bwp@ 32 - Juni 2017

Betrieblich-berufliche Bildung

Hrsg.: Karin Büchter, Martin Fischer & Tobias Schlömer

Wirksamkeit und Einflussfaktoren auf den Lerntransfer in der formalisierten betrieblich-beruflichen Weiterbildung – Eine qualitative Studie

Beitrag von Cornelia Tonhäuser
bwp@-Format: Forschungsbeiträge

Als maßgebliches Kriterium für die Wirksamkeit formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung, als dem bestimmenden Weiterbildungsverständnis in Unternehmen, sind die Lerntransfereffekte anzusehen. Bislang bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten bezüglich erfolgswirksamer Lerntransferdeterminanten sowie deren Dimensionen i. S. v. Teilaspekten. Daher sollen folgende Forschungsfragen beantwortet werden: 1) Welche individuellen, maßnahmenspezifischen und organisationalen Lerntransferdeterminanten sowie deren Dimensionen lassen sich im Kontext formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung identifizieren? 2) Wie lassen sich Wirksamkeit und Lerntransfer formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung ganzheitlich theoretisch erklären? Um die Lerntransferdeterminanten und ihre Dimensionen analysieren zu können, wurden in einer explorativen qualitativen Studie (n=12) betriebliche Weiterbildungsverantwortliche, Teilnehmende sowie Trainer anhand halbstrukturierter Interviews zu ihren Wahrnehmungen, Bewertungen und Erklärungen des Lerntransfers sowie dessen Einflussfaktoren befragt. Die Daten sind mittels inhaltlich strukturierender Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) ausgewertet worden. Im ersten Teil werden zur Spezifikation des Forschungsdesiderats zentrale Befunde der produkt- und prozessorientierten Lerntransferforschung dargelegt. Im zweiten Teil werden Zielsetzung, Forschungsfragen, Untersuchungsdesign sowie Stichprobe der Studie erläutert. Danach werden die Ergebnisse nach individuellen, maßnahmen- bzw. lernfeldspezifischen sowie organisationale Einflussfaktoren mittels eines Kategoriensystems mit drei Hauptkategorien, 18 Subkategorien sowie deren Dimensionen systematisiert. Im dritten Teil wird das unter Einbezug der qualitativen Ergebnisse entwickelte holistische Rahmenmodell vorgestellt, welches die Wirksamkeit und den Lerntransfer formalisierter beruflich-betrieblicher Weiterbildung als Folge verschiedener Angebots- und Nutzungsmerkmale erklärt. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und kritisch diskutiert. 

Effectiveness of, and factors that influence learning transfer in formal, in-company continuing vocational education and training – a qualitative study

English Abstract

Learning transfer effects are key indicators of the effectiveness of formal, in-company CVET (continuing vocational education and training); in fact they are the guiding principle behind such training. So far, however, there has been much uncertainty regarding the determinants of successful learning transfer and the dimensions (or types) of those aspects. In our study, we pose the following research questions: 1) Which specific learning transfer determinants and their dimensions can be identified in the context of formal, in-company CVET – in terms of particular fields of measure and in organizational terms? 2) Can a comprehensive theory be found to explain the effectiveness and learning transferability of formal, in-company CVET? In order to analyse learning transfer determinants, we carried out an explorative, qualitative study (n=12) using semi-structured interviews to ask respondents about their perceptions, assessments, and explanations of the learning transfer process, and of the factors that influence it. Respondents comprised those in charge of in-company CVET, as well as trainees and trainers. The data were subjected content-structuring analysis using the Mayring (2010) method. In part one, we narrow down our research goal by reviewing key studies in product- and process-driven learning transfer. In part two we explain the goals, research questions, design, and samples of our study. We then classify the results according to particular fields of measure and learning and organizational factors using a system of three main categories, 18 sub-categories, and their dimensions. In part three we present our holistic framework, developed with reference to the qualitative study – a framework that explains the effectiveness and learning-transfer success of formal, in-company CVET as a consequence of various types of activities and applications. We finish with a summary and a critical discussion of the results.

1 Problemhintergrund

Der Diskurs in Wissenschaft und Praxis über die Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit betrieblich-beruflicher Weiterbildung hat sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert. Vor dem Hintergrund des Wandels von der Input- zur Outputsteuerung sowie den gestiegenen Weiterbildungsinvestitionen deutscher Unternehmen hat in der Weiterbildung in den letzten Dekaden eine Neuorientierung stattgefunden. Da hohes Kostenbewusstsein und strikte Ergebnisorientierung inzwischen auch für die betriebliche Weiterbildung gelten, ist eine effiziente Steuerung beruflicher Bildungsprozesse von hohem Interesse. In diesem Kontext hat die Evaluationsforschung zur Bewertung der Wirksamkeit von Weiterbildungsmaßnahmen einen hohen Stellenwert. Dem Lerntransfer kommt hierbei die zentrale Schlüsselrolle zu, denn der Lerntransfererfolg sollte das maßgebliche Kriterium für die Evaluation sein. So ist die Wirksamkeit betrieblich-beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen erst dann gegeben, wenn der Transfer des Erlernten aus der Lern- in die Anwendungssituation möglichst dauerhaft gelingt (vgl. Mandl/Prenzel/Gräsel 1992, 126). Es bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten bezüglich der Lerntransferwirkung formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen sowie zentraler Einflussfaktoren und deren Dimensionen i. S. v. Teilaspekten, die den Lerntransfer fördern oder hemmen. Vor allem die Wirksamkeit formalisierter Weiterbildungsmaßnahmen in Form von Seminaren, Kursen oder Trainings wird immer wieder angezweifelt. Auch verweisen empirische Studien übereinstimmend darauf, dass in der Praxis die Wirkungs- bzw. Erfolgsevaluation von Weiterbildungsmaßnahmen vorrangig mittels subjektiver Zufriedenheits- und Zielerreichungseinschätzungen seitens der Teilnehmenden erfolgt. Eine systematische und konsequente Transferevaluation findet im Praxisfeld bislang eher selten statt (vgl. Kabst/Giradini 2009, 37f.; Saks/Burke 2012, 120).

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Begriff und Problematik des Lerntransfers

In der Transferforschung wird allgemein unter Transfer die Übertagung von etwas in einem bestimmten Kontext neu Gelerntem auf einen anderen Kontext verstanden (vgl. Mandl/Prenzel/Gläsel 1992, 127). In der pädagogisch-psychologisch orientierten Literatur wird zudem häufig anstelle des ungenauen Begriffs „Transfer“ das Präfix „Lern-“ verwendet. Im Kontext der betrieblich-beruflichen Weiterbildung sprechen Baldwin und Ford (1988, 63) von einem Grad, zu dem Weiterbildungsteilnehmende ihre neuen Kenntnisse, Fähigkeiten und Einstellungen im Arbeitskontext anwenden. Hierbei betonen sie, dass das gelernte Verhalten generalisiert und über einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten werden soll, um einen Transfererfolg nachhaltig zu sichern. Von Transfer kann dann gesprochen werden, wenn sich die in einer Lernsituation erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf eine nachfolgende Leistung in einer Anwendungssituation auswirken (Salomon/Perkins 1989, 115f.). In der Forschung besteht Konsens darüber, dass dem Lerntransferprozess zwei unterschiedliche Situationen zugrunde liegen: die Lern- und die Anwendungssituation. Innerhalb der betrieblich-beruflichen Weiterbildung werden daher ‚source‘ als Lernfeld und ‚target‘ als betriebliches Funktionsfeld unterschieden (vgl. Meißner 2012, 26ff.). Somit stellt Transfer das Bindeglied vom Lernen bzw. der Kompetenzentwicklung zum Anwenden dar.

Trotz intensiver Forschungsbemühungen ist in Anschluss an Hasselhorn und Mähler (2000, 89ff.) auch heute noch zu konstatierten, dass die Lerntransferproblematik sowohl theoretisch als auch praktisch unzureichend gelöst ist. Die Problematik des Lerntransfers wird darin gesehen, dass es den Weiterbildungsteilnehmenden häufig nicht optimal gelingt, das in formalisierten Weiterbildungsmaßnahmen Gelernte auf den Arbeitsalltag zu übertragen. So werden in der Literatur immer wieder Vermutungen und Schätzungen bezüglich niedriger Transferquoten von unter 20% kolportiert (vgl. Baldwin/Ford 1988, 63; Kauffeld et al. 2008, 50). Der geringe Transfererfolg wird u. a. damit erklärt, dass eine formalisierte Weiterbildungssituation die hochkomplexe Situation am Arbeitsplatz nicht hinreichend abbildet. Mandl, Prenzel und Gräsel (1992, 126) spezifizieren daher für die betriebliche Weiterbildung das bedeutsame Problem: „Wie nämlich sind Weiterbildungsmaßnahmen oder das ‚Lernfeld‘ zu gestalten, damit das Gelernte am Arbeitsplatz, ‚im Funktionsfeld‘ angewendet wird?“. In diesem Zusammenhang ist eine genaue Kenntnis und Analyse der Einflussfaktoren auf den Lerntransfers notwendig. Die bisherige empirische Forschung (siehe dazu Kapitel 2.3.2) konnte bereits zahlreiche erfolgswirksame Lerntransferdeterminanten identifizieren. Das Gros der Studien fokussiert jedoch nur auf wenige Einflussfaktoren, sodass bislang mehrheitlich Versuche fehlen, die transferwirksamen Einflussfaktoren in ihrer Gesamtheit, ihren jeweiligen Dimensionen sowie ihrem komplexen Beziehungsgefüge zueinander zu erfassen (vgl. Kauffeld 2010, 131; Tonhäuser/Büker 2016, 147ff.). Vor dem Hintergrund, dass bislang eine umfassende Theorie zur Erklärung des komplexen Lerntransferprozesses fehlt (vgl. Cheng/Hampson 2008, 335f.), wird zur weiteren theoretischen Fundierung nachfolgend zunächst auf bisherige zentrale Erklärungsansätze eingegangen. Diese sind im Kontext behavioristischer, kognitivistischer und konstruktivistischer Ansätze und Lerntheorien entwickelt worden. Sie ermöglichen vor dem Hintergrund des jeweiligen Lernparadigmas Erklärungen für spezifische Aspekte des Lerntransfers sowie der Lerntransferwirkung. Im Anschluss werden zentrale Befunde der produkt- sowie prozessbezogenen Forschungsansätze zur Wirksamkeitsevaluation betrieblich-beruflicher Weiterbildung dargelegt.

2.2 Zur Bedeutung von Lerntheorien zur Erklärung der Lerntransferwirkung

Die Übertragung von im Lernfeld (‚source‘) erworbenen Wissens und kognitiver Fähigkeiten auf Anwendungssituationen (‚target‘), die eine mehr oder weniger große Ähnlichkeit mit den vorherigen Lernsituationen aufweisen, stellt schon seit Langem eine zentrale Fragestellung der Pädagogik und pädagogischen Psychologie dar. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts sind zahlreiche Theorien entwickelt worden, die bis heute Einfluss auf die Gestaltung von Lernsituationen im Kontext von Weiterbildungsmaßnahmen haben (vgl. Seel 2000, 308f.). So liefern behavioristische, kognitivistische und konstruktivistische Lerntheorien unterschiedliche Erklärungsansätze, unter welchen Bedingungen Lernende in der Lage sind, die im Lernfeld (‚source‘) erworbenen Kompetenzen anschließend im Funktionsfeld (‚target‘) anzuwenden. Zentrale behavioristische, kognitivistische und konstruktivistische Theorien zur Erklärung des Phänomens des Lerntransfers von einer Lernsituation in eine Anwendungssituation gehen von der Annahme aus, dass positiver Lerntransfer abhängig ist von:

  • identischen Elementen in der Basis- und Zielaufgabe (vgl. Thorndike/Woodworth 1901),
  • der Übertragbarkeit genereller Prinzipien (vgl. Judd 1908),
  • der metakognitiven Kontrolle (vgl. Mayer/Wittrock 1996),
  • der Nutzung mentaler Werkzeuge (vgl. Greeno 1989).
2.2.1 Behavioristische Ansätze

Die sich seit Ende des 19. Jahrhunderts entwickelnden behavioristischen Lerntheorien erklären Lernen als von außen beobachtbare Reiz-Reaktionsketten (vgl. Euler/Hahn 2014, 100). Lernen wird hierbei als Verhaltensänderung beschrieben, welche durch die Diskrepanz zwischen zwei beobachtbaren Verhaltensweisen feststellbar ist (vgl. Tulodziecki//Herzig/Blömecke 2004, 18; Euler/Hahn 2014, 100). Mentale Strukturen und Prozesse, die möglichen Verhaltensänderungen zugrunde liegen, sogenannte Kognitionen, wie Denkvorgänge, Einsichten oder Absichten, bleiben im Behaviorismus jedoch unberücksichtigt, da diese nicht beobachtbar sind (vgl. Tulodziecki//Herzig/Blömecke 2004, 18; Euler/Hahn 2014, 101). Auch wird angenommen, dass das Verhalten eines Individuums durch äußere Reize gesteuert werden kann (vgl. Tulodziecki//Herzig/Blömecke 2004, 18).

Die von Thorndike und Woodworth (1901) entwickelte behavioristische Theorie der identischen Elemente betont die situativen Bedingungen. Sie gründet auf der Annahme, dass Lerntransfer nur dann stattfinden kann, wenn in der Basis- und Zielaufgabe bzw. Lern- und Anwendungssituation identische Elemente gegeben sind. Lerntransfer findet demnach statt, wenn die Lernsituation (‚source‘) und die Anwendungssituation (‚target‘) identische Stimulus-Reaktions-Elemente enthalten. D. h. situative Elemente der Lernsituation sind in der Anwendungssituation mit identischen Reaktionen verknüpfbar. Daher ist auch der Umfang der Lerntransferleistung davon abhängig, wie viele gemeinsame Elemente in beiden Situationen vorhanden sind. Die Theorie zeichnet sich durch die starke Fokussierung auf die Lernumgebung aus. Um positiven Lerntransfer zu erzielen, sollte bei der Gestaltung der Lernumgebung die Anwendungssituation möglichst originalgetreu nachgebildet werden. Lerntransfer ist hier immer spezifisch, sodass keine Prinzipienübertragung erwartbar ist. Die Theorie schließt damit die Möglichkeit unspezifischen bzw. generellen Lerntransfers aus (vgl. Hasselhorn/Mähler 2000, 89f.). Neuere Lerntransferverständnisse gehen davon aus, dass nicht die objektive Ähnlichkeit beider Reize ausschlaggebend ist, sondern die subjektiv wahrgenommene Ähnlichkeit, denn die identischen Elemente müssen vom Lernenden erkannt werden (vgl. Euler/Hahn 2014, 410). Durch die starke Fokussierung auf die Lern- und Anwendungssituation rückt in der Theorie zudem die die Bedeutung der Lernenden im Lerntransferprozess in den Hintergrund (vgl. Festner 2012, 18).

2.2.2 Kognitivistische Ansätze

Im Unterschied zu behavioristischen Ansätzen, die auf Reiz-Reaktions-Vorgänge fokussieren, werden bei kognitiven Lerntheorien Annahmen über die inneren Prozesse und Mechanismen der Informationsverarbeitung beim Lernen getroffen. Der Wissenserwerb wird hierbei als aktiv gesteuerter Prozess verstanden, bei dem der Lernende die neuen Informationen aufmerksam aufnimmt, sie in einem angemessenen Ausmaß wiederholt und mit seinem bestehenden Wissen vernetzt. Auf diese Weise werden die neuen Inhalte relativ dauerhaft im Langzeitgedächtnis gespeichert und können idealerweise zu späteren Zeitpunkten abgerufen werden (vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 49ff.).

Ein zentraler kognitivistischer Ansatz zur Erklärung des Lerntransfers ist von Judd (1908) entwickelt worden. Zentrale Annahme ist, dass Lerntransfereffekte nicht von identischen Elementen abhängig sind, sondern auf allgemeinen Denk- und Problemlösestrategien basieren (vgl. Judd, 1939, 513). Lerntransfer wird hierbei als Übertragung von generellen Prinzipien oder Verallgemeinerungen während der Lernphase erklärt. Lerntransfer findet demnach statt, wenn die Lernsituation und die Anwendungssituation gleiche Teilprozesse erfordern. Leitend ist hierbei die Annahme, dass Lerntransfer abhängig ist von der Einsicht in allgemeine Regelhaftigkeiten, Prinzipien oder Verallgemeinerungen während der Lernphase. Diese allgemeinen Lösungsstrategien bzw. -prinzipien können entweder direkt in Lernsituationen vermittelt oder selbstständig durch den Lernenden hergeleitet werden. Die kognitivistische Theorie des Prinzipientransfers schreibt den allgemeinen Prinzipien, die eine aktive innere Informationsverarbeitung erfordern, somit bedeutsame Lerntransferwirkungen zu. Ziel ist es, den Lernenden im Rahmen von Lernsituationen Einsicht in allgemeine Regelhaftigkeiten zu geben. Sie sollen nicht nur abstraktes Wissen abspeichern, sondern ihre spezifischen Lernerfahrungen abstrahieren, um sie anschließend in strukturähnlichen Situationen einsetzen zu können. Lerntransfer ist hier weniger spezifisch, da die breite Anwendung neu erworbener Kenntnisse sowie die kognitiven Anforderungen betont werden. Dieser Ansatz hebt neben der Bedeutung der Lern- und Anwendungsumgebung für den Lerntransfer somit vor allem das lernende Subjekt und dessen kognitive Denkfähigkeiten hervor (vgl. Hasselhorn/Mähler 2000, 90f.). Jedoch haben verschiedene Untersuchungen im schulischen und beruflichen Kontext gezeigt, dass sich ein spontaner Transfer von Strategien nur selten ereignet. Eine mögliche Ursache hierfür könnte sein, dass die Prinzipien in einen spezifischen inhaltlichen Kontext erworben werden, aus denen sie nur schwer zu lösen sind (vgl. Mandl/Prenzel/Gräsel 1992, 133).

Ein weiterer bedeutsamer kognitivistischer Ansatz zur Erklärung des Lerntransfers stellt die Theorie der metakognitiven Kontrolle dar. Seit der kognitiven Wende in den 1960er-Jahren haben innere Informationsverarbeitungsprozesse von Lernenden zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im Zuge der Analyse dieser inneren Prozesse und Mechanismen ist ein neuer Typus von Theorien entwickelt worden, bei dem die Rolle der metakognitiven Regulation und Kontrolle der eigenen Informationsverarbeitungsprozesse betont wird (vgl. Hasselhorn/Mähler 2000, 91). Unter Metakognitionen werden Phänomene, Aktivitäten und Erfahrungen verstanden, die mit dem Wissen und der Kontrolle über eigene kognitive Funktionen, wie beispielsweise dem Lernen, assoziieret sind (vgl. Hasselhorn 1998, 348). Der metakognitive Ansatz geht davon aus, durch die systematische Vermittlung von Metakognitionen positive Transfereffekte erzielen zu können (vgl. Hasselhorn 1998, 351). Die metakognitive Sicht auf den Lerntransfer beruht auf der Annahme, dass der erfolgreich Lernende Manager seines eigenen allgemeinen und spezifischen Wissens und Lernens ist, wobei es nicht ausreicht, wenn sie nur über spezifisches und allgemeines Wissen verfügen. Sie müssen zudem wissen, wie sie dieses zur Problemlösung einsetzen können (vgl. Mayer/Wittrock 1996, 51). Demnach muss das lernende Individuum über relevantes allgemeines und spezifisches Wissen verfügen und es muss zudem wissen, wie dieses Wissen im Kontext von konkreten Anwendungsanforderungen genutzt werden kann. Dies bedeutet, dass Lerntransfer durch metakognitive Kontrolle durch den Aufbau allgemeiner Schlüsselkompetenzen der Lernsteuerung zur Bewältigung ganz unterschiedlicher Klassen von Aufgaben geprägt wird. Gemäß der metakognitiven Theorie wird Lerntransfer dadurch unterstützt, dass der Lernende die folgenden fünf Phasen eines metakognitiven Prozesses durchläuft: Erfassung der Anforderungen des vorliegenden Problems, Konstruktion eines Lösungsplans, Auswahl einer geeigneten Lösungsstrategie, Überwachung der Zielannäherung und, falls erforderlich, Modifikation des Lösungsplans. Diese Phasen unterstützen die Problemlösung auf metakognitiver Ebene (vgl. Mayer/Wittrock 1996, 50). Im Zentrum von Weiterbildungsveranstaltungen sollte demnach die Vermittlung von metakognitiven Prozessen stehen, welche eingebettet sind in die Vermittlung spezifischen Wissens sowie spezifischer Strategien, bspw. durch anwendungsbezogene Beispiele oder das Üben, Anwenden und Erproben des Gelernten in möglichst realistischen Situationen.

2.2.3 Konstruktivistisch geprägte Ansätze

Der radikale Konstruktivismus nach v. Glasersfeld (1996) geht davon aus, dass jede Wahrnehmung des Individuums einer individuellen Konstruktion und Interpretation unterliegt. Lernprozesse sind demnach autonom und nicht planbar. Das Individuum lernt, indem es eigenaktiv konstruiert. Zentral für das Lernen ist das reflektierte Verstehen der Art und Weise, wie Probleme gelöst werden können. Lehren besteht demnach darin, Probleme zu formulieren, die genau jene Denkweise fördern, die der Lernende lernen soll (vgl. v. Glasersfeld 1996, 202). Dieses Verständnis wirft aber Fragen nach der Rolle von Lehrpersonen sowie dem Stellenwert von instruktionalen Anteilen im Rahmen von Lehr-Lernprozessen auf. Heute wird daher von einem gemäßigten konstruktivistischen Lernverständnis ausgegangen. Dieses rekurriert zwar auf Annahmen des radikalen Konstruktivismus, indem der Erwerb von Wissen als eigenaktiver Aufbau kognitiver Strukturen verstanden wird, zugleich werden aber didaktische Prinzipien und Prozesse betont (vgl. Tulodziecki//Herzig/Blömecke 2004, 27). So werden in heutigen gemäßigten konstruktivistischen Lerntheorien authentische und situierte Lernumgebungen aufgrund ihres Problem-, Handlung- und Kontextbezugs als besonders transferförderlich angesehen (vgl. Bergmann/Sonntag 2006, 364f.). Aus gemäßigter konstruktivistischer Sicht wird Lernen als ein individueller Aufbauprozess von Wissen verstanden. Der individuelle und konstruktive Charakter des Wissensaufbaus wird betont. Wissen wird demnach nicht aufgenommen oder erworben, sondern aktiv in einer bestimmten Situation konstruiert. Der Lernende sucht aktiv nach neuen Informationen und interpretiert diese auf Basis seines Vorwissens und seiner Lernintentionen. Diese individuelle Wissenskonstruktion unterliegt dabei der selbstverantwortlichen Überwachung und Kontrolle durch den Lernenden (vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 63f.). Situierte Lernumgebungen intendieren, dass der Lernende neben dem Verstehen neuer Inhalte und dem flexiblen Anwenden neu erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten auch Problemlösefähigkeiten und weitere kognitive Strategien entwickelt sowie in der Lage ist, selbstorganisiert zu lernen (vgl. Reimann-Rothmeier/Mandl 2001, 627).

Der Ansatz der Nutzung mentaler Werkzeuge nach Greeno (1989), als ein Vertreter des situierten Lernens, stellt ein zentrales Konzept im Rahmen der Situated-Cognition-Bewegung dar. Als Reaktion auf die kognitivistische Sichtweise, dass Wissen abstrakt und in dekontextualisierter Form beim Individuum abgespeichert sei, hat Greeno (1989) eine konstruktivistische Gegenposition entwickelt. Hierbei wird die situierte Kognition betont, d. h. Wissen entsteht erst durch Interaktion mit der sozialen und materiellen Umwelt des Lernenden (vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 155). Somit sind Fähigkeiten und Wissen keine individuellen Merkmale einer Person, sondern kennzeichnen vielmehr die Relation zwischen Lernendem und der jeweiligen Situation, in der er sich befindet (vgl. Greeno 1989, 286). Zentral hierbei sind die mentalen Werkzeuge, d. h. Aktivitäten, die das Individuum bereits bei früheren Problemlösungen erfolgreich eingesetzt hat. So können Kulturtechniken, wie Lesen, Schreiben, Rechnen, als grundlegende mentale Werkzeuge angesehen werden. Besteht nun eine funktionale Ähnlichkeit zwischen der früheren und aktuellen Problemsituation, ist positiver Transfer möglich (vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 155). Die Nutzung von mentalen Werkzeugen ist abhängig von den Fähigkeiten des Lernenden sowie von den Handlungsangeboten einer Situation (vgl. Greeno/Moore/Smith 1993, 101f.). Lerntransfer kann nur stattfinden, wenn die Handlungsangebote der Anwendungssituation mit denen der Lernsituation übereinstimmen oder wenn die erlernte Aktivität bei abweichenden Handlungsangeboten entsprechend transformiert werden kann. Transformationen, die früher Gelerntes zu geeigneten mentalen Werkzeugen werden lassen, können durch folgende drei Prozesse unterstützt werden: Erstens kann die Aktivität auf das veränderte situative Handlungsangebot abgestimmt werden. Zweitens besteht die Möglichkeit, relevante Handlungsangebote abzuwägen und daraufhin potenzielle Zustände zu antizipieren. Drittens kann zur Anpassung der Aktivitäten das repräsentierte Wissen in Denkprozessen flexibilisiert werden (vgl. Greeno/Moore/Smith 1993, 105ff.; Hasselhorn/Gold 2013, 155). Demnach bilden die mentalen Werkzeuge die Grundlage des Wissenstransfers. Sie werden genutzt, um für die aktuelle Anforderung ein Situationsmodell zu konstruieren, das mit den Handlungsangeboten und Beschränkungen einer zuvor erfolgreich gelösten Anforderungssituation vergleichbar ist. Auf der Basis dieses Situationsmodells kann dann die aktuelle Anforderungssituation bewältigt werden (vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 156). Dieser Ansatz betont, dass die Anwendung des abstrakten Wissens in Transfersituationen nur über die Nutzung erlernter mentaler Werkzeuge erfolgen kann. Demnach ist es für einen erfolgreichen Lerntransfer entscheidend, dass früher erlernte Aktivitäten zu geeigneten mentalen Werkzeugen transformiert werden können (vgl. Hasselhorn/Gold 2013, 155).

Auch diesem Beitrag liegt ein gemäßigtes konstruktivistisches Lernverständnis zugrunde. So werden in den neueren konstruktivistisch orientierten Lerntheorien situierte Lernumgebungen mit möglichst authentischen Lernsituationen und realistischen Problemen als besonders transferförderlich angesehen (vgl. Bergmann/Sonntag 2006, 364f.). Dem vom konstruktivistischen Denken geprägten Ansatz des situierten Lernens folgend, wird der Vorteil situierter Lernumgebungen darin gesehen, dass durch selbstgesteuertes, erfahrungs-, problemlösungs- und handlungsorientiertes Lernen alle Kompetenzbereiche (Fach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz) angesprochen werden. Damit können Lernende bereits gemachte Erfahrungen und bereits vorhandenes Wissen mit den neuen Lerninhalten verknüpfen. Die Lerntheorie des situierten Lernens stellt zudem den Kontextbezug des Lernens in den Vordergrund (vgl. Reimann-Rothmeier/Mandl 2001, 626). Die Individualisierung von Lernsituationen bedeutet, dass die Lernaufgaben auf die Lebenssituation des Einzelnen zugeschnitten sind. Demnach lernen Individuen besonders erfolgreich, wenn bei der Verarbeitung der Lerninhalte die individuell vorhandenen Wissens- und Erfahrungshintergründe genutzt und die neuen Lerninhalte daran anknüpfen. Die Erfahrungen mit der bislang ungelösten Transferproblematik zeigen aber, dass gerade in formalisierten Weiterbildungsveranstaltungen die Seminar- und Trainingsinhalte den individuellen Lernbedürfnissen der häufig inhomogenen Teilnehmerschaft vielfach nicht gerecht werden und entsprechend der Transfer des Gelernten in den Arbeitsalltag nicht optimal gelingt.

Vor dem Hintergrund der dargestellten zentralen Transfertheorien ist zu konstatieren, dass bislang eine umfassende Theorie zur Erklärung des Lerntransferprozesses und seiner Komplexität fehlt. Die dargestellten Theorien liefern Erklärungsansätze für spezifische Teilaspekte des Lerntransfers. Beispielsweise nehmen die behavioristischen Ansätze ausschließlich die Lernumgebung in den Blick. In allen vorgestellten Theorien bleibt jedoch der Einfluss der Arbeitsumgebung unberücksichtigt. Die bisherigen Ansätze nehmen somit eine etwas verkürzte Sichtweise auf die Erklärung von Lerntransferprozessen ein. Die Ergebnisse der durchgeführten qualitativen Studie sowie die Erkenntnisse aus der Analyse bisheriger Transfertheorien und -modelle bilden daher die Grundlage für die Entwicklung eines holistischen und integrativen Rahmenmodells zur Erklärung des Lerntransfers und seiner Einflussfaktoren (vgl. dazu Kapitel 5).

2.3 Forschungsansätze zur Evaluation der Wirksamkeit betrieblich-beruflicher Weiterbildung

Wie bereits dargestellt, kommt der Evaluationsforschung zur Bewertung der Wirksamkeit von Weiterbildungsmaßnahmen ein hoher Stellenwert zu. Unter Wirksamkeit ist die empirisch nachgewiesene Effektivität einer Weiterbildungsmaßnahme, also der Grad der Zielerreichung sowie die Persistenz der Wirkungen, zu verstehen. Sie ist somit synonym zum Veranstaltungserfolg aufzufassen (vgl. Landert 1999, 29f., 98; Hager 2000, 154f.). Die bisherige Forschung zur Evaluation der Wirksamkeit betrieblich-beruflicher Weiterbildung wird durch zwei zentrale Forschungsansätze geprägt, die nachfolgend dargestellt werden. Die Darlegungen in den folgenden beiden Abschnitten 2.3.1 und 2.3.2 rekurrieren auf Befunden eines aktuellen Literatur-Reviews von Tonhäuser und Büker (2016, 131ff.).

2.3.1 Produktorientierte Forschungsansätze

Seit den 1960er-Jahren nehmen produktorientierte Ansätze und Studien (z. B. Alliger et al. 1997; Phillips/Phillips 2001; Phillips/Stone/Phillips 2001; Kirkpatrick/Kirkpatrick 2006; Barba Aragon/Sanz Valle 2013) vorrangig die Ergebnis- bzw. Produktdimension in den Blick. Hierbei werden Wirkungen von Weiterbildungsmaßnahmen auf unterschiedlichen Evaluationsebenen analysiert. Wirkungen sind die beabsichtigten oder unbeabsichtigten, beobacht- und messbaren Ergebnisse. Der Fokus liegt hierbei auf den Ergebnissen (i. S. v. Effekten, Erfolgen, Nutzen) am Ende und nach einer Weiterbildungsmaßnahme (vgl. Landert 1999, 20f.). Die Produktevaluation beinhaltet sowohl die Erfassung pädagogischer als auch wirtschaftlicher Effekte von Bildungsprozessen auf unterschiedlichen Wirkungsebenen. In diesem Zusammenhang ist das Vier-Ebenen-Evaluationsmodell (Kirkpatrick/Kirkpatrick 2006, 21ff.) hervorzuheben, das sowohl in der Forschung als auch der Praxis der Weiterbildungsevaluation breite Rezeption erfahren hat. Dieser Ansatz sieht eine Evaluation zur Bewertung der Wirksamkeit von Weiterbildungsmaßnahmen auf vier Wirkungsebenen vor. Die erste Ebene ‚Reaction‘ fokussiert auf die subjektiv Einschätzung der Zufriedenheit der Teilnehmenden nach der Durchführung einer Weiterbildungsmaßnahme. Auf der zweiten Ebene ‚Learning‘ wird der kognitive Lernerfolg bzw. der Kompetenzzuwachs evaluiert. Bezogen auf die Lernwirkung zeigt bspw. die Metanalyse von Arthur et al. (2003, 239) eine durchschnittliche mittlere Effektstärke. Dies verdeutlicht, dass formalisierte Weiterbildungsmaßnahmen substanziell zur Kompetenzentwicklung von Mitarbeitenden beitragen. Allerdings lassen sich aus dem Kompetenzzuwachs allein noch keine Aussagen darüber ableiten, inwieweit eine Anwendung der neu erworbenen Kompetenzen am Arbeitsplatz erfolgt. Als dritte Ebene ‚Behavior‘ werden in dem Vier-Ebenen-Evaluationsmodell die Veränderung des Verhaltens sowie der Lerntransfererfolg modelliert. Die vierte Ebene ‚Results‘ untersucht die durch die Weiterbildungsmaßnahme bedingten Veränderungen in einer Organisation, z. B. Kostensenkung, Senkung der Krankheits-, Beschwerde- oder Fehlerrate. Die von Kirkpatrick und Kirkpatrick (2006) in ihrem Modell angenommenen Zusammenhänge zwischen den vier Evaluationsebenen konnten empirisch bislang jedoch nicht eindeutig bestätigt werden. So haben einige Studien keinen eindeutigen signifikanten Zusammenhang zwischen der Teilnehmerzufriedenheit und dem Wissenserwerb und/oder dem Lerntransfererfolg aufgezeigt (vgl. Alliger et al. 1997, 349; Festner 2012, 110ff.). Hingegen bestätigt die Studie von Saks und Burke (2012, 123) einen Zusammenhang zwischen den Evaluationsebenen und dem Lerntransfer. Die Meta-Analyse von Colquitt, LePine und Noe (2000, 697f.) konnte zudem einen signifikant positiven Einfluss des Lerntransfers auf die Arbeitsleistung bestätigen. Insgesamt ist jedoch zu konstatieren, dass sowohl mit Blick auf die heterogene Befundlage als auch den Mangel an Studien mit einem kontrollierten experimentellen Forschungsdesign hierzu weiterer Forschungsbedarf besteht. Zudem verweisen mehrere Studien übereinstimmend darauf, dass im betrieblichen Praxisfeld die Wirkungskontrolle primär mittels Überprüfung der Zufriedenheit der Teilnehmenden sowie des Lern- bzw. Kompetenzzuwachs erfolgt (vgl. Zurwehme 2008, 462 ff.; BIBB 2009, 1f.; Kabst/Giradini 2009, 37f.; Saks/Burke 2012, 120). Eine Kontrolle der Lerntransfereffekte sowie der Auswirkungen der Weiterbildungsmaßnahmen auf den Unternehmenserfolg erfolgt hingegen eher selten, obwohl aus Sicht von HR-Verantwortlichen die transferförderliche Gestalten von Weiterbildungsmaßnahmen in Unternehmen eine der zentralen Herausforderungen darstellt (vgl. Diesner/Seufert 2013, 6). Zudem werden bei den rein produktorientierten Forschungsansätzen sowohl die Weiterbildungsmaßnahme und deren didaktische Ausgestaltung als auch der Lerntransferprozess und dessen positive Unterstützung vernachlässigt, sodass die bedeutsame Frage, wie Weiterbildung transferförderlich zu gestalten ist, hier unberücksichtigt bleibt (vgl. Gessler 2012, 369).

2.3.2 Prozessorientierte Forschungsansätze

Im Fokus dieses Beitrags stehen die prozessorientierten Ansätze in der Transferforschung, die versuchen, alle Einflussfaktoren zu erfassen, welche die Lerntransferwirkung bzw. den -erfolg einer Weiterbildungsmaßnahme maßgeblich positiv oder negativ beeinflussen. Die Ende der 1980er-Jahre entwickelten prozessorientierten Forschungsansätze (z. B. Baldwin/Ford 1988; Bates et al. 2000; Holton/Bates/Ruona 2000) richten vor dem Hintergrund des Prozesscharakters des Lerntransfers den Blick auf die Prozessdimension, insbesondere die Durchführung und mikrodidaktische Gestaltung der Weiterbildungsmaßnahmen sowie die Transferunterstützung. In diesem Zusammenhang sind zahlreiche, meist heuristische Lerntransfermodelle entwickelt worden, die den Lerntransfer und das Zusammenspiel seiner Determinanten zu erklären versuchen (z. B. Noe 1986, 738; Baldwin/Ford 1988, 65; Rank/Wakenhut 1998, 16; Holton/Bates/Ruona 2000, 339; Piezzi 2002, 199; Festner 2012, 47). Zu den Lerntransferdeterminanten liegen inzwischen zahlreiche quantitativ-empirische Studien vor, wobei sich die Befundlage jedoch nicht immer ganz einheitlich darstellt. Insbesondere zeigt sich, dass während die individuellen Einflussfaktoren der Weiterbildungsteilnehmenden recht gut empirisch untersucht sind, die empirische Evidenz sowohl im Hinblick auf die zentralen Determinanten auf der Ebene der Weiterbildungsmaßnahme (Lernfeld) als auch auf der Ebene der organisationalen Einflussfaktoren der Arbeitsumgebung (Funktionsfeld) noch eher gering ist (vgl. Tonhäuser/Büker 2016, 149ff.) Abbildung 1 gibt einen Überblick über die bislang empirisch bestätigten zentralen Einflussfaktoren. Aufgrund der bisherigen Forschungsbefunde besteht Konsens darüber, dass bei den individuellen Determinanten die Motivation der Lernenden innerhalb der Transferforschung als „Schlüsselkonzept“ anzusehen ist (vgl. Egan/Yang/Bartlett 2004, 284; Bhatti et al. 2013, 282). Darüber hinaus konnten in einigen Studien als weitere individuelle Lerntransferdeterminanten der Einfluss kognitiver Fähigkeiten, volitionaler Faktoren, personaler Merkmale sowie der mit der Weiterbildungsteilnahme assoziierte erwartete Nutzen und die damit assoziierte individuelle Zielintension des Lernenden empirisch bestätigt werden (vgl. Tonhäuser/Büker 2016, 143ff.).

Bei den maßnahmenspezifischen Einflussfaktoren des Lernfeldes konnten in der bisherigen empirischen Forschung bislang ein hoher Praxisbezug der Inhalte, eine hohe Ähnlichkeit zwischen der Lernsituation und der Anwendungssituation am Arbeitspaltz, situierte Lerumgebungen, klare Lernzielsetzungen, Instruktionen zum Fehlermanagement sowie die Relapse Prevention Strategy und das Behavior Modeling Training als spezifische Strategien der Transferunterstützung nachgewiesen werden (vgl. Tonhäuser/Büker 2016, 139 ff.). Insgesamt besteht bezüglich der maßnahmenspezifischen Determinanten jedoch noch erheblicher Forschungsbedarf (vgl. Burke/Hutschins 2007, 278; van der Locht/van Dam/Chiaburu 2013, 443). So ist im Hinblick auf die didaktische Gestaltung von Weiterbildungsmaßnahmen bspw. der Einfluss der Methodenvariabilität, Transferaufgaben, Strukturiertheit sowie kognitiv aktivierender Inhalte auf den Lerntransfer bislang nahezu ungeklärt. Damit ist der Forderung nach einer genaueren Untersuchung des Trainingsdesigns (vgl. Ford/Weissbein 1997, 36; Burke/Hutchins 2007, 278) als zentraler Einflussfaktor auf den Lerntransfer bislang nur partiell nachgekommen worden.

Abbildung 1: Empirisch bestätigte signifikante positive Einflussfaktoren auf den Lerntransfer (In Anlehnung an Tonhäuser/Büker 2016, 148)Abbildung 1: Empirisch bestätigte signifikante positive Einflussfaktoren auf den Lerntransfer (In Anlehnung an Tonhäuser/Büker 2016, 148)

Als zentrale organisationale Determinanten, die den Lerntransferprozess positiv beeinflussen, sind in der bisherigen empirischen Transferforschung zum einen Merkmale der sozialen Unterstützung seitens Vorgesetzter sowie Kollegen und zum anderen strukturelle und organisationale Gegebenheiten am Arbeitsplatz identifiziert worden. Bei den strukturellen und organisatorischen Faktoren konnten neben dem Commitment das Vorhandensein von Anwendungsmöglichkeiten der Weiterbildungsinhalte am Arbeitsplatz sowie die Variabilität in den Arbeitsaufgaben empirisch bestätigt werden (vgl. Tonhäuser/Büker 2016, 137ff.). Als transferförderliches Merkmal der Organisationkultur erweisen sich zudem die Teilaspekte Organisationsklima (vgl. Lim/Morris 2006, 106; Martin 2010, 96f.) und Lernkultur (vgl. Egan/Yang/Bartlett 2004, 291ff.). Zudem weist Simosi (2012, 99) nach, dass die beiden in ihrer Studie untersuchten Organisationskulturen leistungs- sowie personenorientierte Organisationen den Lerntransfer positiv beeinflussen. Der Forderung von Piezzi (2002, 398f.) sowie Egan, Yang und Bartlett (2004, 298) nach weiteren Studien zur besseren Untersuchung des Einflusses von Faktoren der Organisations- bzw. Lernkultur auf verschiedene Outcomevariablen von Weiterbildungsmaßnahmen ist bislang nicht entsprochen worden, sodass hier weiterhin ein erhebliches Forschungsdefizit besteht. Außerdem handelt es sich bei einigen der bislang untersuchten Determinanten um sehr komplexe Konstrukte, wie bspw. soziale Unterstützung, Organisationskultur oder Fehlermanagement, über deren Dimensionen i. S. v. Ausprägungen und Teilaspekten im Detail noch wenig bekannt ist. Dieses Detailwissen ist aber notwendig, um den Lerntransfererfolg positiv beeinflussen und damit beruflich-betriebliche Weiterbildung noch wirksamer gestalten zu können.

Vor dem Hintergrund der skizzierten Forschungsdesiderata bestehen noch erhebliche Unsicherheiten bezüglich erfolgswirksamer Lerntransferdeterminanten sowie deren Dimensionen. So ist auf empirischem Wege bislang noch nicht umfassend geklärt, welche Faktoren den Lerntransfererfolg positiv oder negativ beeinflussen. Die Mehrzahl der bisherigen Studien nimmt nur einzelne Einflussfaktoren in den Blick, sodass es bislang an Arbeiten mangelt, die die transferrelevanten Einflussfaktoren in ihrer Gesamtheit untersuchen. Wenig untersucht sind zudem die Dimensionen, die die jeweiligen Determinanten näher erklären bzw. ausdifferenzieren, sowie ihr komplexes Beziehungsgefüge zueinander (vgl. Kauffeld 2010, 131; Tonhäuser/Büker 2016, 147ff.). So erweist sich bspw. auf organisationaler Ebene die Unterstützung des Vorgesetzten als zentrale Determinante. Allerdings existiert bislang kaum empirisches abgesichertes Wissen darüber, welche Teilaspekte der Unterstützung des Vorgesetzten sich als besonders transferförderlich erweisen. Zudem wird das Fehlen eines ganzheitlichen, integrativen Rahmenmodells zur Erklärung des Lerntransfers und dessen zentraler Einflussfaktoren konstatiert, welches sowohl die Prozess- als auch die Ergebnisdimension berücksichtigt (vgl. Holton/Bates/Ruona 2000, 336; Grohmann/Beller/Kauffeld 2014, 100f.). Um die Komplexität der unterschiedlichen Determinanten des Lerntransfers analysieren zu können, sollen vor dem Hintergrund des skizzierten Forschungsdefizits in der vorliegenden Studie mittels qualitativer Interviews maßgebliche Faktoren für positiven Lerntransfer identifiziert sowie deren Dimensionen ausdifferenziert werden, um Aufschluss über mögliche Teilaspekte zentraler erfolgswirksamer Lerntransferdeterminanten zu erhalten. Um die Komplexität der unterschiedlichen Lerntransferdeterminanten analysieren zu können, ist ein explorativer Ansatz gewählt worden, der nachfolgend dargestellt wird.

3 Durchführung der qualitativen Studie

3.1 Zielsetzung und Forschungsfragen

Im Kontext betrieblich-beruflicher Weiterbildung stellen nach wie vor formal organisierte Lernsettings, meist in Form von Seminaren oder Trainings, das dominante Design von Weiterbildungsmaßnahmen dar (vgl. Schuchmann/Seufert 2013, 421; Seyda/Werner 2014, 56). Da betrieblich-berufliche Weiterbildung vorrangig off-the-job in Form formalisierter Lernprozesse stattfindet, die an eine Institution gebunden sowie curricular und didaktisch organisiert ablaufen, wird in nachfolgender Untersuchung der Fokus auf den Lerntransfer im Kontext formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung gerichtet. Die qualitative Studie dient der Exploration des Untersuchungsgegenstandes sowie der Modellspezifikation. Vor dem Hintergrund der skizzierten Forschungsdesiderata ist das Ziel dieser Studie, die individuellen, maßnahmenspezifischen sowie organisationalen Einflussfaktoren auf den Lerntransfer im Kontext formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung zu identifizieren und zu analysieren. Diese Befunde bilden die Grundlage für die Entwicklung eines holistischen Rahmenmodells zur Erklärung der Wirksamkeit und des Lerntransfers formalisierter beruflich-betrieblicher Weiterbildung. Eng mit dieser Zielsetzung assoziiert ist die Beantwortung folgender Forschungsfragen:

  • 1) Welche individuellen, maßnahmenspezifischen und organisationalen Lerntransferdeterminanten sowie deren Dimensionen lassen sich im Kontext formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung identifizieren?
  • 2) Wie lassen sich Wirksamkeit und Lerntransfer formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung ganzheitlich theoretisch erklären?

3.2 Untersuchungsdesign und Stichprobe

Die Datenerhebung ist mittels leitfadenorientierter, halbstandardisierter Interviews erfolgt. Der Interviewleitfaden ist unter Einbezug der Ergebnisse der Analyse des bisherigen quantitativen Forschungsstandes sowie der Analyse bestehender Lerntransfermodelle entwickelt worden. Im Ergebnis waren darin Leitfragen zu den subjektiven Erfahrungen mit der Lerntransferproblematik sowie den zentralen Einflussfaktoren auf den Lerntransfer enthalten. In der qualitativen Studie (n=12) sind sechs Weiterbildungsverantwortliche, drei Weiterbildungsteilnehmende sowie drei hauptberufliche Dozenten bzw. Trainer befragt worden. In das Sample sind bewusst unterschiedliche an betrieblich-beruflicher Weiterbildung beteiligte Akteursgruppen einbezogen worden, die gleichsam die Sicht der Teilnehmenden, des Lernfeldes sowie des Funktionsfeldes repräsentieren. Bezüglich der Unternehmensgröße sind acht Interviewpartner in Großunternehmen und vier in klein- und mittelständischen Unternehmen tätig. Die Interviews sind digital aufgezeichnet und vollständig transkribiert worden. Die Datenauswertung ist mittels inhaltlich strukturierender Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) mithilfe der Software MAXQDA 11 erfolgt. Das Textmaterial ist deduktiv anhand der festgelegten Analyse- und Kodiereinheiten, die sich am Interviewleitfaden orientiert haben und im Auswertungsverlauf weiter ausdifferenziert worden, kodiert worden. Zudem sind aufgrund neuer Inhalte zusätzliche Kategorien induktiv gebildet worden. Im Ergebnis der kategorienbasierten Auswertung des Textmaterials ist ein Analyseraster mit drei Hauptkategorien und 18 Subkategorien entwickelt worden.

4 Ergebnisse

Nachfolgend werden die Ergebnisse der qualitativen Befragung vorgestellt, die aus Sicht der Befragten (n=12) Aufschluss über wesentliche Einflussfaktoren auf den Lerntransfer auf der individuellen, maßnahmenspezifischen sowie organisationalen Ebene geben. Die Subkategorien bilden die Lerntransferdeterminanten ab. Das Augenmerk wird hierbei vor allem auf die Dimensionen gerichtet, welche die Subkategorien spezifizieren. Zudem werden „Ankerbeispiele“ (Mayring 2010, 92) als prägnante Zitate für die jeweilige Subkategorie und deren Dimensionen vorgestellt.

4.1 Individuelle Einflussfaktoren der Weiterbildungsteilnehmenden

Die Hauptkategorie der individuellen Einflussfaktoren umfasst sieben Subkategorien bzw. Determinanten. Aus Sicht der befragten Akteure sind Motivation, Interesse und Einstellungen der Weiterbildungsteilnehmenden drei zentrale Einflussfaktoren für positiven Lerntransfer. Des Weiteren erweisen sich die wahrgenommene Relevanz bezüglich der Weiterbildungsinhalte, das Vorwissen, die individuelle Zielintension sowie das Alter als soziodemografischer Faktor als weitere vier zentrale individuelle Determinanten.

Die in der Transferforschung vorgenommene Unterscheidung zwischen den Dimensionen Lern- bzw. Trainingsmotivation sowie Transfermotivation bestätigt sich auch in dem Textmaterial. Auch hier erweist sich die individuelle Motivation des Teilnehmenden als “Schlüsselkonzept“ (Bhatti et al. 2013, 282) im Lerntransferprozess. Während die Lernmotivation der Teilnehmenden sich auf deren Motivation zum Erlernen der Weiterbildungsinhalte bezieht (vgl. Noe 1986, 743), meint die Trainingsmotivation die Intensität der Leistungsbereitschaft, die Teilnehmende in Lerngelegenheiten aufbringen (vgl. Tannenbaum/Yulk 1992, 414f.). Mit Blick auf die Motivationsquellen erweisen sich vor allem intrinsische Faktoren als transferförderliche Dimensionen der Motivation: „Zentral ist der eigene Antrieb, warum komme ich zum Training? Hat der Chef gesagt, ich soll kommen oder habe ich gesagt, ich möchte darüber was lernen, weil ich immer beim Kunden bin und habe Probleme damit“ (D3, 42:02). Neben der Motivation ist aus Sicht der Befragten das Interesse der Teilnehmenden an den jeweiligen Inhalten der Weiterbildung ein weiterer wichtiger Faktor für die Lerntransferwirkung: „Man muss Interesse an dem Thema haben. Das ist das A und O“ (T2, 35:12). Die Einstellung der Lernenden ist eine weitere wichtige Determinante. Als zwei Teilaspekte lassen sich hier die Einstellungen gegenüber Weiterbildung generell sowie gegenüber Veränderungen, insbesondere im Verhaltensbereich, systematisieren. „Da geht es ja immer auch um die Veränderung von Einstellungen und Sichtweisen bei den Teilnehmern und da muss eine Bereitschaft zur Veränderung da sein“ (D1, 05:45).

Die individuell wahrgenommene Relevanz der Weiterbildungsinhalte durch den Teilnehmenden erweist sich aus Sicht der Befragten als weiterer Einflussfaktor auf den Lerntransfererfolg. „In dem Moment, wo die Inhalte direkt für die Arbeitstätigkeit der Mitarbeiter in der alltäglichen Arbeit relevant sind, da funktioniert es mit dem Transfer.“ (P1, 12:46). Von den Interviewten wird die individuelle Zielintension als weitere Lerntransferdeterminante angesehen, welche durch das Festlegen konkreter individueller Ziele durch den Teilnehmenden, die mit dem Besuch der Weiterbildungsmaßnahme assoziiert sind, spezifiziert wird. „Man muss sich vorher schon konkrete Ziele setzen, was möchte ich da mitnehmen aus dem Seminar. Und in dem Seminar muss man sich dann gleichzeitig schon überlegen, was kann ich daraus mitnehmen. Und hinterher muss man dann nochmal gucken, wie man das dann auch übernehmen kann“ (T1, 11:06). In der bisherigen Transferforschung ist die Untersuchung des Einflusses des Vorwisssens der Teilnehmenden auf die Lerntransferwirkung bislang eher vernachlässigt worden (vgl. Tonhäuser/Büker 2016, 144). Lediglich in dem Lerntransfermodell von Piezzi (2002, 199) ist der Einfluss des Vorwissens berücksichtigt worden. Die Interviewergebnisse machen deutlich, dass das Vorwissen bezüglich der Weiterbildungsinhalte ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor ist, wie folgendes Zitat zeigt: „Wenn man ein gewisses Vorwissen, Vorerfahrungen vorher hat, dann hat man schon mal so eine Vorahnung, was auf einen zukommt in dem Training und dann auch, wie man es umsetzen kann“ (T3, 05:11). Über den Einfluss soziodemografischer Faktoren auf den Lerntransfer ist bislang ebenfalls wenig bekannt. Interessant ist daher, dass im Alter von Teilnehmenden ein weiterer Einflussfaktor gesehen wird. So könnte aufgrund der mit zunehmenden Alter steigenden Berufserfahrung das Transferergebnis tendenziell negativ beeinflusst werden: „Es gibt viele Ältere, […] die das Gefühl haben, sie haben schon ganz viel gemacht und sie können ganz viel, wo die Trainer mir rückmelden: 'Na ja, da könnte noch mehr kommen, die könnten noch mehr tun‘“ (P2, 12:09).

4.2 Maßnahmenspezifische Einflussfaktoren des Lernfeldes

Unter der Hauptkategorie der maßnahmenspezifischen Einflussfaktoren des Lernfeldes konnten insgesamt fünf Subkategorien bzw. Determinanten systematisiert werden. Aus subjektiver Sicht der Befragten erweisen sich die Bedarfsgerechtigkeit und der Praxisbezug der Weiterbildungsinhalte, die didaktische Gestaltung der Weiterbildungsmaßnahme, die prozessbegleitende Transferunterstützung sowie die Expertise und Persönlichkeit des Dozenten bzw. Trainers als zentrale transferwirksame Faktoren.

Ein transferwirksamer Einflussfaktor ist die Passgenauigkeit bzw. Bedarfsgerechtigkeit, d. h. die Weiterbildungshinhalte sollten möglichst kongruent zu dem Bildungsbedarf des Teilnehmenden sein. „Wir überlassen es auch schon sehr bewusst den Mitarbeitern, sich solche Schulungen extern selber herauszusuchen, weil die viel besser wissen, was genau brauche ich denn eigentlich, als ich das wüsste, selbst nach Gesprächen“ (P1, 32:57). Ein weiterer Faktor ist der möglichst hohe Praxisbezug der Weiterbildungsinhalte: „Bezogen auf die Maßnahmen ist es ganz zentral, dass sich die Inhalte und Trainingssituationen am Arbeitsumfeld orientieren“ (D1, 44:54). Der hohe Praxisbezug wird durch fünf Dimensionen näher erklärt. Im Detail konnten der Tätigkeits- und Anwendungsbezug also die Anschlussfähigkeit der Inhalte, das Einsetzen praxisnaher Übungen und Anwendungsbeispiele, die Möglichkeit der Reflexion von Umsetzungsmöglichkeiten also der Verwendungsorientierung, die hohe Ähnlichkeit der Trainingsinhalte und -situationen mit denen am Arbeitsplatz sowie ein angemessenes Theorie-Praxis-Verhältnis als Teilaspekte dieser Determinante systematisiert werden.

Ein weiterer transferwirksamer Faktor stellt die didaktische Gestaltung der jeweiligen Weiterbildungsmaßnahme dar. Es konnten im Textmaterial drei Teilaspekte identifiziert werden, die diese Determinante spezifizieren. Als Wesentlich wird von den Befragten die Dimension der zugrunde liegenden Lernprinzipien angesehen. Hierbei wird insbesondere die Problem- sowie Handlungsorientierung betont, da diese die Förderung der Selbsttätigkeit der Lernenden intendieren: „Wichtig ist, die Teilnehmer so viel wie möglich selbst machen und erarbeiten lassen. Wenn der Teilnehmer selber diese Erkenntnis hat ‚So hab ich das noch nie gesehen‘, weil er es sich selbst erarbeitet hat, dann ist im ersten Schritt der Lernerfolg natürlich deutlich größer, als wenn der Trainer ihm das vorbetet, und im zweiten Schritt unter Umständen dann auch der Transfererfolg“ (D1, 28:17). Als weitere transferwirksame Teilaspekte konnten die Reihung der Inhalte sowie die Lernzielklarheit spezifiziert werden. Darüber hinaus erweist sich die prozessbegleitende Transferunterstützung als weiterer wesentlicher Faktor für positiven Lerntransfer. Diese Lerntransferdeterminante wird durch die Dimensionen Vorbereitung sowie Nachbereitung der Weiterbildungsmaßnahme sowohl durch den Dozenten bzw. Trainer als auch den jeweiligen Teilnehmenden ausdifferenziert. Ich finde es vorab ganz wichtig, wenn man wirklich von den Dozenten angesprochen wird, wenn man sich zu einem Seminar angemeldet hat, dass man dann schon mal einen tieferen Einblick bekommt, was so trainiert wird. Dass man sich vorher schon mal genauere Gedanken machen kann, was soll mir das Seminar jetzt eigentlich bringen“ (T1, 43:51). Die besondere Bedeutung der Nachbereitung einer Maßnahme durch den Dozenten, z. B. durch Transferaufgaben sowie deren Umsetzung durch die Teilnehmenden, verdeutlicht folgendes Zitat: „Für manche Trainingsthemen ist es auch so, dass in den Trainings abschließend ein sogenannter Aktionsplan entwickelt wird mit den Teilnehmern aus den Erkenntnissen des Trainings heraus, welche Maßnahmen möchte ich jetzt in individuell umsetzen, wer ist dafür zuständig, welche Ressourcen brauche ich jetzt, und da kann man natürlich dann schon den Transfer nachhalten, nämlich genau anhand einer spezifischen Aktion, die geplant war“ (D1, 36:25). Da die didaktische Gestaltung und Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen den Dozenten und Trainern obliegt, überrascht es nicht, dass deren Expertise sowie Persönlichkeit sich als wesentlich für positiven Lerntransfer erweist. Als drei Dimensionen dieser Determinante konnten die fachliche Expertise, die eigene Praxiserfahrung sowie die Glaubwürdigkeit des Dozenten bzw. Trainers differenziert werden.

4.3 Organisationale Einflussfaktoren des Arbeitskontextes

Insgesamt konnten in der Studie sechs Faktoren auf der organisationalen Ebene der Arbeitsumgebung identifiziert werden, die aus Sicht der Interviewten den Lerntransferprozess positiv beeinflussen. Dies sind die Freiwillig der Partizipation an der Weiterbildung, die Anwendbarkeit der Weiterbildungsinhalte am Arbeitsplatz, die soziale Unterstützung durch Kollegen, die soziale Unterstützung durch den direkten Vorgesetzten, das Führungsverständnis des direkten Vorgesetzten sowie die Organisations- und Führungskultur im Unternehmen.

Die freiwillige Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme erweist sich als bedeutsamer Faktor für positiven Lerntransfer, da diese Konsequenzen, z. B. hinsichtlich der aktiven Beteiligung, hat. „Mit Sicherheit ist auch ein wichtiger Faktor, ob der Mitarbeiter da freiwillig ist, weil ihm die Möglichkeit geboten wurde, ob er da vielleicht sogar auf Anfrage ist, weil er selber darum gebeten hat, oder ob er geschickt wurde oder weil es eine Vorgabe von höher Seite war, das macht einen wesentlichen Unterschied“ (D1, 20:06). Die Möglichkeit der Anwendbarkeit der Weiterbildungsinhalte am Arbeitsplatz wird von den Befragten als eine der zentralen Voraussetzungen für positiven Lerntransfer angesehen. Dieser Einflussfaktor lässt sich durch vier Dimensionen näher erklären. Als ein Teilaspekt erweist sich hier die Frage, inwieweit am Arbeitsplatz überhaupt Transfergelegenheiten gegeben sind: „Das hatten wir auch schon, da war dann jemand in der Präsentationsschulung und dachte ‚Ich halte keinen Präsentationen, was soll denn das?‘“ (P1, 41:58). Als weitere Dimension wird die Bereitstellung der für positiven Transfer benötigter zeitlicher oder finanzieller Ressourcen angesehen: „Wesentliche hemmenden Faktoren für den Lerntransfer sind auch Außenbedingungen, also sowas wie Zeitdruck [...]“ (P2, 16:30). Zudem wird die Unmittelbarkeit bezogen auf die unmittelbare Umsetzbarkeit des Gelernten im Arbeitsalltag als weiterer zentraler Teilaspekt genannt: „Ganz oben, Top 1 ist meines Erachtens die unmittelbare Umsetzbarkeit des Gelernten im unmittelbaren Arbeitsalltag“ (P3, 01:21:26). Eng damit assoziiert ist die Persistenz bei der Umsetzung: „Es ist einfach so, wenn ich das Gelernte nicht wiederhole und dauerhaft praktiziere, ist es weg“ (D3, 01:00:26).

Als weiterer organisationaler Einflussfaktor auf den Lerntransfer bestätigt sich in der qualitativen Studie die soziale Unterstützung zum einen vom direkten Vorgesetzten und zum anderen von den Kollegen. In der quantitativen Transferforschung stellt die soziale Unterstützung einer der am besten untersuchten Einflussfaktoren der Arbeitsumgebung dar (vgl. Tonhäuser/Büker 2016, 137). Auch weisen Blume et al. (2010, 1092) in ihrer Metanalyse einen größeren Einfluss der Unterstützung des Vorgesetzten als der von Kollegen auf den Lerntransfer nach. Jedoch hat die bisherige Forschung mit Ausnahme des Feedbacks kaum Aufschluss darüber erbracht, welche Dimensionen die soziale Unterstützung näher kennzeichnen. Mit Blick auf die soziale Unterstützung durch die Kollegen zeigt sich in dem Textmaterial, dass insbesondere die Kommunikation in Form von Feedback sowie kollegialem Austausch eine wesentliche Dimension darstellt. Zudem ist die Kooperation bei der Umsetzung des neu Gelernten im Team oder der Abteilung ein weiterer Teilaspekt, der die Unterstützung durch Kollegen spezifiziert. Als dritte Dimension ist die Bedeutung von Multiplikatoren hervorzuheben: „Wir versuchen, Mitarbeiter aus vielen unterschiedlichen Abteilungen mit in die Trainings zu involvieren, um eine möglichst große Anzahl an Multiplikatoren zu haben, die das dann in ihre eigenen Abteilungen mit reintragen.“ (D1, 20:15). Der Einflussfaktor der sozialen Unterstützung durch den direkten Vorgesetzten kann durch fünf Dimensionen näher erklärt werden. Neben den beiden Teilaspekten Feedback sowie Bereitstellung notwendiger Ressourcen (finanziell, zeitlich) erweist sich die Unterstützung von Veränderungen als weitere Dimension, wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Dass man im operativen Tagesgeschäft die Zeit auch findet, etwas Neues auszuprobieren und sich das trauen darf […], und die Unterstützung der Führungskraft auch hat, dass man das machen kann“ (P2, 14:47). Als weiterer Teilaspekt wird der Umgang mit Fehlern seitens des Vorgesetzten genannt. Zudem werden Transfergespräche als besonders transferförderlich angesehen, wie folgendes Zitat verdeutlicht: „Also zentral ist, dass die Führungskraft im Unternehmen mit den Leuten idealerweise Transfergespräche führt vorher und hinterher. Vor der Maßnahme, dann die Maßnahme und dann hinterher wieder: ‚Okay, das waren die Zielvereinbarungen, das wollten wir eigentlich, und was ist daraus geworden“ (D2, 54:45).

Als weiterer wesentlicher Einflussfaktor im Kontext der Arbeitsumgebung erweist sich das Führungsverständnis des Vorgesetzten. Als Dimensionen konnten hier zum einen die positive Einstellung des Vorgesetzten gegenüber Weiterbildung und zum anderen sein Verständnis von Personalentwicklung als originäre Führungsaufgabe identifiziert werden. „Das Thema Transfer muss sich einbetten in die Personalentwicklung als Teil des Führungsverständnisses, das heißt, das setzt wieder voraus, eine Führungskraft oder mehrere, die bereit ist, zu sagen: ‚Ich investiere in die Weiterbildung meiner Leute als ein Teil der Persönlichkeits- und Personalentwicklung‘“ (D2, 01:28:35). Mit dem individuellen Führungsverständnis assoziiert ist die Organisations- und Führungskultur des Unternehmens, die ebenfalls den Lerntransferprozess maßgeblich beeinflusst. Als Teilaspekte dieses Faktors werden neben dem Weiterbildungsklima der Einfluss des Transfer- sowie Veränderungsklimas im Unternehmen angesehen. „Gründe für Scheitern oder Gelingen des Transfers sind der Teilnehmer und dann das Umfeld, auch im Sinne von, hier gibt es ein Klima für Weiterbildung“ (D2, 01:14:30).

Wie die dargestellten Ergebnisse der qualitativen Studie zeigen, beeinflussen zahlreiche Faktoren den Lerntransfererfolg. Die dargelegten Befunde sind in die Modellspezifikation eingeflossen. Nachfolgend wird das entwickelte Rahmenmodell zur Erklärung der Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit und den Lerntransfer betrieblich-beruflicher Weiterbildung vorgestellt.

5 Rahmenmodell zur Erklärung der Wirksamkeit und des Lerntransfers formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung

Zum einen geht es hier darum, die Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit und den Lerntransfer zu modellieren. Zum anderen soll die Komplexität des Lerntransferprozesses abgebildet werden. Bei der Modellentwicklung sind neben den dargestellten Ergebnissen der qualitativen Studie auch zentrale im Bereich der pädagogischen sowie betriebswirtschaftlichen Forschung vorhandene Modelle zugrunde gelegt worden. So sind vor allem in der Pädagogik Modelle entwickelt worden, welche die Zusammenhänge zwischen den an Bildungs- und Qualifikationsprozessen beteiligten Faktoren betrachten. Diese Angebots-Nutzungs-Modelle sind heute allgemein anerkannt, um Prozesse sowie deren Wirkungszusammenhänge und Wechselwirkungen meist bezogen auf Unterricht abzubilden. Sie basieren in ihren Grundzügen auf Analogien zu ökonomischen Produktivitätszusammenhängen und auf Überlegungen zu systemisch vernetzten Lernumwelten, die für den schulischen Kontext von Fend (1981) rezipiert worden. Daran anschließend hat Helmke (2009, 73) ein viel beachtetes Angebots-Nutzungs-Modell zur Unterrichtswirksamkeit entwickelt, welches den Unterricht in vielfachen Kontexten und möglichen Mechanismen seiner Wirksamkeit beschreibt. Dieses Angebots-Nutzungs-Modell wird im Rahmen dieser Studie als besonders anschlussfähig angesehen, um die Wirksamkeit und den Lerntransfers sowie deren Einflussfaktoren im Kontext formalisierter beruflicher und betrieblicher Weiterbildung zu erklären. Zudem können neben vielfältigen Wechselwirkungen und Zusammenhängen verschiedene Dimensionen und Erfolgsindikatoren abgebildet werden. Ein weiterer Vorteil wird darin gesehen, dass sich damit die Einbettung von Weiterbildungsmaßnahmen in vielfache Kontexte repräsentieren und sich mögliche Mechanismen ihrer Wirksamkeit erklären lassen. Und es werden die Mehrebenenstruktur bestehend aus Individuum bzw. Lerngruppe, Lernfeld und Funktionsfeld sowie die Interaktion zwischen den Merkmalen über die verschiedenen Ebenen berücksichtigt. Neben dem Angebots-Nutzungs-Modell der Unterrichtswirksamkeit nach Helmke (2009, 73) sind das Rahmenmodell zur Wirksamkeit und Evaluation von Lehrerfortbildung nach Huber (2009, 458) sowie das Vier-Ebenen-Evaluationsmodell nach Kirkpatrick und Kirkpatrick (2006, 21ff.) bei der nachfolgend dargelegten Modellentwicklung berücksichtigt worden.

In diesem Beitrag werden die Wirksamkeit sowie die Einflussfaktoren auf den Lerntransfer im Kontext formalisierter beruflich-betrieblicher Weiterbildung als Folge verschiedener Angebots- und Nutzungsmerkmale erklärt. Diese werden wiederum durch Merkmale des Teilnehmenden sowie organisationale Einflussfaktoren und Kontextmerkmale des Arbeitsplatzes beeinflusst. Die Grundstruktur des in Abbildung 2 dargestellten Modells zeigt, dass die Wirksamkeit und der Lerntransfer formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung als Folge verschiedener Angebots- und Nutzungsmerkmale erklärt werden. Dies wird in den Blöcken Angebotsmerkmale, Angebotswahrnehmung, Angebotsbewertung, Angebotsnutzung sowie Angebotswirkungen abgebildet. Diese werden wiederum durch individuelle Merkmale des Weiterbildungsteilnehmenden, maßnahmenspezifische Merkmale des Lernfeldes und des Dozenten sowie organisationale Kontextfaktoren des Funktionsfeldes beeinflusst. Das Modell berücksichtigt damit sowohl die Einbindung der Lernsituation in verschiedene Kontexte als auch den dynamischen Aspekt der Wirksamkeit auf den Ebenen Input, Prozess und Output sowie die Wechselwirkung von Lern- und Funktionsfeld. Somit wird eine ganzheitliche und integrative Sichtweise eingenommen. Nachfolgend werden die zentralen Grundannahmen des Modells dargelegt:

Bezogen auf die Angebotsmerkmale stellt die vom Dozenten durchgeführte Weiterbildungsmaßnahme in ihrer Gesamtheit ein Angebot dar. Dieses Angebot führt nicht notwendigerweise direkt zu Wirkungen, sondern dies ist abhängig von einer Vielzahl dazwischenliegender Faktoren. Bei den Angebotsmerkmalen ist insbesondere der Aspekt der Kongruenz von Angebotskonzeption (Soll) und deren Umsetzung bzw. Durchführung (Ist) hinsichtlich didaktischer Merkmale zentral. Zu den Merkmalen der Angebotskonzeption als der Grobplanung des Weiterbildungsangebots gehören vor allem strukturelle Aspekte. Insbesondere die zeitliche Struktur, Organisationsform, interne versus externe Anbieter, Zielsetzung und Funktion des Angebots sowie das Veranstaltungskonzept sind hier zu nennen. Zu den wesentlichen Merkmale des Veranstaltungsdesigns und der -durchführung als der didaktischen Feinplanung des konkreten Weiterbildungsangebots zählen Aspekte wie die konkreten Lernziele, Inhalte (insbesondere deren Relevanz, Anwendungsbezug, Theorie-Praxis-Verhältnis), Methodenvielfalt, Medieneinsatz sowie die Orientierung an evidenzbasierten Lernumgebungen. Merkmale des Dozenten, vor allem seine professionelle Kompetenz sowie seine Persönlichkeit, beeinflussen wiederum maßgeblich die Konzeption und Umsetzung des didaktischen Angebots. Wie bereits dargelegt, führt das Angebot nicht unmittelbar zu direkten Wirkungen. Dessen Wirksamkeit für das Lernen und den Lerntransfer werden von vermittelnden Prozessen beeinflusst. Dazu gehört vor allem die Angebotswahrnehmung. Die Angebotswahrnehmungen seitens des Teilnehmenden bezüglich der wahrgenommenen Relevanz, des erwarteten Nutzens sowie der erwarteten Zufriedenheit beeinflussen als vermittelnde Prozesse sowohl die Angebotsbewertung als auch die Angebotsnutzung. Die Angebotsbewertung durch den Teilnehmenden wird wiederum beeinflusst durch die Angebotswahrnehmung bezüglich der wahrgenommenen Relevanz, des erwarteten Nutzens sowie der erwarteten Zufriedenheit, die organisationalen Kontextfaktoren der Arbeitsumgebung sowie die Angebotswirkungen.

Abbildung 2: Rahmenmodell zur Erklärung der Wirksamkeit und des Lerntransfers formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung (Eigene Darstellung, modifiziert und erweitert nach Kirkpatrick/Kirkpatrick 2006, Helmke 2009, Huber 2009)Abbildung 2: Rahmenmodell zur Erklärung der Wirksamkeit und des Lerntransfers formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung (Eigene Darstellung, modifiziert und erweitert nach Kirkpatrick/Kirkpatrick 2006, Helmke 2009, Huber 2009)

Die Angebotsbewertung erfolgt wiederum durch die wechselseitige Einflussnahme infolge sozialer Interaktions- und Austauschprozesse zwischen dem Teilnehmenden, dessen Vorgesetztem und dessen Kollegen. Arbeitsplatz- und organisationsbezogene Kontextfaktoren des Funktionsfeldes beeinflussen die Angebotsmerkmale, Angebotsbewertung und Angebotswirkung. Zu den relevanten Merkmalen der Arbeitsumgebungen gehören im Wesentlichen die unternehmensspezifische Organisations-, Führungs- und Lernkultur, das Transferklima im, das Arbeitsklima, die soziale Unterstützung und das Feedback durch Vorgesetzte und Kollegen, ausreichende finanzielle und zeitliche Ressourcen sowie die Anwendungsmöglichkeit des Gelernten.

Die Angebotsnutzung, verstanden als die konkreten Lernaktivitäten im Lernfeld, erfolgt bei einer zuvor positiven Angebotsbewertung durch das Trias Teilnehmender, dessen Vorgesetzter sowie dessen Kollegen aufgrund deren jeweils individuellen bzw. kollektiven Angebotswahrnehmung. Insbesondere die positive Bewertung des Angebots bezüglich des zu erwartenden Nutzens sowie der wahrgenommenen Relevanz sind hierbei zentral. Als Dimensionen der Angebotsnutzung werden insbesondere die freiwillige Teilnahme (Anwesenheit und aktiver Beteiligung), die Intensität der Nutzung (Intensität des aktiven und engagierten Lernens) sowie die Qualität des Lehr-Lern-Materials spezifiziert. Die Nutzung wiederum wird beeinflusst von spezifischen individuellen Merkmalen des Teilnehmenden, denn wie lange und erfolgreich gelernt wird, hängt ganz wesentlich von den kognitiven, motivationalen, volitionalen und personalen Faktoren ab. Diese individuellen Merkmale des Teilnehmenden beeinflussen wiederum die Angebotsnutzung sowie die Angebotswirkungen.

Bei den Angebotswirkungen bzw. -ergebnissen lassen sich verschiedene Ursachen für Wirkungen differenzieren. Zum einen ist dies die Angebotsnutzung, insbesondere die Freiwilligkeit, aktive Beteiligung und Intensität der Nutzung. Zum anderen beeinflussen individuelle Teilnehmermerkmale, vor allem das individuelle Lern- und Transferpotential, die Wirkungen. Wirkungen können sich zudem auf zwei Ebenen zeigen: Als individuelle Effekte auf der Ebene des einzelnen Teilnehmenden sowie als kollektive Effekte auf der Ebene einer gesamten Gruppe von Teilnehmenden. Wirkungen treten teilweise zeitlich verzögert und auf unterschiedlichen Wirkungsebenen auf. Hierbei ist zwischen der Veränderung bzw. Anpassung von Teilnehmermerkmalen auf der einen Seite sowie dem Lerntransfer und dessen Persistenz auf der anderen Seite zu differenzieren. Als wesentliche Formen von Wirkungen sind zu unterscheiden: 1) Veränderung bzw. Anpassung von Teilnehmermerkmalen im Hinblick auf fachliche und überfachliche Kompetenzen sowie Einstellungen, 2) positiver Transfer des Gelernten aus dem Lernfeld in das Anwendungsfeld i. S. e. praktischen Handelns im Anwendungsfeld gemäß der neu erworbenen Kompetenzen und positive Veränderungen in der Arbeitsleistung sowie 3) Wirkungen auf der organisationalen Ebene, wie z. B. Senkung von Kosten, Krankheits-, Beschwerde- oder Fehlerraten.

Der Vorteil dieses Rahmenmodells wird darin gesehen, dass es sich dabei um einen ganzheitlichen und integrativen Ansatz zur Erklärung der Wirksamkeit und des Lerntransfers im Kontext formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung handelt. Das Modell systematisiert Wirkungszusammenhänge und wird damit der Komplexität des Lerntransferprozesses besser gerecht, da es den Lerntransfer als mehrdimensionalen Prozess unter Berücksichtigung sowohl von Ergebnissen als auch Prozessfaktoren modelliert. Hierbei wird auch die Wechselwirkung zwischen Lern- und Funktionsfeld berücksichtigt.

6 Fazit und Diskussion

Im theoretischen Teil ist dargestellt worden, dass auf empirischem Wege bislang nur partiell geklärt werden konnte, welche Faktoren den Lerntransfer positiv bzw. negativ beeinflussen. Insbesondere zu den Dimensionen, welche die bislang identifizierten erfolgswirksamen Lerntransferdeterminanten näher erklären, besteht weiterer Forschungsbedarf. Dieses empirisch abgesicherte Detailwissen ist aber notwendig, um die Wirksamkeit formalisierter betrieblich-beruflicher Weiterbildung zu verbessern. Vor dem Hintergrund, dass die derzeit vorhandenen quantitativen Messinstrumente bezüglich der Erfassung der Komplexität des Lerntransferprozesses und seiner Determinanten limitiert sind (vgl. Tonhäuser/Büker 2016, 152), ist hier ein qualitativer Forschungsansatz gewählt worden. Wie die qualitative Studie bestätigt hat, ist der Lerntransfererfolg von zahlreichen Einflussfaktoren abhängig, denn dieser wird beeinflusst durch die anzunehmende Interdependenz spezifischer individueller Merkmale des Weiterbildungsteilnehmenden, maßnahmenspezifischer Merkmale des Lernfeldes sowie organisationaler Merkmale der Arbeitsumgebung. Insbesondere zu folgenden Aspekten hat die durchgeführte Studie neue Erkenntnisse erbracht:

Bezogen auf die individuellen Determinanten der Teilnehmenden konnte die Bedeutung des Vorwissens bezüglich der Weiterbildungsinhalte als zentraler Einflussfaktor für positiven Lerntransfer bestätigt werden. Bislang fand das Vorwissen lediglich in dem Transfermodell von Piezzi (2000, 199) Berücksichtigung. In künftigen theoretischen und empirischen Arbeiten sollte daher der Einfluss des Vorwissens auf den Lerntransfer genauer analysiert werden. Bei den individuellen Merkmalen ist zudem die Einstellung der Teilnehmenden gegenüber Weiterbildung generell sowie gegenüber Veränderungen identifiziert worden. Auch geben die Befunde Hinweise darauf, dass sich bei den demografischen Faktoren das Alter von Teilnehmenden als Einflussfaktor erweisen könnte. So zeigen sich in den Ergebnissen Tendenzen, dass das zunehmende Alter und die damit assoziierte steigende Berufserfahrung die Lerntransferwirkung tendenziell negativ beeinflussen könnten. Auf der Ebene der maßnahmenbezogenen Einflussfaktoren des Lernfeldes konnten bislang kaum untersuchte Faktoren wie die Bedarfsgerechtigkeit bzw. Passgenauigkeit der Weiterbildungsinhalte sowie die Expertise und Persönlichkeit des Dozenten als wesentlich für positiven Lerntransfer identifiziert werden. Transferwirksame Dimensionen der Expertise und Persönlichkeit des Dozenten sind hierbei die fachliche Expertise, die eigene Praxiserfahrung sowie die Glaubwürdigkeit. Auch auf der Ebene der organisationalen Kontextfaktoren der Arbeitsumgebung hat die Studie neue Erkenntnisse erbracht. Als bislang kaum untersuchte Lerntransferdeterminante erweist sich die Freiwilligkeit im Hinblick auf die Partizipation an einer Weiterbildung. Mit Blick auf die Anwendungsmöglichkeit der Weiterbildungsinhalte am Arbeitsplatz zeigen die Ergebnisse mit dem Aspekt der unmittelbaren Anwendung bzw. Umsetzbarkeit des Gelernten im Arbeitsalltag zudem eine neue Ausprägung. Im Kontext der sozialen Unterstützung seitens der Kollegen konnten ebenfalls neue Erkenntnisse im Hinblick auf die bislang kaum untersuchten verschiedenen Dimensionen der Unterstützung gewonnen werden. So verweist die Studie auf die Bedeutung von Multiplikatoren für positiven Lerntransfer. Bezogen auf den Einfluss des Führungsverständnisses des direkten Vorgesetzten auf den Lerntransfererfolg erklären die positive Einstellung der Führungskraft gegenüber Weiterbildung generell sowie dessen Verständnis von Personalentwicklung der eigenen Mitarbeitenden als Führungsaufgabe diesen Faktor näher.

Aus methodischer Sicht weist das gewählte qualitative Untersuchungsdesign jedoch auch einige Limitationen auf. So liegen methodische Defizite u. a. darin begründet, dass eine kleine Stichprobe einbezogen und diese retroperspektiv befragt wurde. Dies schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse ein, insbesondere im Hinblick auf deren Validität und Generalisierbarkeit. Wünschenswert wäre es zudem gewesen, wenn neben der Sicht von Fachkräften als Weiterbildungsteilnehmende auch Führungskräfte in das Sample einbezogen worden wären, um dadurch noch stärker die organisationalen Einflussfaktoren in den Blick zu nehmen. Dies konnte aufgrund des schwierigen Feldzugangs leider nicht realisiert werden. Dennoch wird ein Vorteil des gewählten Designs darin gesehen, dass unterschiedliche Akteursgruppen in das Sample einbezogen wurden. So sind in bisherigen Untersuchungen nur selten neben Weiterbildungsteilnehmenden weitere relevante Akteure befragt worden (vgl. Blume et al. 2010, 1095). Damit trägt die Studie der Forderung zahlreicher Autoren (vgl. Simosi 2012, 102; Pham/Segers/Gijselaers 2013, 15; Weisweiler et al. 2013, 22; Homklin/Takahashi/Techakanont 2014, 128) ein Stück weit Rechnung, neben der Befragung von Teilnehmenden weitere Datenquellen, wie Vorgesetzte, Kollegen, Kunden, Dozenten, einzubeziehen. Vor dem Hintergrund der dargelegten Zielsetzung der Studie – der Exploration des Untersuchungsgegenstandes sowie der Modellspezifikation – hat sich der gewählte Untersuchungsrahmen dennoch bewährt. So ermöglichen es die vorliegenden Befunde, einzelne Determinanten in ihren Dimensionen näher zu spezifizieren. Dieses Detailwissen ermöglicht ein tieferes Verständnis der Faktoren, die den Lerntransferprozess positiv beeinflussen. Die vorgestellten Ergebnisse machen insgesamt deutlich, dass der Lerntransfer von zahlreichen spezifischen Faktoren auf der Ebene der individuellen Merkmale der Weiterbildungsteilnehmenden, der maßnahmenspezifischer Merkmale des Lernfeldes sowie der organisationaler Merkmale der Arbeitskontextes beeinflusst wird. Wie das vorgestellte Rahmenmodell zeigt, ist zudem von einer Wechselwirkung zwischen diesen Faktoren auszugehen. Die vorgestellten Ergebnisse können damit sowohl einen Beitrag zur weiteren Theoriebildung als auch zur Verbesserung der Qualität der beruflich-betrieblichen Weiterbildungspraxis leisten.

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Zitieren des Beitrags

Tonhäuser, C. (2017): Wirksamkeit und Einflussfaktoren auf den Lerntransfer in der formalisierten betrieblich-beruflichen Weiterbildung – Eine qualitative Studie. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 32, 1-27. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe32/tonhaeuser_bwpat32.pdf (22-06-2017).