bwp@ Spezial 7 - November 2013

Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA

Hrsg.: Karin Wirth, Frank Krille, Tade Tramm & Thomas Vollmer

Schulversuchsarbeit als Beitrag zur Schulentwicklung aus Sicht der Beruflichen Schule für Büro- und Personalmanagement Bergedorf (H17)

Die H17, seinerzeit noch „Handelsschule Bergedorf“ ist eine von zwei Schulen, des Schulversuchs und bildet den kaufmännisch-verwaltenden Bereich mit dem Ausbildungsberuf „Kaufmann/Kauffrau für Bürokommunikation“ (KfB) ab.

Obwohl die Schule zum Schuljahr 2007/2008 mit 1.818 Schülerinnen und Schülern bereits eine kritische Auslastung hatte, zögerte man keinen Augenblick, diesen zusätzlichen Bildungsgang als Schulversuch an der H17 zu etablieren beziehungsweise zu erproben. Vor dem Hintergrund der damals eher problematischen Ausbildungsplatzsituation insbesondere für Jugendliche, die den direkten Zugang in die duale Ausbildung nicht schafften, ergab sich durch diesen Bildungsgang ein neues Konstrukt, das verschiedene interessante Perspektiven für die Jugendlichen, die Betriebe und die Schulen eröffnete. An dieser Stelle möchte ich mich auf die Erwartungen der Schule beschränken, denn die Chancen für die genannten Jugendlichen und die Sicht der Betriebe wird umfassend anderen Ortes dargestellt.

Aus schulischer Sicht wurde hier ein Bildungsgang implementiert, der seinerzeit potentiell als Ablösung der traditionellen Höheren Handelsschule (HHS) gelten konnte, die an der H17 zunehmend an Bedeutung mangels Bewerberinnen und Bewerbern verlor. Durch die Integration betrieblicher Praktika im Umfang von 800 Stunden und die enge Verzahnung dieser Praktika mit dem Unterricht im Berufsfeld war die Erteilung der vollständigen Fachhochschulreife möglich. Dies ersparte erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen mindestens ein halbes Jahr im Vergleich zu einem nachgelagerten Praktikum nach dem Bestehen der „alten“ HHS – aus unserer Sicht ein Zugewinn an Attraktivität, verbunden mit der Hoffnung auf steigende Schülerzahlen. Chance -aber auch gleichzeitig ein Problem- war die Absenkung der Zugangsnotenschwelle von 3,3 auf 3,5. Einerseits wurde so schwächeren Schülerinnen und Schülern der Einstieg in diesen Bildungsgang ermöglicht, andererseits waren die Anforderungen insgesamt höher als die der HHS.

Die enge Verknüpfung mit unserem Ausbildungsberuf KfB bot die Möglichkeit, zusätzliche Ausbildungsbetriebe zu akquirieren, wobei wir realistisch mit überschaubaren Zuwächsen rechneten. Interessanter war aber die Perspektive, abteilungsübergreifend in der Berufsfachschule und in der Berufsschule an einem Curriculum zu arbeiten und dieses gemeinsam zu gestalten.

Heute, nach fünf Jahren Erprobung und zwei Durchgängen mehr als ursprünglich geplant, blicken wir überwiegend positiv auf die Ergebnisse und beobachten den Transfer in andere Schulentwicklungsvorhaben.

Die Prozesssteuerung und Kommunikation fand in komplexen, zum Teil Institutionen übergreifenden Netzwerken statt und hat den Akteuren neue oder vertiefte Einblicke in Strukturen, Probleme und Interessenlagen gewährt. In zahlreichen Sitzungen verschiedenster Formate wurde gemeinsam im Interesse der Jugendlichen dieser Bildungsgang konzipiert, begleitet und evaluiert.

Diese stark vernetzte Arbeit wird nun in der gemeinsamen Entwicklung eines Curriculums für den neuen Ausbildungsberuf Büromanagement mit unseren Partnerschulen fortgesetzt und ist auch Grundlage der Neugestaltung der HHS.

Lehrerinnen und Lehrer haben neue, zusätzliche Aufgaben übernommen und Erfahrungen gesammelt. So gehörten komplexe Test- und Auswahlverfahren, gemeinsame Akquise von Praktikumsplätzen und die individuelle Begleitung von Praktika bis dahin nicht zum Standard unserer Bildungsgänge.

Auch diese veränderte Lehrerrolle ist zunehmend Arbeitsgrundlage in unseren neu konzipierten Bildungsgängen HHS und BQ-Büro (Berufsqualifizierung im Berufsfeld der Büroberufe).

Gemeinsam mit dem Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (IBW) wurde in zahlreichen Workshops ein kompetenzorientiertes Curriculum gestaltet. Dabei haben wir von Anfang an einen Focus darauf gelegt, dass ein Transfer in unseren Ausbildungsberuf KfB möglich ist und dass eine konzeptionelle Basis für die nun beginnende, schulübergreifende Erarbeitung des Curriculums Büromanagement geschaffen wurde.

Die weiter oben benannte Herausforderung, dass auch leistungsschwächere Jugendliche diesen Bildungsgang erfolgreich absolvieren sollten, führte dazu, dass im Bereich der Fächer Sprache und Kommunikation, Mathematik und Fachenglisch erste Förderstrukturen und -konzepte erarbeitet wurden, die uns bei der sukzessiven Umsetzung von Individualisierungsansätzen hilfreich sein werden.

Abschließend ist aus schulischer Sicht festzustellen, dass das Ende des Schulversuches schmerzlich ist, denn der Ressourceneinsatz war und ist immer noch erheblich. Wohl wissend, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen sich glücklicherweise zu Gunsten der Jugendlichen entwickelt haben und ein direkter Zugang in eine duale Ausbildung heute teilweise leichter ist, als im Jahre 2007, steht die Schulleitung dennoch vor der Herausforderung, dem Kollegium klar zu machen, dass hier nicht „umsonst gearbeitet wurde“, sondern dass ein großer Teil der geleisteten Arbeit Niederschlag in neuen oder neu gestalteten Bildungsgängen findet oder zukünftig Einzug halten wird.

Zitieren des Beitrags

SCHNITZLER, B. (2013): Schulversuchsarbeit als Beitrag zur Schulentwicklung aus Sicht der Beruflichen Schule für Büro- und Personalmanagement Bergedorf (H17). In: bwp@ Spezial 7 – Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA, hrsg. v. WIRTH, K./ KRILLE, F./ TRAMM, T./ VOLLMER, T., 1-3. Online: http://www.bwpat.de/spezial7/schnitzler_eara2013.pdf  (19-11-2013).