bwp@ Spezial 7 - November 2013

Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA

Hrsg.: Karin Wirth, Frank Krille, Tade Tramm & Thomas Vollmer

Schulversuchsarbeit als Beitrag zur Schulentwicklung aus Sicht der staatlichen Gewerbeschule Informations- und Elektrotechnik, Chemie- und Automatisierungstechnik (G18)

Die Staatliche Gewerbeschule Informations- und Elektrotechnik, Chemie- und Automatisierungstechnik (G18) in Hamburg-Wilhelmsburg verband mit dem Schulversuch EARA die Erwartung, den Schülerinnen und Schülern des beteiligten Bildungsganges ein attraktives Angebot zur Verkürzung ihrer Ausbildungszeit zu machen.

Beteiligt waren für unsere Schule ausgewählte Schülerinnen und Schüler der vollqualifizierenden Berufsfachschule Technische Assistenz Informatik (TAI).

Teilnehmer dieses Bildungsganges erlangen regelhaft in zwei Jahren ihren Abschluss und qualifizieren sich so direkt für den Informationstechnik (IT)-Arbeitsmarkt. Die Ausbildung existiert bereits seit 1986 an unserer Schule, also lange vor der Entwicklung des dualen Ausbildungsberufes des Fachinformatikers mit seinen zwei Fachrichtungen Anwendungsentwicklung und Systemintegration, der im Jahr 1997 geschaffen wurde. Mit der Schaffung eines dualen Ausbildungsberufes im gleichen Berufsfeld der TAI wurde die grundsätzliche Bedeutung dieses Bildungsganges in den letzten Jahren immer wieder in Frage gestellt. Die Absolventinnen und Absolventen der G18 wurden von den IT-Unternehmen größtenteils nicht als Technische Assistentinnen und Assistenten direkt in ihre Unternehmensstruktur übernommen, sondern als duale Auszubildende eingestellt. Dieses bedeutete für die TAI-Absolventen eine Verlängerung ihrer Ausbildungszeit um mindestens zwei Jahre.

Für den Fall, dass sich wiederum ein Teil dieser Absolventinnen und Absolventen für den Erwerb eines höherwertigen Schulabschlusses entschieden hätten, hätte sich ihre Ausbildungszeit wiederum um mindestens ein Jahr verlängert. In der Summe wäre also eine Gesamtausbildungszeit von bis zu sechs Jahren entstanden.

Mit dem Schulversuch EARA hatten wir die Möglichkeit ambitionierten Schülerinnen und Schülern ein Angebot zu machen, indem alle diese Schritte in max. dreieinhalb Jahren eingebunden wurden. Es gliederte sich in die zweijährige TAI-Ausbildung, incl. der Vorbereitung auf den Erwerb der Fachhochschulreife (FHR) am Ende dieser zwei Jahre. Im Anschluss an diesen ersten Schritt gingen die Absolventinnen und Absolventen in eine betriebliche Ausbildung über (regelhaft zum/r Fachinformatiker/-in Fachrichtung Systemintegration). Dieser letzte Schritt umfasste eineinhalb Jahre und bezog sich ausschließlich auf die betriebliche Ausbildung, da der schulische Teil mit der TAI-Ausbildung als erfüllt angesehen wurde. Die Abschlussprüfung in diesem Ausbildungsabschnitt wurde gestreckt, indem der schriftliche Teil bereits am Ende der Ausbildungszeit zum TAI absolviert wurde und die praktische Prüfung am Ende der betrieblichen Phase.

In den fünf Jahren des Schulversuches haben sich für unsere Schule einige interessante Aspekte ergeben, die in zukünftigen Schulentwicklungsprojekten Anwendung finden werden:

  • Entwicklung eines ausbildungsspezifischen Auswahlverfahrens

Zusammen mit der Handelskammer Hamburg wurde ein Auswahlverfahren entwickelt, das sicherstellen sollte, dass die Auswahl interessierter Schülerinnen und Schüler gelenkt werden würde. Das Assessment gliederte sich in einen schriftlichen Teil bei der Handelskammer, bei dem bereits eine Vorauswahl getroffen wurde und einen mündlichen Teil bei uns an der Schule, der dann den Ausschlag für eine Zusage oder Absage bedeutete.

Die Zusammenarbeit mit der Handelskammer wurde als sehr fruchtbar empfunden, weil es hier aus Sicht der Schule zum ersten Mal gelang, beide Institutionen in einer gemeinsamen Zielrichtung zu verbinden.

  • Intensive Zusammenarbeit mit Unternehmen

In der Vergangenheit wurde die Zusammenarbeit mit den Unternehmen im Rahmen der TAI-Ausbildung zum Teil als schwierig empfunden, da es manchen Schülerinnen und Schülern nur schwer gelang Unternehmen für die im Rahmen der Ausbildung notwendigen Praktika bzw. betrieblichen Einsätze zu finden.

Im Rahmen des Schulversuchs wurden interessierte Unternehmen direkt von der Schule angesprochen in den Fachunterricht zu kommen und so erste Kontakte zu Schülerinnen und Schülern zu knüpfen, die ansonsten durch die Bewerbungsraster gefallen wären.

  • Entwicklung eines schulgenauen und kompetenzorientierten Curriculums

Im Zuge des Schulversuchs kam es zum ersten Mal an unserer Schule zu der Entwicklung eines schulgenauen und kompetenzorientierten Curriculums. Im Gegensatz zu Entwicklungen von Bildungsgängen vergangener Jahren wurde hier nicht ein zentrales Curriculum von Behördenseite vorgegeben, sondern mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort entwickelt. Neu war auch, dass sich überlegt wurde, über welche Kompetenzen eine Absolventinnen und ein Absolvent dieses Bildungsganges am Ende seiner Ausbildung verfügen muss. Diese wurden dann als Ausgangspunkte für die weiteren curricularen Überlegungen genommen.

  • Integration allgemeinbildender Inhalte zum Erwerb der Fachhochschulreife (FHR)

Da der Schulversuch zum Erwerb der FHR führen sollte, mussten die beteiligten Kolleginnen und Kollegen neben den fachtheoretischen Inhalten auch bedenken, dass das Curriculum um die notwendigen allgemeinbildenden Inhalte ergänzt wird.

In diesem Zusammenhang wurde notwendige Pionierarbeit geleistet, die dann in späteren Entwicklungen im beruflichen Schulwesen Hamburgs aufgegriffen wurden. So z.B. in der Entwicklung von 'Dual plus' als einem Zusatzangebot an Auszubildende, neben ihrer dualen Ausbildung auch die FHR zu erwerben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit dem Schulversuch EARA für unsere Schule ein nachhaltiger Schritt hinsichtlich zukünftiger Schulentwicklungsprozesse gemacht wurde. Die Erfahrungen vor allem im Bereich der curricularen Entwicklung gaben für uns wichtige Rückschlüsse auf die Bildungsgangarbeit anschließender Neuordnungen.

 

Zitieren des Beitrags

ALBRECHT, O. (2013): Schulversuchsarbeit als Beitrag zur Schulentwicklung aus Sicht der staatlichen Gewerbeschule Informations- und Elektrotechnik, Chemie- und Automatisierungstechnik (G18). In: bwp@ Spezial 7 – Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA, hrsg. v. WIRTH, K./ KRILLE, F./ TRAMM, T./ VOLLMER, T., 1-3. Online: http://www.bwpat.de/spezial7/albrecht_eara2013.pdf (19-11-2013).