik’. Dies schließt den Erhalt bisheriger Lehrstühle ein und fordert den Ausbau der vorhandenen Institute sowie eine stärkere Berücksichtigung Ökonomischer Bildung an den Hochschulen der neuen Bundesländer.

Aus diesen vier Forderungen folgt ein Plädoyer für ein eigenständiges Fach „Wirtschaft“ an allgemeinbildenden Schulen.

Wenig hilfreich ist es, wenn man, wie NRW meint, unter dem Begriff „Sozialwissenschaften“ aus drei beliebig ausgewählten wissenschaftlichen Disziplinen ein Schulfach gestalten zu können, wie bereits in der Einleitung deutlich wurde. Die Praxis an den Schulen zeigt, dass sich ein solches Integrationsfach als so formbar erweist, dass es, wie Dauenhauer feststellt, ein „ideales Gummifach“ (Dauenhauer 1997, 141) darstellt, welches je nach zeitlicher, räumlicher oder personeller Situation inhaltlich modifiziert werden kann.

Alle Integrationslösungen gehen, wie Kaiser und Kaminski zu Recht feststellen, „zu Lasten einer Vermittlung von elementaren ökonomischen Erkenntnissen“ (Kaiser/Kaminski 2012, 29). Andererseits, das zeigt die Praxis an den Universitäten bei der Lehramtsausbildung, kann es kaum gelingen, dass die Studierenden das Wesen der Ökonomik erfassen, wenn sie einen Multimix an Disziplinen studieren müssen. Die Aufgabe des Studierenden, sich – wie üblich – zwei Fächer, ergänzt um das Fach Pädagogik zu erarbeiten, ist bereits eine enorme Herausforderung. Wenn dann eines der beiden Fächer auch noch wie beim NRW-Schulfach „Sozialwissenschaften“ aus drei Fachdisziplinen besteht, deren Sichtweisen auf die Welt zum Teil diametral auseinander liegen, zeigt sich leicht die damit verbundene Problematik, fachlich kompetente Lehrende auszubilden.

Es bleibt die Hoffnung, dass die Verantwortlichen Einsicht in die Notwendigkeit Ökonomischer Bildung als integraler Bestandteil der Allgemeinen Bildung finden und diese Einsicht in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen umsetzen.

Vieles ist noch zu tun. Die Weiterentwicklung des vorgestellten Modells, seine empirische Evaluierung und Konkretisierung wird eine wichtige Aufgabe für die Zukunft wirtschaftsdidaktischer Forschung sein.

Der Autor ist davon überzeugt, dass das in diesem Aufsatz skizzierte Modell Synergetischer Ökonomischer Bildung in seiner theoretischen Weiterentwicklung, Umsetzung und empirischen Fundierung dazu beitragen kann, das Bildungsziel zu fördern, jungen Menschen ein verantwortungsvolles, sinnerfülltes Leben in Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen.

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[1] Die Wirtschaftswissenschaften haben gerade im Bereich der Volkswirtschaftslehre (vgl. z. B. Angrist 2009) in den letzten 30 Jahren kaum anderes gemacht, als empirische Datensätze, insbesondere Mikrodatensätze, zu erschließen und den Versuch unternommen, diese Daten mittels Modellen strukturell, z. T. jedoch auch ohne strukturelle Modelle, empirisch zu analysieren, von der empirisch arbeitenden Betriebswirtschaftslehre einmal ganz abgesehen. So ist es kaum denkbar, dass heutzutage eine Promotion z. B. im Bereich der BWL erfolgreich sein kann, wenn sie nicht auch einen gewichtigen empirischen Teil umfasst.

[2] Der Begriff des Analogons hat von der Antike bis in die Neuzeit vielfältige Wandlungen vollzogen. Der mathematische Begriff der Homomorphismus ist hingegen eindeutiger definiert und gleicht in der Tat eher der frühen antiken (mathematischen) Deutung des Begriffs des Analogons. Ferner wird der Begriff oftmals mit komplexen Strukturen in Verbindung gebracht, was in diesem Zusammenhang eine der Kernthesen trifft.

[3]  Das Konzept des kognitiven Stils beschreibt die Art und Weise, wie ein Mensch denkt, das heißt, wie er mit Informationen umgeht. Während manche Menschen z. B. eine textuelle Darbietung von Informationen bevorzugen, können andere besser mit einer Kombination von Text und Bild arbeiten. Riding und Rayner identifizieren „wholistic-analytic“ und „verbal-imagery“ als die zwei Dimensionen, in denen sich der kognitive Stil eines Menschen einordnet (vgl. Riding 1998, 114ff.).

[4] Kognitive Gewohnheit ist eine bevorzugte Vorgehensweise beim Denken und Lernen, die auf erlernten Vorlieben beruht und die (im Gegensatz zum kognitiven Stil) sehr wohl verändert werden kann.

[5] Der Begriff ist eng mit dem Konzept des 'libertären Paternalismus' verbunden, wie er von Richard Thaler und Cass Sunstein verwendet wird (vgl. Thaler/Sunstein 2011; Neumann 2013). Sie erklären, warum diese 'Nudges'  gerade kein Zangsausübung seien.

[6] Die Umbenennung des Begriffs Versklavung in Reflexion, an anderer Stelle hatte der Autor Synchronisation vorgeschlagen, wird Hakens Zustimmung kaum erhalten. Beispielsweise hat Haken einigen Soziologen,  die seinen Versklavungsbegriff kritisiert haben, deutlich entgegengehalten: „My opinion is rather contrary and has even changed over the years.“ . Hermann Haken, der mit dem Autor persönlich bekannt ist, möge dem Verfasser daher verzeihen, den Begriff „Reflexion“ hier zu verwenden.

[7] Da der Autor den entsprechenden Lehrstuhl für Ökonomische Bildung an der TU Dortmund inne hat, wird das Modell auch „Dortmunder Modell“ genannt.

[8] Gerade im Kontext von Lernprozessen wird zu Recht immer wieder die Unterstützung des Computers, des Internets etc. gefordert. Die jahrelangen Bestrebungen, KI-basierte Lernprogramme zu programmieren, die letztendlich eine Lehrperson ersetzen kann, muss beginnend mit den neunzehnhundertsechziger Jahren bis zu diesem Zeitpunkt als gescheitert angesehen werden kann. Ein Grund hierfür liegt in dem fehlenden körperlichen Eingebettetsein des künstlichen Lernsystems, dem ‚embodiment’, das ein umfassendes Verständnis verhindert (Liening 1992, Tschacher/Dauwalder 2003).

[9] Anders formuliert: Die Wahrheit kann als eine vorausgesetzte apriorische Bestimmung bzw. als transzendental angesehen werden (Heitger 1990. 18f.).

Zitieren des Beitrags

Liening, A. (2017): Synergetische Ökonomische Bildung als Konkretisierung einer reflexiven Wirtschaftspädagogik. In: bwp@ Spezial 14: Homo oeconomicus oder Ehrbarer Kaufmann – Reflexionen zum Verhältnis der Wirtschaftspädagogik zu den Wirtschaftswissenschaften, hrsg. v. Tramm, T./Schlömer, T./Thole, C., 1-28. Online: http://www.bwpat.de/spezial14/liening_bwpat_spezial14.pdf  (27-07-2017).