bwp@ Spezial 7 - November 2013

Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA

Hrsg.: Karin Wirth, Frank Krille, Tade Tramm & Thomas Vollmer

EARA und die Reform der beruflichen Bildung in Hamburg

Der Schulversuch EARA ist durch die umfassende Hamburger Reform zur beruflichen Bildung (2011) eingeholt worden. Alle konstituierenden Elemente von EARA wurden mit Gewinn für die Reform genutzt. Dies ist erkennbar an neu entwickelten oder systematisch weiterentwickelten Bildungsgängen, an der Verzahnung von Theorie und Praxis, am Abbau von Warteschleifen, an der Anerkennung erworbener Kompetenzen in nachfolgenden Bildungsgängen sowie einer verkürzten Ausbildungszeit. EARA hat damit wesentlich zur Weiterentwicklung der beruflichen Bildung in Hamburg beigetragen. Erstens verstetigt die Reform beide Ziele von EARA: durch den Erwerb eines höheren Bildungsabschlusses im Rahmen einer Berufsausbildung die Durchlässigkeit zu verbessern sowie durch die Anrechenbarkeit von Qualifikationen den Ausbildungsweg zu komprimieren. Zweitens gewinnen wir aus EARA die Erkenntnis, dass wir flexible Angebote und die Verknüpfung von Theorie und Praxis weiter entwickeln müssen, um jungen Menschen bessere Möglichkeiten für einen direkten Übergang in Ausbildung zu schaffen. Drittens wurde in EARA das „Format“ des reflexiven Erfahrungslernens entwickelt, das auf weitere Bildungsgänge wir beispielsweise AvDual (duale Ausbildungsvorbereitung) oder die Reform der Höheren Handelsschule übertragen wurde.

1 Einleitung

Die zweite Fachtagung zum Abschluss des Projekts „Erprobung neu strukturierter Ausbildungsformen im Rahmen des Ausbildungskonsenses 2007 – 2010“, EARA, bietet einen guten Anlass, die Bedeutung dieses Schulversuchs für die Reform der beruflichen Bildung in Hamburg zu reflektieren. Seit der ersten EARA-Fachtagung im Jahr 2010 vollzieht sich in Hamburg die in Deutschland wohl umfangreichste Reform der beruflichen Bildung. Die Erkenntnisse aus dem Projekt EARA, das eigentlich nur bis 2010 dauern sollte und dann zwei Mal verlängert wurde, konnten mit Gewinn für die Reform genutzt werden.

2 EARA im Kontext der Reformbestrebungen 2007 bis 2011

Mit dem Projekt EARA erprobte das Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) ab August 2008 in der Beruflichen Schule für Büro- und Personalmanagement Bergedorf (H17) und der Staatlichen Gewerbeschule für Informations- und Elektrotechnik, Chemie- und Automatisierungstechnik (G18) in einem Schulversuch alternative Form der beruflichen Ausbildung. Ziel war es, die bisherige vollqualifizierende Berufsfachschule mit der Erlangung der Fachhochschulreife (FHR) und einem regulären dualen Ausbildungsabschluss zu verknüpfen. Dazu absolvierten die Schüler zunächst einen zweijährigen schulischen Ausbildungsabschnitt mit den Abschlüssen Technische Assistenz Informatik (an der G18) beziehungsweise Kaufmännische Assistenz (an der H17) und der Fachhochschulreife. Mit integrierten Praktika erwarben sie die für die FHR erforderlichen Praxisanteile. Nach dem Bestehen folgte ein 1,5-jähriger, betrieblicher Ausbildungsabschnitt mit dem Kammerabschluss zum Kaufmann für Bürokommunikation beziehungsweise Fachinformatiker Systemintegration. Die Schülerinnen und Schüler profitierten also in dreifacher Weise.

Initiatoren des Projekts waren die Handelskammer, die Handwerkskammer und die damalige Behörde für Schule und Sport, die mit EARA Qualifizierungsschleifen sinnvoll verkürzen und die Durchlässigkeit zwischen den Bildungsgängen erhöhen wollten. Studien hatten nämlich gezeigt, dass viele Jugendliche weit länger als erwartet im Schulsystem verweilten. Im Bereich der Berufe, die dann für EARA ausgewählt wurden, schlossen die Absolventen eines vollqualifizierenden vollschulischen Bildungsgangs oft noch eine verwandte duale Ausbildung an. Eine zweijährige vollqualifizierende Berufsfachschule und eine drei- beziehungsweise dreieinhalb jährige duale Ausbildung führen in der Regel zu einer Verlängerung der Ausbildungszeit um zwei Jahre, obwohl die Ausbildungen eine sehr große Schnittmenge deckungsgleicher Inhalte und Kompetenzen aufweisen.

Der Schulversuch startete im Jahre 2007. Es gab einen gewaltigen politischen Druck, auch auf die Kammern, die sich zu diesem Schulversuch bereit erklärten. Insbesondere das gesamte Prüfungswesen gestaltete sich als Herausforderung. Heute muss konstatiert werden, dass alle Beteiligten im HIBB und bei den Kammern diese Aufgabe bewältigt und daraus gelernt haben. Denn alles, was nach dem Schulversuch EARA kam – wie die Umgestaltung des Übergangssystems, die Einführung der Berufsqualifizierung oder die erhöhte Durchlässigkeit – wurde durch diese Erfahrungen enorm erleichtert. Alle diese Modelle hatten die Kammern einige Jahre zuvor noch abgelehnt. Jetzt trugen sie deren Anliegen nicht nur mit, sondern wurden politisch und praktisch zu den größten Unterstützern dieser Reform. Eine der gemeinsamen Überlegung war, wie Jugendlichen Qualifikationen in Anschlussmaßnahmen angerechnet werden, damit sie zügig ihren Weg in den Beruf finden.

Der Schulversuch EARA hatte bereits vier Jahre vor der aktuellen umfassenden Reform der Berufsbildung typische strukturelle Probleme identifiziert und gelöst und damit einen erheblichen Beitrag zu Ihrem Gelingen geleistet.

In ihrer letzten Sitzung der 19. Legislaturperiode am 18.02.2011 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft in einem parteiübergreifenden Konsens die Drucksache 19/8472 über die künftige Gestaltung der beruflichen Bildung. Zum einem sollten Jugendliche in einem grundlegend anderen Übergangssystem schneller als bisher so qualifiziert werden, dass sie direkt in eine duale Ausbildung einsteigen können. Zum anderen sollte unser System insgesamt durchlässiger werden, so dass in einem Bildungsgang erreichte Qualifikationen nicht in einem zweiten Bildungsgang erneut erworben werden müssen. Hier werden die Anleihen bei den Zielen und Erkenntnissen des Schulversuchs deutlich:

  1. Durchlässigkeit zu höheren Bildungsabschlüssen verbessern: Vollschulische Ausbildung und duale Ausbildung wurden durch EARA durchlässiger, Vorleistungen anerkannt und mit der Fachhochschulreife der höhere Bildungsabschluss ermöglicht.
  2. Bessere Verzahnung von Theorie und Praxis: Wir konnten durch EARA wichtige erste Erfahrungen mit einer schulischen Begleitung der Praxisphase gewinnen. Dies gewährleistet eine schulische Reflexion während der reinen Praxisphase.
  3. Unnötige Qualifizierungs- und Warteschleifen abbauen: EARA half, unnötige Warteschleifen abzubauen und ermöglichte es Schülerinnen und Schülern dadurch, ihre Ausbildungszeit effizient zu verkürzen.

Ein Konsortium des Instituts für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Hamburg begleitete und evaluierte den Schulversuch. Die Ziele der Evaluation bestanden darin:

  • Erkenntnisse über die curriculare und didaktisch-methodische Umsetzung sowie über die Akzeptanz und den Erfolg der neuen Ausbildungsform zu gewinnen,
  • Erkenntnisse kontinuierlich in den Entwicklungsprozess zurück zu spiegeln und damit
  • eine optimale Anlage und Durchführung des Schulversuchs zu gewährleisten.

Mein erstes Zwischenfazit ist daher, dass wir eine tragfeste Vertrauensbasis geschaffen haben in der Wissenschaft, in der Schule und in den Institutionen ebenso wie bei Kammern und Verbänden, die sich aufeinander zu bewegt und die Jugendlichen in den Mittelpunkt gestellt haben. Diese Vertrauensbasis war eine Grundlage, die – von den Erkenntnissen aus EARA bereicherte – Reform der beruflichen Bildung politisch und praktisch zu verwirklichen.

3 Ziele des Schulversuchs und ihre Umsetzung in der Reform der beruflichen Bildung

Der Schulversuch hatte zwei wesentliche Ziele: Zum einen ermöglichte er bei Abschluss der vollqualifizierenden Berufsfachschule mit Erwerb der Fachhochschulreife einen Bildungsaufstieg und zielte damit auf eine verbesserte Durchlässigkeit. Zum anderen war der erste Berufsabschluss sehr viel stärker als zuvor an den Anforderungen der Praxis orientiert, damit Teile dieser Ausbildung auf eine duale Ausbildung angerechnet werden konnten. Beide Ziele werden mit der Reform der beruflichen Bildung umgesetzt.

3.1 Höherer Bildungsabschluss

Die Durchlässigkeit zum Erwerb höherer Bildungsabschlüsse während oder nach einer beruflichen Ausbildung ist ein wesentlicher Bestandteil der Reform der beruflichen Bildung. Wir haben die Möglichkeit, mit Abschluss einer Ausbildung einen höheren Bildungsabschluss zu erwerben, flächendeckend eingeführt. In der dualen Ausbildung („Dual plus FHR“) und an allen vollqualifizierenden Berufsfachschulen kann die Fachhochschulreife erworben werden. Die neue Berufsoberschule (BOS) führt junge Menschen, die bereits eine Berufsausbildung oder eine mehrjährige Berufstätigkeit absolviert haben, in einem Jahr zur Fachhochschulreife, in zwei Jahren zur fachgebundenen oder allgemeinen Hochschulreife. Diejenigen, die die Fachhochschulreife in der dualen Ausbildung erworben haben, können in einem Jahr die Hochschulreife in der BOS 13 erwerben.

Hier lohnt sich ein Blick auf den Erwerb höherer Schulabschlüsse in Hamburg. 2012 haben von rund 23.000 Schülerinnen und Schülern, die das Berufsbildungssystem in Hamburg verlassen haben, mehr als fünftausend mit ihrem Berufsabschluss einen höherwertigen Schulabschluss erworben. Mehr als tausend Schülerinnen und Schüler erwarben im Rahmen einer dualen Ausbildung einen mittleren Bildungsabschluss. Wir haben 2.600 Jugendliche, die die Fachhochschulreife oder die Hochschulreife im Rahmen eines beruflichen Gymnasiums, einer Fachoberschule, einer Fachschule, einer vollqualifizierenden Berufsfachschule erreichten. Das bedeutet, jeder vierte Schulabsolvent mit Hochschulzugangsberechtigung in Hamburg erwirbt diesen Abschluss nicht am Gymnasium oder an einer Stadtteilschule, sondern an einer berufsbildenden Schule.

Wir sehen hier eine große Leistung des Berufsbildungssystems, die ich generell als Integrationsleistung würdigen möchte. Denn bei rund 950 Jugendlichen, die jährlich unser Schulsystem ohne einen Schulabschluss verlassen, gelingt gleichzeitig rund 650 Jugendlichen der erste allgemeinbildende Abschluss in einer Berufsbildenden Schule im Rahmen einer Berufsausbildung oder einer berufsvorbereitenden Maßnahme. Da unter den 950 Jugendlichen auch einige aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs vermutlich nie einen höherwertigen Schulabschluss erreichen werden, lässt sich sagen, dass nahezu jeder Schüler in Hamburg, der eine allgemeinbildende oder berufsbildende Schule durchläuft, auch einen Schulabschluss macht. Die Leistung der berufsbildenden Schulen und ihrer Lehrkräfte besteht darin, über berufliche Bildung die Bildungsbeteiligung insgesamt immens zu erhöhen. Vielen Jugendlichen gelingt dieser Entwicklungssprung häufig erst in diesem Kontext. Gründe hierfür liegen in der Bildungsbiografie und den berufspraktischen Erfahrungen der Lehrkräfte, an ihrer Haltung und den Anforderungen an eine Berufsausbildung. Hier sehe ich auch einen der Gründe, warum sich verstärkt Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer in der Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen engagieren müssen. Wenn junge Menschen in realen Kontexten nicht überfordert, aber gefordert werden, wachsen Ihnen häufig Flügel und sie wachsen über sich hinaus. Begeisterung am Tun, eine richtige Aufgabe zu haben, gebraucht zu werden, mit Menschen unterschiedlichen Alters zusammen zu arbeiten - das hat häufig eine befruchtende und motivierende Wirkung auch auf das Lernverhalten von Schülerinnen und Schüler.

Das Ergebnis aus der Fachtagung 2010 zeigte, dass Jugendliche, die in den Bildungsgang eintraten, in ihren Leistungen deutlich schlechter waren als diejenigen, die direkt in eine duale Ausbildung einstiegen. Bei der Zwischenprüfung waren die Leistungen häufig besser als die Leistungen derer in dualer Ausbildung. Sie hatten in ihren Leistungen also enorme Zuwächse erreicht.

3.2 Anrechenbarkeit von Qualifikationen

In EARA wurden erworbene Kompetenzen im Ausbildungsgang Berufsfachschule anerkannt. In der dualen Ausbildung mussten nur noch die Teile absolviert werden, die von der Berufsfachschule nicht abgedeckt wurden. Wir wollten damit die Verweildauer im Berufsbildungssystem verkürzen im Sinne einer reduzierten Ausbildungszeit für die Jugendlichen und damit Doppellernen vermeiden. Dies ist in EARA vorbildlich gelungen. Ähnlich ist die Berufsqualifizierung (BQ) strukturiert: Die BQ liegt in schulischer Verantwortung und bildet einen Teil der Ausbildung ab, so dass er auf eine Ausbildung anrechenbar ist. Damit werden die Jugendlichen relativ schnell in eine Ausbildung integriert mit dem Ziel in eine betriebliche Ausbildung übernommen zu werden. Sollte dieses nicht gelingen, erwerben sie mit einem erfolgreichen Abschluss der Berufsqualifizierung die Garantie eines geförderten Ausbildungsplatzes. Bei Jugendlichen, die in BQ aufgenommen werden, handelt es sich um Marktbenachteiligte, die sich trotz persönlich guter Voraussetzungen mehrfach vergeblich um eine Ausbildung beworben haben.

Die Chancen auf einen Übergang in betriebliche Ausbildung stehen in Hamburg gut, denn trotz des bundesweiten Rückgangs an Ausbildungsplätzen ist die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe hoch. Der sehr gute Hamburger Ausbildungsmarkt profitiert stark von leistungsstarken Jugendlichen aus dem Umland. Wir erwarten keine sinkenden Schülerzahlen wie im Umland, sondern eher eine leichte Zunahme. In Hamburg haben wir das Phänomen der bundesweit größten Abiturientenquote in der dualen Ausbildung. Abiturienten sind mit 36,1% die stärkste Gruppe unter den Jugendlichen, die eine duale Ausbildung absolvieren. Selbst Handwerksberufe erlernen zu 15 Prozent Abiturienten. Wir haben es in Hamburg gleichzeitig geschafft mehr Schülerinnen und Schüler mit einem Hauptschulabschluss in eine Ausbildung zu integrieren. Das sind 23,5 % aller Jugendlichen. Der Hamburger Ausbildungsmarkt ist also einerseits hochattraktiv für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler mit Abitur und damit eine attraktive Alternative zum Hochschulsystem, integriert andererseits aber auch Schülerinnen und Schüler mit eher schlechten Lernausgangslagen in eine duale Ausbildung.

Mein zweites Zwischenfazit lautet deshalb:

Die Hamburger Reform der beruflichen Bildung hat beide Ziele von EARA – den Erwerb eines höheren Bildungsabschlusses im Rahmen einer Berufsausbildung mit Ausbildungsabschluss sowie durch die Anrechenbarkeit von Qualifikationen den Ausbildungsweg zu verkürzen – erreicht und als tragende Säulen verstetigt.

4 Herausforderungen der Reform mit Erfahrungen aus EARA meistern

Wir haben ein Ziel der Reform noch nicht erreicht: möglichst viele Jugendliche direkt nach ihrem Schulabschluss in die duale Ausbildung zu integrieren. Viele Jugendliche verweilen ein bis zwei Jahre in anderen Maßnahmen und oftmals wussten wir in der Vergangenheit auch nichts über ihren Verbleib.

4.1 Flexible Angebote

Viele Jugendliche brauchen ein System, dass sehr offen, durchlässig und flexibel ist. Für einen Jugendlichen, der die allgemeinbildende Schule ohne Schulabschluss verlässt, kann ein stark praxisorientierter Bildungsgang sinnvoll sein, der ihn an eine Ausbildung heranführt und den Übergang in Ausbildung vorbereitet. Dabei ist es nicht zwingend notwendig, dass der Bildungsgang vollständig durchlaufen wird. So ist es ein Erfolg und kein Abbruch, wenn Jugendliche, die eine Maßnahme verlassen, in einem Betrieb eine Ausbildung aufnehmen. EARA hat hier als Strukturmodell einen flexiblen Weg gewiesen. Im Übergangssystem ist dieses Strukturmerkmal vollständig in der dualisierten Ausbildungsvorbereitung (AvDual) aufgenommen worden. AvDual macht bildungsbenachteiligten Schülerinnen und Schülern ein sehr praxisnahes Angebot. Mit dem Lernort Betrieb ermöglichen wir jungen Menschen sehr schnell in eine duale Ausbildung überzuwechseln. Dies gelingt mit drei- bis viermal so hohen Übergangsquoten deutlich besser als noch in der alten Berufsvorbereitung. Wir setzen auch in der neuen Berufs- und Studienorientierung in den Stadtteilschulen stark darauf, den Lernort Betrieb einzubinden. Dort gewinnen Schülerinnen und Schüler nicht nur Kenntnisse, sondern eigene Erfahrungen in der Arbeitswelt, die sie wiederum in der Schule systematisch reflektierten. Ziel ist es Jugendlichen nach der Schule den direkten Weg in Ausbildung zu ermöglichen.

4.2 Praxisorientierung

Der Schulversuch EARA hat gezeigt, wie Bildungsgänge in einer systematischen Verknüpfung von Theorie und Praxis angelegt werden können. Schülerinnen und Schüler sammeln Erfahrungen in der Praxis, die wiederum Gegenstand von Unterricht wird. Ziel einer systematischen Verknüpfung von Theorie und Praxis ist es,

  • die typischen Anforderungen eines Berufsfeldes so aufzubereiten, dass sie in der Schule auch bearbeitet werden können,
  • ganzheitliche Kompetenzen zu beschreiben und sie in lernfeldorientierter Didaktik auch zu vermitteln,
  • fachliche Lernphasen so aufzubereiten, dass die für einen beruflichen Erfolg benötigte Einstellung und die Haltung gefördert werden kann.

Diese Merkmale finden sich auch in der Berufs- und Studienorientierung wieder. Wir wollen die Motivation von jungen Menschen fördern.

Es geht im Schulversuch auch darum, Fachsystematik und Kasuistik so miteinander zu verbinden, dass daraus eine ganzheitliche Kompetenz entwickelt werden kann. Zudem geht es darum, Bildungspläne kompetenzorientiert so zu gestalten, dass die Befähigung zum beruflichen Erfolg zum Ausgangspunkt von Lernen gemacht wird. Dies hat EARA in wunderbarer Weise in den Fokus genommen. Wir werden auch bei der Höheren Handelsschule darauf zurückgreifen, um systematisch Lernaufgaben, die im Betrieb bearbeitet worden sind, im Unterricht zu reflektieren. Auch im neuen Konzept der Übergangsqualifizierung arbeitet die Berufs- und Studienorientierung in Klasse Neun und Zehn der Stadtteilschulen damit, dass Jugendliche Lernerfahrungen am außerschulischen Lernort machen. In einer Reflektionsphase werden sie an einem Tag in der Woche systematisch mit Instrumenten wie einem Portfolio genau an diesen Lernerfahrungen arbeiten und ihre eigenen Berufswahlprozesse entwickeln. Uns werden höhere Übergangsquoten in Ausbildung nur gelingen, wenn wir früher beginnen die Bereiche Berufsbildung und Allgemeinbildung miteinander zu verzahnen und die Berufs- und Studienorientierung zu verbessern.

Daher ziehe ich mein drittes Zwischenfazit, dass die von EARA aufgezeigten Wege der flexiblen Angebote und der Verknüpfung von Theorie und Praxis weiter entwickelt werden müssen, um mit der Berufs- und Studienorientierung einen direkten Übergang in Ausbildung zu verbessern.

5 Fazit am Ende des Schulversuchs EARA

Der Schulversuch ist durch die Wirklichkeit der umfassenden Hamburger Reform zur beruflichen Bildung eingeholt worden. Allerdings sind alle konstituierenden Elemente von EARA, die Zielsetzungen und Erkenntnisse in die Reform eingeflossen. Dies ist erkennbar an neu entwickelten oder systematisch weiterentwickelten Bildungsgängen, an der Verzahnung von Theorie und Praxis, am Abbau von Warteschleifen, an der Anerkennung von zuvor erworbenen Kompetenzen in nachfolgenden Bildungsgängen sowie der insgesamt verkürzten Ausbildungszeit für die Jugendlichen. EARA hat damit wesentlich zur Weiterentwicklung der beruflichen Bildung in Hamburg beigetragen. Als Strukturmodell ist der Schulversuch überholt, weil er in anderen flächendeckenden Strukturen aufgegangen ist.

Zitieren des Beitrags

SCHULZ, R. (2013): EARA und die Reform der beruflichen Bildung in Hamburg. In: bwp@ Spezial 7 – Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA, hrsg. v. WIRTH, K./ KRILLE, F./ TRAMM, T./ VOLLMER, T., 1-7. Online: http://www.bwpat.de/spezial7/schulz_eara2013.pdf  (19-11-2013).