bwp@ Spezial 9 - September 2015

Fachtagung Ernährung und Hauswirtschaft – Herausforderungen und Chancen zwischen Heterogenität, Inklusion und Profilbildung

Hrsg.: Julia Kastrup, Irmhild Kettschau, Michael Martin, Marie Nölle-Krug & Anna Hoff

Editorial Spezial 9

Beitrag von Julia Kastrup, Irmhild Kettschau, Michael Martin, Marie Nölle & Anna Hoff

Editorial zum Spezial 9:

Fachtagung Ernährung und Hauswirtschaft –
Herausforderungen und Chancen zwischen Heterogenität, Inklusion und Profilbildung

Einführung

Seit 1994 ist die berufliche Fachrichtung Ernährung und Hauswirtschaft kontinuierlich bei den Hochschultagen Berufliche Bildung dabei – bis 2011 mit jeweils getrennten Fachtagungen „Ernährung“ und „Hauswirtschaft“ und seit 2013 in einer gemeinsamen Fachtagung. Die Zusammenlegung trägt zu gemeinsamen Diskussionen und Aktionen von Ernährung und Hauswirtschaft bei, so dass mehr Kraft entwickelt und Einfluss gewonnen werden kann. In diesem Jahr fanden die 18. Hochschultage Berufliche Bildung unter dem Motto „Bedeutungswandel der beruflichen Bildung durch Akademisierung?“ am 19. und 20. März 2015 an der Technischen Universität Dresden statt und fokussierten die Beschreibung und Lösung von Problemen im Bereich der nichtakademischen und der akademischen Bildung auf nationaler und internationaler Ebene. In diesem Kontext befasste sich die Fachtagung Ernährung und Hauswirtschaft mit dem Themenschwerpunkt „Herausforderungen und Chancen zwischen Heterogenität, Inklusion und Profilbildung“. Mit diesem breitgespannten Themenfeld bot die Fachtagung im interdisziplinären Austausch zwischen Theorie und Praxis wissenschaftlich und bildungspraktisch ausgerichtete Beiträge aus der pädagogisch-berufsdidaktischen, bildungswissenschaftlichen und bildungspolitischen Perspektive zu folgenden drei Schwerpunkten:

  1. Zukunftsperspektiven und Bildungsmöglichkeiten rund um das Thema „Inklusion“ in Schule, Betrieb und Hochschule,
  2. fachdidaktische Fragestellungen zur Förderung und Unterstützung der Lehramtsausbildung an konkreten Beispielen,
  3. Transfermöglichkeiten von Projektergebnissen einer Nachhaltigkeitsbildung in die Berufsbildung und deren Analyse.

Eine Besonderheit der diesjährigen Fachtagung war, dass Beiträge auch unter Beteiligung von Agrarpädagoginnen und Agrarpädagogen eingebracht wurden. Hierdurch wurde die bereits begonnene Diskussion über eine engere Zusammenarbeit von Ernährung und Hauswirtschaft mit der Fachrichtung Agrarwirtschaft aufgegriffen, um zukünftig möglicherweise Berufe und Berufsbildung entlang der gesamten Erzeugungs-, Versorgungs- und Dienstleistungskette rund um Ernährung und Lebensgestaltung (teilweise) gemeinsam zu betrachten.

Insgesamt haben alle Beiträge aufgrund ihrer Spannbreite und vielfältigen Perspektiven zu intensiven Diskussionen angeregt. Die vorliegende Online-Dokumentation stellt die Mehrzahl der Beiträge in einer ausformulierten Fassung zur Verfügung. Die HerausgeberInnen dieser Dokumentation danken allen Autorinnen und Autoren für ihre interessanten und anregenden Beiträge zu dem vielfältigen Themenspektrum, ebenso wie der Universität Dresden und dem dortigen Fachkolleginnen für die Unterstützung bei der Durchführung der Fachtagung.

Zukunftsperspektiven und Bildungsmöglichkeiten rund um das Thema „Inklusion“ in Schule, Betrieb und Hochschule

Durch demografischen Wandel, eine starke Konjunktur und ein verändertes Berufswahlverhalten erhalten zunehmend immer heterogenere Schülergruppen die Möglichkeit, im dualen System eine Vollausbildung zu absolvieren. Für die Lehrkräfte wird es immer mehr zur Aufgabe, Schülerinnen und Schüler mit erhöhtem Förderbedarf in den unterschiedlichen Bereichen zu unterstützen und adäquat zu unterrichten. Dementsprechend muss die Ausbildung von angehenden Lehrkräften an berufsbildende Schulen und den Hochschulen auf diese Situation vorbereiten und vor allem im didaktisch-methodischen Bereich umfangreiche Kompetenzen vermitteln. Susanne Miesera greift in ihrem Beitrag diese Herausforderung auf und legt den Fokus auf Anforderungen und Konzepte für eine profilierte und zukunftsorientierte Lehrkräfteausbildung. Es werden insbesondere Ansätze für eine kompetenzorientierte Lehrerbildung an berufsbildenden Schulen in Bayern aufgezeigt.

Einen praxisorientierten Einblick in die Organisation und Durchführung inklusiver Ausbildungen im Berufsfeld Hauswirtschaft liefern Sigried Boldajipour und Monika Böttjer mit Ihrem Beitrag „Mittendrin statt nur dabei – Inklusive Ausbildung für Menschen mit Behinderungen“. Aufgezeigt werden Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermittlung beruflicher Handlungsfähigkeit in Form von Qualifizierungsbausteinen sowie einer Zusatzqualifikation „Personenbezogene Dienstleistungen in Senioreneinrichtungen für Fachpraktikerinnen/Fachpraktiker Hauswirtschaft“.

Das Autorenlernen stellt im Kontext von Inklusion einen innovativen, handlungs- und kompetenzorientierten methodischen Ansatz dar, bei dem es darum geht, dass Lernende über das Kreieren eines eigenen Tutorials zu Koautoren von Lernhilfen werden, die wiederum Grundlage für künftige Lernprozesse sein können. Christian Wiemer stellt in seinem Beitrag diese Methode vor und beschreibt, inwiefern das Autorenlernen sowohl Schülerinnen und Schülern als auch Lehrkräften vielfältige Möglichkeit bietet den Lern- und Unterrichtsprozess so zu gestalten, dass insbesondere in inklusiven Klassen gleichzeitiges Arbeiten an einem Lerngegenstand ermöglicht wird, ohne die notwendige Binnendifferenzierung zu vernachlässigen.

Didaktische Fragestellungen zur Förderung und Unterstützung der Lehramtsausbildung

Die Heterogenität zeigt sich nicht nur bei Schülerinnen und Schülern, sondern im gesamten Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft. So sind Lerninhalte für Lehr-Lern-Arrangements sehr komplex und vielschichtig, nicht zuletzt, weil auch Ernährungsgewohnheiten und
-gegebenheiten in der Regel undurchsichtig und differenziert sind. Das didaktische Prinzip des exemplarischen Lernens kann dabei helfen, Lerninhalte auszuwählen und Lernhandlungen zu begründen. Hierfür leiten die Autoren Doreen Forßbohm und Sebastian Lau Kriterien für die exemplarische Inhaltsauswahl im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft ab und systematisieren diese in einem Modell vom Entscheidungsraum.

Hauswirtschaftliche Berufe werden häufig unter der Perspektive sozialer Dienstleistungen betrachtet – teilweise wird die gesamte Fachrichtung Ernährung und Hauswirtschaft der Gruppe von Fachrichtungen personenbezogener Dienstleistungen zugeordnet. Dass dies selbst im hauswirtschaftlichen Kern, nämlich dem Ausbildungsberuf zur Hauswirtschafterin/zum Hauswirtschafter nicht ganz zutreffend ist, stellt Nicole Riemer dar. Sie legt eine Analyse der Ordnungsmittel vor, aus der der hohe Anteil mathematischer Grundkompetenzen ersichtlich wird, der für eine fachkundige Ausübung des hauswirtschaftlichen Berufs erforderlich ist. Spiegelt man dieses Ergebnisse mit den teilweise schwachen Lernausgangslagen der Schülerinnen und Schüler in den entsprechenden Bildungsgängen, wird der Bedarf an Förderung gerade auch der mathematischen Kompetenzen für eine erfolgreiche Ausbildung und Berufstätigkeit deutlich. Ebenso zeigt sich, dass hinsichtlich dieser neuen Perspektive noch sehr viel Forschungs- und Diskussionsbedarf besteht.

Analog zum Lernfeldkonzept können auch im Rahmen des Studiums angehender Lehrerinnen und Lehrer an berufsbildenden Schulen berufliche Situationen des Lehrerhandelns in den Mittelpunkt des Studiums gestellt werden. Lern- und Arbeitshandlungen werden dabei im Zusammenwirken mit Aufgabenstellungen und Instruktionen zu zentralen Elementen der Kompetenzentwicklung der Studierenden. Heidi Müller-Weichbrodt stellt in ihrem Beitrag „Weiterentwickelte agrarpädagogische Intentionen fördern professionelles Lehrerhandeln – Kompetenzorientierung und Profilbildung in der akademischen Berufsschullehrerausbildung“ konzeptionelle Überlegungen zur Studiengestaltung am Beispiel von Studierenden des Lehramtes Land- und Gartenbauwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin dar. Als Kernstück ihrer Ausführungen dient ein Modell zur Kompetenzentwicklung entlang von acht Schritten, das die Studierenden während ihres Studiums verinnerlichen, um es infolgedessen auch im Fachunterricht für landwirtschaftlich-gärtnerische Lehr-Lernarrangements anzuwenden.

Transfermöglichkeiten von Projektergebnissen einer Nachhaltigkeitsbildung in die Berufsbildung und deren Analyse

Trotz zahlreicher Projekte und Initiativen zur Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung ist das Ziel der UN-Dekade, den Gedanken der nachhaltigen Entwicklung in allen Bildungsbereichen in Deutschland zu verankern, vereinzelt, nicht aber strukturell und systematisch erreicht worden. Die UNESCO-Weltkonferenz hat im November 2014 beschlossen, die Aktivitäten zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung von 2015 bis 2019 im Rahmen eines Weltaktionsprogrammes fortzuführen. Diese aktuelle Entwicklung nimmt Julia Kastrup in ihrem Beitrag „Transfer von Ergebnissen aus Projekten der Nachhaltigkeitsbildung – allgemein und fachspezifisch“ auf, um im Rahmen einer Bestandsaufnahme insbesondere für die berufliche Bildung und das Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft relevante Verpflichtungen, Initiativen und Projektergebnisse der letzten Jahre darzustellen. Perspektivisch betrachtet, kann die weitere Integration von Nachhaltigkeit auch durch den Transfer von Erkenntnissen, Erfahrungen und Ergebnissen durchgeführter Projektenunterstützt werden. Deshalb wird in diesem Beitrag außerdem ein Modell von Transfer vorgestellt, das verschiedene Formen systematisiert sowie Handlungsbereiche für einen Transfer aufzeigt.

Julia Kastrup, Irmhild Kettschau, Michael Martin, Marie Nölle & Anna Hoff
(Herausgeberteam des bwp @ Spezial 9)

im September 2015

Zitieren des Beitrags

Kastrup, J./Kettschau, I./Martin, M./Nölle, M./Hoff, A. (2015):Editorial zum Spezial 9: Fachtagung Ernährung und Hauswirtschaft – Herausforderungen und Chancen zwischen Heterogenität, Inklusion und Profilbildung. In: bwp@ Spezial 9 – Fachtagung Ernährung und Hauswirtschaft – Herausforderungen und Chancen zwischen Heterogenität, Inklusion und Profilbildung, hrsg. v. Kastrup, J./Kettschau, I./Martin, M./Nölle, M./Hoff, A., 1-4. Online: http://www.bwpat.de/spezial9/editorial_bwpat-spezial9-2015.pdf (01.09.2015).