bwp@ Spezial 15 - September 2017

Berufliche Förderpädagogik: Von der analytischen Struktur zur dynamischen Wissenschaft. Inspirationen und Expressionen aus einem Symposium zum Gedenken an Arnulf Bojanowski

Hrsg.: Martin Koch, Günter Ratschinski, Ralf Steckert, Ariane Steuber & Philipp Struck

Zum beruflichen Wirken von Arnulf Bojanowski an der Gesamthochschule Kassel

Zu Beginn meines Rückblicks auf das berufliche Wirken Arnulf Bojanowskis werde ich einen eher summarischen Überblick über die Stationen und markanten Themen seines beruflichen Wirkens geben, bevor ich danach ausführlicher auf unsere gemeinsame Zeit an der Gesamthochschule in Kassel und bei BuntStift in Kassel eingehe.

Arnulf Bojanowski wurde am 30. Juni 1951 in Halle an der Saale geboren, lebte später in Hilden und legte am Staatlichen Görresgymnasium Düsseldorf – einem 1545 gegründeten altsprachlichen Gymnasium mit neusprachlichem Zweig – im Mai 1971 die Reifeprüfung ab. In seinem Abiturzeugnis fällt auf, dass Mathematik und Naturwissenschaften aber auch Griechisch nicht zu seinen Stärken zählten; die lagen ganz deutlich bei den Fächern Kunst, Religionslehre, Leibesübungen und Geschichte.

Insofern war es nur folgerichtig, dass er im Herbst 1971 an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster mit dem Studium der Geschichte und Sozialwissenschaften begonnen und seine Studien dann auf die Studienschwerpunkte Erziehungswissenschaft, Psychologie, Kunstgeschichte und Kunstpädagogik erweitert hat. Bereits gegen Ende seines 3. Semesters wurde er studentischer Mitarbeiter in der Wissenschaftlichen Begleitung des Nordrhein-Westfälischen Kollegschulversuchs unter der Leitung von Prof. Dr. Herwig Blankertz.

Die „Kollegstufe NW“ – so das Kürzel dieses bundesweit viel beachteten Modellversuchs – war das mit Abstand anspruchsvollste Reformprojekt der 1970er Jahre, das sich zum Ziel gesetzt hatte, Berufsschule und Gymnasium in ihren überkommenen Formen zu überwinden, berufliche und allgemeine Bildungsgänge zu integrieren und wechselseitige Durchlässigkeit und Anerkennung der Bildungsabschlüsse zu befördern.

Herwig Blankertz, der 1963 mit seiner Habilitationsschrift „Berufsbildung und Utilitarismus“ in der Zunft der Berufspädagogen Aufsehen erregt hatte, war neben Heinrich Abel, der nahezu zeitgleich mit seiner empirischen Arbeit über „Berufswechsel und Berufsverbundenheit“ habilitiert wurde, einer der wenigen, die radikale Schulreformen einforderten. Abel und Blankertz waren – wenn das Bild erlaubt ist – die beiden Hechte im berufspädagogischen Karpfenteich. Und sehr zur Freude derer, die sich auf ihren Lehrstühlen behaglich eingerichtet hatten, lieferten diese beiden sich einen heftigen Schlagabtausch in der Verbandszeitschrift der Gewerbelehrer „Die berufsbildende Schule“. Monatelang sollte es in diesem auflagenstärksten Lehrerblättchen kräftig rauschen, so dass auch in der abgelegensten Berufsschule dieser damals noch ziemlich verschlafenen Republik Reformperspektiven des Schulwesens, insbesondere des Berufsschulwesens, erkennbar wurden. Die „Abel-Blankertz-Kontroverse“ aus den 1960er Jahren gehört noch immer zu den Höhepunkten berufspädagogischer Diskussionskultur und wurde bis vor wenigen Jahren – vor dem Bachelor-Master-Desaster – in Seminaren zur Berufsbildungspolitik und Berufsbildungsreform bevorzugt bearbeitet.

Wozu berichte ich das?

Um deutlich zu machen, dass Arnulf Bojanowski schon als Student im 3. Semester auf Herwig Blankertz trifft und in die Arbeitsgruppe eintritt, die die Wissenschaftliche Begleitung der „Kollegstufe NW“ zu besorgen hatte. Für die anfangs 14 Mitarbeiter baut Arnulf zunächst eine Bibliothek auf und legt, wie Herwig Blankertz in seinem Zeugnis schreibt, „sehr sachkundig eine Bibliographie zum Kollegschulversuch an, die in ihrer letzten Fortschreibung (Stand: Dezember 1978) 249 Titel zählt“ (Zeugnis von Herwig Blankertz, S. 1). Ich kenne keinen anderen Schulversuch aus dem vergangenen Jahrhundert, der es nach acht Jahren Laufzeit auf 249 Literatur-Titel gebracht hätte.

Was sagt uns das?

Arnulf Bojanowski tritt bereits in der Anfangsphase seines Studiums als studentischer Mitarbeiter in eine viel und argwöhnisch beachtete, auch umstrittene und höchst produktive Arbeitsgruppe um Herwig Blankertz ein, aus der später eine ganze Reihe bekannter Pädagogen und Berufspädagogen hervorgehen sollte. Ich nenne hier zuerst Dieter Lenzen, der die Magisterarbeit von Arnulf begleitet und begutachtet hat. Dieter Lenzen war 1975 in Münster mit 28 Jahren der jüngste Hochschullehrer in Deutschland, war später Professor an der Freien Universität Berlin, danach ihr Präsident und ist jetzt Präsident der Universität Hamburg. Neben Dieter Lenzen sind aus dieser Arbeitsgruppe Karlheinz Fingerle, Andreas Gruschka, Adolf Kell, Günter Kutscha, Hilbert L. Meyer, Meinert Arnd Meyer, Roland Naul, Barbara Schenk und Peter Zedler zu nennen, die allesamt später auf Professorenstellen berufen wurden.

Wir können nur vermuten, wie hoch das Anregungspotential war, das aus der Diskussion der vierzehn wissenschaftlichen Mitarbeiter entstand und von dem Arnulf profitieren konnte. Daneben waren aber die „Mühen der Ebene“ zu bewältigen. Ab 1975 – er hatte gerade sein Philosophikum absolviert – wurde Arnulf Bojanowski mit Aufgaben eines wissenschaftlichen Mitarbeiters beauftragt. Um das Arbeitsgebiet, das er bereits während seines Studiums beackert hat, zu kennzeichnen und die Endphase seiner Münsteraner Studien zu charakterisieren, erlaube ich mir, erneut aus dem Zeugnis von Herwig Blankertz zu zitieren:

„Ab 1975 wurde Herr Bojanowski mit Aufgaben eines wissenschaftlichen Mitarbeiters beauftragt und zwar insbesondere mit der Vertretung der WBK in der überregionalen Fachgruppe „Kunst/Musik/Gestaltung“ bei der Koordinierungsstelle Sekundarstufe II in Düsseldorf, später eingegliedert in das Landesinstitut für Curriculumentwicklung. Als kurz danach der Leiter der überregionalen Lehrergruppe, Herr Studiendirektor Moser starb, wurde Herr Bojanowski auf Vorschlag der ÜFG „Kunst/Musik/Gestaltung“ vom Kultusminister mit der kommissarischen Leitung der ÜFG beauftragt. Ungeachtet dieser Beauftragung, die ein selbständiges Dienstverhältnis begründete, blieb Herr Bojanowski auch weiterhin Mitarbeiter der WBK. Herr Bojanowski musste in dieser Eigenschaft nicht nur die konzeptionellen Vorgaben der WBK für den Bereich eines curricularen Schwerpunktes „Kunst/Musik/Gestaltung“ auslegen, die Arbeit der Lehrergruppe anleiten, sondern auch die Beiträge der fachlich zuständigen assoziierten Wissenschaftlergruppen (Kunst: Prof. Gunter Otto, Universität Hamburg; Musik: Prof. Dr. Ullrich Günther, Universität Oldenburg) in den Gesamtarbeitsplan einbringen. Herr Bojanowski hat die koordinierenden Aufgaben vorzüglich gelöst; er hat auch selbst viele inhaltliche Beiträge zu der gemeinsamen Arbeit beigesteuert. Er hat die Kooperationsfähigkeit der verschiedenen Instanzen erhöht und war stets um ein gutes Arbeitsklima bemüht. Es gelang ihm, den Strukturentwurf für den curricularen Schwerpunkt „Kunst/Musik/Gestaltung“ abschließend in allen beteiligten Gruppen verabschieden zu lassen, das Grundbildungskonzept für diesen Schwerpunkt didaktisch auszulegen und mehrere Bildungsgänge aus dem künstlerisch-gestalterischen Schwerpunktbereich bis zur Genehmigungsreife durch das Kultusministerium zu bringen.

Herr Bojanowski hat aus dem Umkreis dieser Tätigkeit eine Magisterarbeit geschrieben, die von der Philosophischen Fakultät der Universität Münster angenommen wurde (Gutachter: Prof. Dr. Dieter Lenzen, jetzt: Freie Universität Berlin). Die Gutachten, die die überregionale Lehrergruppe zum Komplex „Musik“ von mehreren Musik-Pädagogen und Musik-Didaktikern eingeholt hat, sind von Herrn Bojanowski, in Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Dr. Ullrich Günther, so eingeleitet und kommentiert worden, dass sie publikationsreif wurden – der Band erscheint demnächst beim Athenäum Verlag.

Herr Bojanowski hat alle ihm übertragenen Arbeiten zu meiner vollen Zufriedenheit erfüllt. Er scheidet aus eigenem Wunsch aus, um die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an der Gesamthochschule Kassel anzutreten.“

Soweit das Zeugnis von Prof. Dr. Herwig Blankertz.

Im Jahre 1979 wechselte Arnulf Bojanowski nach Kassel zur „Wissenschaftlichen Begleitung Modellversuch Sekundarstufe II“ in Hessen, und zwar zur Leitung der Wissenschaftlichen Begleitung unter Prof. Dr. Heinz Dedering. Hier kam es auch zur intensiven Zusammenarbeit mit Gerald Heidegger. Viele Ergebnisse dieser Arbeit sind in den umfangreichen Materialien und Veröffentlichungen dieser Wissenschaftlichen Begleitung dokumentiert, die im Diesterweg-Verlag erschienen sind. In der Hessischen Begleitung der Modellversuche zur Integration im Sekundarbereich II hat Arnulf seine thematischen Schwerpunkte ausgeweitet. Orientiert an der von der Planungskommission des nordrhein-westfälischen Kollegschulversuchs verfolgten Integrationsperspektive, dass „aus Berufsschulsystemen […] keine Teilbereiche zum Zwecke der Integration herausgelöst werden (dürfen), damit nicht etwa Restgruppen zurückbleiben“, hat er sich Problemen der beruflichen Integration Körperbehinderter zugewandt, aus historischem und international-vergleichendem Blickwinkel Veränderungsprozesse der Jugendbildung untersucht und exemplarische Vorschläge zur Weiterentwicklung des Bildungswesens in der Oberstufe dargelegt. Dabei werden von ihm inhaltliche, personelle und organisatorische Perspektiven vorgestellt, die zeigen, wie der Sekundarbereich II in Richtung auf eine „offene Jugendbildung“ weiterentwickelt werden könnte. Im Zentrum von Arnulf Bojanowskis Interessen stehen seither bei alldem die personalen Entwicklungsmöglichkeiten von Jugendlichen, Lehrern und Ausbildern.

Neben diesen theoretischen Arbeiten, die auch als Grundlage eines Grundsatzpapiers des Hessischen Kultusministers über die Verbindung von allgemeinem und beruflichem Lernen in Hessen dienten, setzte Arnulf Bojanowski seine empirischen Untersuchungen fort und hatte zugleich eine Fülle von organisatorischen Aufgaben zu erledigen.

Über diese beiden Arbeitsschwerpunkte informiert uns das Zeugnis, das Prof. Dr. Heinz Dedering am 1. Februar 1984 ausstellte, nachdem die 3 ½-jährige Wissenschaftliche Begleitung zum 30. Juni 1983 beendet war. Ich darf daraus zitieren:

„Herr Bojanowski war an zwei empirischen Untersuchungen maßgeblich beteiligt:

Das eine Forschungsprojekt zur „Situation der Berufsschüler in den hessischen Modellversuchen“ zielte auf die Frage, welche Bildungsmöglichkeiten sich den Berufsschülern, insbesondere den Teilzeitberufsschülern in den hessischen Modellversuchen bieten. Diese Frage ist anhand von narrativen Interviews und qualitativ orientierten Auswertungsmethoden über personale, inhaltliche und organisatorische Aspekte des Unterrichts und der Bildungsorganisation von Berufsschülern zusammen mit Lehrern zu klären versucht worden. Diese Studie zeigt in vielfältigen Facetten die Probleme auf, die im Falle einer ernsthaften Integration vornehmlich der Teilzeitberufsschüler in die Sekundarstufe II entstehen. Es handelt sich um die erste Untersuchung in der Bundesrepublik, die sich substantiell mit den Teilzeitberufsschülern in der integrierten Sekundarstufe II auseinandersetzt. Beachtenswert ist sie vor allem zum einen wegen der vorgenommenen Verkopplung von aktivierenden Methoden, qualitativer Auswertung und berufspädagogischem Gegenstandswissen und zum anderen wegen der expliziten Erfassung von Problemen der Sozialisation und Personalisation von Berufsschülern. Diese sind im Wesentlichen von Herrn Bojanowski bearbeitet worden. Gleichsam ein Nebenprodukt dieser Forschungsarbeit ist ein Sammelband mit dem Titel „Probleme des Berufs und der Berufsausbildung“, den Herr Bojanowski zusammengestellt, eingeleitet und herausgegeben hat.

Das andere empirische Projekt, an dem Herr Bojanowski mitgewirkt hat, bezog sich auf einen sonderpädagogisch ausgerichteten Modellversuch. Hierin ging es um eine sinnvolle Doppelqualifikation für körperbehinderte Jugendliche. In enger Zusammenarbeit mit einem assoziierten Wissenschaftler hat Herr Bojanowski diesen Modellversuch wissenschaftlich betreut und dabei durch konstruktive Kritik und vielfältige Optimierungsvorschläge zu dessen Weiterentwicklung beigetragen. Darüber hinaus hat er an der von dem assoziierten Wissenschaftler verfassten „Zwischenbilanz“ über den Versuch inhaltlich intensiv mitgearbeitet und den Modellversuchs-Abschlussbericht angefertigt, der einen guten Überblick über diesen Modellversuch gibt und auch Perspektiven für dessen Weiterentwicklung enthält. Dieser Bericht ist – ebenso wie die anderen oben erwähnten Studien – in der Schriftenreihe der Wissenschaftlichen Begleitung im Diesterweg-Verlag publiziert worden.“

Am Ende des soeben von mir ausführlich zitierten Zeugnisses weist Heinz Dedering darauf hin, dass Arnulf Bojanowski sich nicht sozial isolierte, sondern sich in vielfältige Arbeitszusammenhänge eingebracht hat. Genauso kennen und schätzen wir Arnulf – wir bräuchten diesen Belegt nicht. Und dennoch möchte ich ihn hier zitieren:

„Über den Bereich der Wissenschaftlichen Begleitung und der Modellversuche hinaus hat Herr Bojanowski auch in der Gesamthochschule - Universität - Kassel als Wissenschaftler hohes Ansehen und als Kollege viel Sympathie erworben. Dies führte dazu, dass ihm ein Lehrauftrag im erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlichen Kernstudium übertragen wurde, den er nun schon fast vier Jahre lang ausführt und der bei den Studenten großen Anklang gefunden hat. Außerdem war Herr Bojanowski für die Dauer von zwei Jahren Mitglied des Fachbereichsrates „Berufspädagogik, Polytechnik, Arbeitswissenschaft“ und dort an einigen Arbeitsgruppen beteiligt.“

Der eben genannte Fachbereich „Berufspädagogik, Polytechnik, Arbeitswissenschaft“ war seinerzeit in der Bundesrepublik singulär. Personell vergleichsweise gut ausgestattet, richtete sich sein Forschungs- und Gestaltungsinteresse auf berufstätige Menschen und die Bedingungen ihrer Existenz. Und zwar gleichsam in biographischer Abfolge gestaffelt: Polytechnik/Arbeitslehre hatte die Berufsvorbereitung, Berufsorientierung und Berufswahl im Blick, Berufspädagogik befasste sich mit Fragen und Problemen der Berufsausbildung in gewerblich-technischen und kaufmännisch-verwaltenden Berufen und Arbeitswissenschaft kümmerte sich um die optimale Gestaltung von Arbeitsplätzen, die damals unter dem Schlagwort „Humanisierung des Arbeitslebens“ betrieben wurde.

Natürlich ist diese knappe Skizze holzschnittartig – aber sie genügt, um zeigen zu können, dass Arnulf Bojanowski in seiner Kasseler Zeit in allen drei Arbeitsbereichen produktiv tätig war und sich als „Grenzgänger“ zwischen diesen Bereichen bewegte.

Den Anfang machte er, wie schon dargestellt, als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der „Wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs Sekundarstufe II“, die im Bereich Polytechnik angesiedelt war.

An diese von Februar 1979 bis Juni 1983 dauernde erste Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter schloss sich eine weitere an, die im Bereich Berufspädagogik beheimatet und von Eberhard Schoenfeldt und Meinhard Stach angeleitet war: Die „Wissenschaftliche Begleitung Berufsausbildung im Jugendhilfebereich“ vom September 1983 bis Januar 1987. Im Bereich Arbeitswissenschaft war er insofern tätig, als er vom Februar 1987 bis Oktober 1988 als Wissenschaftlicher Angestellter in der Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung e.V. in München für das Nordrhein-Westfälische Landesprogramm „Mensch und Technik – Sozialverträgliche Technikgestaltung“ gearbeitet hat – und zwar im Rahmen des Projekts „Förderung der Sozial- und Kommunikationsfähigkeit im Betrieb als Grundlage der Sozialverträglichkeit neuer Technologien“.

Zu Arnulfs Aufgaben und Forschungsschwerpunkten zählten hier:

  • lebensweltorientierte Arbeitsanalysen,
  • qualifikations- und persönlichkeitsbezogene Arbeitsgestaltung mit Arbeitnehmern im Hinblick auf neue Technologien
  • und das Studium von Innovationsverläufen in Betrieben.

Parallel zu diesen arbeitswissenschaftlichen Analyse- und Gestaltungsaufgaben hat Arnulf Bojanowski die Leitung zweier berufspädagogischer Projekte innegehabt:

Zum einen die Leitung eines Forschungsprojekts „Mädchen in Männerberufen“ im Rahmen des „BuntStift – Verein für lebensweltorientiertes Lernen e.V.“ in Kassel, den er mitgegründet und über viele Jahre konstruktiv-kritisch begleitet hat. In diesem Projekt, das vom Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit gefördert wurde, ging es um die Weiterentwicklung einer sozialpädagogisch orientierten Berufsausbildung für die Zielgruppe „benachteiligte junge Frauen“. Im anderen parallel betriebenen Projekt, das Arnulf für den Landeswohlfahrtsverband Hessen durchgeführt hat, ging es um die Planung, Durchführung und Auswertung einer Langzeitfortbildung für Ausbilder in Einrichtungen der Jugendhilfe.

Nach fast zehnjährigen Erfahrungen in diesen und weiteren Arbeitszusammenhängen ist er 1987 an der Gesamthochschule Kassel vom Fachbereich Berufspädagogik, Polytechnik, Arbeitswissenschaft zum Dr. phil. promoviert worden mit seiner Dissertation über „Berufsausbildung in der Jugendhilfe. Fallstudien zur Weiterentwicklung traditioneller Heimerziehung“.

Danach folgten 1.) Die Leitung eines Projektes „Qualifikationsbedarf des Beschäftigungssystems und individuelle Bildungsansprüche aus berufspädagogischer Sicht – insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von Berufsausbildung und Allgemeinbildung im Kontext technischer und sozio-kultureller Entwicklung und Veränderung“ (Gutachten für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Zukünftige Bildungspolitik – Bildung 2000“); 2.) die Mitarbeit in einem Projekt „Weiterbildung in Hessen – Bestand und Perspektiven“ (Gutachten für den Hessischen Landtag); 3.) eine Vertretungsprofessur für Polytechnik/Arbeitslehre in Kassel (1990/91); 4.) die Federführung in einem Projekt „Entwicklung und Erprobung von Vermittlungsformen und Medien für die kaufmännische Ausbildung in der Industrie“ und 5.) die selbständige Tätigkeit als freier Wissenschaftler mit der Perspektive, ein Forschungsinstitut zu gründen.

Nach seiner Berufung auf eine Professur für Erziehungswissenschaft am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Merseburg 1993 hat er durch den Aufbau des „Halleschen Instituts für soziale Praxis e.V.“ diese Absicht realisiert. Hier hat er u.a. ein Projektstudium im Fachbereich entwickelt, einen Schwerpunkt Kinder- und Jugendarbeit aufgebaut, und er wurde in den Senat der Fachhochschule, als Dekan des Fachbereichs Sozialwesen und als Prorektor für Studium und Lehre gewählt. Obwohl er bereits diese Professur innehatte, stellte sich Arnulf Bojanowski 1995 einem Habilitationsverfahren an der Universität Gesamthochschule Kassel und wurde vom Fachbereich Berufspädagogik, Polytechnik, Arbeitswissenschaft für das Fachgebiet Berufspädagogik habilitiert und zum Privatdozenten ernannt.

Nach seiner Berufung an die Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Philosophische Fakultät, Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung (IfBE) im Jahre 2000 hat er einerseits seinen Arbeitsschwerpunkt „Sozialpädagogik für die berufliche Bildung“ vertreten und andererseits als Geschäftsführender Direktor des IfBE seit 2007 bei der strukturellen und personellen Weiterentwicklung des Instituts federführend mitgewirkt. Wie er diesen Hannoveraner Arbeitsschwerpunkt thematisch bearbeitet hat, ist an zahlreichen Publikationen nach dem Jahr 2000 zu erkennen, vor allem an denen über berufliche Rehabilitation, berufliche Förderpädagogik, Produktionsschule, Professionalisierung des pädagogischen Personals in der Förderpädagogik und zum Übergangssystem. Wie vernetzt und konstruktiv er mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet hat, zeigen die vielen Publikationen in Koautorenschaft, insbesondere der Sammelband zur Ausbildungsreife, der aus Anlass seines 60. Geburtstages erschienen ist. Mit Bezug auf die Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik sind besonders hervorzuheben seine in der ZBW 2006 erschienene Bilanzierung der „Ergebnisse und Desiderata zur Förderung Benachteiligter in der Berufspädagogik“ und seine federführende Mitarbeit an dem von der Sektion BWP in der DGfE verabschiedeten „Memorandum zur Professionalisierung des pädagogischen Personals in der Integrationsförderung aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht“.

Große Resonanz fanden seine zahlreichen Beiträge zur Produktionsschule. In Beiträgen auf vielen Workshops bei den Hochschultagen Berufliche Bildung ebenso wie bei Fachtagungen des Bundesverbands Produktionsschulen, in Handbuchartikeln ebenso wie in Gutachten und Beiträgen für Sammelwerke hat sich Arnulf Bojanowski leidenschaftlich für die Realisierung der Ideen der Produktionsschule eingesetzt. Seine Produktionsschul-Expertise war herausragend.

Seine Planung, die auf das Ziel Inklusion gerichteten Schubkräfte für die Berufliche Förderpädagogik zu nutzen und durch eine Fortschreibung des Memorandums darauf bezogene Perspektiven und Realisierungsmöglichkeiten zu konkretisieren und in den berufsbildungspolitischen Diskurs einzubringen, hat sein Tod vorzeitig beendet. Eine dahin gehende Initiative kann als sein Vermächtnis verstanden werden. Das heutige Symposium versteht sich als ein Schritt zur Fortsetzung von Arnulfs Arbeit, um in seinem Sinne die Berufliche Förderpädagogik zu stärken und weiter auszubauen.

Wenn wir das heute hier versuchen, dann wollen wir uns dabei bitte auch bewusst halten, dass Arnulf Berufliche Förderpädagogik nie als begrenztes oder abgeschlossenes Arbeitsfeld gesehen hat, sondern stets auf Anschlussfähigkeit zu anderen Segmenten bzw. Bindestrich-Pädagogiken bemüht war.

Als einen aktuellen Beleg dafür sehe ich seine kollegiale Mitarbeit an der Planung des Themenheftes „Technische Gymnasien“ der Zeitschrift „Bildung und Erziehung“, das im März 2014 herauskam. Arnulfs Kollege an der Leibniz-Universität, Prof. Dr. Manfred Heinemann, schreibt in seinem Einleitungsbeitrag zum Themenheft „Technisches Gymnasium“: „Dieses Heft ist Prof. Dr. Arnulf Bojanowski gewidmet. Er war außer dem Heftmitherausgeber und Mitautor Walter Georg kollegial an der Planung beteiligt, die nach seinem unerwartet plötzlichen Tod zu einem besonderen Kraftakt Anlass gab“ (Bildung und Erziehung, Heft 1/2014, S. 7).

Im letzten Teil meines Beitrags möchte ich über meine persönlichen Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Arnulf Bojanowski berichten. Dabei beziehe ich mich zunächst auf das 1996 veröffentlichte Bändchen mit dem programmatischen Titel: „Jugendliche besser verstehen und ganzheitlich fördern“.

Das Bändchen berichtet über ein Modellprojekt mit dem etwas sperrigen Titel „Förderlehrgang neuen Typs am Jugendheim Karlshof“, bei dem „Jugendlichen mit individuellem Förderbedarf“ Hilfen zur Selbstfindung und zur beruflichen Orientierung gegeben wurden.

Der Karlshof in der nordhessischen Kleinstadt Wabern, in dem dieses berufspädagogische Begleitforschungsprojekt von uns zu Beginn der 1990er Jahre durchgeführt wurde, war bereits in der Kaiserzeit ein Arbeitshaus, eine Korrektur- und Besserungsanstalt für schwer erziehbare junge Leute und wurde in der Bundesrepublik in der Trägerschaft des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen gemäß der Jugendhilfegesetzgebung als Jugendheim weitergeführt, das Jugendlichen mit besonderen Problemlagen differenzierte Angebote für die Berufsvorbereitung und berufliche Ausbildung bietet.

Arnulf hatte in vorangegangenen Projekten zur „Berufsbildung im Jugendhilfebereich“ eine Fülle von heiminternen Fallstudien angefertigt, aufmerksam Eindrücke gesammelt und sorgfältig Erhebungen durchgeführt, die allesamt darauf hinausliefen, dass sich bei den Heimjugendlichen die Problemlagen und sozialen Defizite verstärkt hatten und bereits in personale Defizite umgeschlagen waren: Sie wiesen Probleme im Verhaltens- und Leistungsbereich auf und wichen kognitiven und sozialen Anforderungen aus. Auch die 24 Jungen und Mädchen im Alter von 16 bis 21 Jahren waren oft nicht mehr durch traditionelle gruppenpädagogische Maßnahmen zu erreichen. Deshalb ging es uns darum, individuellere pädagogische Ansätze zu entwickeln. Konkret hieß das, mit den Jugendlichen Biographiearbeit zu betreiben: Inwieweit hatten sich die Lebensgeschichten ausdifferenziert? Welche Erfahrungen haben die Jugendlichen gemacht? Was sind ihre Lebensthematiken, die sie prägen und bedrücken? Was können wir aus diesen Lebensgeschichten lernen?

Erst auf der Basis der Lebenswelten und Lebenslagen der Jugendlichen wurden dann – gemeinsam mit den Ausbildern – individuelle Förderpläne entwickelt. Wie das im Einzelnen bewerkstelligt wurde und welche Probleme sich dabei ergaben, kann man in dem genannten Bändchen nachlesen.

Mir ist wichtig, den individuellen Förderplan als das innovative Problemlösungsinstrument herauszustellen, das ganz deutlich Arnulfs Handschrift trägt.

Ausgehend von den „Entwicklungsaufgaben“, die im Jugendalter angegangen werden müssen, zeigte sich bei den Jugendlichen in unserem Modellversuch, dass ihnen in ihrer bisherigen Lern- und Lebensgeschichte die Bedingungen dafür nur zu oft nicht verfügbar waren: „Alles das, was im Jugendalter in pädagogisch geschützten Situationen an sozialer und affektiver Fähigkeit entwickelt werden muss, bleibt diesen Jugendlichen […] vorenthalten; stattdessen werden sie durch eine Kette von Versagenserlebnissen, durch anregungsarme Arbeit und die Erfahrung der eigenen Perspektivlosigkeit `sozialisiert`“ (Brater u.a. 1983, 67f.).

Curriculumentwicklung für solche Zielgruppen setzt ein grundsätzliches Umdenken voraus: Es ist gerade nicht sinnvoll, die Jugendlichen mit irgendwelchen beruflichen Anforderungen zu konfrontieren, also von ihnen zu verlangen, was schon immer von ihnen verlangt wurde – und worin sie immer schon gescheitert waren. Dem Diktat der „Sache“, wie es gerade die Berufspädagogik unerbittlich einfordert, gilt es, ein anderes Prinzip entgegenzusetzen, das vom Subjekt, vom Betroffenen ausgeht. Mit Hilfe des individuellen Förderplans sollten die Jugendlichen unterstützt werden, ihren eigenen Lebensstil und Lebensentwurf zu finden, der ihnen gleichzeitig gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Der individuelle Förderplan sollte also ganz bewusst Freiräume schaffen, in denen die Jugendlichen etwas probieren konnten, in denen angstfrei agiert werden konnte.

Arnulf Bojanowski als Wissenschaftlicher Begleiter folgte dem Ansatz der Prozessbegleitung und hatte damit die Möglichkeit, den Entwicklungen in der Realität auf der Spur zu bleiben und offen zu sein für Überraschungen und Neuentwicklungen. Das hatte den Vorteil, dass für Teambesprechungen neben der Sichtweise der Ausbilder, Lehrer und der Lehrgangsleitung auch die des Wissenschaftlichen Begleiters verfügbar war, um bei der weiteren Ausdifferenzierung der Förderwege, der Bündelung der Erfahrungen sowie der Vernetzung verschiedener Angebote berücksichtigt zu werden. Die sogenannten „Freitagsrunden“ waren der Ort, an dem prozessbegleitend geprüft wurde, was fördernd und was bremsend sei, um die weitere Organisation der Angebote – den individuellen Stundenplan für die nächste Woche – festzulegen. Die „Freitagsrunde“ war gleichsam die „Infozentrale“ des Projekts und zugleich der Versuch, zu einer gemeinsamen Verständigungsebene zu gelangen. Das Nachdenken und Diskutieren über die Organisierung des Förderlehrgangs, der im Spannungsfeld zwischen Individualpädagogik und Gruppenerziehung angesiedelt ist, zeigte alsbald auch mögliche Grenzen. Um es an einem Beispiel zu diskutieren: Soll Felsenklettern für die Jugendlichen im Förderlehrgang generell oder nur einer bestimmten Gruppe Jugendlicher angeboten werden? Einerseits lässt sich die Auffassung vertreten, dass man mit einem solchen erlebnispädagogischen Angebot alle Jugendlichen besser kennenlernen, beobachten und fördern kann. Andererseits stellt sich die Frag nach dem planvollen Einsatz dieses pädagogischen Ansatzes immer vor dem Hintergrund der individuellen Problemlage des Jugendlichen. D.h.: Erst wenn geklärt ist, ob für Cora das Felsenklettern wirklich geeignet sei, gewinnt das Angebot seine Rechtfertigung, die dann aber gegenüber den übrigen Jugendlichen begründet werden muss.

Um den Wünschen möglichst vieler Jugendlichen nachzukommen und um keinen Heranwachsenden zu „enttäuschen“, entschieden sich die Pädagogen im Lehrgang dafür, Felsenklettern für alle anzubieten.

Auch Arnulf nahm an dieser erlebnispädagogischen Aktivität teil und lässt uns – auf Seite 30 – an seinem Erlebnisbericht teilhaben. Ich erinnere mich sehr lebhaft an Arnulfs Bericht, den er mir am nächsten Tag bei einem gemeinsamen Arbeitsessen gegeben hat. Wir haben uns seinerzeit in der Regel mindestens zweimal wöchentlich getroffen und ausgetauscht: Mittwochabend bei „BuntStift“ in Kassel und Freitagvormittag im Karlshof in Wabern, zur „Freitagsrunde“, zu der wir gemeinsam in einem PKW an- und abreisten. Das Felsenklettern hat Arnulf indessen so tief beeindruckt, dass ihm ein zeitnahes Gespräch darüber sehr wichtig war. Ganz offensichtlich hatte ihn diese Grenzerfahrung tief berührt und auch verunsichert und er war auch unschlüssig, ob er seinen Erlebnisbericht in den Abschlussbericht der Wissenschaftlichen Begleitung einfügen sollte oder nicht. Dass er ihn schließlich auf einer ganzen Druckseite in unserem Bändchen öffentlich machte, deute ich als Ausdruck seiner professionellen Souveränität.

Sehr bald nach Abschluss unseres „Karlshof“-Projekts wurde Arnulf im April 1993 als Professor an die Fachhochschule Merseburg berufen – den weiteren Berufsweg habe ich bereits skizziert.

Zum Schluss möchte ich Arnulfs Brief an mich vorlesen, den er im Juli 2004 geschrieben hat. Dieser Brief charakterisiert Arnulf Bojanowski als außerordentlich sensiblen und reflektierten Hochschullehrer – so, wie viele von uns ihn kennen und vermissen.

„Lieber Martin,

eigentlich nur eine Kleinigkeit.

Im Seminar über „Produktionsschule“ hatte eine Arbeitsgruppe den Auftrag, über einen Text von Herrn Z.[1] (in Eurem Sammelband) zu arbeiten.[2] Sie haben dann sehr nett das Streitgespräch gespielt und dann – relativ textnah – Passagen in ihr paper übernommen. Bei Dewey haben sie sich deutlich mehr Mühe gemacht und eigene Interpretationen beigesteuert.

Die Ausarbeitung ist aber insgesamt so nett geraten, auch mit liebevollen Anmerkungen und Ausschmückungen, dass ich finde, Herr Z. sollte den Text mal lesen, damit er sieht, was Studenten so alles daraus machen können. Daher lege ich Dir eine Kopie bei mit der herzlichen Bitte, die Ausarbeitung dem Herrn Z. zukommen zu lassen.

Du wirst das auch kennen: Oftmals findet man nichts Neues in den Ausarbeitungen: hier aber hat mich der Gesamtgestus und der Aneignungsmodus überrascht und erfreut. Vielleicht hat auch Herr Z. seinen Spaß dran.

Sei herzlich gegrüßt von

Arnulf“

Mein Rückblick auf das berufliche Wirken von Arnulf Bojanowski ist subjektiv, unvollständig und vorläufig und darf das auch sein, denn er wird im Anschluss durch weitere Beiträge ergänzt. Meine vorläufige Würdigung der wissenschaftlichen Leistungen und des Forschungsprofils von Arnulf Bojanowski versuche ich im Folgenden in fünf Dimensionen zu skizzieren und zu bündeln:

Arnulf Bojanowski hat sich (1.) intensiv mit der Einbettung von Bildungsprozessen in die Moderne beschäftigt, um das Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft in seiner Bedeutung für die (Berufs-)Pädagogik auszuloten. Dazu hat er sich u.a. mit Fragen und Problemen der Jugendbildung und der betrieblichen Lehre, mit arbeitsorganisatorischen und qualifikatorischen Entwicklungen in der modernen Arbeitswelt, mit Biographieforschung und mit Zukunftsszenarien für die vorgenannten Bildungsbereiche befasst.

Sodann (2.) geht es Arnulf Bojanowski um die praxisnahe Entwicklung persönlichkeits- und handlungsorientierter Bildungselemente. In einer Reihe von Curriculumprojekten konnte er gemäß seinem artikulierten Selbstverständnis als „praktischer Wissenschaftler“ zu einer beachtlichen Bildungsentwicklung beitragen. Seine Arbeiten beziehen sich dabei besonders auf ein weitgespanntes, „ganzheitliches“ Persönlichkeitsbild, in dem kognitive, emotive und motorische Persönlichkeitsdimensionen, gerade im Blick auf die bisherigen Einseitigkeiten organisierter Bildung, gleichrangig vertreten sind.

Der nächste Bereich (3.) bezieht sich auf den Versuch genauer über Implikationen von Praxisforschung nachzudenken. Dabei geht es Arnulf Bojanowski darum, in verschiedenen Arbeitsfeldern Brücken zwischen Theorie und Praxis zu schlagen, um durch pädagogisch reflektierte Innovationen zu pädagogisch erwünschten institutionellen Veränderungen beizutragen. Er hat dazu eine Reihe interessanter Beiträge prozesshaften Innovationshandelns geliefert (Innovationen in der Jugendberufshilfe und Ausbilderqualifizierung, Organisationsentwicklung in Betrieben, in Bildungseinrichtungen und bei Wohlfahrtsträgern).

Für sein Konzept von Praxisforschung greift Arnulf Bojanowski (4.) theoretisch auf den Lebensweltansatz zurück; praktisch bedeutet dies für ihn stets eine intensive Präsenz im Feld, verbunden mit dem Versuch, eine mehrperspektivische Betrachtungsweise zu gewinnen.

Alle diese Forschungsarbeiten zielen (5.) auf das zentrale Arbeitsgebiet von Arnulf Bojanowski, auf die persönlichkeitsbezogene Förderung von Problem- und Randgruppen durch Arbeit und Beruf. Hierzu hat er nicht nur in der Praxis, sondern auch in der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit Resonanz und Anerkennung gefunden; seine Beiträge sind besonders auf eine Weiterentwicklung der sozialpädagogischen Berufsvorbereitung und Berufsausbildung für Benachteiligte ausgerichtet.

Literatur

Abel, H. (1957): Berufswechsel und Berufsverbundenheit bei männlichen Arbeitnehmern in der gewerblichen Wirtschaft: eine Untersuchung. Braunschweig.

Blankertz, H. (1963): Berufsbildung und Utilitarismus. Problemgeschichtliche Untersuchungen. Düsseldorf. (Neudruck mit einem Vorwort von G. Kutscha. Weinheim, München, 1985).

Bojanowski, A. (1988): Berufsausbildung in der Jugendhilfe. Innovationsprozesse und Gestaltungsvorschläge. Münster.

Bojanowski, A. (2006): Ergebnisse und Desiderata zur Förderung Benachteiligter in der Berufspädagogik – Versuch einer Bilanz. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (ZBW), 102 (3), 341-359.

Bojanowski, A. (2012): Expertise für den Nationalen Bildungsbericht 2014: Berufliche Inklusion Behinderter und Benachteiligter. Hannover. Online: http://www.bildungsbericht.de/de/schwerpunktthemen/pdfs/expertenworkshop-2012-bojanowski1112.pdf (18.04.2017).

Bojanowski, A./Carstensen-Bretheuer, E./Kipp, M. (1996): Jugendliche besser verstehen und ganzheitlich fördern. Frankfurt a. M.

Bojanowski, A./Günther, U. (Hrsg.) (1979): Musikunterricht in der Sekundarstufe II. Beiträge zur Musikdidaktik. Bodenheim.

Heinemann, M. (2014): Technische Gymnasien. Einleitung zu diesem Heft. In: Bildung und Erziehung 67 (1), 1-10.

Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) (Hrsg.) (2009): Memorandum zur Professionalisierung des pädagogischen Personals in der Integrationsförderung aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht. Bonn.

 

[1]    Herr Z. war einer meiner Hamburger Doktoranden.

[2]    Text von Herrn Z.: In der PSA findet eine Produktionsschul-Tagung statt, bei der einige Protagonisten der Produktionsschule (Kerschensteiner, Marx und Dewey) ein fiktives Streitgespräch unter meiner Moderation führen.

Zitieren des Beitrags

Kipp, M. (2017): Zum beruflichen Wirken von Arnulf Bojanowski an der Gesamthochschule Kassel. In: bwp@ Spezial 15: Berufliche Förderpädagogik: Von der analytischen Struktur zur dynamischen Wissenschaft. Inspirationen und Expressionen aus einem Symposium zum Gedenken an Arnulf Bojanowski, hrsg. v. Koch, M./Ratschinski, G./Steckert, R./Steuber, A./Struck, P., 1-12. Online: http://www.bwpat.de/spezial15/kipp_spezial15.pdf (08-09-2017).