bwp@ 36 - Juni 2019

Historiografische Berufsbildungsforschung

Hrsg.: Karin Büchter, Anna Lambert, Mathias Götzl & Franz Gramlinger

Zwölf Jahre Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen (1925 – 1937)

Beitrag von Martin Kipp
Schlüsselwörter: gewerbliches Ausbildung- und Schulwesen, historiografische Berufsbildungsforschung, Schulgesetzgebung

Während die Geschichte der deutschen Berufsschule und ihrer Vorläuferin, der Fortbildungsschule, in großen Städten und Industrieregionen schon recht weitgehend erforscht ist, herrscht an einschlägigen Studien zu ländlichen Regionen noch erheblicher Nachholbedarf. Dieser Beitrag rekonstruiert den zögerlichen Aufbau einer Bezirks-Fortbildungsschule im Fürstentum Waldeck in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zeichnet die gegenüber den Großstädten gleichsam „verspätete“ Entwicklung des Fortbildungsschulwesens in einer ländlichen Region nach. Gestützt auf die einschlägige berufspädagogisch-historiographische Literatur und auf lokalgeschichtlich interessante Quellen, die im Stadtarchiv Mengeringhausen aufbewahrt werden, rekonstruiert und kommentiert der Beitrag die Gründerjahre der Berufsschule im Waldecker Land. Der Beitrag zur Frühgeschichte der ländlichen Berufsschulentwicklung erhält seine spezifische lokalgeschichtliche Würze dadurch, dass die Bezirksfortbildungsschule im Ackerbürger- und Handwerkerstädtchen Mengeringhausen durch notorische Störmanöver aus dem nur 3 km entfernten Residenzstädtchen Arolsen in ihrem Bestand zeitweise erheblich gefährdet wurde.   

Anmerkung: Dieser Beitrag ist zuvor erschienen in: Fasshauer/Münk/Paul-Kohlhoff (2008), 33-44. Eine erweiterte und bebilderte Fassung dieses Beitrags erschien unter dem Titel: 12 Jahre Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen (1925-1937). In: Schützengesellschaft Mengeringhausen (Hrsg.): Festschrift zum Freischießen in Mengeringhausen 2014. Mengeringhausen/Korbach, 295-320.

1 Aufhebung des Zunftzwanges 1806, Berufserziehungskrise, Handwerkerschutzgesetzgebung

Die Einführung der Gewerbefreiheit in Preußen im Jahre 1806 löste die alten Zunftverfassungen auf, weil der Anwärter auf einen Handwerkerberuf fortan keinem Zwange einer bestimmt vorgeschriebenen Ausbildung mehr unterworfen war – damit entwickelte sich eine Berufsausbildungskrise, nachdem Zünfte, Innungen und Gilden etwa ein halbes Jahrtausend hindurch für die Lehrlingsausbildung ihres Nachwuchses gesorgt hatten. Wenn an dieser zünftigen Ausbildung auch mancherlei auszusetzen war und insbesondere die Klagen über die Ausnutzung der Lehrlinge nicht verstummen wollten, so lässt sich nicht bestreiten, dass die Zünfte auch noch zur Zeit ihrer Beseitigung Nützliches geleistet haben. Nach Aufhebung des Zunftzwanges war es, dem liberalen Zeitgeist entsprechend, dem Einzelnen überlassen, wie und wo er sich die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zur Ausübung seines Berufes aneignete. Wie die einschlägige berufspädagogisch-historiographische Literatur (Abel 1963; Harney 1991; Kipp 1984;  Kipp 1990; Kipp 1992; Kipp 2000; Büchter/Kipp 2003; Pätzold 2005; Pätzold/Wahle 2005; Stratmann 1992; Stratmann 1993; Stratmann/Pätzold/Wahle 2003) bestätigt, haben Lehrverhältnisse in der Praxis auch nach der formellen Aufhebung des Zwanges noch weiter bestanden, denn die gewohnten standesmäßigen Ausbildungsformen waren nicht so ohne weiteres durch einen Gesetzesakt zu beseitigen. Im Stadtarchiv Mengeringhausen finden sich zahlreiche Belege dafür, dass die Zunftgepflogenheiten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts weiter praktiziert wurden. Als ein handfestes Indiz für den Fortbestand mancher zünftigen Gewohnheiten kann die Verordnung der Fürstlichen Regierung vom 29. Juni 1806 über die Ableistung der Wanderjahre gelten, die der Magistrat der Stadt Mengeringhausen der dortigen Schneiderzunft am 3. Juni 1844 wieder in Erinnerung bringt: "Nach der Verordnung vom 29ten Juni 1806 soll jeder Handwerker sofort nach der Lehrzeit die Wanderjahre antreten und die Zunftmeister sollen bei Strafe jeden, der ausgelernt hat, der Obrigkeit anzeigen, damit die Säumigen zum Wandern angehalten werden" (Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung XXIII, Abschnitt 5 F, Konvolut 19, Fascikel 16). Ein weiteres Indiz: Am 1. April 1845 hat die Fürstlich Waldeckische Regierung den Mengeringhäuser Stadtmagistrat aufgefordert, die am selbigen Tage erlassene Verfügung das Aufdingen der Lehrlinge bei den Zünften in Mengeringhausen betreffend, "den dortigen Zünften bekannt zu machen, und mit Nachdruck auf deren Befolg zu halten" (Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung XXIII, Abschnitt 5 F, Konvolut 19, Fascikel 27).

Wenn also – wie die beiden beispielhaft herangezogenen vorstehenden Dokumente belegen – die Zunftbräuche in Mengeringhausen länger Bestand hatten als anderswo, so war im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts deren Zerfall auch hier nicht mehr zu übersehen. Gleichwohl waren die ehemaligen Zunftmeister an einer Wiederbelebung des Handwerkerstandes und seines Brauchtums interessiert – ein Bestreben, das auch vom damaligen Bürgermeister tatkräftig unterstützt wurde: Am 23. August 1879 ließ der Mengeringhäuser Bürgermeister Ritter durch die "Schelle" – das war ein vom Polizeidiener Karl Reich mit einer Schelle angekündigtes mündliches Ausrufen in den Straßen – Folgendes bekannt machen: "Alle Handwerker hiesiger Stadt welche früher einer Zunft als Meister angehört haben, werden eingeladen Morgen, den 24ten August Nachmittags um 4 Uhre auf dem hiesigen Rathaussaale sich einzufinden um an einer Berathung zur Hebung und Wiederbelebung des Handwerkerstandes theil zu nehmen. Der Bürgermeister Ritter." Das zweiseitige handschriftliche Protokoll der Versammlung vom 24. August 1879 wurde sowohl vom Bürgermeister als auch von 20 anwesenden Handwerksmeistern unterschrieben, die damit der Gründung einer Innung zustimmten: "Bei der heute abgehaltenen Versammlung der Handwerksmeister zur Berathung der Stiftung einer Innung in hiesiger Stadt fanden sich die nachfolgenden Meister ein, und erklärten sich zum Beitritt zur Innung. Die weiteren Berathungen sollen dann die Feststellung der Statuten bezwecken, und soll die Zeit der Versammlung dann den Betreffenden bekannt gemacht werden" (Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung XXIII, Abschnitt 5 F, Konvolut 19, Fascikel 31).

Mit der Lockerung des zuvor zünftig geregelten Ausbildungsverhältnisses kam die Frage auf, welche Instanz denn die Sozialisationsleistung erbringen könne, die zuvor im „ganzen Haus“ des Meisters gleichsam beiläufig mit hervorgebracht wurde und wirkte insofern begünstigend auf die Schaffung ergänzender schulischer Einrichtungen für die Ausbildung des handwerklichen und kaufmännischen Nachwuchses. Diese Tendenz wurde noch dadurch unterstützt, dass durch die immer weiter fortschreitende Technik und zwischenbetriebliche Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung der einzelne Lehrherr immer seltener in der Lage war, den Lehrling in allen Zweigen seines Gewerbes hinreichend auszubilden. So entstanden die ersten Schuleinrichtungen für Lehrlinge, die deren praktische Ausbildung im Betrieb fachlich ergänzten: Die Handwerker-Zeichenschulen auf der gewerblichen und die 1818 in Gotha errichtete erste kaufmännische Fortbildungsschule auf der kaufmännischen Seite. Diese Schulen, die Simon Thyssen „gewerbliche Sonntagsschulen“ nennt (Thyssen 1954, 28-69; siehe auch Monsheimer 1956, 3-18; Greinert 1975, 21-62), haben sich aus mancherlei Gründen zunächst nur langsam entwickelt: Der Besuch war freiwillig und die jungen Leute waren tagsüber in der Werkstatt, auf der Baustelle oder im Geschäft durchweg länger und stärker als es heute der Fall ist, in Anspruch genommen und konnten nur in den Abendstunden oder des Sonntags in die Schule gehen. Noch wichtiger mag gewesen sein, dass die Handwerker gegen die theoretische Ausbildung in Schulen eine starke Abneigung hatten. In der Vergangenheit hatten sie Ausbildung des Nachwuchses ohne schulische Begleitung und Unterstützung geleistet und hofften, dass sie diese Aufgabe wieder erfüllen könnten, wenn die Voraussetzungen dafür wieder hergestellt würden, d. h. wenn die frühere Zunftverfassung wieder eingeführt werden würde. So gab es wenige Jahrzehnte nach der Einführung der Gewerbefreiheit immer noch eine starke Bewegung für die Wiedereinführung der pflichtmäßigen Lehrzeit, der sich die Behörden nicht gänzlich verschließen konnten – die preußische allgemeine Gewerbeordnung von 1845 schränkt die Gewerbefreiheit insofern ein, als bestimmte Vorschriften über die Ausbildung der Lehrlinge erlassen werden. Diese Regularien werden durch die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869 erweitert, indem sie die Einführung der Pflichtfortbildungsschule durch Ortsstatut ermöglichen. Um die Berufserziehungskrise nicht eskalieren zu lassen, sah sich der Staat genötigt, bei Wahrung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit Maßnahmen zur Stützung des Mittelstandes in die Wege zu leiten und sich damit auch um die beruflichen Schulen zu kümmern, die nach dem damals herrschenden neuhumanistischen Bildungsideal ja keine Bildungsanstalten und daher für die staatliche Kulturpolitik ohne Bedeutung waren. Sie waren notwendig für die fachliche Schulung des gewerblichen und kaufmännischen Nachwuchses, arbeiteten also gleichsam für das Gedeihen der Wirtschaft und wurden deshalb als Teil der Wirtschaft angesehen. Das änderte sich spätestens in den 1870er Jahren, als dem beruflichen Schulwesen auch andere als nur gewerbefördernde Aufgaben zuerkannt wurden und diese auch in den Dienst der Sozial- und Kulturpolitik genommen wurden. Die 1871 gegründete "Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung" und der 1892 gegründete "Deutsche Verein für das Fortbildungsschulwesen" gehören zu den unermüdlichen Propagandisten, die für den Ausbau der Fortbildungsschulen öffentlich warben – beispielsweise auf den seit 1896 regelmäßig veranstalteten "Deutschen Fortbildungsschultagen" (Kipp 2004).

Die Fortbildungsschule wurde als eine bedeutsame Volkserziehungsstätte empfohlen, die das als gefährlich eingeschätzte Jugendalter "zwischen Schulbank und Kaserne" durch erziehliche Beeinflussung und Förderung der Charakterbildung gegen die Gefährdungen und Versuchungen immunisieren sollte. Die neue Einstellung zum beruflichen Schulwesen seit den 1870er Jahren schlug sich in einer Reihe von Gewerbeordnungs-Novellen nieder, die in der berufspädagogisch-historischen Literatur unter dem Stichwort „Handwerkerschutzgesetzgebung“ diskutiert wird; beispielsweise wurden 1891 Strafbestimmungen für das Versäumen des Fortbildungsschulunterrichts eingeführt, 1897 wurden den Innungen des Handwerks wieder Korporationsrechte eingeräumt („fakultative Zwangsinnung“) und Handwerkskammern neu begründet, 1908 folgte die Novelle über den „Kleinen Befähigungsnachweis“, demzufolge nur die Handwerker Lehrlinge halten durften, die vor der Kammer eine Meisterprüfung abgelegt hatten. Entscheidend war bei alledem, dass der Gesetzgeber die Kontrolle und Verwaltung des handwerklichen Lehrlingswesens einschließlich des wichtigen Prüfungsrechts den Handwerkskammern bzw. den Innungen überantwortete; denn diese "korporatistische" Lösung, die uns von den Zünften bekannt ist, bildet bis heute ein zentrales Element in der Verfassung des Dualen Systems der Berufsausbildung. Während Preußen bezüglich der Fortbildungsschulgesetzgebung bis zur reichseinheitlichen Einführung der Berufsschulpflicht im Jahre 1938 an der ortsstatutarischen Regelung festhielt, waren andere Länder bereits dazu übergegangen, eigene Fortbildungsschulgesetze zu erlassen oder die Schulbesuchsregelungen im Rahmen ihrer Volksschulgesetze zu behandeln. So auch das Fürstentum Waldeck-Pyrmont, das in dieser Hinsicht vorangeprescht war.

2 Waldeck vorn: Schulordnung von 1855

Ein Blick in die Geschichte der waldeckischen Berufsschulen ist – nicht nur für Berufs- und Wirtschaftspädagogen – deshalb aufschlussreich, weil das in Nordhessen gelegene Fürstentum Waldeck im Jahre 1855 als einer der ersten deutschen Staaten die Fortbildungsschulpflicht gesetzlich geregelt hatte.

Als Stiftungsbrief der waldeckischen Berufsschulen gilt die am 9. Juli 1855 von Fürst Georg Victor in Arolsen unterschriebene Schulordnung, die der Konsistorialrat Carl Curtze geschaffen hatte (Schulordnung vom 9. Juli 1855, in: Fürstliches Regierungsblatt von 1855, Nr. 28, 210-229).

Der gebürtige Korbacher Carl Curtze war bis zum Jahre 1848 in Mengeringhausen als Pfarrer tätig, um dann ins Konsistorium zu wechseln; dort wirkte er „intensiv auf verschiedenen Ebenen des Bildungswesens im Fürstentum. So brachte er beispielsweise 1849 das erste Waldeckische Lesebuch heraus“ (Müller 2002, 17; Jopp 2001, 38).

Um das überwiegend reformfeindliche Klima im Fürstentum Waldeck des frühen 19. Jahrhunderts zu charakterisieren, kann auf das publizistische Sprachrohr „Waldeckische gemeinnützige Zeitschrift“ verwiesen werden, mit dem das Waldecker Bürgertum seine Reformvorschläge in die Öffentlichkeit transportierte. Im 1841 erschienenen dritten Band dieses Organs findet sich ein Beitrag „Das Bedürfnis einer höheren Bürgerschule“, der den Schulgründungsbedarf in Arolsen bzw. Mengeringhausen herausstellt, mit dem der anonyme Verfasser den für ihn offenkundigen und dringend zu behebenden Qualifikationsengpass im nordwaldeckischen Kreis der Twiste behoben sehen möchte: „Eine Bedingung der Entwickelung unsers gesammten Gewerbfleißes aber, der landwirthschaftlichen sowohl als der gewerblichen und insbesondere der fabrikmäßigen Industrie, ist die Errichtung einer höhern Bürger- oder Realschule (mittlern Gewerbeschule). Für die Vorbereitung auf die gelehrten Berufsarten ist durch das Landesgymnasium [in Korbach] gesorgt; für die Vorbereitung auf einen industriellen Beruf aber, welcher eine höhere Ausbildung erfordert, ist eine Landesschule nicht vorhanden“ (Waldeckische gemeinnützige Zeitschrift, Bd. III, 263).

Der anonyme Verfasser begnügt sich nicht mit der Beschreibung des Qualifikationsbedarfs sondern macht auch konkrete Vorschläge zum Schullokal: „Der passendste Ort für eine solche Anstalt wäre Arolsen oder Mengeringhausen, wo das neue Schulhaus [in der heutigen Nicolaistraße] sich wohl zu diesem Zwecke erweitern ließe“ (ebd., 265, zit. n. Müller 2002, 17).

Das Schulgesetz vom 30. Januar 1846, die Verbesserung des Volksschulwesens betreffend, war lange ersehnt worden, enttäuschte aber letztlich viele Erwartungen: „Lehrerschaft und Schulverwaltung wurden unter eine strenge Aufsicht gestellt. Diese wiederum lag zu einem wesentlichen Teil in den Händen der Kirche, die auch bezüglich der Inhalte des Unterrichts großen Einfluß ausübte und von der die Lehrer somit in besonderer Weise abhängig waren. Die Festlegung der Unterrichtsgegenstände fiel ebenfalls wenig fortschrittlich aus“ (Müller 2002, 17).

Angesichts dieser Kritik aus der Lehrerschaft und aus  dem aufgeklärten, reformorientierten Bürgertum wurde offensichtlich, dass das Regelwerk  aus dem Jahre 1846 den Modernitätserfordernissen nicht genügen konnte, weshalb Konsistorialrat Carl Curtze damit beauftragt wurde, ein neues Schulgesetz auszuarbeiten. Dazu studierte er einerseits die Schulordnungen benachbarter Staaten und holte andererseits auch das Urteil der waldeckischen Lehrer ein, mit denen er sich erstmalig am 11. April 1849 in Korbach traf – beide Vorgehensweisen muten auch heute noch modern an, waren aber seinerzeit durchaus umstritten. Insbesondere die Beratungen mit der Lehrerschaft nahm die waldeckische Geistlichkeit Curtze übel. Nachdem im Regierungsblatt der Entwurf der neuen Schulordnung veröffentlicht worden war, schickten die Pfarrer nicht weniger als 68 Änderungsvorschläge an die Regierung. Das klerikale Bremsmanöver vermochte es indessen nicht, die neue Schulordnung aufzuhalten, Curtzes fortschrittliche Ordnungsarbeit obsiegte schließlich.

Bereits im § 1 der Schulordnung wird der Zweck der öffentlichen Schulanstalten Waldecks beschrieben und festgestellt, dass die „niedere oder Elementar-Volksschule“ die Aufgabe habe, „zu der für das Leben im Staat und in der Kirche, sowie für das Berufsleben erforderlichen Bildung die allgemeinen Grundlagen durch Unterricht, Uebung und gemeinsame Ordnung zu schaffen“ (Schulordnung vom 9. Juli 1855, in: Fürstliches Regierungsblatt von 1855, Nr. 28, 210 -229, hier 210).

Im § 6 wird der politischen Gemeinde die Einrichtung von Fortbildungsschulen auferlegt: „Mit den Elementarschulen müssen, soweit die Oberschulbehörde nicht eine Abweichung für zulässig erachtet, Fortbildungsschulen und für Mädchen Näh- und Strickschulen verbunden werden“ (ebd., 211).

Die Mädchen hatten die Näh- und Strickschulen vom 10. Lebensjahr an neben der normalen Volksschule zu besuchen, die für sie allerdings nur sieben (seit 1905 acht) Jahre dauerte. Die Jungen mussten nach ihrer Entlassung aus der achtjährigen Volksschule neben ihrer Tätigkeit auf dem Bauernhof, in der Werkstatt oder im Büro für zwei Jahre die Fortbildungs-schule besuchen; die wöchentliche Stundenzahl betrug vier.

In den §§ 52 – 88 sind die Verhältnisse der Lehrer geregelt. Sie waren gemäß § 76 verpflichtet, an der Volksschule bis zu 32 und an der Fortbildungsschule bis zu 4 Stunden in der Woche zu unterrichten. Im Hinblick auf die Professionsgeschichte der Gewerbe- und Handelslehrer ist bemerkenswert, dass die Lehraufgaben an den Fortbildungsschulen – den Vorläufern unserer heutigen Berufsschulen – zu den normalen Dienstobliegenheiten der damaligen Volksschullehrer gehörten, die auch nicht gesondert vergütet wurden.

3 Aus 119 Waldecker Fortbildungsschulen (1896) werden 23 Bezirksfortbildungsschulen (1924)

Die am 9. Juli 1855 begonnene Entwicklung der beruflichen Schulen im früheren Fürstentum und jetzigen Landkreis Waldeck führte zunächst zur Einrichtung von Fortbildungsschulen in allen Gemeinden, die auch eine Volksschule unterhielten. Das erklärt die beachtliche Zahl von insgesamt 119 Fortbildungsschulen im Waldecker Land, von denen immerhin 31 im nördlichen Kreis der Twiste lagen. Die Tatsache, dass 1 094 Schüler sich auf 119 Fortbildungsschulen verteilten, führte zu einer stattlichen Anzahl von sehr kleinen Fortbildungsschulen mit weniger als 5 Schülern. Im 1896 veröffentlichten "Handbuch des deutschen Fortbildungsschulwesens" weist Oskar Pache für die allgemeinen Fortbildungsschulen im Fürstentum Waldeck-Pyrmont folgende Schülerzahlen aus: Nur jeweils 2 Schüler in Reitzenhagen und Züschen, jeweils 3 Schüler in Albertshausen, Alleringhausen, Alraft, Berich, Bömighausen, Buhlen, Hüddingen, Nerdar, Ober-Werbe, Orpethal und Welleringhausen, jeweils 4 Schüler in Ammenhausen, Benkhausen, Bühle, Dalwigksthal, Dehausen, Frebertshausen, Goldhausen, Helmscheid, Hillershausen, Hörle, Kleinenberg, Ottlar, Reinhardshausen, Schleidern, Schweinsbühl, Sudeck und Volkhardinghausen. Oskar Pache weist im Vorwort dieses ersten Handbuchs, das sich mit der Fortbildungsschulentwicklung in den deutschen Großherzogtümern, Herzogtümern, Fürstentümern und freien Städten beschäftigt, darauf hin, dass dort viele kleine Fortbildungsschulen anzutreffen seien, denen er freilich einen erheblichen erzieherischen Einfluss einräumt: „Wer weiter beachtet, dass die überaus große Mehrheit dieser Anstalten eine sehr kleine Anzahl von Schülern umfasst, der wird verstehen, dass der Einfluß dieser Schulen trotz der anscheinend geringen Stundenzahl ein ganz bedeutender sein muß“ (Pache 1896, V f.).

Die größten Allgemeinen Fortbildungsschulen des Fürstentums Waldeck-Pyrmont befanden sich in Arolsen (51 Schüler), Korbach (50), Oesdorf (38), Holzhausen (35), Mengeringhausen (30), Rhoden (30), Pyrmont (30), Adorf (24), Goddelsheim (20) und Sachsenhausen (20 Schüler)[1].

Aus den vorstehend mitgeteilten Zahlen geht zumindest zweierlei hervor:

  1. Die Schülerzahlen der meisten Waldeckischen Fortbildungsschulen waren am Ende des 19. Jahrhunderts so gering, dass weder eine Aufteilung in Jahrgangsklassen noch eine Aufteilung nach Berufen (in Berufsfachklassen) möglich war.
  2. Die Fortbildungsschule in Mengeringhausen gehörte mit 30 Schülern zu den größten im Waldecker Land.

Der Besuch dieser Allgemeinen Fortbildungsschulen war für Knaben mit wöchentlich 4 Pflichtstunden während zweier Jahre vorgeschrieben. Unterrichtsfächer waren Rechnen, Deutsch, Geschichte, in größeren Orten auch Zeichnen. Daran wird deutlich, dass die Allgemeine Fortbildungsschule allenfalls mit der Betonung des Zeichenunterrichts, der insbesondere für die konstruktionsorientierten gewerblich-technischen Berufe unerlässlich war, dazu ansetzte, den Übergang zur Berufsschule einzuleiten. Dieser Übergangsprozess spiegelt sich zum einen in der Lehrplandiskussion der 1890er Jahre, zum anderen in den Programmen und Leitthemen der seit 1896 stattfindenden Deutschen Fortbildungsschultage wider und weist strukturell Tendenzen der Vereinheitlichung und Systematisierung auf, die von lokalen zu überregionalen Zentren, von der kleinstaatlich-partikularistischen zur gesamtstaatlich-nationalen Ebene führen (vgl. Kipp 1989).

Folgt man dem Urteil meines akademischen Lehrers Gustav Grüner (Grüner 1967 und 1984), dann waren im Waldecker Land die Fortbildungsschulen in Korbach und Bad Wildungen gleichsam die Schrittmacher dieses Verfachlichungs- bzw. Verberuflichungsprozesses des Fortbildungsschulcurriculums. Die Arolser Schule wurde seit 1870 vom Handwerkerverein unterhalten, der großes Gewicht auf den Zeichenunterricht legte, der während des ganzen Schuljahres mit 2 Stunden durchgeführt wurde. „In Bad Wildungen hatte die Fortbildungsschule nach 1878 gewerblichen Charakter angenommen. Es wurde in den Fächern Realien, Naturkunde, Rechnen, Deutsch und Zeichnen unterrichtet […] Die meisten waldeckischen Fortbildungsschulen waren jedoch Stätten einer allgemeinen Weiterbildung“ (Grüner 1967, 2). Damit lagen sie, wenn man es salopp formulieren möchte, im Trend der damaligen Zeit – freilich noch ziemlich lange, denn nach Grüners Einschätzung blieb diese Situation in den Waldeckischen Fortbildungsschulen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges bestehen. Mehrfache Anläufe, die darauf zielten, den Ausbau der Fortbildungsschulen vorzubereiten und durchzuführen und damit auch den Modernisierungsschritt zur Berufsschule zu vollziehen, verliefen ergebnislos. Erst im Jahre 1924 wurde der Schritt zu „Bezirksfortbildungsschulen“ gewagt.

4 Im Herbst 1924 entstehen im Kreis der Twiste 7 Bezirksfortbildungsschulen

Zum „Bezirk“ dieser neuen Bezirksfortbildungsschulen zählten Gemeinden, die in einem Umkreis von einer Wegstunde zum Schulort lagen. Auf diese Weise kam es zu 23 Bezirksfortbildungsschulen in Waldeck, von denen 7 im Kreis der Twiste lagen:

Arolsen mit Mengeringhausen und Helsen;

Rhoden mit Ammenhausen, Dehausen, Hörle, Orpethal, Wethen, Wrexen;

Landau mit Bühle, Lütersheim, Volkhardinghausen;

Cülte mit Herbsen, Neu-Berich, Schmillinghausen, Wetterburg;

Elleringhausen mit Braunsen, Dehringhausen, Nieder-Waroldern, Ober-Waroldern, Twiste;

Neudorf mit Helmighausen, Hesperinghausen, Kohlgrund;

Vasbeck mit Gembeck und Massenhausen

(Bekanntmachung über die vorläufige Regelung des Fortbildungsschulwesens in Waldeck vom 22. Oktober 1924. In: Waldeckisches Regierungs-Blatt 1924, Nr. 36, 243-245, hier 243).

Diese Bezirksfortbildungsschulen lagen in der Trägerschaft der zum Fortbildungsschulbezirk gehörenden Gemeinden. Wie in Preußen, an dem sich seinerzeit viele kleinere Staaten orientierten, wurde damals auch in Waldeck das sogenannte „ortsstatutarische Prinzip“ angewendet, das besagte, wenn eine solche Schule per Ortsstatut eingerichtet werde, leiste der Staat im Bedarfsfalle Zuschüsse bis zu 50 Prozent der persönlichen Schullasten. Es blieb bei der (nur) zweijährigen Fortbildungsschulpflicht, die nur für Knaben galt, wobei allerdings die wöchentliche Unterrichtszeit von vier auf sechs Stunden erhöht wurde. Die Leitung der Bezirksfortbildungsschulen wurde jeweils dem 1. Lehrer des Schulortes übertragen.

Mit den zugleich ergangenen „Richtlinien für die innere Einrichtung der Bezirksfortbildungsschulen in Waldeck“ (Waldeckisches Regierungs-Blatt 1924, Nr. 36, 246-248) war deren Zielstellung bekannt gemacht worden: „Das Ziel des Fortbildungsschulunterrichts muß sein, unter stetiger Erweiterung und Vertiefung der von der Volksschule gegebenen Allgemeinbildung dem Schüler ein Wissen und Können zu vermitteln, das ihm die zweckmäßige Ausübung seines bürgerlichen Berufs erleichtert, ihm das Verständnis seiner Aufgaben in der Gemeinschaft zu erschließen und ihn mit dem Willen zu fördernder Teilnahme daran zu beseelen“ (ebd., 246).

Die „Richtlinien“ zeigen deutlich, dass die Idee der Berufsbildung inzwischen auch im Waldecker Land Fuß gefasst hatte, denn es ist die Rede von Einberufsklassen (z. B. Klassen für Kaufleute), Berufsgruppenklassen (z. B. für Bauhandwerker aller Art) und Vielberufsklassen sowie von Klassen für berufslose Jugendliche (ungelernte Arbeiter). Als Unterrichtsfächer werden Berufskunde, Rechnen, Deutsch und Buchführung genannt; je nach Art der Klasse kommen noch gewerbliches Zeichnen und Kurzschrift hinzu.

Das „Kernfach“ bildet die Berufskunde, die deshalb auch sehr ausführlich erläutert wird – hier mögen die einführenden Erläuterungen genügen: „Es kann sich für die Fortbildungsschule kleinerer Verhältnisse nicht darum handeln, jedem Beruf seine eigene Berufskunde gesondert zu vermitteln, sondern vielmehr die den Berufen gemeinsamen Momente in ihrer Bedeutung für den Beruf der Schüler zu verwerten. Es wird sich also in der Berufskunde um Belehrungen, Wissen und Erkenntnisse rechtlich-staatsbürgerlicher, kaufmännisch-wirtschaftlicher, geschichtlich-volkswirtschaftlicher und praktisch-technischer Art handeln. Ob das eine oder andere Moment stärker hervortreten muß, hängt von der Zusammensetzung der Klasse ab und wird nach der stofflichen Seite durch den Lehrplan bestimmt“ (ebd.).

Bezüglich der Methode wird die durchaus sehr moderne Empfehlung gegeben: „Noch mehr als die Volksschule ist die Fortbildungsschule die Stätte eines wohlverstandenen Arbeitsunterrichts. Die Anregung und Pflege der Selbsttätigkeit muß über die pädagogisch richtige Gestaltung des Unterrichts hinaus das Ziel haben, den Schüler zu befähigen, dass er die Fragen und Aufgaben, die Beruf und Leben stellen, nicht nur sieht, sondern auch auf dem Wege zu ihrer Lösung möglichst weit selbständig vordringt“ (ebd., 248).

Mit der Einrichtung dieser Bezirksfortbildungsschulen war der Schritt von lokalen zu überregionalen Schulzentren eingeleitet, der zugleich auch Möglichkeiten der inneren Differenzierung eröffnete. Der Arolser Schulrat Christian Graf schrieb in dem 1932 erschienenen „Lexikon der Pädagogik der Gegenwart“, dass beim Anschluss Waldecks an Preußen im Jahre 1929 von den 23 Bezirksfortbildungsschulen 15 einklassig und 8 mehrklassig gewesen seien; die durchschnittliche Klassenstärke lag bei 21 Schülern. Zwei dieser Bezirksfortbildungsschulen seien zu Berufsschulen ausgebaut gewesen (Graf 1932, 1259). Das sind die von Gustav Grüner hervorgehobenen Berufsschulen in Korbach und Bad Wildungen, die hier nur kurz charakterisiert werden können. In Korbach wurden die aus der Volksschule entlassenen Knaben durch Ortsstatut vom 18. Februar 1919 bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres zum Berufsschulbesuch verpflichtet. Unter dem Gesichtspunkt der inneren Differenzierung bzw. fachlichen Spezialisierung ist bemerkenswert, dass die Korbacher Berufsschule sich sofort in einen gewerblichen und einen kaufmännischen Teil gliederte, wobei zunächst Volksschullehrer den Unterricht erteilten und die Leitung in den Händen des Rektors der Stadtschule lag. Im Jahre 1924 unterhielt die Korbacher Fortbildungs- bzw. Berufsschule sechs Klassen für gewerbliche Lehrlinge, drei Klassen für kaufmännische Lehrlinge und zwei Klassen für ungelernte Jugendliche, die in keinem Lehrverhältnis standen, gleichwohl aber berufsschulpflichtig waren; diese letztgenannte Gruppe von Berufsschülern begleitet die Berufsschule seit ihren Anfängen und hat Generationen von Berufsschullehrern als „Sorgenkinder“ mancherlei Mühen bereitet und Geduld und pädagogische Kreativität abgefordert (Kipp/Biermann 1989).

Am 1. April 1929 wurde in Korbach ein hauptamtlicher Gewerbelehrer (Lenski) und ein hauptamtlicher Handelslehrer (Papenbrock) eingestellt. Das Ortsstatut vom 18. Mai 1929 regelte die Verhältnisse der Korbacher Berufsschule neu: Jetzt (endlich) wurden auch die Mädchen berufsschulpflichtig – allerdings nicht jene, die in der Land- oder Hauswirtschaft tätig waren.

Auch die Wildunger Schule nennt sich ab 1924 Berufsschule, führt zwei Klassen für kaufmännische Lehrlinge, sechs Klassen für gewerbliche Lehrlinge und eine Klasse für Ungelernte. Und auch in Bad Wildungen werden um 1930 ein hauptamtlicher Gewerbelehrer und ein hauptamtlicher Handelslehrer fest angestellt.

Im Unterschied zu den Berufsschulen in Korbach und Bad Wildungen war die Arolser Fortbildungsschule – wiewohl die größte im Kreis der Twiste – nicht beruflich gegliedert. Sie nannte sich allerdings „Städtische Berufs- und Fortbildungsschule Arolsen“ und wurde vom Rektor der Volksschule geleitet.

5 Die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen wird am 20. Oktober 1925 "vorläufig" genehmigt

Die Bekanntmachung über die vorläufige Regelung des Fortbildungsschulwesens in Waldeck vom 22. Oktober 1924 enthielt in § 15 die Ermächtigung, die Schulbezirke anderweitig festzulegen – eine Möglichkeit, die der Mengeringhäuser Ortsschulvorstand bald ergreifen sollte.

Allerdings hatte der Kreisschulvorstand in seiner Mitteilung vom 30. Oktober 1924 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von dieser Ermächtigung des § 15 vorläufig kein Gebrauch gemacht werden solle. Die bereits aufgrund der vorangegangenen vorläufigen Ordnung vom 8. Februar 1924 (In: Waldeckisches Regierungs-Blatt Nr. 7, vom 15. Februar 1924) eingerichteten Bezirksfortbildungsschulen in Arolsen und Rhoden wurden in dieser Zusammensetzung wieder aufgelöst und nach der bereits genannten Zuordnung zu 7 Bezirksfortbildungsschulen neu gebildet, so dass die Bezirksfortbildungsschule Arolsen von den in Arolsen, Mengeringhausen und Helsen wohnenden fortbildungsschulpflichtigen Knaben zu besuchen war. Da die Bürgermeister der Gemeinden gehalten waren, die Namen aller fortbildungsschulpflichtigen Knaben bis zum 8. November 1924 mitzuteilen, schickte der Bürgermeister von Mengeringhausen am 28. Oktober 1924 eine handschriftlich verfasste Liste, die die Namen von 22 in Mengeringhausen wohnenden Jungen der Geburtsjahrgänge 1908 und 1909 enthält, an den Leiter der Arolser Bezirksfortbildungsschule, Rektor Klocke (Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung XIV, Abschnitt 10, Konvolut 46, Fascikel 1, Tgb. Nr. 1016).

Der Unterricht wurde nur im Winterhalbjahr durchgeführt, er begann am 15. November 1924 und endete am 15. März 1925.

Mit Schreiben des Kreisschulvorstands vom 10. November 1924 – I. 3233 – wurde Dr. Zimmermann, der Bürgermeister von Mengeringhausen, als Vertreter der zugeschulten Gemeinde zum Mitglied des Schulvorstandes der Bezirksfortbildungsschule Arolsen ernannt und am 6. Dezember 1924 hat dieser Schulvorstand unter dem Vorsitz des Arolser Bürgermeisters Beekmann eine 16 Paragraphen umfassende Schulordnung erlassen.

Dass die Fortbildungsschule von den Mengeringhäuser Lehrlingen nun erstmals in Arolsen besucht werden musste, nachdem Mengeringhausen seit November 1866 eine eigene Fortbildungsschule besaß[2], gefiel weder deren Lehrmeistern noch den Lehrlingen und so kam der Wunsch auf, eine eigene Bezirksfortbildungsschule in Mengeringhausen einzurichten. Und auch aus der Gemeinde Twiste wurde lebhaftes Interesse am Zustandekommen einer Bezirksfortbildungsschule in Mengeringhausen bekundet und zwar zum einen, "weil die Verkehrsverhältnisse nach Mengeringhausen bedeutend besser und vorteilhafter sind, zum anderen wegen der bedeutend besseren Qualität der von Mengeringhausen gebotenen Lehrmittel" (Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung XIV, Abschnitt 10, Konvolut 46, Fascikel 1, Tgb. Nr. 1120).

Die Stadt Arolsen hat diesem Vorhaben sehr starken Widerstand entgegengestellt und auch die Oberschulbehörde in Arolsen war wenig geneigt, dem Wunsch Mengeringhausens nachzukommen – schließlich gelang es doch, die Genehmigung zur versuchsweisen Gründung einer Bezirksfortbildungsschule für Twiste und Mengeringhausen zu erwirken.

Ein Blick auf die Einwohnerzahlen zu dieser Zeit zeigt sofort, dass die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen sich hinter der Arolsens nicht verstecken musste:

Arolsen 2.222 Mengeringhausen 1.534
Helsen 838 Twiste 887
  3.060    2.421

Aus einem Brief des Mengeringhäuser Bürgermeisters vom 19. September 1925 an die Vertreter des Kaufmännischen Vereins (Köbberling) und des Handwerker-Vereins (Ziegler) geht hervor, dass aus Kreisen der ortsansässigen Handwerker und Kaufleute, welche fortbildungsschulpflichtige junge Leute beschäftigen, der "Wunsch nach einer Fortbildungsschule am hiesigen Ort laut geworden" sei. Der Bürgermeister, der in dieser Angelegenheit bereits mit dem Landrat Rücksprache genommen hatte, empfiehlt den Vertretern der vorgenannten Vereine, "an zuständiger Stelle persönlich vorstellig zu werden und den Wunsch vorzutragen" und hält eine vorherige Rücksprache mit ihm für zweckmäßig. In diesem Brief vom 19. September 1925 kündigt sich die Gründung einer von Arolsen unabhängigen Bezirksfortbildungsschule in Mengeringhausen an, die in den folgenden Wochen zügig betrieben wurde.

Der nächste im Stadtarchiv Mengeringhausen aufbewahrte Vorgang in dieser Angelegenheit stammt vom 30. September 1925: Der Mengeringhäuser Bürgermeister beantragt beim Landrat die "Errichtung einer Fortbildungsschule für den Gemeindebezirk Mengeringhausen" und begründet diesen Antrag damit, dass

  1. auch in Mengeringhausen bei einer zu erwartenden Schülerzahl von 40 der den Bezirksfortbildungsschulen zugrunde liegende Gedanke der Differenzierung des Unterrichts nach Berufen vorgenommen werden könne: A) Kaufmännische Gruppe und B) Handwerker-Gruppe. Die dritte C) landwirtschaftliche Gruppe sei in Mengeringhausen nicht notwendig, weil eine landwirtschaftliche Schule am Ort bereits vorhanden sei.
  2. die erforderlichen Lehrerpersonen vorhanden seien und für den nebenamtlichen Unterricht weitere Kräfte zur Verfügung stünden; so hätten sich einige Kaufleute, der Stadtrentmeister Figge und er selbst, der bereits an der landwirtschaftlichen Schule unterrichte, zur Unterrichtserteilung bereit erklärt.
  3. dann auch Fortbildungsschulunterricht für Mädchen in Mengeringhausen eingeführt werden könne, wofür sich auch der Handwerker-Verein einsetze. Wörtlich heißt es: "Solange der Sitz der Schule Arolsen ist, ist dies aber wegen der sittlichen Gefahren der Landstraße nicht möglich" (ebd., Tgb. Nr. 1008).

Der Kreisschulvorstand genehmigte daraufhin mit Bescheid vom 20. Oktober 1925 "vorläufig – zunächst für die Dauer des bevorstehenden Winterhalbjahres – die Errichtung einer Bezirksfortbildungsschule (…) in Mengeringhausen für die Gemeinden Mengeringhausen und Twiste mit der Maßgabe, dass hierdurch dem Staate Mehrkosten nicht entstehen" (ebd., Tgb. Nr. 1009).

Die innere Ausgestaltung dieser neuen Bezirksfortbildungsschule wurde auf einer Sitzung der vereinigten Lehrerkollegien von Mengeringhausen und Twiste beraten, auf der alle Anwesenden der Ansicht waren, dass zwei Klassen in Frage kämen, und zwar eine Klasse für Bauhandwerker, die andere für gemischte Berufe. Außerdem waren alle grundsätzlich damit einverstanden, dass eine Mädchenklasse eingerichtet wird; wobei die Fächerverteilung für diese erst nach Rücksprache mit dem ländlichen Hausfrauenverein beschlossen werden sollte. Die Fächerverteilung für die beiden Knabenklassen sollte so erfolgen, dass zwei Lehrer von Mengeringhausen und zwei Lehrer von Twiste in folgender Weise unterrichten:

Deutsch in beiden Klassen  3 Std. Weidemann, Twiste 
Berufskunde und Rechnen für Bauberufe 2,5 Std. Gottmann, Mengeringhausen
Berufskunde und Rechnen für gemischte Berufe 2,5 Std. Nagel, Twiste
Buchführung für beide Klassen 2 Std. Gerhard, Mengeringhausen
Zeichnen für beide Klassen 2 Std. Gerhard, Mengeringhausen

Damit ergab sich eine Gesamtstundenzahl für beide Klassen von 12 Unterrichtsstunden, die am Dienstag- und Freitagnachmittag in der Zeit von 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr erteilt werden sollten.

War die Fächerverteilung von den vereinigten Lehrerkollegien aus Mengeringhausen und Twiste schließlich bis zum praktikablen Stundenplan der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen ausgearbeitet worden, so ergaben sich in der praktischen Umsetzung noch Ergänzungen, über die wir aus dem Bericht vom 7. November 1925 des Schulvorstands der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen an den Kreisschulvorstand Näheres erfahren:

Der Lehrkörper bestand aus dem Leiter, Rektor Koch, den Lehrern Gottmann und Gerhard aus Mengeringhausen und Weidemann und Nagel aus Twiste sowie den Lehrerinnen Frl. Bangert und Frau Gerhard sowie Bürgermeister Dr. Zimmermann. Diesem Bericht zufolge waren 3 Klassen eingerichtet worden:

  1. Bauhandwerker
  2. Gemischte Berufe
  3. Mädchen

Über die Anzahl der Schüler erfahren wir:

Pflichtfortbildungsschüler 32
 Freiwillige Fortbildungsschüler 5
 Aus Twiste 14
 Schülerinnen (aus Mengeringhausen) 16
  67

Die Schülerinnen der Mädchenklasse entstammten folgenden Geburtsjahrgängen:

1908 = 4, 1909 = 1, 1910 = 5,        1911 = 6.

Über die Lehrberufe der im Jahre 1925 in der Bezirksfortbildungsschule unterrichteten insgesamt 37 Fortbildungsschüler aus Mengeringhausen gibt uns eine Liste Auskunft, die auch deren Geburtsdaten und die Namen der Lehrherren – zu dieser Zeit existierten in Mengeringhausen etwa 80 selbständige Handwerksbetriebe – enthält; danach gab es

1 Malerlehrling
1 Stellmacherlehrling
1 Schriftsetzerlehrling
1 Maurerlehrling
1 Metzgerlehrling
1 Bäckerlehrling
1 Buchbinderlehrling
2 Zimmererlehrlinge
2 Fabrikarbeiter (Spulenfabrik Twiste)
2 Schreinerlehrlinge
3 Landwirtschaftliche Gehülfen
3 Schmiedelehrlinge
3 Schneiderlehrlinge
5 Anstreicherlehrlinge
5 Schlosserlehrlinge
5 Kaufmännische Lehrlinge

Der Bericht gibt schließlich Auskunft über die erteilten und geplanten Unterrichtsfächer: "In den beiden Knabenklassen wird unterrichtet in Deutsch (Weidemann), Zeichnen (Gerhard), Buchführung (Gerhard), Berufskunde (Nagel und Gottmann), Staatsbürgerkunde (Dr. Zimmermann) in wöchentlich 7 Unterrichtsstunden an 2 Nachmittagen. In der Mädchenklasse wird unterrichtet in Deutsch, Rechnen, Buchführung (Frl. Bangert) und Hauswirtschaftskunde (Frau Gerhard) in 4 Wochenstunden (evtl. wird noch Lebenskunde sowie Gesundheits- und Säuglingspflege eingeführt)" (ebd., Tgb. Nr. 1254).

Wie weit die Waldecker Fortbildungsschulen in der Endphase der Weimarer Republik vom wünschenswerten und teilweise in Baden, Hamburg, Sachsen und Thüringen bereits erreichten Ausbaustand entfernt waren, zeigt ein Lexikon-Artikel aus der Feder des Oberregierungsrates im badischen Ministerium des Kultus und Unterrichts, Michael Walter, der die damaligen neueren Bestrebungen 1930 zusammenfasst: "Soll die Fortbildungsschule ein vollwertiges und leistungsfähiges Glied des gesamten Schulorganismus werden, so muß sie im ganzen Reiche als Pflichtschule eingeführt werden und sich als selbständige Schulart auf einer 8jährigen Volksschule aufbauen. Ihr sind alle Jugendlichen beiderlei Geschlechts in Stadt und Land, die keine andere Schule besuchen, 3 Jahre hindurch wöchentlich 5 bis 10 Stunden zuzuführen. Der Unterricht ist unter Trennung der Geschlechter nur an Werktagen und tunlichst in den Vormittagsstunden von hauptamtlichen Lehrkräften zu erteilen. Er hat sich auf Berufs-, Bürger- und Lebenskunde sowie auf Religion, Muttersprache, Rechnen und Turnen zu erstrecken. Dazu muß bei den Knaben noch Werkunterricht und bei den Mädchen praktischer Unterricht in Kochen und Handarbeit kommen" (Walter 1930, 790).

6 Am 2. November 1925 eröffnet Mengeringhausen die erste Mädchenfortbildungsschule in Waldeck

Mengeringhausen übernahm mit der Eröffnung der Mädchenfortbildungsschule am 2. November 1925 eine Vorreiterrolle für das Fürstentum Waldeck und Pyrmont. Aus dem am 22. April 1926 handschriftlich verfassten Bericht der Lehrerin L. Bangert über das erste Semester (Winter 1925/26) erfahren wir, dass sich 16 Schülerinnen zur Teilnahme angemeldet hatten. Der Bericht gibt uns einen Eindruck von den Startschwierigkeiten dieses innovativen Bildungsangebots für Mengeringhäuser Mädchen in der Mitte der 1920er Jahre und soll deshalb ausführlich wiedergegeben werden:

"Da der Besuch freiwillig war, konnten zwei Schülerinnen, die am Anfang zum Unterricht kamen, dann aber fortblieben, zur weiteren Teilnahme nicht gezwungen werden. Die übrigen 14 Schülerinnen hätten aber den Unterricht regelmäßig besucht. Es waren zum größten Teil Töchter von Mengeringhäuser Bürgern; nur zwei von ihnen waren 'in dienender Stellung'. Es wurde in vier Wochenstunden Unterricht erteilt: Deutsch, Rechnung, Buchführung und Hauswirtschaftskunde. Im deutschen Unterricht wurden den Schülerinnen Dichterwerke geboten, es wurden einzelne Abschnitte der Lebenskunde behandelt, Niederschriften wurden gefertigt. Durch Diktate sollte die Rechtschreibung gefestigt werden, und durch Übung im Schreiben von Geschäftsaufsätzen sollten die Schülerinnen befähigt werden, in vorkommenden Fällen selbst solche anfertigen zu können. Dem Rechenunterricht wurde das 'Rechenbuch für Mädchenberufsschulen' von T. Heimann zu Grunde gelegt. Außerdem wurden, um die Denkfähigkeit zu üben, Rechenrätsel gelöst. Im Buchführungsunterricht wurde gezeigt, wie die Ausgaben in einem geordneten Haushalt nach den Einnahmen und dem auf diese sich gründenden Vorschlag richtig verteilt werden. Der Unterschied zwischen Beamten- und landwirtschaftlichem Haushalt wurde klar gemacht. Im hauswirtschaftlichen Unterricht wurden wissenswerte Stoffe aus der Chemie des täglichen Lebens ausgewählt. Nahrungsmittel und Nährstoffe, ihre Zusammensetzung und ihr Nährwert, wurden eingehend behandelt. Praktische Aufgaben zur Berechnung des Nährwertes der wichtigsten Nahrungsmittel und der Menge der notwendigen Nahrungsmittel wurden gelöst. Der knappen Zeit halber mußte der Unterricht auf das eine Gebiet 'Ernährung des Menschen' beschränkt werden.

In einem weiteren Kursus wurde dann auch Kleidung, Wohnung, eine Anzahl von Stoffen und Gegenständen besprochen, mit denen die Mädchen in der Hauswirtschaft in Berührung kommen. Die Schülerinnen nahmen ferner an zwei Vorträgen teil, der eine "'Die Frau als Gärtnerin', der andere 'Die Bereitung alkoholfreier Obstweine'. Durch Besprechung der Vorträge wurde gezeigt, wie das Gehörte gut verwertet werden kann. Mit dem größten Interesse folgten die Schülerinnen dem Unterricht. Es wäre zu wünschen, daß die Mädchenfortbildungsschule nicht ein Versuch bleiben möchte, und viel würde erreicht werden können, wenn der Besuch der Schule zur Pflicht gemacht würde. L. Bangert".

Der Schulvorstand der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen hat diesen Bericht dem Gesuch an den Kreisschulvorstand in Arolsen vom 15. Mai 1926 um Gewährung eines staatlichen Zuschusses zu dem persönlichen Aufwand für die Bezirksfortbildungsschule beigegeben und weist ausdrücklich darauf hin, dass damit in Mengeringhausen die erste Mädchenfortbildungsschule in Waldeck eingerichtet worden sei. Wörtlich fährt das Gesuch um Zuschussgewährung für die Mengeringhäuser Bezirksfortbildungsschule folgendermaßen fort:

"Der Versuch der Schaffung einer Fortbildungsmöglichkeit für Mädchen kann als durchaus gelungen bezeichnet werden. Die beteiligten Kreise haben die Organisation dieser Mädchenfortbildungsklasse als sehr zweckmäßig anerkannt. Der Landesverband der Hausfrauenvereine hat insbesondere die Entwicklung dieser Volksbildungsarbeit mit großer Anteilnahme verfolgt. Wir würden lebhaft bedauern, wenn der Staat diese Kulturpolitik der Gemeinde nicht zu fördern bereit wäre. Den Gemeinderat haben wir damals zur Bewilligung der erforderlichen Mittel dadurch zu veranlassen vermocht, daß wir die Möglichkeit in Aussicht stellten, daß der Staat im Falle des Erfolges des Schulbetriebes den Gemeindeorganen die Anerkennung nicht versagen und einen Zuschuss in Höhe von 50% des persönlichen Aufwandes gewähren werde“ (Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung  XIV, Abschnitt 10, Konvolut 46, Fascikel 1, Tgb. Nr. 355).

Über die Mädchenabteilung der Mengeringhäuser Fortbildungsschule findet sich ein weiterer Bericht über das Winterhalbjahr 1926/27; er wurde ebenfalls handschriftlich verfasst und zwar am 24. März 1927 vom Schulleiter, Lehrer K. Biederbick: "Die Mädchenfortbildungsschule Mengeringhausen wurde in diesem Winter von 11 Mädchen besucht. Es waren dies Bürgertöchter, eine Schülerin war in dienender Stellung. Die Schulzucht war gut, die Mädchen haben nie zu Beschwerden Anlass gegeben. Unterrichtet wurde von Fräulein Bangert in Lebenskunde und Rechnen, von Lehrer Biederbick in Deutsch und Buchführung. Während vorigen Winter die Buchführung eines Haushaltes durchgesprochen worden war, wurde diesen Winter die 'gewerbliche Buchführung' gelehrt. Es wurde die Erfahrung gemacht, daß das letzte Fach Mädchen nicht liegt. Es ist sehr schwer, den abstrakten Stoff den Schülerinnen seelisch nahe zu bringen. Die Lehrenden sind zu dem Urteil gekommen, daß die Schule sehr segensreich wirken könnte, daß es jedoch erforderlich ist, aufklärend zu wirken, damit die Schülerinnenzahl größer wird" (ebd., Tgb. Nr. 2932).

Ob die Mengeringhäuser Mädchenfortbildungsschule weiter fortbestand, ist ungeklärt – die einschlägigen Unterlagen im Stadtarchiv Mengeringhausen legen die Vermutung nahe, dass dieses innovative Bildungsangebot nach zwei erfolgreichen Durchgängen eingestellt wurde, denn in den weiteren Berichten tauchen nur noch die Knabenabteilungen der Bezirksfortbildungsschule auf.

7 Nebenamtlicher Unterricht: Maurermeister Christian Bödicker erteilt Zeichenunterricht

Dass die Fortbildungsschule sich sehr viel stärker als jede andere Schule an den Erwartungen und Bedürfnissen der Berufspraxis ihrer Schüler orientierte, zeigt sich schon bald nach der Errichtung der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen. In seinem Brief vom 26. Oktober 1926 an den Mengeringhäuser Bürgermeister weist der Twister Fortbildungsschullehrer Weidemann auf eine Besprechung vom Vortage hin, in der die Vertreter der Handwerker den Wunsch geäußert hätten, "dass der Unterricht für jede Klasse ungeteilt sei, also an einem Nachmittage zusammenhängend gegeben werde und daß den Zeichenunterricht in beiden Klassen Herr Chr. Bödicker übernehmen möchte" (ebd., Tgb. Nr. 1711). – Beide Wünsche sind durchaus typisch für die Fortbildungs- bzw. Berufsschulentwicklung in dieser Zeit; sie drücken zum einen das betriebliche Bestreben aus, den Lehrling möglichst wenig im Betrieb zu entbehren, also die Fortbildungsschulzeit zu begrenzen bzw. auf einen Schultag zu konzentrieren und zum anderen den Wunsch, möglichst viel fachliche Expertise im Unterricht zur Geltung zu bringen. So ist es bis heute geradezu ein Markenzeichen der Berufsschule, neben den hauptamtlichen Berufsschullehrern auch Experten aus den beruflichen Praxisbereichen als nebenamtliche Lehrkräfte einzusetzen. Beiden Wünschen der Mengeringhäuser Handwerker wurde entsprochen, wie der "Stundenplan der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen 1926/27" vom 25. Oktober 1926 ausweist:

Klasse II. (gemischte Berufe)

Klasse I. (Bauhandwerker)

Dienstag:

Freitag:

1 - 2½  Deutsch                      Weidemann

1 - 2½     Deutsch                     Weidemann

2½ - 5  Berufskunde u. Rechnen.    Nagel

2½ - 4½  Zeichnen oder Buchführung

       Bödicker oder Nord.

5 – 7     Zeichnen oder Buchführung

    Bödicker oder Nord.

4½- 7      Berufskunde u. Rechnen. Bangert

Dass der Unterricht in den Nachmittagsstunden abgehalten wurde, hat zum einen damit zu tun, dass die damaligen Fortbildungsschullehrer am Vormittag ihrem Hauptberuf als  Volksschullehrer nachzugehen hatten und zum anderen damit, dass die Fortbildungsschule im Gebäude der Stadtschule Mengeringhausen untergebracht war, die vormittags ebenfalls als Volksschule betrieben wurde. In der Gründungsphase des beruflichen Schulwesens bereitete die Festlegung und dauerhafte Vereinbarung der geeigneten Unterrichtszeit teilweise erhebliche Schwierigkeiten, die sich im Falle der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen als geradezu harmlos darstellen und offensichtlich auch einvernehmlich lösen ließen. Ansonsten war bei den Arbeitgebern eine eher geringschätzige Einstellung gegenüber der Fortbildungsschule verbreitet, die sich in einem zeitgenössischen "Lexikon der Pädagogik" folgendermaßen liest: "Die Jugendlichen stehen als Lehrlinge, als Gehilfen in Handel und Gewerbe, als jugendliche Arbeiter in Landwirtschaft und Industrie im wirtschaftlichen Leben, der Unterricht geht nur nebenher. Die Arbeitgeber, die im Deutschen Reiche durch die soziale Gesetzgebung ohnedies schwer belastet sind, wollen durch die Fortbildungsschule nicht gestört werden“ (Wolf 1913, 15). Davon hebt sich die Einstellung der Mengeringhäuser Lehrherren wohltuend ab – in seinem Gesuch um Gewährung eines staatlichen Zuschusses zu dem persönlichen Aufwand für die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen vom 15. Mai 1926 an den Kreisschulvorstand in Arolsen berichtet der Schulvorstand der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen: "Aus Kreisen der Lehrherren ist das Bestehen der Schule am hiesigen Ort immer wieder mit Freude begrüßt worden" (Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung  XIV, Abschnitt 10, Konvolut 46, Fascikel 1, Tgb. Nr. 355).

8 Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen vom Handwerk begrüßt, von Arolsen bekämpft

Obwohl die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen vom Handwerk angenommen und von der Schulaufsicht als untadelig und effektiv eingeschätzt wurde, blieb sie für ein weiteres Schuljahr "Versuchsschule". Die Begründung dafür findet sich in der Verfügung des Kreisschulvorstandes vom 20. September 1926, in der der Antrag der Stadt Mengeringhausen, die im Vorjahre errichtete Bezirksfortbildungsschule "dauernd bestehen zu lassen und sie den übrigen Bezirksfortbildungsschulen des Landes gleichzustellen", folgendermaßen kommentiert wird: "Die Unterrichtserteilung an dieser Schule hat im vergangenen Winterhalbjahre zu Klagen keinerlei Veranlassung gegeben. Vielmehr muß anerkannt werden, daß das Lehrpersonal mit seinen reichlich vorhandenen Lehrmitteln einen guten Unterrichtserfolg erzielt hat. Trotzdem möchten wir der Schule den Charakter des Versuchs auch für die Dauer des bevorstehenden Winterhalbjahres lassen, um uns nach der notwendig gewordenen Neubesetzung aller Lehrerstellen an der Stadtschule zu Mengeringhausen über Einrichtung und Leistung nochmals eingehend zu unterrichten. Wir bitten jedoch den in Fragen stehenden Schulgemeinden [Mengeringhausen und Twiste] in Aussicht zu stellen, einen Teil der entstehenden Personalkosten – wie bei den anderen Bezirksfortbildungsschulen – auf den Staat zu übernehmen" (ebd., Tgb. Nr. 3286).

Dem vom stellvertretenden Schulleiter Weidemann handschriftlich verfassten Bericht über das Winterhalbjahr 1926/27 vom 16.3.1927 können wir entnehmen, dass die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen von 50 Schülern besucht wurde, wovon 39 Pflichtschüler waren, während 11 freiwillig am Unterricht teilnahmen. In der Klasse für Bauhandwerker befanden sich 31 Schüler, in der für gemischte Berufe 19. "Beide Klassen wurden durchgehend unterrichtet, und zwar die Bauhandwerkerklasse an jedem Freitag von nachmittags 1 bis 6 Uhr; die Klasse für gemischte Berufe an jedem Dienstag von 1 bis 6 Uhr. Die Schulzucht war im großen und ganzen gut, die Unterrichtsergebnisse sind, soweit ich beurteilen kann, zufrieden stellend" (ebd., Tgb. Nr. 2931).

Der Fortbestand der Bezirksfortbildungsschule war davon abhängig, ob die Oberschulbehörde sich an den persönlichen Schullasten beteiligen würde. Im Stadtarchiv Mengeringhausen finden sich zahlreiche diesbezügliche Anträge, die oft auch abschlägig beschieden wurden. Der in Arolsen ansässige Kreisschulvorstand macht bei seinen Ablehnungen keinen Hehl daraus, dass Mengeringhausen wegen seiner eigenwilligen Bezirksfortbildungsschulgründung gleichsam "abgestraft" wurde, während die "übrigen Bezirksfortbildungsschulen des Kreises" den Zuschuss erhielten; in der entsprechenden Verfügung vom 8. Mai 1925 – I. 1653 – liest sich das so:

"Mit Rücksicht darauf, daß der Herr Landesdirektor zur Einrichtung der dortigen Bezirksfortbildungsschule nur unter der Bedingung s. Zt. seine Einwilligung gegeben hatte, daß dem Staate dadurch Mehrkosten nicht entständen, hat er einen staatlichen Zuschuß zu dem persönlichen Aufwand für die dortige Bezirksfortbildungsschule abgelehnt. Die übrigen Bezirksfortbildungsschulen des Kreises haben einen Zuschuß von etwa 50% des persönlichen Aufwandes erhalten" (ebd., Tgb. Nr. 355).

Diese Auskunft war insofern für den Mengeringhäuser Bezirksfortbildungsschulvorstand "starker Tobak", als damit ein Keil zwischen die Gemeinden Twiste und Mengeringhausen getrieben wurde, der den Bestand der von beiden Gemeinden "beschickten" und über Umlagen (in Höhe von 5 RM pro Lehrling, entrichtet von den Handwerkern und Kaufleuten, deren Lehrlinge die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen besuchten) finanzierten Schule in Mengeringhausen gefährden sollte. Dieser Keil wirkte, wie sich gleich zeigen wird – doch abgesehen von diesem perfiden Spiel des Arolser Kreisschulvorstandes ist sein Argument bezüglich der "Mehrkosten" unhaltbar: Die staatlichen Zuschüsse (in Höhe von 50%) zu den Personalkosten wären in Arolsen oder Nieder-Waroldern anstandslos erstattet worden, wenn die in Mengeringhausen beschulten Lehrlinge statt dessen in Arolsen oder Nieder-Waroldern zur Schule gegangen wären – der Mehr-Aufwand an Lehrerstunden wäre ja durch den Wechsel des Schullokals nicht verschwunden; insofern sind in Mengeringhausen keine wirklichen "Mehrkosten" entstanden.

Nach außen unbeeindruckt vom Arolser Ränkespiel waren der Mengeringhäuser Bezirksfortbildungsschulvorstand und Bürgermeister Dr. Zimmermann unermüdlich darum bemüht, diese staatlichen Zuschüsse zu bekommen. Aber der Arolser "Keil" zeigte Wirkung: Die Gemeinde Twiste machte ihren Verbleib im "Bezirk" Mengeringhausen mehrmals von der erfolgreichen Einwerbung des Staatszuschusses abhängig – so beispielsweise im Brief des Bürgermeisters Emde aus Twiste vom 23. August 1926 an den Bürgermeister von Mengeringhausen: "Da uns der Zuschuß zu der Fortbildungsschule in Elleringhausen [im Jahre 1924] nur 116 RM gekostet hat während  Sie fast das Doppelte verlangen trotzdem mir dortseits gesagt wurde es würde in Mengeringhausen nicht mehr kosten als in Elleringhausen sind wir bei der schlechten Finanzlage der hiesigen Gemeinde leider gezwungen uns wieder Elleringhausen anzuschließen wenn Sie Ihre Forderung nicht wesentlich herabsetzen" Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung XIX, Abschnitt 10, Konvolut 46, Fascikel 1, Tgb. Nr. 882. Im Antwortschreiben des Mengeringhäuser Bürgermeisters vom 31. August 1926 wird deutlich, dass der Schulvorstand der neu gebildeten Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen als bestimmt angenommen hat, "daß die neugebildete Bezirksfortbildungsschule im selben Maße vom Staat unterstützt werden würde, wie die anderen Schulen" (ebd., Tgb. Nr. 1027). Im darauf folgenden Jahr wiederholt sich das Twister Lamento in einem Brief vom 4. Oktober 1927 an den Bürgermeister in Mengeringhausen: "Wenn erreicht wird, daß die Oberschulbehörde auch in diesem Jahr wieder 50% zu den persönlichen Schullasten beiträgt, wird sich die Gemeinde Twiste wieder in Mengeringhausen beteiligen, andernfalls wird sie sich der Bezirksfortbildungsschule in Elleringhausen anschließen" (ebd., Tgb. Nr. 190/27).

Der Mengeringhäuser Bezirksfortbildungsschulvorstand berichtete dem in Arolsen ansässigen preußischen Landesdirektor regelmäßig durch den ebenfalls in Arolsen ansässigen Kreisschulvorstand über Ausbau und Entwicklung der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen und bat im Anschreiben zum Bericht vom 5. Oktober 1927 erneut um deren "förmliche Anerkennung".

Das Antwortschreiben des Kreisschulvorstandes des Kreises der Twiste vom 26. Oktober 1927 an den Mengeringhäuser Bürgermeister lässt keinen Zweifel daran, dass man in Arolsen die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen nicht mochte und deshalb mit bürokratischen Finessen den Akt der "förmlichen Anerkennung" hinauszuzögern versuchte.

9 Amtliche Anerkennung der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen am 23. März 1928

Das Arolser Hinhaltemanöver gelang immerhin bis zum darauf folgenden Frühjahr: Mit Erlass des Landesdirektors vom 23. März 1928 wurde die "förmliche Anerkennung" vollzogen: "Die Bezirksfortbildungsschule in Mengeringhausen, die die Orte Mengeringhausen und Twiste umfasst, wird hierdurch als öffentliche Bezirksfortbildungsschule anerkannt" (ebd., Tgb. Nr. 960).[3]  [3].

Damit war die lange ersehnte Konsolidierung erreicht, weil die Arbeit der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen aus dem Stadium des Versuchs in das Stadium der Normalität überführt worden war. Die Schülerzahlen stabilisierten sich auf angemessen hohem Niveau: Das Schülerverzeichnis 1928/29 weist aus, dass in der Klasse der Bauhandwerker 36 und in der Klasse der gemischten Berufe 32 Schüler waren. Vom Rechnungsjahr 1929 an erfolgen die Abrechnungen über die Unterhaltungskosten der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen auf dreiseitigen Vordrucken, die in Preußen gebräuchlich waren. Darin wurde nicht nur über die diversen Einnahmen und Ausgaben sondern auch über die Schulverhältnisse sehr detailliert berichtet.

So erfahren wir beispielsweise, dass die in der Zeit vom 29. Oktober 1929 bis zum 4. April 1930 insgesamt erteilten 240 Unterrichtsstunden in den beiden Klassen in folgender Weise erteilt wurden:

  1. Lehrer Karl Biederbick, Mengeringhausen = 60 Stunden
  2. Lehrer Fritz Riese, Twiste =   60 Stunden
  3. Lehrer Fritz Weidemann, Twiste =   60 Stunden
  4. Schulamtsbewerber Fritz Böttcher, Mengeringhausen = 40 Stunden
  5. Maurermeister Bödicker, Mengeringhausen = 20 Stunden

Die Anzahl der Fortbildungsschüler betrug 47.

Mit dem am 1. April 1929 vollzogenen Anschluss Waldecks an Preußen fielen die bis dahin gültigen waldeckischen Vorschriften weg und es bedurfte – auch für die Regelung des Fortbildungsschulwesens – neuer Rechtsvorschriften, die vom Kreistag beschlossen wurden. Im Vorfeld dieser am 10. September 1930 beschlossenen "Kreissatzung für die Fortbildungsschulen des Kreises der Twiste“  (Stadtarchiv Mengeringhausen, Abteilung  XIX, Abschnitt 10, Konvolut 46, Fascikel 1), die die Schulträgerschaft von den Gemeinden auf den Kreis verlagerte (§ 1), und eine Vereinheitlichung für das ganze Land Waldeck anstrebte, gab es offenbar auch Gerüchte, die von der drohenden Schließung der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen zugunsten der Stärkung der  zentralen Fortbildungsschule in Arolsen handelten. Jedenfalls wurde die bevorstehende Neuregelung des Fortbildungsschulwesens in den davon betroffenen Kreisen heftig diskutiert; so auch in Mengeringhausen, dessen Bürger wenig Neigung verspürten, ihre Fortbildungsschüler fortan nach Arolsen zur Schule zu schicken.

Am Mittwochabend, dem 3. September 1930, fand im Gasthaus zur Burg eine gemeinsame Sitzung der Handwerker und Kaufleute statt, um zur vorgesehenen Neuregelung des  Fortbildungsschulwesens Stellung zu nehmen. Dem Bericht in der Waldeckischen Landeszeitung vom 8. September zufolge waren die Mengeringhäuser Handwerker und Kaufleute "allgemein der Ansicht, daß der jetzige Zustand beibehalten werden kann, da auch eine zentrale Fortbildungsschule in Arolsen den Lehrlingen keine Vorteile bringe, es sei denn, es würden Fachabteilungen mit wirklichen Berufslehrern gebildet. Ob hierfür aber der Kreis in der heutigen Zeit die Mittel aufbringen könne, müsse bezweifelt werden" (Waldeckische Landeszeitung, 8. Sept. 1930, 7).

In durchaus realistischer Einschätzung der prekären öffentlichen Haushalte in der Endphase der Weimarer Republik plädierten die Mengeringhäuser Handwerker und Kaufleute für den  Fortbestand der Bezirksberufsschule Mengeringhausen – sie sahen freilich auch, dass "wirkliche Berufslehrer" und die Einrichtung von Fachabteilungen, wie es zu dieser Zeit in vielen großen Städten und insbesondere in den industriellen Ballungsgebieten bereits üblich war, eine qualifizierte berufsschulmäßige Fachausbildung bieten würde; mit der Auflösung der Mengeringhäuser Bezirksfortbildungsschule und der Beschulung der Mengeringhäuser und Twister Lehrlinge in Arolsen seien diese günstigen Bedingungen aber noch nicht zu erreichen, weshalb man den bewährten Zustand bestehen lassen solle.

10     1930 erreicht die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen ihre höchste Ausbaustufe – 1931 setzt die Abbaupolitik ein

Der Abrechungsbogen über die Unterhaltungskosten der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen für das Rechnungsjahr 1930 weist 3 Klassen und insgesamt 360 Unterrichtsstunden aus; inzwischen war der Lehrer Friedrich Weiß zum Lehrkörper hinzugestoßen und die Anzahl der Fortbildungsschüler war auf 62 angewachsen. Damit hatte diese Schule ihre höchste Ausbaustufe erreicht – allerdings nur kurzfristig, denn am 1. Februar 1931 trat eine Kürzung der Beamtenbesoldung um 6% in Kraft, die auch die Stundenvergütungen für den nebenamtlichen Unterricht an der Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen betraf und den Auftakt zu einer reichsweit geradezu bedrohlichen Abbaupolitik im Berufsschulwesen bildete.

Im Bericht vom 12. Juni 1931 stellt sich die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen folgendermaßen dar:

Leiter:

Rektor Friedrich Schalk

Lehrer:

Karl Biederbick, Mengeringhausen
Friedrich Weiß, Mengeringhausen
Fritz Riese, Twiste
Fritz Weidemann, Twiste

Maurermeister Bödicker, Mengeringhausen

Wir erfahren, dass für 50 schulpflichtige Jugendliche insgesamt 240 Unterrichtsstunden erteilt wurden; dieser Unterricht verursachte 580 RM Gesamtaufwendungen, davon 100 RM sächliche, 480 RM persönliche.

Die Abbaupolitik verschonte auch Mengeringhausen nicht. Der Abrechnungsbogen für das Rechnungsjahr 1931/32 weist aus, dass insgesamt nur noch 200 Unterrichtsstunden erteilt wurden (gegenüber 240 in den Vorjahren). In den Rechnungsjahren 1932/33, 1933/34 und 1934/35 sank die Unterrichtszeit auf 150 Stunden; sie wurden in folgender Weise erteilt von:

 

Stunden

1932/33

1933/34

1934/35

Rektor Friedrich Schalk

18

36

68

Lehrer Karl Biederbick

18

36

 

Schulamtsbewerber Otto Udersbach

69

   

Berufsschullehrer Johannes Haase, Rhoden

45

   

Schulamtsbewerber Opper

 

78

 

Lehrer Friedrich Weiß

   

82

gesamt

150

150

150

Über die Beschäftigungsverhältnisse der Mengeringhäuser Bezirksfortbildungsschüler erfahren wir, dass sie tätig waren:

 

Schüler

1929/30

1930/31

1931/32

1932/33

1933/34

1934/35

in der Landwirtschaft

8

12

4

6

7

11

als Handwerkslehrlinge

27

40

25

21

17

27

als Kaufmannslehrlinge

7

7

4

2

4

4

als gewerbliche Arbeiter

4

3

3

2

2

5

in sonstigen Berufen

1

 

4

 

3

3

gesamt

47

62

40

31

33

50

Die Berichterstattung in dieser detaillierten Weise endet mit dem Schuljahr 1934/35 – von den Zeitzeugen Heinrich Meuser und Willi Schade ist aber verbürgt, dass sie noch im Jahre 1937 die Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen besucht haben. Der Unterricht fand zu dieser zeit nicht mehr in den Räumen der Stadtschule statt sondern im Hause Büchsenschütz in der Landstraße (und zwar unten links, wo nach dem Zweiten Weltkrieg die Kreissparkasse untergebracht war). Damit endet das Kapitel Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen und es beginnt ein neues Kapitel, das abschließend nur kurz skizziert werden kann.

11 Der lange Weg zur Kreisberufsschule in Arolsen

Nach dem Anschluss Waldecks an Preußen wurde zunächst vom Kreistag am 10. September 1930 eine Kreissatzung für die Berufs-(Fortbildungs)Schulen beschlossen, die am 1. Oktober 1930 in Kraft trat. Durch sie wurde ein Kreisfortbildungsschulvorstand eingerichtet, und die Berufsschulpflicht wurde (endlich) auch in Nordwaldeck auf die weibliche Jugend ausgedehnt. Den Schülern wurden nun längere Wege zum Schulort zugemutet, so dass sich erneut die Einzugsgebiete vergrößerten und die Zahl der Schulen verkleinerte. Der Schritt zur Kreisberufsschule wurde allerdings 1930 noch nicht vollzogen, sondern zog sich bis ins Jahr 1938 hin. Die Gründe für diesen langwierigen Prozess sind vielfältig und können im Rahmen dieses Beitrags nicht dargelegt werden; interessanterweise kam die Stadt Mengeringhausen in der Endphase dieses Prozesses immer wieder ins Spiel, als es darum ging, angemessene Schulräume für die zu gründende Kreisberufsschule zu finden. Nacheinander wurden im Winter 1937/38 mehrere Gebäude in Mengeringhausen ernsthaft in Erwägung gezogen, nachdem in Arolsen weder ein Neubau noch die Nutzung des Bathildisheims in Frage kam: Der Rathaussaal in Mengeringhausen, das Wohnhaus Drenkelfort und das „Schlößchen“.

Das Luther-Haus in Helsen sollte dann ab dem 4. November 1938 das erste Domizil der neu gegründeten Kreisberufsschule werden, die unter der Leitung des Gewerbeoberlehrers Fritz Debes stand und 318 im Kreis der Twiste berufsschulpflichtige Jugendliche als Schüler zu versorgen hatte. Die neue Kreisberufsschule war aufgrund ihrer Größe nun auch in der Lage, die berufliche Gliederung weiter voranzubringen, so dass Fachklassenbildungen in folgenden Bereichen vorgenommen werden konnten: Metall-Unterstufe, Metall-Mittelstufe, Metall-Oberstufe; Bau-/Holz-Unterstufe, Bau-/Holz-Mittelstufe, Bau-Oberstufe, Holz-Oberstufe; Kaufmännische Unterstufe, Kaufmännische Mittelstufe, Kaufmännische Oberstufe. Daneben gab es Sammelklassen für das Nahrungsgewerbe, deren Fachunterricht für Bäcker und Metzger getrennt erteilt wurde und Sammelklassen für das Bekleidungsgewerbe, wobei der Fachunterricht für Schneider und Schuhmacher getrennt erfolgte; und schließlich eine Klasse für Schneiderinnen und Weißnäherinnen aus dem Bathildisheim.

Seit Anbeginn unterrichteten in Berufsschulen große Teile nebenamtlicher Lehrkräfte – so auch in Helsen; neben dem hauptamtlichen Leiter waren seit 1938 ein Studienrat, ein Ingenieur, ein Mittelschullehrer, drei Obermeister, drei Volksschullehrer, ein Meister, ein Steuerberater, eine Meisterin und zwei Kaufleute zeitweise als Lehrkräfte tätig. In dieser Zeit herrschte bereits in ganz Deutschland ein bedrohlicher Berufsschullehrermangel (vgl. Kipp/Miller-Kipp 1995; Seubert 1977; Wolsing 1977), so dass es nicht verwundert, dass die damaligen Ausschreibungen des Landrats für die Stelle eines Gewerbelehrers für das Metallgewerbe und für einen Handelslehrer erfolglos blieben. Es sollte aber nach Beginn des Zweiten Weltkrieges noch schlimmer kommen, indem der Schulleiter zur Wehrmacht eingezogen wurde. Ein Studienrat des Arolser Realgymnasiums leitete dann bis zum Kriegsende die Schule, die 1942 in die Trägerschaft des neuen Großkreises Waldeck überging. Die zur „Nebenstelle“ gewordene Berufsschule des Kreises der Twiste im Luther-Haus in Helsen erhielt 1948 Räume im Behördenhaus in Arolsen und zog 1950 in das Jugendheim „Am Tannenkopf“. Am 1. Dezember 1967 wurde die in der Großen Alle neu erbaute Kreisberufs- und Berufsfachschule in Arolsen eingeweiht, die zusammen mit der benachbarten Kaulbachschule und dem Christian-Rauch-Gymnasium einen großen Schulkomplex bildet.

Persönliche Nachbemerkung

Während meiner Schlosser- und Maschinenbauerlehre bei Max Künzel in Arolsen (1962-1965) habe ich die Berufsschule „Am Tannenkopf“ besucht und 1962 Fritz Debes als meinen ersten Arolser Berufsschullehrer kennen gelernt, der unsere Metall-Unterstufe routiniert und mit der Geduld eines erfahrenen Lehrers unterrichtete; er wurde in der Mittel- und Oberstufe (1963/64/65) von Walter Köster und Günter Ploghaus abgelöst, deren fachliche Expertise mich so sehr begeisterte, dass ich ihnen fünfzehn Jahre später meine Doktorarbeit gewidmet habe (Kipp 1978). Auch den im Text genannten Lehrer Friedrich Weiß habe ich persönlich kennen gelernt; er war mein erster Lehrer in der Stadtschule Mengeringhausen in den Jahren 1952 und 1953.

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[1] Ebd., 121f.; Paches Handbuch informiert detailliert und ausführlich über das Fortbildungsschulwesen im Fürstentum Waldeck-Pyrmont um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Nicht nur werden die den Fortbildungsschulbesuch regelnden gesetzlichen Bestimmungen des Schulgesetzes vom 9. Juli 1855 zitiert (Bd. 1, 111; Bd. 5, 213ff.), sondern die Allgemeinen, Gewerblichen und Landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen des Fürstentums werden einzeln (Bd. 1, 121-123.; Bd. 5, 215 f.) und in statistischen Übersichten (Bd. 1, 182f., Bd. 2, 227f.; Bd. 3, 205-208; Bd. 4, 218-220; Bd. 5, 238-240; Bd. 6, 160f.) vorgestellt. Dem Bericht von 1896 zufolge gab es im Fürstentum Waldeck-Pyrmont, das seinerzeit 57.782 Einwohner zählte, die stattliche Anzahl von 119 Allgemeinen Fortbildungsschulen, die von insgesamt 1.094 Schülern besucht wurden. 2 Gewerbliche Fortbildungsschulen mit 75 Schülern und 4 Landwirtschaftliche Fortbildungsschulen mit insgesamt 126 Schülern. Eine größere "Dichte" im Netz des Fortbildungsschulwesens hat es seinerzeit im Deutschen Reich nirgendwo sonst gegeben: Auf 462 Einwohner kam eine Fortbildungsschule! – Aber diese Spitzenposition in der Schulstatistik darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die staatlichen Zuschüsse für die waldeckischen Fortbildungsschulen mit insgesamt 450 Mk. im Jahre 1891 bzw. 875 Mk. im Jahre 1901 (Bd. 6, 83) außerordentlich mager ausfielen und das Fürstentum Waldeck-Pyrmont in der Finanzstatistik, als Schlußlicht auswiesen: Pro Kopf der Bevölkerung betrugen die staatlichen Zuschüsse im Jahre 1901 spärliche 1,5 Pfennige, während beispielsweise Württemberg, Baden, Hessen und Hamburg etwa 40 Pfennige, Lübeck 52,1 und Bremen sogar 80,8 Pfennige pro Kopf der Bevölkerung an staatlichen Zuschüssen für die Fortbildungsschulen aufwendeten. – Die Schulstatistik im Jahre 1903 zählte in "Waldeck und Pyrmont" 135 Volksschulen mit 178 Lehrpersonen (167 Lehrer, 11 Lehrerinnen) und 10.553 Kindern (5.596 Knaben, 4.957 Mädchen); über die Fortbildungsschulen erfahren wir: "An den Volksschulen wird Fortbildungsunterricht erteilt, zu dem die Knaben noch zwei Jahre nach dem Austritt aus der eigentlichen Volksschule verpflichtet sind" (Leuschner, Oskar: "Waldeck und Pyrmont", in: Enzyklopädisches Handbuch der Erziehungskunde, hrsg. von Joseph Loos, II. Bd., Wien und Leipzig 1911, 986f.; hier 986). – Ganz ähnliche Mitteilungen bei Ernst M. Roloff, der sich in seinem 1917 veröffentlichten Lexikonartikel auf die Reichsunterrichtsstatistik von 1911 bezieht; danach gab es in "Waldeck" (und Pyrmont): 122 öffentliche Volksschulen mit 10.329 Schülern, die von 164 Lehrern und 11 Lehrerinnen unterrichtet wurden. "Mit den Volksschulen ist ein verpflichtender Fortbildungsunterricht verbunden, den die Knaben vom 14. bis 16. Lebensjahre besuche müssen" (Roloff 1917, 716).

[2] Am 22. Oktober 1866 fordert das Fürstlich Waldeckische Consistorium den Kreisschulvorstand im Kreise der  Twiste auf, "zu veranlassen und für die Folge mit aller Strenge darauf zu halten, daß die Fortbildungsschulen überall spätestens am 1ten November jeden Jahres ihren Anfang nehmen" (Staatsarchiv Marburg, Bestand LA Arolsen, Nr. 610, Fach 35, Nr. 42, Bd. II, Ar. 23.10.66). Der Kreisschulvorstand hat daraufhin die Aufforderung an die Schulen im Kreisblatt 16, Nr. 38 veröffentlicht, woraufhin der Ortsschulvorstand von Mengeringhausen am 11. November 1866 "ergebenst berichtet, daß die Fortbildungsschule hier am 6. November ihren Anfang genommen hat. Da die Stunden hier am Dienstag und Freitag gegeben werden, der erste  Freitag aber der Bußtag war, so konnte sie erst am 6. November beginnen. Sie wird von 21 Schülern besucht" (Ebenda, Ar. 14.11.06) – Abweichend davon berichten Dötter und Roth-Ellenberger (1986, 23), dass die Fortbildungsschule ihren Unterricht im November 1890 aufgenommen habe: "Auf Wunsch der Lehrherren wurden die Schüler an drei Abenden in Kirchengeschichte, Deutsch, Rechnen, Raumlehre und Buchführung unterrichtet".

[3]    Abweichend davon die Mitteilung von Manfred Müller: „1927 wird auch die Bezirksfortbildungsschule, die von Schülern aus Twiste und Mengeringhausen besucht wurde, amtlich anerkannt“ (Müller 1984, 89); in gleicher Weise abweichend die Mitteilung von Luise Dötter und Bärbel Roth-Ellenberger: "Die Bezirksfortbildungsschule, die von den Schülern aus Twiste und Mengeringhausen besucht wurde, erfuhr im Jahre 1927 die amtliche Anerkennung" (Dötter/Roth-Ellenberger 1986, 24).

Zitieren des Beitrags

Kipp, M. (2019b): Zwölf Jahre Bezirksfortbildungsschule Mengeringhausen (1925 – 1937). In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspäda­gogik – online, Ausgabe 36, 1-26. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe36/kipp_b_bwpat36.pdf (24.06.2019).