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bwp@ Ausgabe Nr. 17 | Dezember 2009
Praxisphasen in beruflichen Entwicklungsprozessen
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 17 sind Tade Tramm, H.-Hugo Kremer & Bernadette Dilger

Kompetenzentwicklung in vollzeitschulischen Bildungsgängen des Berufskollegs - Integration betrieblicher Praxisphasen als Leitlinie der Unterrichtsentwicklung

Beitrag von Claudia FÜLLING & Volker REXING (Thomas-Eßer-Berufskolleg Euskirchen & RWTH Aachen)

Abstract

Mit Blick auf die aktuelle Ausbildungssituation hat der Bereich der vollzeitschulischen berufsqualifizierenden Bildungsgänge an Bedeutung gewonnen. Entsprechende Angebote an Berufskollegs lassen sich unter der Leitidee der Bildung im Medium des Berufes zusammenfassen. Allerdings sind die Zielsetzungen und Abschlüsse sehr differenziert, ebenso die Integration betrieblicher Praxisphasen in schulische Lehr-, Lernprozesse. In diesem Beitrag wird am Beispiel der zweijährigen höheren Berufsfachschule für Technik eine praktisch umgesetzte Konzeption vorgestellt mit der Integration betrieblicher Praxisphasen als Leitlinie der Unterrichtsentwicklung. Im genannten Bildungsgang stellt die Option der Doppelqualifizierung, also die für viele vollzeitschulische Bildungsgänge charakteristische Vorbereitung auf einen Beruf und der Erwerb eines höherwertigen Schulabschlusses, besondere Anforderungen an die Lehrenden und Lernenden im Hinblick auf die zu erreichenden Kompetenzniveaus. In diesem Zusammenhang werden zunächst die bildungspolitischen und curricularen Rahmenbedingungen skizziert. Der Fokus liegt auf den aus curricularen (bildungspolitischen) Parametern und dem Berufsbezug resultierenden Erfordernissen an eine spezifische Bildungsgangkonzeption bzw. Bildungsgangarbeit und berufsaffine Lernorte. Exemplarisch wird die Entwicklung eines Kompetenzprofils und davon ausgehend die didaktisch-methodische Bildungsgangplanung vorgestellt. Ausgehend von der Evaluation dieser Konzeption, basierend auf empirische Daten bezüglich der Bildungsverläufe von Teilnehmern des Bildungsganges, werden aus Sicht der Autoren Probleme und Chancen entsprechender Bildungsgänge reflektiert sowie konzeptionelle Weiterentwicklungen skizziert.


Competence development in full-time school-based training courses in the vocational college – the integration of in-company phases of practice as a central direction of the development of teaching

With regard to the current training situation the sector of full-time school-based training courses for vocational training has increased in significance. The relevant opportunities at vocational colleges can be summarised under the central idea of education in the medium of the occupation. However, the aims and qualifications are very differentiated, as well as the integration of in-company phases of practice in the school teaching and learning processes. This paper uses the example of the two-year higher vocational technical college to present a practically implemented conception with the integration of in-company phases of practice as a central direction of the development of teaching. In this training course the option of a double qualification, that is to say the preparation for an occupation and the gaining of a higher school-leaving qualification, characteristic of many full-time school-based training courses, represents particular challenges for teachers and learners with regard to the level of competence to be achieved. In this context the prevailing circumstances of educational policy and the curriculum are outlined, in the first step. The focus is on the requirements of the specific training course conceptions, or the work on developing the training course, that result from the curricular (education policy) parameters and occupational relevance. The development of a competence profile is presented as an example and, leading from this, the didactic-methodological planning of the training course. On the basis of the evaluation of this conception, and based on the empirical data regarding the learning trajectories of participants in the training course, the authors present, from their point of view, their reflections on the problems and opportunities of such training courses and also outline conceptual further developments.


1 Ausgangslage

Der oft zitierte und in unterschiedlichen Interessen interpretierte antike Spruch „Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir!“ erhält in unserer ökonomisierten Gesellschaft eine neue Relevanz: Fürs Leben lernen heißt heute vor allem fürs berufliche Leben in immer komplexer werdenden wirtschaftlichen Interaktions- und Handlungsprozessen zu lernen. Das impliziert auch das Postulat nach lebensbegleitendem berufsorientierten Lernen im Hinblick auf flexible Berufsbiographien. Dabei sind individuelle Bildungs- und Berufsbiographien mit vertikalen Übergängen zwischen verschiedenen schulischen sowie erwerbswirtschaftlichen Institutionen verbunden und stellen wegen der Mehrgliedrigkeit des deutschen Bildungssystems und den Angeboten von Aus- und Weiterbildung häufig einen längeren und zum Teil brüchigen Prozess dar (vgl. IAQ 2008). Das hat auch weit reichende Konsequenzen für die schulische Bildung, die diese Übergänge junger Menschen in Arbeit begleiten und gestalten muss, sowohl organisatorisch-funktional durch die Einbindung in regionale Strukturen und Angebote als auch inhaltlich-fachlich durch formal zu erwerbende Kompetenznachweise sowie die Stärkung sozialer Integration.

Allerdings: Von Seiten der unternehmergestützten Übergangssysteme der Dualen Ausbildung wird hierbei eine Lücke im Kompetenzprofil der Berufseinsteiger wahrgenommen, die einem reibungslosen Übergang von den abgebenden Sekundarschulen wie Haupt- Real- und Gesamtschule sowie z.T. auch Gymnasien in die berufliche Ausbildung entgegenstehen. In Zeiten einer für viele Unternehmen schwierigen wirtschaftlichen Lage dient diese wahrgenommene Qualifikationslücke als zusätzliches Argument, die eigene Ausbildungsquote zu reduzieren. So gaben in einer aktuellen Sonderumfrage der Handwerkskammer Aachen zu der Frage, welche Gründe für den Verzicht auf Auszubildende eine Rolle spielten, 21% der befragten Betriebe an, dass die Bewerber ungeeignet seien: „Es besteht nach Meinung der meisten Unternehmer auch kein Mangel an Bewerbern, allerdings ist so mancher für die Ausbildung nicht geeignet. Dies lässt ebenfalls rund ein Fünftel aller Chefs erst mal abwarten und nach besseren Bewerberinnen und Bewerbern Ausschau halten.“ (HWK AACHEN 2009, 2)

Aufgrund der wirtschaftlichen Erfordernisse und arbeitsmarktpolitischen Anforderungen an Berufseinsteiger sehen sich die Bildungseinrichtungen zunehmend in der Verantwortung, berufliche Entwicklungsprozesse nicht nur theoretisch zu begleiten und Schülerinnen und Schülern neben Kulturtechniken und Grundlagenkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen auch Fach- und Methodenkompetenzen zu vermitteln, sondern sie vielmehr durch Praxisphasen auf echte und relevante betriebliche Abläufe und damit auf berufliche Anforderungen und Fertigkeiten konkret vorzubereiten, um damit den Übergang in eine Berufsausbildung möglichst reibungslos zu gestalten.

„Der Strukturwandel im Beschäftigungssystem und die damit einhergehenden Veränderungen der Anforderungen am Arbeitsplatz zeigen gerade in den letzten Jahren die Bedeutung und den Wert einer umfassenden beruflichen Bildung.“ (KMK 2009) 

Auf diese arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen müssen die schulische Bildung und die betriebliche Ausbildung vorbereiten. Deshalb ist die Integration von Praxisphasen als Beitrag zu beruflichen Entwicklungsprozessen ein zentraler Bildungsauftrag und zwar bereits im Vorfeld einer betrieblichen Ausbildung bzw. eines Studiums. Der genuine Ort dieser umfassenden Berufsbildung ist (in NRW) seit Jahren das Berufskolleg, das als Sekundarstufe II das Lernen im beruflichen Zusammenhang ermöglicht. „Das Berufskolleg vermittelt den Schülerinnen und Schülern eine umfassende berufliche, gesellschaftliche und personale Handlungskompetenz und bereitet sie auf ein lebensbegleitendes Lernen vor. Es qualifiziert die Schülerinnen und Schüler, an zunehmend international geprägten Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft teilzunehmen und diese aktiv mitzugestalten.“ (MSW NRW 2009)

Diese besondere Bedeutung des Berufskollegs für den beruflichen Entwicklungsprozess von jungen Erwachsenen wird auch von Seiten der NRW-Landesregierung im bildungspolitischen Diskurs herausgestellt, so u.a. von Barbara SOMMER anlässlich des Berufskollegstages am 22.02.2007: „Ohne Frage: Wir brauchen leistungsstarke, gut ausgebildete Jugendliche. … Die Berufskollegs leisten (hierbei) unverzichtbare Arbeit. Durch die Ausbildung qualifizierter Nachwuchskräfte stärken sie die Innovationskraft unserer Unternehmen.“ (SOMMER 2007, 10)

Der vorliegende Artikel zeigt für das Land NRW am Beispiel der zweijährigen Berufsfachschule Bau- und Holztechnik eine praktisch umgesetzte Konzeption dieses komplexen beruflichen Lernentwicklungsprozesses als Beitrag zu einem Übergangsmanagement zwischen Schule und Erwerbsleben. Dabei ist die Integration betrieblicher Praxisphasen in die Kompetenzentwicklung die Leitlinie für die Unterrichtsentwicklung in diesem Bildungsgang. 

Als Ausgangsthese für diese Konzeption gilt, dass die Praxisphasen kein additives Unterrichtselement darstellen, sondern durch sie eine berufsschulische Modell- und Theoriebildung aktiviert und motiviert wird und sie somit integraler Bestandteil jeder Unterrichtskonzeption im Sinne einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz sind und sein müssen.   

Der vorliegende Aufsatz skizziert einen Ansatz der Integration von berufspraktischen Erfahrungen in einen vollzeitschulischen Bildungsgang am Beispiel der zweijährigen höheren Berufsfachschule für Bau- und Holztechnik. Im Vordergrund steht eine bereits an einem Berufskolleg des Kreises Euskirchen umgesetzte Konzeption, aus der exemplarische Ausschnitte Bedeutung und Möglichkeiten der Integration von Praxisphasen transparent machen sollen. Dies geschieht sowohl auf einer programmatischen als auch auf einer erfahrungsbasierten Reflexionsebene. Um eine Einordnung dieser Konzeption und die Verortung des Bildungsganges in der Bildungslandschaft zu ermöglichen, werden zunächst bildungspolitische und curriculare Rahmenbedingungen zusammengefasst, ergänzt durch eine Beschreibung der spezifischen Schülerklientel. Zentral wird daran anschließend die Interdependenz von Praxisphasen und schulischen Lehr-Lern-Arrangements für die Kompetenzentwicklung herausgestellt. Der Aufsatz schließt mit einer Evaluation bisheriger Erfahrungen des Bildungsganges, unter anderem basierend auf Daten bezüglich der Bildungsverläufe während und nach Besuch des Bildungsganges.

2  Rahmenbedingungen

Das Thomas-Eßer-Berufskolleg (TEB) in Euskirchen reagierte auf den steigenden Bedarf an vor- und besser qualifizierten Auszubildenden sowie an schulisch verantworteter Berufsorientierung und -vorbereitung mit der Einrichtung eines berufsfeldspezifischen Angebots von Höheren Berufsfachschulen (HBfs) als Qualifizierungsphase für eine berufliche Ausbildung und zusätzlich als Alternative zur allgemein bildenden gymnasialen Oberstufe. Seit dem Schuljahr 2002/03 wird die zweijährige Höhere Berufsfachschule der Fachrichtung Technik (HöTec) in den Berufsfeldern Bau- und Holztechnik (HöTec-Bau), Metall- (HöTec-Metall) sowie Elektrotechnik (HöTec-Elektro) angeboten. Diese Bildungsgänge richten sich in NRW gemäß der APO-BK Anlage C an Schülerinnen und Schüler mit mittlerem Schulabschluss, die an dem Erwerb „beruflicher Kenntnisse in Verbindung mit der Fachhochschulreife“ (APO-BK VV zu Anlage C, §2 (2)) interessiert sind, um ihre persönlichen Chancen zu verbessern, in betriebliche Übergangssysteme der Dualen Ausbildung zu kommen bzw. die formalen Voraussetzungen für die Aufnahme eines Studiums zu erreichen.

Im Folgenden wird die Integration von Praxisphasen als Leitlinie von Bildungsgang- und Unterrichtsentwicklung am Beispiel der zweijährigen Berufsfachschule für Bau- und Holztechnik, wie sie am TEB durchgeführt wird, dargestellt.

2.1  Die bildungspolitischen Rahmenbedingungen

Der vollzeitschulische Bildungsgang der Höheren Berufsfachschule Bau- und Holztechnik (HöTec-Bau) stellt innerhalb des Bildungssystems in NRW eine Möglichkeit dar, sich nach der Sekundarstufe I berufsfeldspezifisch weiter zu qualifizieren. Im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung gilt die Höhere Handelsschule seit Jahren vielen Arbeitgebern wie Banken und Versicherungen als Garant für eine kompetente Ausbildungsvorbereitung. Im Bereich der Technik gewinnt diese schulische Vorqualifizierungsphase zunehmend an Bedeutung.

Die HöTec-Bau führt innerhalb von zwei Jahren zum einen zu einem höheren Bildungsabschluss, und zwar zur Fachhochschulreife (FHR), zum anderen zu dem Erwerb erweiterter beruflicher Kenntnisse (EBK).  Diese Möglichkeit der Doppelqualifizierung als Alternative zu einer gymnasial geprägten Studienorientierung wurde im Zuge der Bildungsreform in den 1970er Jahren geschaffen und wird ein zunehmend  nachgefragter Bildungsweg innerhalb der mehrgliedrigen Bildungslandschaft. So erreichten „neben den rund 258 000 Absolventen mit Studienberechtigung aus allgemein bildenden Schulen (Fachhochschul- bzw. Hochschulreife) …  im Jahr 2006 noch 157 000 Jugendliche diesen Abschluss in beruflichen Schulen.“ (STATISTISCHES BUNDESAMT 2008, 56)

Bei der institutionellen Mitwirkung der Berufsfachschulen in der Ausbildung verdoppelte sich der prozentuale Anteil der Berufsfachschüler sogar von 1995 bis 2006 von 7,1% auf 14,2%, die Ausbildung im Dualen System sank hingegen von 86,5% auf 79,6% (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT 2008, 55).

Wenn also die Berufsfachschulen zunehmend an Bedeutung für eine Qualifizierung auch im Vorfeld einer Dualen Ausbildung gewinnen, müssen die curricularen Rahmenbedingungen diese Berufsorientierung gerade auch im Hinblick auf Praxisphasen einfordern. Wie diese curriculare Umsetzung programmatisch in der HöTec-Bau aussieht, wird im folgenden Abschnitt dargelegt. 

2.2  Die curricularen Rahmenbedingungen im Landesrecht von NRW

Die Ausbildung in der zweijährigen HöTec-Bau erfolgt gestuft im Vollzeitunterricht und vermittelt im ersten Jahr berufliche Kenntnisse und im zweiten Jahr erweiterte berufliche Kenntnisse und den schulischen Teil der Fachhochschulreife. Die volle Fachhochschulreife und damit die Studierfähigkeit erlangen die Schülerinnen und Schüler, wenn sie ein einschlägiges halbjähriges Praktikum (siehe unten), eine abgeschlossene Berufsausbildung nach Bundes- oder Landesrecht oder eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit nachweisen können. (APO-BK Anlage C §2 (2) 2.) Die berufliche Qualifizierung, die zu beruflichen bzw. erweiterten beruflichen Kenntnissen führt, ist generell auf zwei Ebenen organisatorisch-curricular verankert: im schulischen Unterricht und im einschlägigen halbjährigen Praktikum.

Die Rahmenstundentafel sieht einen berufsbezogenen und einen berufsübergreifenden Lernbereich vor, denen einzelne Fächer zugeordnet sind (siehe Tabelle 1). Der Stundenumfang der Fächer des fachlichen Schwerpunktes bildet mit 11-14 Wochenstunden mindestens die Hälfte der Stunden im berufsbezogenen Bereich und ein Drittel der vorgegebenen 34 Wochenstunden.

Tabelle 1:           Rahmenstundentafel der HöTec-Bau

Lernbereich/Fächer

Jahresstunden Kl. 11

Jahresstunden Kl. 12

Berufsbezogener Lernbereich

Baukonstruktionstechnik und Bautechnische Kommunikation

440-560

440-560

Mathematik

120

120

Bauphysik

0-80

0-80

Wirtschaftslehre

40-80

40-80

Englisch

80-120

80-120

Praktika

 

 

Berufsübergreifender Lernbereich

Deutsch/Kommunikation

120

120

Religionslehre

80

80

Sport/Gesundheitslehre

40-80

40-80

Politik/Gesellschaftslehre

40-80

40-80

Differenzierungsbereich

120-320

120-320

Gesamtstundenzahl

1360

1360

(MSW NRW 2001)

Der Unterricht in berufsbezogenen und berufsübergreifenden Fächern soll inhaltlich „an einer für ihre Aufgabe spezifischen Pädagogik ausgerichtet sein, die Handlungsorientierung betont, und sie soll unter Berücksichtigung notwendiger beruflicher Spezialisierung berufs- und berufsübergreifende Qualifikationen vermitteln“ (KMK 1999, 8). Wie diese lerntheoretische Ausgestaltung in der HöTec-Bau hinsichtlich des integrativen Konzeptes der Praxisphasen konkret aussieht, wird in Kapitel 3 ausgeführt.

Die Praktikums-Ausbildungsordnung  gem. des RdErl. D. Ministeriums für Schule und Weiterbildung in NRW vom 11.12.2006 sieht für die zweijährigen Berufsfachschulen folgende vier möglichen Bestandteile und zeitlichen Rahmen für die Praktika vor:

a)      In den Fächern des berufsbezogenen Lernbereichs integriertes schulisches Praktikum von vier Wochen (Fachunterricht, ergänzt durch Exkursionen, Laborübungen, u.Ä.)

b)      Ergänzendes schulisches Praktikum im Differenzierungsbereich von bis zu vier Wochen (Ergänzungskurse z.B. CAD, Vermessungstechnik, Baustoffkunde)

c)      Zusammenhängendes betriebliches Praktikum während des Bildungsganges von bis zu vier Wochen (in Kooperation mit Schule, vorbereitend, begleitend und nachbereitend)

d)     Zusammenhängendes betriebliches Praktikum vor-, während und nach dem Bildungsgang im abgeleisteten Umfang (möglichst in Kooperation mit Schule).

Betriebliche Praxisphasen werden dabei nur anerkannt, wenn sie mindestens zwei aufeinander folgende Wochen umfassen, den geforderten allgemeinen Inhalten entsprechen sowie berufsfeldspezifisch ausgewiesen sind.

Inhaltlich sollen diese Praxisphasen ein möglichst breites Spektrum von tatsächlichen Arbeitsbereichen abdecken. Explizit genannt werden: Aufbau und Funktion der betrieblichen Organisation, Abwicklung eines Gesamtproduktes/-auftrags bzw. eines Arbeitsprozesses (für die Fachrichtung Technik speziell: Arbeitsplanung der Leistungsprozesse, Produktions-/ Fertigungsprozesse und Qualitätsanforderungen sowie Prüfkriterien), Sozialstrukturen und gesellschaftliche Konsequenzen betrieblicher Handlungen. (MSW NRW 2006)

Schon hier wird deutlich, dass es programmatisch nicht um additive „Schnupperkurse“ geht, sondern dass die Praxisphasen berufsqualifizierend angelegt und entsprechend in die Bildungsgangarbeit eingebunden sein sollen. Dabei sind die Vor- und Nachbereitung sowie die fachliche Begleitung des Praktikums integraler Bestandteil. Die Orte des Lernens sollen mit den konkreten Lern- und Handlungssituationen korrespondieren und neben dem theoretischen Lernen in der Schule vor allem in schulischen Werkstätten und auch in betrieblichen Arbeitszusammenhängen stattfinden. Ein berufsqualifizierendes Lernen kann nicht ohne die Verlagerung von Lernorten in die berufliche Praxis und eine echte Kooperation im Hinblick auf die geforderten Kompetenzen stattfinden.

2.3  Die Eingangsvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler

Die formale Voraussetzung für die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in diesen Bildungsgang ist der Nachweis, dass sie an einer Haupt-, Real- oder Gesamtschule die Klasse 10 bzw. 10B erfolgreich absolviert haben oder von einem Gymnasium vor bzw. während der gymnasialen Oberstufe die Schulform wechseln.

Trotz des bildungspolitischen Bemühens in NRW um Standardisierung und damit Vergleichbarkeit des Bildungsabschlusses nach Klasse 10 mit der Fachoberschulreife (FOR) zeigt die Realität, dass ein „erfolgreiches“ Absolvieren auch bedeuten kann, in allen Fächern gerade so mit ausreichenden Leistungen durchgekommen zu sein. Im Durchschnitt haben die Schülerinnen und Schüler eher ein mittleres Leistungsniveau vor allem in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch und dadurch zurzeit kaum echte Chancen auf dem Ausbildungsmarkt. Der reibungslose Übergang von allgemein bildenden Schulen in die Erwerbswelt über eine Duale Ausbildung ist somit zunächst gestört. Des Weiteren sind ca. die Hälfte der Schülerinnen und Schüler noch ohne eigentliche Berufsperspektive. Die Entscheidung für das Berufsfeld Bau- und Holztechnik ist häufig die erste eigenständige berufliche Verortung für eine zukünftige eigenständige Erwerbstätigkeit.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass etwa zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler mangels einer Ausbildungsmöglichkeit diesen Bildungsgang zur weiteren Qualifizierung für eine Ausbildungsstelle nutzt. Deshalb steht gerade in der Unterstufe die Berufsorientierung im Vordergrund der Unterrichtskonzeption, sodass die Schülerinnen und Schüler ggf. nach Klasse 11 durch ein verbessertes Zeugnis ohne höheren Schulabschluss und durch das Zertifikat „Berufliche Kenntnisse“ ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt verbessert haben und in eine Duale Ausbildung wechseln können. Hierzu dienen vor allem auch die verpflichtenden Praxisphasen der schulischen und betrieblichen Praktika während des ersten Jahres der Berufsfachschule.

Insgesamt ist die Schülerklientel sehr heterogen, nicht nur im Hinblick auf das fachliche Leistungsniveau und die Basiskompetenzen, sondern auch in der schulischen Sozialisation, in den berufspraktischen Erfahrungen und vor allem in ihrer intrinsischen bzw. extrinsischen Motivation für ihre berufliche Entwicklung. Deshalb zielt das vorliegende Konzept zur beruflichen Vorqualifizierung auch darauf hin, die Schüler/innen durch praxisorientierte Lehr-Lern-Arrangements zu aktivieren.

3  Bildungsgangkonzeption und -entwicklung

Nach Klärung der bildungsgangspezifischen Rahmenbedingungen werden im Folgenden programmatisch die Konzeption des Bildungsganges und erfahrungsbasiert der Prozess der Bildungsgangentwicklung dargestellt. Dabei soll zunächst auf den Arbeitsprozess des Bildungsgangteams seit Implementierung in der Schule eingegangen werden. Im Vordergrund stehen die aus der Analyse der spezifischen Rahmenbedingungen bzw. Erfordernisse des Bildungsganges resultierenden Entscheidungen und Konsequenzen für die Bildungsgang- und Unterrichtsentwicklung.

Bei der Darstellung der Vorgehensweise des Bildungsgangteams wird auf wesentliche Parameter der Bildungsgang-Konzeption ausführlicher eingegangen, vor allem das Kompetenzprofil, die didaktisch-methodische Jahresplanung sowie einige Leitlinien der Unterrichtsentwicklung, insbesondere die Gestaltung der Lehr-Lern-Arrangements berufsbezogener Fächer und in diesem Kontext die besondere Bedeutung und Legitimation von Praxisphasen.

Es erfolgt eine Fokussierung auf Ausschnitte, die im vorgegebenen thematischen Rahmen bedeutsam sind, an erster Stelle besondere Erfordernisse und Herausforderungen aus der organisatorischen und didaktischen Integration und Verzahnung von Praxisphasen und Unterricht.

3.1 Arbeitsprozess der Unterrichts- und Bildungsgangentwicklung

In diesem Abschnitt wird primär auf die Ebene der konkreten Unterrichts- und Bildungsgangentwicklung eingegangen. Diese muss bei Implementierung eines Bildungsganges, insbesondere eines so komplexen Bildungsganges, zunächst von einer Analyse der curricularen Rahmenbedingungen, möglicher Abschlüsse sowie der bildungspolitischen Intention ausgehen. Ebenso zu berücksichtigen sind individuelle Eingangsqualifikationen der Schüler, die bezüglich des Bildungsabschlusses (Fachoberschulreife) identisch sind, aufgrund sehr unterschiedlicher Bildungsverläufe aber heterogene Kompetenzniveaus und Motivationen bedingen.

Bezüglich der ausführlichen Darstellung curricularer und bildungspolitischer Rahmenbedingungen sowie möglicher Abschlüsse sei auf die vorhergehenden Kapitel verwiesen. Wesentlich sind an dieser Stelle Konsequenzen für die Unterrichts- und Bildungsgangentwicklung.

Mit Blick auf die bildungspolitische Intention des Bildungsganges ist zunächst der Gedanke der Durchlässigkeit des Berufskollegs im Hinblick auf den Erwerb höherer Schulabschlüsse zu nennen. Im Bildungsgang der zweijährigen höheren Berufsfachschule wird dies ergänzt durch die intendierte Vorbereitung auf eine weitergehende berufliche Qualifizierung in einem spezifischen Berufsfeld, hier das Berufsfeld Bau. Praxisphasen werden somit auf mehreren Ebenen legitimiert und erforderlich, worauf im weiteren Verlauf noch näher eingegangen wird. An dieser Stelle soll zunächst die Prozessebene der Bildungsgangentwicklung weiter in den Blick genommen werden.

Wesentlich ist in diesem Kontext die Analyse der curricularen Struktur und entsprechender Konsequenzen für die Bildungsgang- und Unterrichtsentwicklung, wobei eine Beschränkung auf die praxis- bzw. berufsbezogenen Fächer Baukonstruktionstechnik und Bautechnische Kommunikation erfolgt. Tabelle 2 als Ausschnitt der curricularen Skizze zeigt die Einteilung der Unterstufe in verschiedene Themenbereiche.

Erkennbar ist die deutliche Ausrichtung an beruflichen Handlungsfeldern (vgl. BADER 2003, 213) ähnlich des Lernfeldkonzeptes für die Dualen Ausbildungsgänge, korrespondierend zum Lehrplan der beruflichen Grundbildung in Berufen des Bauhauptgewerbes. Zwischen den Themenbereichen bzw. Lernfeldern gibt es deutliche Schnittmengen in Bezug auf die Benennung der Handlungsfelder und entsprechende Inhaltskataloge.

Tabelle 2:           Fächer des fachlichen Schwerpunkts im berufsbezogenen Lernbereich der Zweijährigen Berufsfachschule Fachrichtung Technik – Fachlicher Schwerpunkt Bau- und Holztechnik, Profilbildung Bautechnik (Auszug)

Klasse 11

Themenbereiche

Baukonstruktionstechnik

Bautechnische Kommunikation

Bemerkungen

Vorbereiten eines Bauvorhabens

Bauplanung

Baurechtliche Grundlagen

Phasen der Bauplanung

Bauberufe

Freihandskizzen

Rechtwinklige Parallelprojektion

Lageplan

EDV gestützte Dokumentation und

Darstellung

z.B.:

Wintergarten

Anbau

Garage

Gründen eines Bauwerkes

Einrichten und Sichern einer Baustelle

Vermessung:

Absteckungen

Nivellement

Baugrube

Schnurgerüst

Bodenarten

Böschungen

Verbauarten

Unfallverhütungs-vorschriften

Massenermittlung

Gründungsarten

Baustellen-einrichtungsplan

Fundamentplan

Schnitte

Bemaßung

Schraffur

CAD: 2D-Konstruktion

z.B.:

Keller für Einfamilienhaus

......

mgl. praktischer Anteil:

Feldübung

.....

mgl. Bezüge zur Mathematik:

Trigonometrie

Geradengleichung

weitere Themenbereiche:

·         Planen einer einschaligen Mauerwerkskonstruktion

·         Planen einer Holzkonstruktion

·         Planen eines Stahlbetonbauteiles

·         Planen eines Stahlbetonbauteiles

(vgl. MSW NRW 2001)  

Resultierend daraus und der weiteren bildungspolitischen und curricularen Vorgaben, insbesondere die Ausrichtung der Unterrichtsentwicklung am Konzept der Handlungsorientierung mit dem Leitziel beruflicher Handlungskompetenz, lehnt das Bildungsgangteam seine weiteren Planungen an die entsprechende theoretische Fundierung an (vgl. BADER 2003, 210 ff.). Auf eine weitergehende Diskussion dieser Entscheidung, insbesondere über die wissenschaftliche Legitimation der teilweisen Übertragung eines Konzeptes für duale Bildungsgänge auf vollzeitschulische Bildungsgänge des Berufskollegs, wird an dieser Stelle verzichtet.

Wesentliche Konsequenzen für die weitere Bildungsgang- und Unterrichtsentwicklung sind folglich die Interpretation des Lehrplanes in den berufsbezogenen Fächern in komplexe Lehr-Lernarrangements mit einer deutlichen Ausrichtung an beruflich relevanten Problemstellungen bzw. einer Arbeitsprozessorientierung und entsprechender Betonung situativen Lernens im übergreifenden Kontext der Handlungsorientierung. Eine Einbindung aller Fächer vor dem Hintergrund des Leitzieles „berufliche Handlungskompetenz“ ist obligatorisch. Die implizite Integration und Bedeutung von Praxiserfahrungen, im Dualen System systemimmanent und aus der Struktur der Ausbildung resultierend, muss in einem vollzeitschulischen Bildungsgang wie der höheren Berufsfachschule über gesteuerte und betreute Praktika erfolgen.

Infolge der genannten Festlegungen muss vor der weiteren Planung der didaktisch-methodischen Jahresplanung ein Kompetenzprofil für den Bildungsgang erstellt werden, in das verschieden Faktoren einfließen: curriculare Festlegungen, bildungspolitische Intention, Abschlüsse, erwartete Eingangsvoraussetzungen der Schüler, regionale Besonderheiten, Schulprofil, spezifische Zielsetzungen des Bildungsgangteams, erwartete Bildungsverläufe nach Abschluss oder auch vorzeitiges Verlassen des Bildungsganges. Bestimmend ist weiter die Prämisse eines komplexen Verständnisses von Handlungsorientierung, das auf allen didaktischen Handlungsebenen wirksam wird (vgl. BADER 2002, 71 ff.). Weiter erfolgt eine Differenzierung von Handlungskompetenz in Kompetenzbereiche (vgl. OTT 1997, 33), wobei Lern- und Methodenkompetenz als integraler Bestandteil der anderen Kompetenzbereiche, nach Verständnis des Bildungsganges, eine besondere Bedeutung zukommt. Ergänzend zu den bereits genannten Parametern, die das Kompetenzprofil und die Bildungsgang- und Unterrichtsentwicklung insgesamt beeinflussen, ist eine weitere Festlegung bestimmend; insbesondere aus der Analyse des Lehrplans, der Bedingungsanalyse der Schülerklientel und  der Stufung der möglichen Abschlüsse in Unter- und Oberstufe verständigt sich der Bildungsgang darauf, in der Unterstufe Praxis, Praxisreflexion und entsprechend orientierte Lehr-Lern-Arrangements in den Vordergrund zu stellen, um Schülern jederzeit den Wechsel in duale Ausbildungsverhältnisse zu ermöglichen mit einem im Hinblick darauf angemessenen Kompetenzniveau. Um dieser Intention zu entsprechen, werden Ausbildungsbetriebe der Region in die Entwicklung des Kompetenzprofils mit einbezogen, ebenso in die Entwicklung der fachpraktischen Vorgaben/Arbeitsaufträge für die Praxisphasen. Ziel ist dabei, bereits an diesem Punkt die elementare Bedeutung fachpraktischer Kenntnisse zu verankern und für die weitere Planung bestimmend zu machen. Dies gilt für schulische Lehr-Lern-Arrangements, noch mehr aber für die Planung, Durchführung und Reflexion der Praxisphasen. Der Einbezug fachpraktischer Kompetenzen aus dem Bauhandwerk sichert Authentizität und Praxisrelevanz, fördert darüber hinaus implizit die Akzeptanz des Bildungsganges bei potentiellen Ausbildern mit dem Ziel eines möglichst reibungslosen vertikalen Übergangsmanagements in regionale Netzwerke.

In der Oberstufe muss die Ausrichtung auf die Fachhochschulreifeprüfung mit dem Ziel von Studierfähigkeit die wissenschaftspropädeutische Reflexion von Praxis betonen. Ein Ausschnitt aus dem Kompetenzprofil mit angestrebten (übergreifenden) Kompetenzen für die berufsbezogenen Fächer soll dies veranschaulichen (Tabelle 3). Die Konkretisierung der Kompetenzen erfolgt jeweils in den Lernsituationen bzw. in den Vorgaben/Arbeitsaufträgen für die Gestaltung der Praxisphasen.

Tabelle 3:           Ausschnitt aus dem Kompetenzprofil der Zweijährigen Berufsfachschule Fachrichtung Technik – Fachlicher Schwerpunkt Bau- und Holztechnik, Profilbildung Bautechnik

Unterstufe (Schwerpunkt: berufliche Handlungskompetenz):

Die Schüler/innen sind fähig und bereit einfache, an der Praxis orientierte fachliche Problemstellungen der Bau- und Holztechnik zu lösen. Dazu nutzen sie Fachtexte und Informationen aus dem Internet, bereiten diese für sich und  andere sachlich und sprachlich richtig auf und stellen sie verständlich dar. Die Schüler/innen

·         kennen die Phasen der Bauplanung und erkennen deren Interdependenz.

·         kennen grundlegende Techniken der Vermessung.

·         kennen wesentliche Werkstoffe des Mauerwerksbaus und entsprechende Konstruktionen.

·         kennen Grundlagen der Betontechnologie und erkennen Zusammenhänge zwischen statischen Grundlagen und Bewehrung.

·         …

Im berufspraktischen Kontext sind die Schüler/innen in der Lage, für das Berufsfeld Bau- und Holztechnik charakteristische und exemplarische praktische Aufgaben auf einem niedrigen Anspruchsniveau und unter Anleitung zu bewältigen, z.B.:

·         herstellen von Baukörpern aus Steinen

·         herstellen von Bauteilen aus Beton

·         durchführen von Messungen

·         …

 

Oberstufe (Schwerpunkt: Studierfähigkeit):  Die Schüler/innen sind fähig und bereit, sich möglichst selbständig auch komplexe berufsbezogene und berufsübergreifende Sachverhalte zu erarbeiten und diese sachlich richtig und verständlich sowie ansprechend für sich und andere aufzuarbeiten. Sie nutzen hierfür umfangreichere und anspruchsvollere deutsche und englische Quellen sowie mathematische und physikalische Modelle und Tabellenbücher. Die Schüler/innen

·         kennen Elemente des Bauplanungsrechts, wie Flächennutzungsplan und Bebauungsplan und können deren Bedeutung im Planungsprozess beurteilen.

·         erkennen die Bedeutung des Feuchteschutzes im Hochbau und wenden entsprechende Konstruktionsprinzipien an.

·         kennen wesentliche bauphysikalische und konstruktive Grundlagen und Prinzipien des Wärmeschutzes und wenden diese bei der Planung einer mehrschaligen Mauerwerkskonstruktion an.

·         planen komplexe Stahlbetonkonstruktionen und stellen sie adressatengerecht dar.

·         können anhand einer einfachen Holzkonstruktion (Hochempore) eine Bemessung nach DIN 1052 durchführen. Dazu berechnen sie Auflagerkräfte, Querkräfte und Momente und stellen diese zeichnerisch dar.

·         kennen wesentliche Dach- und Deckenkonstruktionen aus Holz und können statische Nachweise der Festigkeit durchführen.

·         können grundlegende Treppenarten unterscheiden und in diesem Kontext wesentliche Berechnungen durchführen.

·         …

Ausgehend von diesen und weiteren Festlegungen und Vorgaben erfolgt ein erster Entwurf der didaktisch-methodischen Jahresplanung, die wesentliche Parameter für die Unterrichtsplanung, -durchführung und -evaluation enthält. Dazu gehören insbesondere die Anordnung der Themenbereiche („Lernfelder“), eine Übersicht über die komplexen Lehr-Lern-Arrangements („Lernsituationen“) und ihre zeitliche Anordnung sowie die Dokumentation der Lehr-Lern-Arrangements (vgl. LFS NRW 2005, 12).  Darüber hinaus erfolgen in diesem Kontext die inhaltliche und organisatorische Steuerung der Praxisphasen sowie deren unterrichtliche Integration.

Ein exemplarischer Ausschnitt aus der DJ soll die Transformation der Vorgaben des Kompetenzprofils in die konkrete unterrichtliche Umsetzung als Teil des integrativen Konzeptes von Theorie und Praxis verdeutlichen. Dabei erfolgt aus Gründen der Darstellbarkeit und dem besonderen thematischen Kontext dieses Aufsatzes eine Beschränkung auf die berufsbezogenen Fächer.

In Tabelle 4 ist die Phasierung in Praxisphasen und schulischen Lernort dargestellt sowie exemplarische Beispiele für Lernsituationen. Ergänzend erfolgt an dieser Stelle der Hinweis auf die ausführliche Beratung vor Beginn des Bildungsganges. Neben Einzelinterviews mit den Schülerinnen und Schülern erfolgen bereits vor Beginn des Bildungsganges erste Vorgaben für das vor Beginn des Schuljahres zu absolvierende 4-wöchige Betriebspraktikum. Die Vorgaben verfolgen zwei Kernziele: Die Heterogenität der Erfahrungen in der Lerngruppe soll begrenzt werden und gezielte Beobachtungsaufträge bereiten die ersten schulischen Lehr-Lern-Arrangements und in diesem Kontext die Reflexion der Praxiserfahrungen vor.

 

Tabelle 4:           Phasierung der Lernorte und Anordnung der Lernsituationen bzw. deren Ausgestaltung in der Unterstufe (Ausschnitt)

Zeit

 

Lernort

Sommer-ferien

4 Wo.

Beginn SJ bis Herbst-ferien

Herbst-ferien

2 Wo.

Herbstferien bis Weihnachts-ferien

Weihnachts-ferien bis Ostern

Oster-ferien

2 Wo.

Ende Oster-ferien bis Ende SJ

Praxis

P 1

 

 

 

 

 

 

Schule

 

 

LS 1

LS 2

LS 3

 

 

 

 

 

Praxis

 

 

P 2

 

 

 

 

Schule

 

 

 

LS 4

LS 5

 

 

 

Schule

 

 

 

 

LS 6

LS 7

 

 

Praxis

 

 

 

 

 

P 3

 

Schule

 

 

 

 

 

 

LS 8

LS 9

 

Lernsituationen und angestrebte Kompetenzentwicklung (Ausschnitt)

 

Themenbereich: Vorbereiten eines Bauvorhabens

 

 

Kurzbeschreibung der

Lernsituation

Kompetenzen

 

LS 1

Wir bauen ein Haus

Die Schülerinnen und Schüler erkennen die Phasierung des Bauablaufes in üblichen Hochbauprojekten, kennen erste Begrifflichkeiten und erkennen die komplexe Vernetzung der am Bauablauf Beteiligten.

LS 2

Grundlagen des Bau- und Planungsrechts

Die Schülerinnen und Schüler kennen wesentliche planungsrechtliche Rahmenbedingungen.

Themenbereich: Planen einer einschaligen Mauerwerkskonstruktion

 

 

Kurzbeschreibung der

Lernsituation

Kompetenzen

 

LS 3

Mengenermittlung im Mauerwerksbau

Die Schülerinnen und Schüler kennen relevante künstliche Mauersteine und deren Eigenschaften und beurteilen diese nach ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

LS 4

Feuchteschutz / Abdichtung einschaligen Mauerwerks

Die Schülerinnen und Schüler leiten aus der für den Feuchteschutz relevanten Normen Kriterien für eine hinreichende Abdichtung eines Bauwerkes ab.

 

Noch eine Ergänzung zu den Vorgaben hinsichtlich der Praktika; diese begleiten die Schülerinnen und Schüler über die gesamte Dauer des Bildungsganges vor dem Hintergrund der oben genannten Kernziele. Erst über diese Vorgaben und gezielte Beobachtungsaufträge ist eine stringente Verzahnung von Praxiserfahrungen mit dem schulischen Lernort möglich. Insofern greift der Bildungsgang mit dieser Konzeption ein Dilemma dualer Bildungsgänge auf, in denen eine solche Verzahnung eben nicht oder nur unvollständig möglich ist aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten und noch mehr heterogener betrieblicher Strukturen, Arbeitsprozesse und Tätigkeitsschwerpunkte.

Eine letzte Anmerkung zu den Praxisphasen: Um deren Bedeutung auch im Blick der Schüler zu unterstreichen und wirklich zeitnah auf Spezifika der Praxiserfahrungen reagieren zu können, werden alle Schüler während der Praktika von den Mitgliedern des Lehrerteams besucht und über einen strukturierten Fragebogen interviewt, gleiches gilt für die betrieblichen Ansprechpartner bzw. zuständigen Betreuer. Diese Dokumentationen sind ein Leitfaden für Einzelgespräche mit den Schülern nach Beendigung des Praktikums und bieten darüber hinaus eine Möglichkeit, Erfahrungen zielgerichtet auf einer sachbezogenen Ebene zu reflektieren. Als mögliche Reaktion darauf werden z.B. gezielt Exkursionen in den schulischen Lernort integriert, um bestimmte Lehr-Lehr-Arrangements besser vor- oder nachbereiten zu können.

3.2         Integration bzw. Interdependenz betrieblicher Praxisphasen und schulischer Lehr-Lern-Arrangements

An dieser Stelle soll die Bedeutung betrieblicher Praxisphasen und deren Interdependenz mit schulischen Lehr-Lern-Arrangements für die Kompetenzentwicklung im Bildungsgang exemplarisch weiter veranschaulicht werden. Im Kern geht es darum, Praxisphasen möglichst systematisch einzubinden, also eine oft praktizierte modulare Struktur durch ein integratives Konzept zu ersetzen.

Vor der weiteren Konkretisierung macht es Sinn, diese Akzentuierung der Praxisphasen zunächst allgemein zu legitimieren. Auf curricularer Ebene und im Hinblick auf die Bildungsgang- und Unterrichtsentwicklung wurde dies bereits ausreichend reflektiert. Ergänzend zu den oben genannten bildungspolitischen Rahmenbedingungen soll noch einmal auf die grundsätzliche Abgrenzung des Berufskollegs gegenüber allgemein bildenden Schulen verwiesen werden, also die Ausrichtung aller Fächer auf den beruflichen Kontext mit dem Leitziel der Entwicklung beruflicher bzw. ganzheitlicher Handlungskompetenz. Diese Zielsetzung intendiert bereits die Verzahnung aller Erfahrungsbereiche der Lernenden, insbesondere die Verknüpfung beruflicher Praxis mit der theoretischen Reflexion in der Schule. Auch die möglichen Abschlüsse / Zertifikate bzw. notwendigen Kompetenzen der Lernenden im Hinblick auf eine qualifizierte Ausbildung im Berufsfeld Bau implizieren eine Integration beruflicher Praxisphasen in den vollzeitschulischen Bildungsgang.

Die komplexe Ebene der lerntheoretischen Legitimation soll schlagwortartig angesprochen werden. Handlungsorientierung als komplexes didaktisches Konzept (vgl. BADER 2002, 71 ff.) wurde bereits als Leitidee der Bildungsgang- und Unterrichtsentwicklung eingeführt. Auswirkungen auf alle didaktischen Überlegungen und insbesondere die Lehr-Lernprozessgestaltung wurden ebenfalls bereits skizziert und damit auch die wesentliche Bedeutung der Praxiserfahrungen im Kontext dieser Konzeption. Die lernpsychologische Bedeutung subjektiver Vorerfahrungen für eine erfolgreiche Kompetenzentwicklung ist ohnehin unstrittig (vgl. LANDWEHR 1997, 228 ff.), ebenso die Relevanz von Problemorientierung als wesentlichem Merkmal von Handlungsorientierung: „Konstitutiv für die problemorientierte Didaktik ist die Anbindung des Lernens an eine praxisbezogene und - aus Sicht der Lernenden - herausfordernde Problemstellung“ (EULER/ HAHN 2007, 116). Auch für die Unterrichtsqualität sind praktische Erfahrungen ein wesentlicher Parameter: „Einen zentralen Stellenwert nehmen in der neueren Diskussion über Unterrichtsqualität…Konzepte wie Authentizität, Verknüpfung mit dem Alltag und der Lebenswelt ein“ (HELMKE 2009, 217). Dabei geht der Bildungsgang davon aus, dass Alltag und Lebenswelt für die spezifischen Schülerinnen und Schüler der Berufsfachschulen in wesentlichen Teilen von, zumindest im weiteren Sinne, beruflich relevanten Parametern bestimmt werden.

Nach diesem Exkurs soll ein Ausschnitt des Bildungsgang-Verlaufes skizziert werden, an dem der integrative Ansatz auf einer möglichst praktischen Ebene greifbar wird. Zeitlich ist dieser Ausschnitt der ersten Phase nach Beginn des Bildungsganges zugeordnet. Hier kann davon ausgegangen werden, dass die Schülerinnen und Schüler, aufgrund der Empfehlungen des Lehrerteams bei Beratungsgesprächen vor Eintritt in den Bildungsgang, ein mehrwöchiges Baustellenpraktikum (P 1) absolviert haben. Allerdings sind hier gewonnene Erfahrungen und Eindrücke sehr heterogen und wenig reflektiert. Folglich ist ein wesentliches Ziel der ersten Lehr-Lern-Arrangements (LS 1,2), Erfahrungen zu strukturieren und einen Überblick über die komplexen Bereiche und Beteiligten des Baugeschehens zu geben. Dabei wird der Prozesscharakter eines Bauvorhabens in den Vordergrund gestellt, um ein Verständnis für die Abläufe und Akteure bei Abwicklung eines Bauprojektes zu fördern.

Ein weiteres Lehr-Lern-Arrangement (LS 3) der Unterstufe (Tabelle 5) soll die Verzahnung von schulischen Lehr-Lern-Arrangements, Praxiserfahrungen und Praxisreflexion im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung im Bildungsgang weiter transparent machen. Dieses ist vor dem Praktikum in den Herbstferien positioniert und ermöglicht eine Entwicklung von fachlichen Kompetenzen in einem zentralen Handlungsfeld der Bautechnik. Nach der primär prozessbezogenen Auseinandersetzung in der ersten Praxisphase (P 1) und LS 1 bzw. LS 2 erfolgt hier ein erster primär inhaltlich und theoretisch fundierter Zugang zu einer zentralen baupraktischen Problemstellung.

Tabelle 5:           Lehr-Lern-Arrangement in der Unterstufe im Themenbereich Planen einer einschaligen Mauerwerkskonstruktion (LS 3)

 

Situation:

Das Kellergeschoss der in Schnitt und Grundriss dargestellten Doppelhaushälfte soll aus künstlichen Steinen gemauert werden. Fundamente und Bodenplatte sind bereits hergestellt worden. Die über Tür- und Fensteröffnungen befindlichen Stahlbetonstürze können bei der Mengenermittlung vernachlässigt werden.

Ein geeigneter Mauerstein und Format bzw. Mauerverband wurde noch nicht festgelegt. Entscheidungen über die Wahl der Mörtelgruppe sind auch noch nicht getroffen worden. Es soll Baustellenmörtel verwendet werden, bei dem mit einer Mörtelausbeute von 70 % gerechnet werden kann.

Als Grundlage für die Bestellung der Baustoffe sollen die entsprechenden Mengen ermittelt werden. Bei der Mengenermittlung müssen die Vorgaben der VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) eingehalten werden. Ausstehende Entscheidungen (z. B. Steinart) sind sinnvoll zu treffen.

Aufgabe:

Erstelle mit Hilfe des beiliegenden Bestellfaxes eine Bestellung aller für die Herstellung des Kellermauerwerkes notwendigen Baustoffe. Dabei ist zur Sicherung einer fehlerfreien und schnellen Lieferung auf eine normgerechte Bezeichnung der Materialien zu achten.

 

Folgende angestrebte Kompetenzentwicklung ist diesem Lehr-Lern-Arrangement hinterlegt. Die Schülerinnen und Schüler sind fähig und bereit
·         künstliche Mauersteine und deren Eigenschaften zu beurteilen und diese nach konstruktiven sowie ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszuwählen.
·         geeigneten Mörtel mit einer geeigneten Zusammensetzung auszuwählen und den Einfluss der Mörtelausbeute auf die Mengenermittlung zu berücksichtigen.
·         die VOB als Richtlinie für die Mengenermittlung an einer baupraktischen Problemstellung (Materialbedarf für ein Kellergeschossmauerwerk) anzuwenden und entsprechende Zusammenhänge zwischen Stein- und Mörtelwahl, Mauerwerkskonstruktion sowie planerischen Vorgaben zu erkennen.

Die folgende Praxisphase (P 2) greift das der Lernsituation (LS 3) zugrunde liegende Handlungsfeld in einem berufspraktischen Kontext auf. Aufgrund der heterogenen Arbeitsabläufe in den Praktikumsbetrieben ist ein direkter Anschluss im Sinne der Ausführung geplanter Werkstücke, wie es teilweise in dualen Bildungsgängen in Zusammenarbeit mit überbetrieblichen Lernorten praktiziert wird, nicht möglich. Ein realistischer und legitimer Anspruch ist hier, grundlegende bzw. exemplarische praktische Fertigkeiten des Handlungsfeldes zu erfahren und auf einem niedrigen Anspruchsniveau unter Anleitung praktisch auszuführen.

Daraus resultierend kann für die entsprechende Praxisphase folgende angestrebte Kompetenzentwicklung formuliert werden, die mit den Praktikumsbetrieben abgestimmt und in den Vorgaben/Arbeitsaufträgen für das Praktikum entsprechend dokumentiert ist. Die Schülerinnen und Schüler sind fähig und bereit

·         Mörtel nach vorgegebenen Mischungsverhältnissen und Ausgangsstoffen herzustellen und auf Verarbeitbarkeit zu prüfen.

·         Mauerwerk aus klein- oder mittelformatigen Steinen zu mauern und/oder Blöcke oder Elemente zu kleben.

Auf eine weitergehende Reflexion der angestrebten Kompetenzentwicklungen bzw. eine weitere Differenzierung der Kompetenzen im schulischen Lehr-Lern-Arrangement (LS 3) bzw. der Praxisphase (P 2) wird hier verzichtet. Relevanter ist die Transparenz der durchgängigen Integration von Praxisphasen bzw. die permanente Interdependenz von Theorie und Praxis im Bildungsgangverlauf, die hier exemplarisch ausgeführt und an anderer Stelle legitimiert wurde.

4 Evaluation und Ausblick

Die Relevanz bzw. Integration von Praxisphasen als Leitlinie der Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsentwicklung für die berufliche Kompetenzentwicklung in vollzeitschulischen Bildungsgängen an Berufskollegs ist am Beispiel der Höheren Berufsfachschule in den vorangegangenen Kapiteln konzeptionell und z.T. prozessorientiert dargelegt worden. Dass diese unterrichtliche Konzeption praxistauglich und damit effektiv und wirksam ist, zeigt sich an den Berufsbiographien der Absolventinnen und Absolventen dieses Bildungsganges. Im Folgenden werden hierzu zentrale Daten der Jahrgänge seit 2002 dargestellt und ausgewertet. Anschließend wird das Konzept im Hinblick auf Optimierungsbedarfe evaluiert.

4.1 Berufliche Wege der Absolventinnen und Absolventen

Seit der Einrichtung des Bildungsganges der Höheren Berufsfachschule für Technik am Thomas-Eßer-Berufskolleg im Jahre 2002 haben sich bis heute knapp 200 Schülerinnen und Schüler für eine Qualifizierung durch den Besuch der HöTec-Bau entschieden, knapp ein Drittel davon hat den Bildungsgang während bzw. nach der Unterstufe verlassen bzw. die Klasse wiederholt. Von den übrigen zwei Dritteln hat knapp ein Viertel den Bildungsgang während des zweiten Jahres verlassen bzw. die Fachhochschulreife nicht erreicht.

Interessant sind nun die Berufswege dieser Schülerinnen und Schüler: Von den Schülerinnen und Schülern, die während des ersten Jahres den Bildungsgang verlassen haben, sind über die Hälfte nach dem ersten Praktikum von ihren Praktikumsbetrieben in eine ausbildungsnahe Beschäftigung übernommen worden, zumeist über das Sonderprogramm EQJ (Einstiegsqualifizierungsjahr) der BA. Von den übrigen Schülerinnen und Schülern haben sich die meisten für ein anderes Berufsfeld (z.B. metalltechnisch, kaufmännisch, …) entschieden und sind in entsprechende Bildungsgänge gewechselt.

Von den Absolventen der zwei Jahre mit FHR-Abschluss und erweiterten beruflichen Kenntnissen haben gut die Hälfte eine Berufsausbildung im Berufsfeld Bau- und Holztechnik begonnen, und zwar zu fast 80 % in einem Betrieb, bei dem sie im Laufe des zweijährigen Bildungsgangs ein Praktikum absolviert haben (z.B. als Bauzeichner, Tischler oder Straßenbauer), ein Viertel ist in andere Berufsausbildungen gewechselt (z.B. Polizei und Feuerwehr) oder haben zunächst ihren Wehr-  bzw. Zivildienst abgeleistet. Absolventen der HöTec-Bau, die eine Ausbildung in einem einschlägigen Beruf des entsprechenden Berufsfeldes antreten, profitieren im Übrigen von der Möglichkeit, die Ausbildungsdauer zu verkürzen. Das verbleibende Viertel hat ein bauspezifisches Studium an einer Fachhochschule begonnen. Uns sind aus den zurückliegenden Jahren nur  drei Schüler bekannt, die trotz intensiver Berufsorientierung und Berufsvorbereitung durch die HöTec-Bau keinen Einstieg in die weiteren Übergangssysteme gefunden haben.   

Damit zeigt sich, dass eine Verzahnung von Praxisphasen im Hinblick auf eine vertikale Vernetzung von regionalen Bildungsangeboten in einem vollzeitschulischen Bildungsgang einen wichtigen Beitrag zum Übergang in die Erwerbswelt und zur beruflichen Orientierung durch Kompetenzentwicklung leistet. Dies gilt umso mehr, als die Voraussetzungen der Absolventinnen und Absolventen bei Beginn des Bildungsganges, wie in Kapitel 2 beschrieben, durchaus als heterogen und brüchig bzw. problematisch zu bezeichnen waren.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass deutlich mehr als 75% aller Schüler der HöTec-Bau einen weiteren beruflichen Weg in erwerbstätigkeitsnahen Übergangssystemen in diesem Berufsfeld eingeschlagen haben. Neben der durch den Besuch des Bildungsganges deutlich verbesserten Ausgangsposition auf dem Ausbildungsmarkt lässt diese Zahl eine weitere Interpretation zu: Durch die besondere Gestaltung des vollzeitschulischen Bildungsganges werden nicht nur Möglichkeiten zur weiteren Kompetenzentwicklung und Qualifizierung in einem Berufsfeld geboten, sondern auch Gelegenheiten zur individuellen Orientierung und Identifikation in einem Berufsfeld, was die im Hinblick auf das Kompetenzprofil des Bildungsganges ganzheitliche Ausrichtung der intendierten Kompetenzentwicklung stützt.

Diese abstrakte Feststellung kann mit exemplarischen Bildungsverläufen illustriert werden: Mehrere Schülerinnen und Schüler haben bereits ein Studium im Diplomstudiengang Bauingenieurwesen abgeschlossen und sich in diesem akademischen Feld etabliert, bereits drei Schüler sind nach erfolgreicher Ausbildung und Besuch der Meisterschule in entsprechenden Führungspositionen des Bauhandwerks tätig. Diese Bildungsverläufe und die oben genannten abstrakten Zahlen bestätigen die doppelqualifizierende bildungspolitische Ausrichtung und deren Konkretisierung im Bildungsgang, also die Parallelität von berufspraktischer Qualifizierung und Studienvorbereitung.

4.2 Kritische Reflexion der Konzeption

Trotz der überwiegend positiven Ergebnisse gibt es auf der Prozessebene noch Optimierungsbedarfe dieser Konzeption, die hier kurz skizziert werden. Die inhaltliche Verzahnung der Praxisphasen mit den Lehr-Lern-Arrangements in der Schule ist nicht immer reibungslos durchzuführen, da zum einen nicht genügend Praktikumsstellen in Bauhauptberufen zur Verfügung stehen und zum anderen die Tätigkeitsschwerpunkte der Praktikanten überwiegend am wirtschaftlichen Bedarf der Unternehmen ausgerichtet sind.

Dieser Tatsache könnte entgegengewirkt werden, indem zum einen die Berufskollegs mit mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um über eigene Lehrwerkstätten standardisierte Praxisphasen zu ermöglichen. Zum anderen gilt es auch im Sinne einer „Lernenden Region“ mehr Unternehmen der Region aus dem Bauhandwerk als Lernpartner zu gewinnen, die ähnlich den Ausbildungsbetrieben und als zukünftige Ausbildungsbetriebe von ihrer Seite aus einzelne Phasen der beruflichen Qualifizierung mit unterstützen.

Innerhalb der schulischen Unterrichtsgestaltung ist sicherlich eine Ausweitung der Lehr-Lern-Arrangements im Sinne eines fächerübergreifenden Unterrichts von technologischen und allgemein bildenden Fächern notwendig und sinnvoll. Zu diesen Ansätzen gibt es bereits eine Fülle von Konzepten und Materialien, die im Hinblick auf eine konsequente Berufsvorbereitung spezifiziert werden könnten.

Allerdings sollen an dieser Stelle auch zwei Kernprobleme genannt werden, die an anderer Stelle bereits angesprochen wurden: die Heterogenität der individuellen Kompetenzen bei Eintritt in den Bildungsgang sowie der, vom Prinzip positive (s.o.) Dualismus von Berufsqualifizierung und Studienvorbereitung.

Bezüglich der Heterogenität reagiert der Bildungsgang mit zunehmend komplexeren Eingangstests („Kompetenzchecks“), insbesondere in den für die Fachhochschulreifeprüfung relevanten Kernfächern Mathematik, Deutsch und Englisch, mit dem Ziel, individuelle Förderpläne für die Schülerinnen und Schüler zu entwickeln. Allerdings ist der Spielraum dafür aufgrund schul- und unterrichtsorganisatorischer Rahmenbedingungen recht klein. Dies hat zur Folge, dass ein nicht unerheblicher Teil den Bildungsgang ohne höherwertigen Schulabschluss verlässt. Auch wenn die meisten dennoch erfolgreich in qualifizierte Ausbildungen wechseln, bleibt dieser Zustand doch unbefriedigend.

Die oben genannten Stärken der dualen Ausrichtung des vollzeitschulischen Bildungsganges bergen allerdings Schwächen in der konkreten Unterrichtspraxis und Grenzen der Übertragbarkeit von Konzepten dualer Bildungsgänge auf auch für eine akademische Ausbildung qualifizierende vollzeitschulische Bildungsgänge. Ist die Integration berufspraktischer Problemstellungen in fächerübergreifende Lehr-Lern-Arrangements in der Unterstufe noch unproblematisch und sinnhaft realisierbar, kann das in der Oberstufe nur noch an wenigen Stellen praktiziert werden. Dies resultiert zum einen aus den, aufgrund des wissenschaftspropädeutischen Anspruchs, zunehmend komplexer werdenden baufachlichen Inhalten, zum anderen müssen sich die abiturrelevanten Fächer emanzipieren um entsprechenden fachbezogenen Standards in der Abiturprüfung gerecht zu werden. Letzteres wird mit dem Anspruch zentraler Prüfungen weiter verschärft.

 


Literatur

BADER, R. (2002): Handlungsorientierung in der Berufsbildung. In: Die Berufsbildende Schule, 54, H. 3, 71-73.

BADER, R. (2003): Lernfelder konstruieren - Lernsituationen entwickeln. In: Die Berufsbildende Schule, 55, H. 7-8, 210-217.

EULER, D./ HAHN, A. (2007): Wirtschaftsdidaktik. Bern.

HANDWERKSKAMMER AACHEN (HWK AACHEN) (2009): Sonderumfrage „Ausbildungssituation im Handwerk 2009“. Online: http://www.hwk-aachen.de/fileadmin/user_upload/downloads/sonderumfragen/su_09_ausbildungssituation.pdf (12-11-2009).

HELMKE, A. (2009): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität – Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze-Velber.

INSTITUT ARBEIT UND QUALIFIKATION (IAQ) (2008): Allgemeine Informationen zum Übergangsmanagement. Online: www.uebergangsmanagement.info/html/allgallg.html (12-11-2009).

KMK (1999): Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. Bonn.

KMK (2009): Bildung/Schule. Berufliche Bildung, Online: http://www.kmk.org/bildung-schule/berufliche-bildung.html (12-11-2009).

LANDESINSTITUT FÜR SCHULE NRW (LFS NRW) (2005): Didaktische Jahresplanung. Soest.

LANDWEHR, N. (1997): Neue Wege der Wissensvermittlung. Aarau.

MSW NRW (2009): Allgemeine Prüfungsordnung Berufskolleg (APO-BK)  § 1 Abs.1. In: BASS 13-33 Nr.1.2. Düsseldorf.

MSW NRW (2001): Curriculare Vorgaben und Skizzen Technik. Online:  http://www.berufsbildung.schulministerium.nrw.de/cms/upload/bf/download/tafeln.pdf (12-11-2009).

MSW NRW (2006): Praktikums-Ausbildungsordnung. In: BASS 13 – 31 Nr. 1. Düsseldorf

OTT, B. (1997): Grundlagen des beruflichen Lernens und Lehrens. Berlin.

SOMMER, B. (2007): Grußwort von Barbara Sommer auf dem Berufskollegtag am 22.02.2007 zum Thema „Neue Anforderungen in der beruflichen Bildung“. Online: www.nrw.dgb.de/Aktionen/Berufskollegtag_22.02.07/Dokumentation.pdf (12-11-2009).

STATISTISCHES BUNDESAMT (2008): Datenreport 2008. Kapitel 3: Bildung. Online: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Querschnittsveroeffentlichungen/Datenreport/Downloads/Datenreport2008Bildung,property=file.pdf  (12-11-2009).

Zitieren dieses Beitrages

FÜLLING C., REXING V. (2009): Kompetenzentwicklung in vollzeitschulischen Bildungsgängen des Berufskollegs- Integration betrieblicher Praxisphasen als Leitlinie der Unterrichtsentwicklung. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 17, 1-20. Online: www.bwpat.de/ausgabe17/fuelling_rexing_bwpat17.pdf (17-12-2009).

 

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