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bwp@ Spezial PH-AT1 - November 2020
Österreichs Berufsbildung im Fokus der Diversität – Berufspädagogische Forschung an Pädagogischen Hochschulen
Status quo, Herausforderungen und Implikationen
Hrsg.:
, , , &Welche Erfahrungen, Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen zeigen angehende Berufspädagog*innen betreffend Inklusion an beruflichen Schulen? Ein internationaler Vergleich
Weltweit entwickeln sich Bildungsinstitutionen zu inklusiven Systemen. Basierend auf länderspezifischen Regelungen implementieren Bildungseinrichtungen inklusionsorientierte Lehrveranstaltungen in der Lehrer*innenbildung. Basierend auf dem Modell von Baumert und Kunter, das postuliert, dass die Kompetenzfacetten Wissen und Können wie auch Persönlichkeitsmerkmale die berufliche Handlungskompetenz abbilden, untersucht dieser Beitrag die Frage, welche Erfahrungen, Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen hinsichtlich inklusiver Beschulung angehende österreichische Berufspädagog*innen zeigen und wie sich diese von ihren Kolleg*innen in Deutschland und Kanada unterscheiden. Die Untersuchung hat ergeben, dass die österreichische Gruppe weniger positive Einstellungen als die beiden anderen Länder zeigt, jedoch angehende berufliche Lehrkräfte in Deutschland und Österreich ähnliche Erfahrungen aufweisen. Die Selbstwirksamkeitserwartung liegt in der österreichischen und kanadischen Gruppe deutlich höher als in der deutschen Gruppe. Die Ergebnisse der Studie werden diskutiert und deren Implikationen für zukünftige Forschung und Lehrerbildung besprochen.
What experiences, attitudes, and self-efficacy towards inclusive education at vocational schools do pre-service vocational teachers have? An international comparison
Educational institutions worldwide are developing into inclusive systems. Based on country-specific legal regulations, tertiary institutions are implementing inclusion-oriented courses in teacher training. Following the model of Baumert and Kunter that the competence facets of knowledge and skills as well as personality characteristics reflect the professional competence to act; this article examines the question of which experiences, attitudes and self-efficacy expectations with regard to inclusive schooling show prospective Austrian vocational teachers and how they differ from their colleagues in Germany and Canada. This research reveals that the Austrian group shows fewer positive attitudes than the other two countries, but prospective vocational teachers in Germany and Austria have similar experience of inclusion. The reported self-efficacy shows significantly higher values in the Austrian and Canadian groups than in the German group. The results of the study will be discussed along with their implications for future research and teacher education.
1 Inklusive Bildung
Inklusion stellt eine aktuelle bildungspolitische Herausforderung dar. Weltweit entwickeln sich inklusive Bildungssysteme. Im Rahmen der lokalen Regelungen und Anforderungen zeigt sich eine Vielfalt von Umsetzungskonzepten. Die Stärkung der Teilhabe und Teilnahme von Menschen mit Beeinträchtigungen in Arbeits-, Ausbildungs- und Schulsystemen ist mit der Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) in Österreich (2008), Deutschland (2009) und Kanada (2010) geltende Rechtsprechung, neben länderspezifischen Rahmenbedingungen zur inklusionsorientierten beruflichen Bildung (vgl. The United Nations 2006; 155. Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 23.10.2008). Die Konzeptualisierungen der Inklusionsansätze im Berufsbildungssystem unterscheiden sich in den Ländern und führen zu unterschiedlichen Lösungsansätzen (z. B. hinsichtlich Beschulung und Inklusionsquoten). Zu den Einflussfaktoren bei der Implementierung inklusiver Bildung zählen rechtliche Rahmenbedingungen ebenso wie die professionelle Handlungskompetenz inklusive der Persönlichkeitsmerkmale wie Einstellung und Selbstwirksamkeit von Lehrkräften. Forschungsergebnisse zeigen, dass die Einstellung der Lehrer*innen zur Inklusion relevante Faktoren für die Umsetzung von inklusiver Bildung sind (vgl. Boer/Pijl/Minnaert 2011). Während im allgemeinen Bildungsbereich bereits umfangreiche empirische Ergebnisse vorliegen (vgl. Gasteiger-Klicpera et al. 2013; Kopp 2009; Schwab/Hellmich/Görel 2017; Schwab/Seifert 2015) ist bisher in den genannten Ländern wenig zu Einstellungen von Lehrkräften gegenüber inklusiver Beschulung im beruflichen System bekannt (vgl. Stein/Wagner/Kranert 2015; Heinrichs et al. 2019; Bylinski/Vollmer 2015; Bylinski/Rützel 2011).
Das Inklusionsverständnis prägt weitgehend die Gestaltung inklusiver Lebens- und Bildungskonzepte. Während Inklusion im engeren Sinne Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen im Blick hat, betrachtet das weitere Verständnis Menschen u.a. mit unterschiedlicher Herkunft, Muttersprachen, Religion oder Geschlecht in Gruppen (vgl. Schwab/Sharma/Loreman 2018; Wulf/Roßbach 2014). Die Entwicklung von einem engen Inklusionsverständnis hin zu einem weiten, das auch soziale und kulturelle Herkunft und Sprache umfasst, wird seit Anfang der 2000er Jahre vermehrt diskutiert (vgl. Werning 2014). Somit wird Inklusion je nach Kontext, Berufsgruppe und Selbstverständnis anders verstanden und damit auch unterschiedlich umgesetzt. In Österreich bezieht sich der Inklusionsbegriff nicht nur auf Menschen mit Behinderung, sondern adressiert alle Lernenden. Im nationalen Bildungsbericht wird dabei auf die allgemeinen Bemerkungen Nr. 4 der Behindertenrechtskonvention hingewiesen, die explizit die Vielfalt der Lernenden bedingt durch Behinderung, Geschlecht, Sprachkultur oder Religion in Bezug auf Achtung und Wertschätzung, Diskriminierung und dem Anspruch auf inklusive, qualitativ hochwertige Bildung anspricht (vgl. Braunsteiner et al. 2019, 32f). Im kanadischen Verständnis von Calder Stegemann und AuCoin (2018) wird Inklusion als Idealzustand und auch als Prozess betrachtet. Dabei liegt ein weites Inklusionsverständnis vor. In Deutschland hingegen findet vorwiegend im Bildungsbereich der enge Inklusionsbegriff Verwendung, der den sonderpädagogischen Förderschwerbedarf (SPF) und Behinderungen fokussiert (vgl. Werning 2014). Im beruflichen Bildungsbereich ist die Beschulung von Jugendlichen in heterogenen Lerngruppen mit sprachlichen Defiziten, mit unterschiedlichen Leistungsvermögen und Schulabschlüssen bereits seit Jahrzehnten ein etabliertes Bildungsverständnis (vgl. Bylinski/Rützel 2016). Die UN-BRK und demografische und arbeitsmarktpolitische Entwicklungen haben die Beschulung von Jugendlichen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen im Sinne einer inklusiven Beschulung jedoch verstärkt (vgl. Allianz für Aus- und Weiterbildung 2014; Inklusion in der beruflichen Bildung 2016). Diese Fokussierung auf Jugendliche mit Beeinträchtigungen und Behinderungen findet im Inklusionsverständnis des Artikels Eingang.
Inklusive berufliche Bildung ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe durch die Erlangung beruflicher Handlungsfähigkeit. Inwieweit Menschen beruflich handlungsfähig sein können, hängt von den tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitswelt ab, den Möglichkeiten, diese erfolgreich zu bewältigen, um dadurch eine Grundlage für ein Leben in Selbständigkeit zu schaffen (Mirbach 2009, 66f). Auf ein Leben in Selbständigkeit vorzubereiten, ist sowohl Auftrag als auch Herausforderung für Berufsbildungssysteme, respektive von berufsbildenden Schulen, die unterschiedliche Programme für alle Schüler*innen anbieten. Zukunftsorientierte Bildungssysteme begreifen Diversität, die sich im Vorhandensein vielfältiger Lebensstile, Zugehörigkeiten und gesellschaftlich anerkannter Unterscheidungsmerkmale (vgl. Bendl/Hanappi-Egger/Hofmann 2012) ausdrückt, als Chance. Für die Gestaltung inklusiver Lehr-/Lernumgebungen, die erfolgreiche Bildungsbiografien ermöglichen, benötigen Lehrer*innen pädagogisch-didaktische Kompetenzen (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 12.06.2014; Baumert/Kunter 2006), die sich nicht nur auf das Lehren ausrichten, sondern auch auf das Schaffen einer adäquaten pädagogischen Atmosphäre und einer Vorstellung von Diversität (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a). Dieser Artikel stellt eine länderübergreifende Studie vor, die sich mit der Vergleichbarkeit von Ausbildungskonzepten für Lehrkräfte an beruflichen Schulen und der Ausprägung von Persönlichkeitsmerkmalen wie Einstellung und Selbstwirksamkeit angehender Berufspädagog*innen im Hinblick auf inklusive Beschulung beschäftigt.
2 Berufsbildungssysteme im Kontext der Inklusion
Länderübergreifend sind verstärkte Migrationsbewegungen und wirtschaftliche Entwicklungen wie Verknappung fachlich gut ausgebildeter Nachwuchskräfte und Passungsprobleme bei der Stellenbesetzung Herausforderungen und Auslöser für Inklusionsanstrengungen (vgl. Sponholz/Ulrich 2019). Die gesamtgesellschaftliche Bedeutsamkeit zeigt sich einerseits in der Verschärfung der Passungsprobleme aufgrund divergierender Lernvoraussetzungen und -bedürfnisse junger Erwachsenen und andererseits betrieblicher Anforderungen einhergehende erhöhte Abbruchquoten im dualen Ausbildungssystem (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 2016; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Damit gewinnt die Frage an Bedeutung, wie die Partizipation junger Erwachsener in Arbeit und Gesellschaft gewährleistet werden kann. Entsprechend des Inklusionsverständnisses, dass die Einbindung von Jugendlichen mit SPF und Behinderungen die Herausforderungen für Lehrkräfte an beruflichen Schulen erweitert, sind Konzepte zur Weiterqualifikation von Lehrkräften und zum Umgang mit Jugendlichen mit individuellen Förderbedarfen in beruflichen Ausbildungssituationen notwendig. Diese Lehrkräfteausbildung stellt ihrerseits hohe Anforderungen an die Lehr- und Lernorganisation und die pädagogischen Kompetenzen des Ausbildungspersonals (vgl. Miesera 2015; Stein/Kranert/Wagner 2016).
Bei der Implementierung des Inklusionskonzepts im Bereich beruflicher Bildung sind länderspezifische bildungspolitische, pädagogische und psychologische Zugänge zu beachten. Die hier betrachteten Länder haben landesspezifische berufliche Bildungssysteme, die föderal strukturiert sind (vgl. Miesera 2018; Berufsbildungsgesetz vom 2015; Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) vom 2017; Deissinger/Gremm 2017; Gesamte Rechtsvorschrift für Ausbildungsvorschriften für Lehrberufe vom 24.05.1972). Während in Deutschland und Österreich landesweite Regelungen zur beruflichen Ausbildung in Form von Rahmenlehrplänen und Ausbildungsordnungen festlegt sind (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 2018) (vgl. Gesamte Rechtsvorschrift für Schulorganisationsgesetz; Gesamte Rechtsvorschrift für Schulunterrichtsgesetz), existieren in Kanada kein bundesstaatliches Ministerium und keine bundesstaatlichen einheitlichen Lehrpläne (vgl. Deissinger/Gremm 2017).
In Deutschland beschreibt der Beschluss der Kultusministerkonferenz Deutschland (vgl. Kultusministerkonferenz 2017) „Berufliche Schulen 4.0“ die Integration zugewanderter junger Menschen und die Bewältigung der kontinuierlichen Integrations- und Inklusionsaufgaben als Herausforderungen. Die Aufgabe der beruflichen Schulen wird darin gesehen, dass sie mit heterogenen Zielgruppen professionell umgehen und die Integration von Leistungsschwachen und Benachteiligten leisten. Dafür sind sowohl die sprach- und kultursensible Pädagogik als auch die Konzepte zur individuellen Förderung weiterzuentwickeln. Die Umsetzung einer heterogenitätssensiblen Pädagogik ist in multiprofessionellen Teams möglich (vgl. Kultusministerkonferenz 2017). Deutschland verfügt über ein differenziertes berufliches Bildungssystem, dies umfasst staatlich anerkannte Ausbildungen ebenso wie spezifische Berufsbilder für Menschen mit Beeinträchtigungen, dazu zählen Fachpraktiker und Werkerberufe nach den § 66 Berufsbildungsgesetz und § 42 Handwerksordnung (vgl. Berufsbildungsgesetz vom 2015; Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) vom 2017). Es gelten Rahmenlehrpläne von der Kultusministerkonferenz für den schulischen Teil der dualen Berufsausbildung (vgl. Sekretariat der Kultusministerkonferenz 2017). Institutionen wie Berufsbildungswerke und Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung sowie Unterstützungssysteme wie berufliche Integrationsförderung und ausbildungsbegleitende Hilfen unterstützen die Integration bzw. Inklusion von jungen Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen (vgl. Stein/KranertWagner 2016). Ein Spezifikum der beruflichen Bildung in Bayern ist die Existenz von zwei Schulsystemen. 47 Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung (BSF) in staatlicher und privater Trägerschaft stehen 179 allgemeine Berufsschulen fast ausschließlich in staatlicher bzw. städtischer Trägerschaft gegenüber (vgl. Bayerisches Landesamt für Statistik 2017). In Bayern sind Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung (BSF) als etablierte Ausbildungsinstitution Teil des beruflichen Bildungssystems. Bei Wahl einer theorieentlastenden (Fachpraktiker-Ausbildung) ist die BSF der duale Partner während Jugendliche, die einen Vollberuf erlernen, einem anderen Berufsschulsystem, den Regelberufsschulen, zugeordnet werden. Damit ist ein Wechsel für Lernende mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Vollberufe schwieriger, es besteht weniger Kooperation zwischen den Lehrkräften und die inklusive Beschulung wird teilweise erschwert. Schulabgänger von Förderschulen schaffen sehr selten den direkten Einstieg in das duale Ausbildungssystem (unter 10%). Die allermeisten Jugendlichen mit SPF münden zunächst in berufsvorbereitenden Maßnahmen (Übergangssektor). Thielen sieht eine Vielzahl von staatlichen Instrumenten zur Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen, jedoch „nur vergleichsweise geringe Fortschritte in der Teilhabe an Arbeit“ (Thielen 2019, 166). Die Schüler*innen durchlaufen Selektionen durch Ausbildungsbetriebe und Kostenträger, die damit maßgeblich die Heterogenität an beruflichen Schulen bestimmen (vgl. Stein/Kranert/Wagner 2016).
Österreich ratifizierte 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention. Dem zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittenen Verbreitungsgrad von Integration im Schul- und Ausbildungssystem ist es zu verdanken, dass die verpflichtende Einführung von Inklusion, wie es die UN-Behindertenkonvention vorsah, in der Öffentlichkeit im Gegensatz zu Deutschland keine großen Diskussionen auslöste (vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2010). Altrichter und Feyerer (2017, 34) sprechen von einer Integrationsquote zum damaligen Zeitpunkt von über 50%. Im Jahr 2012 verabschiedete die österreichische Bundesregierung mit dem „Nationalen Aktionsplan Behinderung 2012–2020“ ein Strategiepapier zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit dem Untertitel „Inklusion als Menschenrecht und Auftrag“ (vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz 2012). Durch die Etablierung inklusiver Modellregionen sollte diesem Auftrag nachgekommen werden. Während der Anteil integriert unterrichteter Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf bis ins Jahr 2016 auf 64,2% anstieg, stagnierte er im Jahr 2016/17 (vgl. Braunsteiner et al. 2019, 19f). Generell konstatieren Braunsteiner et al. (vgl. 2019, 45f) im Nationalen Bildungsbericht eine Zunahme der Heterogenität an Österreichs Schulen in den letzten Jahren, die überwiegend auf Migrationsbewegungen zurückzuführen ist. Es zeigte sich auch, dass bildungspolitische Maßnahmen getroffen werden, die der Heterogenität Raum geben und Inklusion gesellschaftliche Anerkennung findet.
Ausgehend von der beschriebenen Faktenlage steht die Überlegung an, inwiefern im Berufsbildungssystem Integration Bedeutsamkeit erlangt. Österreichs Berufsbildungssystem zeichnet sich durch eine große Beliebtheit aus, was sich daran zeigt, dass sich ein Anteil von 79% der jungen Menschen nach der Absolvierung der Sekundarstufe 1 in einer beruflichen Ausbildung befindet. Ein weiteres Merkmal des österreichischen Berufsbildungssystems ist die starke Differenziertheit, die sich in rund 200 Lehrberufen in dualen Ausbildungsgängen abbildet (vgl. Schlögl/Stock/Mayerl 2019, 269f). Die duale Ausbildung besteht aus dem Besuch einer Berufsschule und der Ausbildung im Lehrbetrieb. Neben diesen Formen gibt es die arbeitsmarktpolitisch relevante Überfachliche Ausbildung (ÜBA), die auf Basis der dualen Lehre aufgebaut ist. Sie soll jenen jungen Menschen eine berufliche Ausbildung gewährleisten, die keinen Zugang zur betrieblichen Lehre haben. Allen berufsbildenden Schulen ist gemein, dass sie sowohl berufliche als auch allgemeinbildende Inhalte vermitteln.
Für Schüler*innen, die sich entweder in einer Sonderschule oder in integrativer Form in der Regelschule befinden, besteht die Möglichkeit der Absolvierung des Berufsvorbereitungsjahrs als neunte Schulstufe zur Vorbereitung auf die Arbeits- und Berufswelt. Danach kann im Rahmen der Integrativen Berufsausbildung eine Lehre angefangen werden. Die gesetzlichen Grundlagen dazu definiert § 8b des Berufsausbildungsgesetzes (vgl. Berufsausbildungsgesetz §8b (zuletzt geändert durch BGBl.I Nr.78/2015) vom 16.05.1969), der entweder eine Verlängerung der Lehrzeit um ein Jahr oder die Teilqualifikation vorsieht. Bei beiden Modellen begleitet und unterstützt die Berufsausbildungsassistenz die Jugendlichen während der gesamten Ausbildung. Mit dem Angebot der Teilqualifikation eröffnet sich die Möglichkeit einer Ausbildung, mit der gezielt auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse eingegangen werden kann. Ausbildungsorte sind Ausbildungsbetriebe oder besondere selbstständige Ausbildungseinrichtungen sowie Berufsschulen (Pflicht bzw. Recht zum Besuch der Berufsschule).
Kanada ratifizierte die UN-CPRD 2010, jedoch führte Kanada die inklusive Beschulung auf der Grundlage nationaler Gesetzgebung und systematischer Umstrukturierung von Schulen bereits seit 1980 ein. „Inclusive education means that all students attend and are welcomed by their neighbourhood schools in age-appropriate, regular classes and are supported to learn, contribute and participate in all aspects of the life of the school. Inclusive education is about how we develop and design our schools, classrooms, programs and activities so that all students learn and participate together” (Inclusive Education Canada 2017). Studien haben gezeigt, dass mehr Zeit und mehr Anstrengungen erforderlich sind, da Inklusion in Kanada noch immer weniger eine Realität und mehr ein Ziel ist (vgl. Sokal/Katz 2015). In Bezug auf die berufliche Professionalisierung wählen Schüler*innen an High-Schools aus akademischen und beruflichen Programmen. Arbeitserfahrungen werden in schuleigenen Werkstätten oder durch Praktika in Betrieben erlangt. Diese Angebote sind berufsbezogene erste praktische Erfahrungen in einem Berufsfeld ähnlich den Berufsvorbereitungsangeboten in Deutschland (vgl. Deissinger/Gremm 2017). Die Lernenden erhalten Berufserfahrung und Beschäftigungsmöglichkeiten in den Lehrlingsausbildungsprogrammen an High-Schools (HSAP). Der Anteil der Schüler*innen mit spezifischen Bedürfnissen ist höher als in High-Schools ohne Berufsausbildungsprogramme. Die Vollzeitlehre integriert Unterricht im Klassenzimmer mit bezahltem Lernen am Arbeitsplatz. Neben der Qualifikation an einem College bieten diese Programme eine Berufsausbildung. Einzelne Regionen zertifizieren die Lehrgänge und ihre Zeugnisse werden in ganz Kanada anerkannt. Die wenig bekannten beruflichen Bildungsmöglichkeiten und das schlechte Image der „dirty hands jobs“ führen dazu, dass universitäre Abschlüsse von fast allen Schulabgänger*innen angestrebt werden, eine betriebliche berufliche Ausbildung wird nur von 1% der Schulabgänger*innen direkt gewählt und die beruflichen Auszubildenden sind in Kanada meist Erwachsene (vgl. Deissinger/Gremm 2017). Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich gelten betriebliche Tätigkeiten als „dirty hands job“ eher für weniger begabte und kognitiv schwächere junge Menschen (vgl. Deissinger/Gremm 2017). Das kanadische Ausbildungsforum (CAF-FAC) sieht dies kritisch. “Youth indicate a preference for university” as a “first choice” post-secondary option and say their guidance counsellors, parents and friends do not encourage them to pursue skilled trades careers“ (Youth + Jobs = Better Future 2018, 5). Berufliche Lehrkräfte sind nach ihrer Ausbildung in den Ausbildungsprogrammen an High-Schools tätig.
3 Inklusive Lehrkräftebildung im beruflichen System
Im Rahmen multidimensionaler Prozesse, die durch rechtliche, organisatorische und personelle Bedingungen gestaltet werden, haben sich inklusive Bildungsregionen, Schulversuche und inklusive Schulprofilierungen positiv für die Umsetzung inklusiven Unterrichts gezeigt (vgl. Stiftung Bildungspakt Bayern 2016; Werning 2014). Lehrkräfte als Gestalter*innen inklusiver Lernsettings haben eine wesentliche Rolle bei der Implementation inklusiver schulischer Bildung (vgl. Miesera 2018; Urton/Wilbert/Hennemann 2015). Bisherige Forschung an allgemeinbildenden Schulen zeigt, dass positive Einstellungen und positive Selbstwirksamkeitserwartungen sowie niedrige Bedenken die Einführung inklusiven Unterrichts unterstützen (vgl. Bosse et al. 2016; Avramidis/Norwich 2002). Internationale Studien belegen, dass die Ausprägungen von Einstellungen und Selbstwirksamkeit von persönlichen Merkmalen (Geschlecht) und auch von Gruppenzugehörigkeit (Nationalität) abhängig sind (vgl. Forlin et al. 2009; Boer/Pijl/Minnaert 2011; Schwab/Hellmich/Görel 2017). Der Vergleich von angehenden und praktizierenden Lehrkräften zeigt Veränderungen von eher positiven liberalen Einstellungen zu konservativen Haltungen. „While there is evidence to suggest that early years pre-service teachers hold a positive attitude towards IE, attitudes become less favourable once they enter the profession” (Anderson/Boyle 2015, 16). Dieses Phänomen ist aus der unterrichtsbezogenen Forschung als 'Konstanzer Wanne' bekannt, danach zeigen angehende Lehrkräfte nach anfänglicher offener Haltung gegenüber Neuerungen nach den ersten Lehrerfahrungen (Praxisschock) traditionellere Einstellungen (vgl. Nitz et al. 2011; Mintz 2019).
Im Hinblick auf berufliche Schulen ist zu beachten: „Inklusion als Ziel- und Prozessperspektive in der Berufsausbildung intendiert eine zukunftsfähige Entwicklung und Entfaltung des kognitiven, emotionalen und sozialen Humanvermögens der nachwachsenden Generation, dafür ist pädagogische Professionalität unabdingbar“ (Buchmann/Bylinski 2013, 156). Die Ausbildung einer pädagogischen Professionalität ist eine wichtige Zeit um Bedenken zu reduzieren und positive Einstellungen zu fördern (vgl. Miesera/Gebhardt 2018b). Internationale Forschung bestätigt dies und hebt die Bedeutung des Lehrveranstaltungsdesigns, des Niveaus und des Umfangs hervor (vgl. Beacham/Rouse 2012; Florian/Linklater 2010; Ahsan/Sharma/Deppeler 2012).
In Deutschland erfolgt die Lehrkräftebildung für alle Lehrämter in der ersten Phase an Universitäten. Der erfolgreiche Abschluss ist ein Master of Education oder das erste Staatsexamen (je nach Schulart), daran schließt sich der Vorbereitungsdienst als zweite Phase der Lehrer*innenbildung an. Die Hochschulrektorenkonferenz legt landesweit die Bedeutung des Umgangs mit Diversität und Heterogenität für die Lehrer*innenbildung fest (vgl. Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz 2015). Inhaltliche Schwerpunkte der Lehrer*innenbildung, unabhängig von der Schulart, sind Differenzierung, Integration und Förderung, um Diversität und Heterogenität als Bedingungen von Schule und Unterricht zu begreifen (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 12.06.2014). Unter Berücksichtigung der Empfehlungen der HRK und KMK, dass die Anforderungen neben den notwendigen Kompetenzen und Fertigkeiten „auch Einstellungen und Haltungen gegenüber Vielfalt ein[schließen], die durch professionsbezogene, erfahrungsbasierte und theoriegestützte Reflexion entwickelt und durch Praxiserfahrung erlebbar werden müssen“ (vgl. Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz 2015, 3), sind seit 2018 flächendeckende Lehrveranstaltungen mit inklusiven Inhalten Pflicht. Ebenso werden in der zweiten Lehrer*innenbildungsphase (zweijähriger Vorbereitungsdienst) inklusive Inhalte vermittelt. Das Verständnis inklusionsorientierter Lehrer*innenbildung prägt den Umfang und die Verortung inklusiver Inhalte. Die Umsetzung einer inklusiven Lehrer*innenbildung wird als Querschnittsaufgabe aus Bildungswissenschaften, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken gesehen. Gleichzeitig erweitert sich das Aufgabengebiet um individuelle Diagnostik sowie Förderung und Kooperation in multiprofessionellen Teams (vgl. Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz 2015). Die gemeinsame Empfehlung der HRK und KMK rät: „Der professionelle Umgang mit Inklusion kennzeichnet künftig eine allgemeine Anforderung an die Lehrerbildung“ (Kultusministerkonferenz und Hochschulrektorenkonferenz 2015, 2). Dabei sind Lehrkräfte an beruflichen Schulen besonders gefordert durch Lerngruppen mit stark ausgeprägter Heterogenität, die ein differenziertes pädagogisches und didaktisches Handeln erfordern (vgl. Miesera 2018). Föderale Strukturen des Bildungswesens lassen Bundesländern und Hochschulen regionsspezifische Gestaltung von inklusionsorientieren Lehrveranstaltungen im Rahmen der gesetzlichen Regelungen und der Empfehlungen der KMK frei (vgl. Kultusministerkonferenz 13.06.2014; Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen 2017). Möglich sind additive Lehrveranstaltungen, umstrukturierte Studiengänge und Lehrämter sowie Lehrer*innenbildung ohne Differenzierung nach Lehrämtern bis hin zur Umsetzung von Inklusion als Querschnittsaufgabe (vgl. Bertelsmann Stiftung et al. 2015). Als kritisch wird eine dringend benötigte Abstimmung der Phasen der Lehrer*innenbildung und Zusammenarbeit aller Akteur*innen in der Lehrer*innenbildung und schulischen Praxis gesehen (vgl. Bertelsmann Stiftung et al. 2015). In Bayern wird mit Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus von 2012 die zentrale Bedeutung der Qualifizierung der Lehrkräfte zum Thema Inklusion benannt. (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2012; Miesera 2018).
In Österreich war vor der Einführung der „PädagogInnenbildung Neu“ die Sonderschullehrer*innenausbildung, die in einem nur sechssemestrigen Studium für das Lehramt des Altersspektrums der 6- bis 15-Jährigen für alle Unterrichtsfächer qualifizierte, die bestehende Ausbildungsform. Mit der Implementierung der neuen Pädagog*innenausbildung in den Studienjahren 2015/16 (Primarstufenlehrer*innen) und 2016/17 (Sekundarstufenlehrer*innen) kam es zu maßgeblichen strukturellen Änderungen. In Kooperation zwischen Pädagogischen Hochschulen und Universitäten wurde die Ausbildungsdauer auf mindestens vier Jahre (Bachelorstudium) plus ein Jahr bzw. eineinhalb Jahre (Masterstudium) für alle Lehramtsstudien vereinheitlicht. Das Hochschulgesetz definiert unter den professionsorientierten Kompetenzen, die angehende Lehrpersonen in ihrer Ausbildung entwickeln sollen, u. a. inklusive, interkulturelle, interreligiöse und soziale Kompetenzen sowie Diversitäts- und Genderkompetenzen (Anlage zu § 74a HG) (vgl. 30. Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) vom 13.03.2006). Festgelegt wurde weiter, dass bei der Gestaltung der Curricula die Zielsetzungen der UN-Behindertenrechtskonvention (§ 42 HG Abs. 10) zu beachten sind. Holzinger et al. (vgl. 2019, 66–67) beschreiben im nationalen Bildungsbericht die Verankerung von inklusiven Kompetenzen in der Basisausbildung; es sind mindestens 18 ECTS-Anrechnungspunkte für den Erwerb inklusiver Kompetenzen zu berücksichtigen. Für die Sekundarstufe Berufsbildung (Duale Ausbildung sowie Technik und Gewerbe [DATG] können sich Lehramtsstudierende im Masterstudium für die Spezialisierung „Inklusive Pädagogik” entscheiden.
Da die Wirksamkeitsforschung der neuen Lehramtsstudien, respektive jener für die Lehrämter der Sekundarstufe Berufsbildung, zum momentanen Zeitpunkt noch ausständig ist, beschränken sich Forschungen auf Analysen der Curricula. Im Zuge der Erstellung des nationalen Bildungsberichts analysierten Reutler und Steinlechner (2018) die Curricula im Kontext von Diversität und deren Dimensionen. Der Begriff Inklusion tritt in den Curricula der Sekundarstufe Berufsbildung vorwiegend in den bildungswissenschaftlichen Modulen im Zusammenhang mit Haltungen zur Inklusion auf. Der Fokus Sprache im Kontext von Migration und Inter-/Transkulturalität ist in den Curricula der Sekundarstufe Berufsbildung deutlich öfter als in anderen Studien zu finden (vgl. Reutler/Steinlechner 2018, 13f), die Nennungen sind jedoch sehr allgemein gehalten und es bleibt unklar, wie die mit den Begriffen benannten Konzepte konkret umgesetzt werden. Ähnliches konstatieren die Autoren für die Bereiche Behinderung und Gender. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die neuen Curricula für die Lehrämter der Sekundarstufe Berufsbildung deutliche Akzente in Richtung Inklusion setzen, deren Wirksamkeit sich aber erst in den nächsten Jahren erweisen wird.
In Kanada wird inklusive Lehrkräftebildung föderal individualisiert umgesetzt. Die Studie von Sokal und Sharma (2014) zeigt, dass es notwendig ist Veränderungen in der Lehrkräfteausbildung einzuführen. Sie belegen, dass 94% der Lehrkräfte in der Region Manitoba in ihren Klassenzimmern mit Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen arbeiteten, während im Gegensatz dazu 43% der Lehrkräfte nie einen Kurs zu inklusiver Beschulung besucht hatten (vgl. Sokal/Sharma 2014). Daher empfehlen die Autoren, dass sowohl angehende, als auch berufstätige Lehrer*innen an Lehrerausbildungskursen teilnehmen sollten, um ihre inklusiven Lehrfähigkeiten zu verbessern. Dies ist besonders wichtig, da Lehrkräfte für allgemeinbildende Schulen ein Vollzeitzeitstudium absolvieren, während angehende Berufsschullehrkräfte berufsbegleitend an Colleges und an Universitäten studieren und weniger Lehrveranstaltungen besuchen. Die hier vorliegende kanadische Datenerhebung der angehenden Berufsschullehrkräfte fand im Bundesland Manitoba statt, das bereits 2008 verbindliche Lehrveranstaltungen zu diversity education einführte, dies schließt inklusive Themen ein (vgl. Sokal/Katz 2015). Berufsschullehrkräfte lehren bereits parallel zur Ausbildung und nach der Ausbildung an Colleges und High-Schools, die Berufsschulabschlüsse anbieten. Lehrkräfte sind in Kanada verantwortlich für die Beschulung aller Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen, mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und sprachlichen Fähigkeiten, somit erhalten Lehrkräfte ein Basiswissen für die Diagnostik und Förderung (vgl. Hutchinson 2017). Im Gegensatz zu Manitoba sind landesweit große Unterschiede bis hin zu fehlenden Pflichtkursen zu verzeichnen. „We recommend that teacher training about teaching students with and without exceptionalities together in inclusive settings be a mandated requirement of all universities and school divisions for both pre-service and in-service teachers, in every province and territory in Canada” (Sokal/Katz 2015, 50).
4 Forschungsfragen
Der Erfolg von inklusiven Bestrebungen im Schulsystem ist, neben den organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in großem Umfang von gut ausgebildeten Lehrkräften abhängig (vgl. Forlin/Chambers 2011; Avramidis/Norwich 2002). Bedenken, mangelnde Selbstwirksamkeitserwartungen und negative Einstellungen verringern die Bestrebungen inklusiven Unterricht umzusetzen (vgl. Sharma/Jacobs 2016). Forschung im allgemeinbildenden Schulsystem haben sich mit dem Einfluss von Einstellungen und Selbstwirksamkeit gegenüber inklusiven Unterricht beschäftigt (vgl. Romi/Leyser 2006; Soodak/Podell/Lehman 1998). Die Lehrkräftebildung im Hinblick auf die Implementierung einer inklusiven Lehrkräftebildung für berufliche Schulen wurde bisher selten untersucht (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a). Die aktuelle Studie untersucht einerseits Einstellungen, Erfahrungen und Selbstwirksamkeitserwartungen von angehenden Berufspädagog*innen gegenüber Inklusion und andererseits die Zusammenhänge dieser drei Dimensionen. Die Zusammenhänge der genannten Faktoren basieren auf den Modellen von Tschannen-Moran,Woolfolk Hoy, Hoy (1998) und Bandura (1997), die ein Selbstwirksamkeitskonzept mit den Einflussfaktoren „eigene Erfahrungen”, „Überzeugungen”, „Analyse der eigenen Kompetenz” zugrunde legen. Unter Beachtung der Ergebnisse von Baumert und Kunter (2006) wird in dieser Studie professionelle Handlungskompetenz von Lehrkräften als ein Zusammenspiel von Wissen, Können und Persönlichkeitsmerkmalen verstanden. Die Bedeutsamkeit von positiven Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen bei der Implementation von inklusiven Unterricht ist in der internationalen Forschung mehrfach diskutiert (vgl. Kopp 2009; Urton/Wilbert/Hennemann 2015; Boer/Pijl/Minnaert 2011). Ländervergleichende Studien bestätigen länderspezifische Ausprägungen (vgl. Schwab/Hellmich/Görel 2017; Miesera/Gebhardt 2018a; Abegglen et al. 2017). Die bisherigen Studien belegen hauptsächlich Ergebnisse für den allgemeinbildenden Schulbereich und deuten bereits schulartenspezifische Ausprägungen von Einstellung und Selbstwirksamkeit an (vgl. Gebhardt et al. 2013). Korrelationsanaylsen von Savolinen et al. (2012) zeigen geringe Korrelationen von Einstellungen und Selbstwirksamkeit, die Regressionsanalyse mit der abhängigen Variable Einstellung hebt die Bedeutsamkeit der Selbstwirksamkeitserwartung hervor (vgl. Savolainen et al. 2012).
Die betrachteten Länder haben, wie bereits aufgezeigt, verschiedene Ansätze für die Umsetzung der Inklusion in ihren Schulen und Lehrkräfteausbildungsprogrammen gewählt. In den vorgestellten Ländern werden berufsbegleitende angehende Berufspädagog*innen mit inklusiver Lehrkräftebildung auf die Diversität an beruflichen Schulen vorbereitet. Während Österreich und Kanada eine lange Tradition mit inklusivem Unterricht haben, ist Deutschland noch geprägt von einem separierenden Schulsystem. Der Vergleich gibt mit der Fokussierung auf Erfahrung inklusiven Unterrichtens, inklusiver Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen im Hinblick auf inklusive Lehr-Lernsituationen wichtige Ergebnisse für länderübergreifende Empfehlungen der Ausbildung von Berufspädagog*innen.
- Forschungsfrage: Gibt es einen signifikanten messbaren Unterschied zwischen den Ländern in Bezug auf inklusionsbezogene Einstellungen, Erfahrung und Selbstwirksamkeit von angehenden Lehrkräften an berufsbildenden Schulen gegenüber Inklusion?
- Forschungsfrage: Bestehen Korrelationen zwischen den Konstrukten inklusionsbezogener Einstellung, Erfahrung und Selbstwirksamkeit von angehenden Lehrkräften an berufsbildenden Schulen gegenüber Inklusion?
Die Selbstwirksamkeitserwartung ist für die Umsetzung von Inklusion ein wichtiger lehrer*innenbezogener Faktor vgl. Urton/Wilbert/Hennemann 2015). Entsprechend bisheriger Studien wird davon ausgegangen, dass die Faktoren Erfahrung mit Inklusion, Einstellungen, Alter, Geschlecht und Land die Varianz der Selbstwirksamkeit prägen. (vgl. Boer/Pijl/Minnaert 2011; Avramidis/Norwich 2002; Schwab/Hellmich/Görel 2017). Regressionsanalysen von Gebhardt et al. (2015) zeigen, dass schulartspezifische Ausprägungen der Selbstwirksamkeitserwartung vorliegen. Dies führt in der vorliegenden Studie zur dritten Forschungsfrage.
- Forschungsfrage: Erklären die Prädikatoren Erfahrungen, Einstellungen, Alter, Geschlecht und Land die Unterschiede in der Selbstwirksamkeit in Bezug auf inklusiven Unterricht?
5 Forschungsdesign
Die Erhebungen in Deutschland, Österreich und Kanada fanden mit einer online-Umfrage bei Teilnehmer*innen der berufspädagogischen Lehrkräfteausbildung statt. Für den Vergleich mit Kanada werden Daten einer 2016 in Manitoba durchgeführten Studie verwendet (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a). In Bayern, Deutschland wurden 2019 ‒ 2020 Studienreferendar*rinnen befragt und in Österreich wurden an fünf Pädagogischen Hochschulen 2018 ‒ 2019 Erhebungen durchgeführt. Es ist erwähnenswert, dass in Kanada die Untersuchung an dem Canadian College durchgeführt wurde, dies ist die einzige Institution in Manitoba zur beruflichen Lehrkräfteausbildung. In Bayern werden angehende Berufspädagog*innen (Studienreferendar*innen) am Studienseminar Bayern und in den Schulen berufsbegleitend ausgebildet. In Österreich erfolgt die Ausbildung von Lehrer*innen, die für das Lehramt an berufsbildenden Schulen qualifiziert sind, weitgehend berufsbegleitend an den Pädagogischen Hochschulen. Die Stichprobe bestand aus 120 Männern und 121 Frauen, wobei 18 Teilnehmer*innen ihr Geschlecht nicht angegeben haben. In den drei verglichenen Ländern gab es keine Abweichungen bei der Geschlechterverteilung. 202 Teilnehmer*innen gaben ihr Alter an. Diese Teilnehmer*innen waren im Alter von 21 bis 58 Jahren (Gesamt M = 33,24; SD =7,37; Kanada M = 39,14; SD = 6,38; Deutschland M = 30,49; SD = 4,14; Österreich M = 33,75; SD = 9,53). Aufgrund vorhergehender Ausbildungen oder Berufserfahrung sind angehende Berufspädagog*innen älter als vergleichbare allgemeinbildende Lehrer*innen. Eine Berufsausbildung hatten 67 der deutschen Teilnehmer*innen und 77 der österreichischen Teilnehmer*innen (in Kanada wurden die Daten nicht erfasst). Die 259 Teilnehmer*innen hatten unterschiedliche Unterrichtserfahrungen, einige von ihnen hatten Erfahrung im Unterrichten von Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen. 152 der angehenden Berufspädagog*innen besuchten Universitätskurse mit den Themen „Inklusion und Heterogenität“ (Kanada: 39 von 43; Deutschland 48 von 110, Österreich 65 von 106); 103 gaben insgesamt an, keine Kurse belegt zu haben und vier machten keine Angaben. Während es in Kanada und Österreich Pflichtveranstaltungen sind, handelt es sich in Deutschland um Wahl-, bzw. Wahlpflichtkurse.
Als Instrument wurde ein online-Fragebogen mit den Skalen „Erfahrungen“, „Einstellungen“ und „Selbstwirksamkeit“ gegenüber Inklusion mit fünf-Punkt-Likert-Skalen verwendet (1= trifft gar nicht zu bis 5 trifft voll zu). Die Items „Erfahrung“ wurden der Skala von Hellmich und Görel (vgl. Hellmich/Görel 2014) entnommen und für die Zielgruppe der Berufspädagog*innen angepasst. Die Skala „Einstellungen“ wurde auf Basis der MTAI-Skala (My Thinking About Inclusion) erstellt (vgl. Stoiber//Gettinger/Goetz 1998). Darüber hinaus wurden spezifische berufliche Items formuliert und eingefügt. Die dritte Skala „Selbstwirksamkeit in Bezug auf inklusives Unterrichten“ wurde von Kopp (2009) entwickelt, die ursprünglichen 25 Positionen wurden gekürzt und angepasst. Der Technische Report der Skalen ist veröffentlicht (vgl. Miesera/Weidenhiller 2018). Die Online-Umfrage wurde mit der Software Soscisurvey durchgeführt (www.soscisurvey.de).
6 Ergebnisse
Die Auswertung zeigt länderspezifische Ergebnisse und signifikante Unterschiede. Die folgende Tabelle zeigt die deskriptiven Werte der Skalen.
Tabelle 1
Skalen |
Deutschland |
Österreich |
Kanada |
Erfahrung |
2,31 (0,71) |
2,37 (1,05) |
3,24 (0,72) |
Einstellung |
3,58 (0,59) |
3,37 (0,66) |
3,63 (0,48) |
Selbstwirksamkeit |
3,42 (0,56) |
3,70 (0,73) |
3,68 (0,49) |
Angaben: Mittelwerte (Standardabweichung)
Die Reliabilität der Skalen ist mit Cronbach‘s α bestätigt. Die Skala „Erfahrung“ umfasst 6 Items und weist unterschiedliche Reliabilitätswerte auf, Deutschland (α = 0,62) und Österreich (α = 0,87); im Vergleich zu Kanada (α = 0,75) aus der Studie von 2016 (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a). Alle sechs Items haben in der Gesamtgruppe eine ausreichende Ladung (rit über 0,30). Beispielitems sind: „Ich habe Schülerinnen und Schüler (SuS) mit sonderpädagogischem Förderbedarf bereits unterrichtet“ oder „Ich habe Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf“. Die deutsche Gruppe bewertet die Skala „Erfahrung“ eher als niedrig. (M = 2,31; SD = 0,71). Die österreichischen Teilnehmer*innen zeigen höhere Erfahrungswerte (M = 2,37, SD = 1,05). Während die kanadische Gruppe mit einem Mittelwert von 3,24 (SD = 0,72) die meiste Erfahrung mitbringt (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die deutsche Gruppe über weniger Erfahrungen als die kanadische Gruppe und österreichische Gruppe berichtet. Signifikante Mittelwertunterschiede bestehen nur zwischen den beiden deutschsprachigen Ländern und Kanada.
Die Skala „Einstellung“ ist reliabel in Deutschland (α = 0,83) und Österreich (α = 0,85), im Vergleich Kanada (α = 0,78) (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a). Alle 9 Items haben eine ausreichende Ladung (rit über 0,30). Beispielitems sind: „Meiner Meinung nach sind SuS mit besonderem Förderbedarf, die inklusiv an Regelberufsschulen unterrichtet werden, besser auf den Arbeitsmarkt vorbereitet“ oder „Meiner Meinung nach zeigen SuS ohne besonderen Förderbedarf in inklusiven Lernumgebungen eine bessere Leistungsbereitschaft“. Die Skalenmittelwerte sind in den Gruppen im Gegensatz zu den anderen Skalen am höchsten. Während deutsche angehende Berufspädagog*innen im Mittelfeld liegen (M= 3,58, SD=0,59), liegen österreichische Teilnehmer*innen etwas niedriger mit M=3,37 und einer Standardabweichung von 0,66. Demgegenüber bringen kanadische Berufsanfänger mit M = 3,63 und SD = 0,48 die am höchsten bewertete Einstellung mit (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a). Während zwischen den deutschen und österreichischen Gruppen und den österreichischen und kanadischen Gruppen signifikante Mittelwertunterschiede vorliegen, bestehen zwischen den deutschen und kanadischen Ratings keine signifikanten Mittelwertunterschiede.
Die Skala „Selbstwirksamkeit“ umfasst 13 Items und ist reliabel (Deutschland (α =0,88.), und Österreich (α = 0,93), im Vergleich dazu Kanada (α = 0,87). Alle 13 Items haben eine ausreichende Ladung (rit über 0,30). Beispielitems sind: „Ich fühle mich in der Lage, den Bedürfnissen von SuS mit und ohne Förderbedarf gerecht zu werden“ oder „Ich glaube, dass ich es schaffen werde die Leistungen aller SuS gleichermaßen zu würdigen, selbst wenn sie das Lernziel nicht erreicht haben“. Es zeigt sich, dass die deutsche Gruppe mit Abstand den niedrigsten Wert der Selbstwirksamkeit mitbringt (M = 3,42 SD = 0,56) während die kanadischen und österreichischen Werte ähnlich liegen (Österreich M = 3,70; SD = 0,73; Kanada M = 3,68; SD = 0,49) (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a). Signifikante Mittelwertunterschiede liegen nur zwischen der deutschen und österreichischen Gruppe vor.
Die Skalen von „Einstellung“ und „Selbstwirksamkeit“ und die Skalen von „Erfahrung“ und „Selbstwirksamkeit“ korrelieren in der Gesamtgruppe; die Skalen „Einstellung“ und „Erfahrung“ korrelieren nicht.
Die folgende Tabelle zeigt die Regressionsanalyse zur Abklärung der Varianz auf der Datenbasis der Substichproben aus Deutschland und Österreich und dient der Abklärung der Varianz der abhängigen Variablen „Selbstwirksamkeit“ durch demographische und erfahrungsbezogene Parameter. Erfahrung, Einstellungen, Alter, Geschlecht und Land sind als unabhängige Variablen gesetzt, die die Varianz der Selbstwirksamkeit beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass Erfahrung, Einstellungen und Land als die signifikanten Variablen gelten, die die Vorhersage von Selbstwirksamkeit erklären. Das Geschlecht hat kaum Einfluss auf die abhängige Variable „Selbstwirksamkeit“. Im Vergleich zur kanadischen Erhebung zeigt sich ein Unterschied, da die Variable „Land“ in der Untersuchung keine Signifikanz hat (vgl. Miesera/Gebhardt 2018a).
Tabelle 2: Regressionsanalyse, abhängige Variable Selbstwirksamkeit
Variable |
B |
SE |
β |
t |
P |
Konstante |
1,102 |
0,25 |
4,39 |
0,00 |
|
Erfahrung |
0,19 |
0,42 |
0,25 |
4,40 |
0,00 |
Einstellung |
0,46 |
0,60 |
0,44 |
7,67 |
0,00 |
Geschlecht |
0,02 |
0,14 |
0,09 |
1,56 |
0,12 |
Land |
0,19 |
0,04 |
0,29 |
5,05 |
0,00 |
|
7 Conclusio und Diskussion
Die Ratifizierungen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung verstärken die Bestrebungen von Bildungssystemen in Richtung Inklusion. Vor allem das berufsbildende System, das Menschen befähigt, den Übergang von grundlegender Bildung zum Arbeitsmarkt erfolgreich zu bewältigen, ist gefordert, die Partizipation von jungen Menschen am Gesellschafts- und Berufsleben zu ermöglichen. Berufsbildner*innen und Lehrer*innen übernehmen dabei als Multiplikator*innen eine Schlüsselrolle. Die vorliegende Studie stellt die Ausbildungssysteme von Lehrer*innen der beruflichen Bildung der Länder Deutschland, Österreich und Kanada, die sich hinsichtlich ihrer Implementierung inklusiven Unterrichts unterscheiden, vor. Österreich und Kanada weisen dabei eine längere Tradition auf als Deutschland, das eher von einem separierenden Schulsystem geprägt ist. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland zeichnen sich Veränderungen ab: In Deutschland sind seit 2018 flächendeckende Lehrveranstaltungen mit Inhalten im Bereich inklusiver Unterrichtsgestaltung in der Lehrerbildung verpflichtend. In Österreich sind in der Pädagog*innenbildung Neu, die beginnend mit 2016/17 (Sekundarstufenlehrer*innen) eingeführt wurde, die Entwicklung inklusiver, interkultureller, interreligiöser und sozialer Kompetenzen sowie Diversitäts- und Genderkompetenzen wesentliche Ziele und in den Curricula verankert. In beiden Ländern werden inklusive Inhalte als Querschnittsaufgabe aus Bildungswissenschaften, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken gesehen. Eine längere Inklusionspraxis weist Kanada auf. Im Bundesland Manitoba, das in der Studie betrachtet wurde, führte man bereits 2008 verbindliche Lehrveranstaltungen zu diversity education ein. Ebenso werden in der kanadischen Lehrerausbildung ein Basiswissen zur Diagnostik und Förderung vermittelt.
Als Gelingensbedingungen für erfolgreiche Inklusion gelten positive Einstellungen und positive Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und Erfahrungen (vgl. Boer/Pijl/Minnaert 2011; Avramidis/Norwich 2002; Schwab et al. 2012). Die Erhebung untersucht in ihrer ersten Fragestellung inwieweit sich Lehramtsanwärter*innen berufspädagogischer Studiengänge in Bezug auf Erfahrungen, Einstellungen und Selbstwirksamkeit im Kontext von Inklusion unterscheiden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich österreichische und deutsche Lehramtsanwärter*innen von kanadischen unterscheiden; österreichische und deutsche angehende Berufspädagog*innen können auf signifikant weniger Erfahrungen zurückgreifen als kanadische. Dies legt den Schluss nahe, dass im Kontakt mit der Schulpraxis die befragten kanadischen angehenden beruflichen Lehrkräfte Diversität bereits erlebt haben, besser wahrnehmen und inklusives Handeln besser etablieren können. Hinsichtlich der Einstellungen zu Inklusion weisen österreichische Berufspädagog*innen in Ausbildung im Vergleich zu deutschen und kanadischen die geringsten Werte auf. Eine Erklärung für die österreichische Situation liegt möglicherweise darin, dass ein Teil der befragten Anwärter*innen in der Berufsschule im dualen System ihre Praxis absolviert. Lehrer*innen müssen in einem kurzen Zeitraum (ca. 9 Wochen) sehr viele Inhalte vermitteln, wobei aus Gründen der zeitlichen Ökonomie möglicherweise ein eher inputorientierter Unterricht vorgezogen wird. Dabei bleiben heterogenitätsbezogene Interventionen eher unbeachtet und führen möglicherweise auf Seiten der Lehrkräfte und Schüler*innen zu Misserfolgserlebnissen. Weitere Untersuchungen, die die Unterrichtsgestaltung und die Diagnosekompetenzen von Lehrer*innen an Berufsschulen fokussieren, sind empfehlenswert. Die höchsten Werte in der Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit weisen kanadische Lehrkräfte in Ausbildung auf, im Vergleich zwischen deutschen und österreichischen angehenden Lehrkräften zeigt sich ein signifikanter Unterschied zugunsten der österreichischen Teilnehmer*innen. Dies mag darauf zurückführbar sein, dass österreichische Lehramtsanwärter eine mehrjährige Berufspraxis vorweisen müssen, bevor sie sich um eine Stelle als Lehrer*in bewerben. Danach werden sie in den pädagogischen Dienst aufgenommen und beginnen nach einiger Zeit parallel zu ihren dienstlichen Pflichten als Lehrer*innen das Studium an den pädagogischen Hochschulen. Diese umfassenden Unterrichts- und Berufserfahrungen könnten sie resilienter machen und mit höherer Selbstwirksamkeit ausstatten.
Zur Beantwortung der Frage nach Korrelationen zwischen den Konstrukten „Einstellung“, „Erfahrung“ und „Selbstwirksamkeit“ gegenüber Inklusion kann festgehalten werden, dass die Skalen von „Einstellung“ und „Selbstwirksamkeit“ und die Skalen von „Erfahrung“ und „Selbstwirksamkeit“ in der Gesamtgruppe korrelieren. Korrelationen dieser Konstrukte wurden in der Literatur mehrfach untersucht und führten zum Teil zu widersprüchlichen Ergebnissen (vgl. Savolainen et al. 2012; Gebhardt et al. 2015). Die Ergebnisse sind deshalb in weiteren Studien mit der Teilnehmergruppe Berufspädagog*innen weiter zu überprüfen. Die Regressionsanalyse bestätigt, dass Einstellungen und Erfahrungen wesentlich die Selbstwirksamkeitsüberzeugungen beeinflussen. Es liegen erst wenige Regressionsanalysen zum Verhältnis dieser psychologischen Konstrukte vor (vgl. Gebhardt et al. 2015), deshalb sind weitere Untersuchungen nötig. Einschränkend ist zu vermerken, dass die gewählten unabhängigen Variablen nur 33% der Varianz der Selbstwirksamkeit erklären, hier sind weitere Regressionsanalysen mit zusätzlichen Variablen empfehlenswert. Limitierend ist, dass die kleinen Teilnehmergruppen dieser Studie und die bundeslandspezifischen Erhebungen in Kanada und Deutschland nur eine begrenzte Aussage zur Übertragbarkeit der Ergebnisse zulassen. Die Autorinnen empfehlen weitere Untersuchungen in anderen Bundesländern und Ländern. Insgesamt ist ein limitierender Faktor, dass zu wenige empirische Studien zu den psychologischen Konstrukten Einstellung und Selbstwirksamkeit gegenüber Inklusion für berufliche Schulen vorliegen. Dadurch bedingt sind hauptsächlich nur Vergleiche zu allgemeinbildenden Schulen möglichen.
Empfehlenswert ist eine inklusionsorientierte Lehrkräftebildung mit Lehr-Lernsettings, die Einstellungsveränderung und Erfahrungserweiterungen ermöglichen, um positive Selbstwirksamkeitserwartungen zu unterstützen. Begleitende Evaluationsforschung mit Aussagen zur erfolgreichen Umsetzung von Lehrkräftebildungsangeboten ist für berufliche Schulen nötig.
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Zitieren des Beitrags
Miesera, S./Moser, D. (2020): Welche Erfahrungen, Einstellungen und Selbstwirksamkeitserwartungen zeigen angehende Berufspädagog*innen betreffend Inklusion an beruflichen Schulen? Ein internationaler Vergleich. In: bwp@ Spezial PH-AT1: Österreichs Berufsbildung im Fokus der Diversität – Berufspädagogische Forschung an Pädagogischen Hochschulen – Status quo, Herausforderungen und Implikationen, hrsg. v. Heinrichs, K./Albert, S./Christa, J./Jäger, N./Uhl, R., 1-22. Online: https://www.bwpat.de/spezial-ph-at1/miesera_moser_bwpat-ph-at1.pdf (18.11.2020).