bwp@ Spezial 7 - November 2013

Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA

Hrsg.: Karin Wirth, Frank Krille, Tade Tramm & Thomas Vollmer

Der Einfluss von berufsspezifischem Vorwissen auf die Ausbildungsplatzsuche

Beitrag von Jens Siemon, Michel Knigge & Vibeke Nordstrand

1 Begründung für die Untersuchung

Wovon hängt es ab, ob Jugendliche einen Ausbildungsplatz finden oder nicht? Eine zentrale jüngere Untersuchung im deutschsprachigen Raum zu dieser Frage ist die BIBB-Übergangsstudie (EBERHARD et al. 2013). In der Kohorte 2011 wurden 5579 junge Erwachsene im Alter von 18-24 nach ihren Bildungs- und Berufsverläufen befragt. Gezeigt werden konnte unter anderem, dass ein Einstieg in die von der übergroßen Mehrheit nicht studierberechtigter Jugendlicher bevorzugte duale Berufsausbildung von schulischer Vorbildung sowie von sozialer, ethnischer und regionaler Herkunft abhängt. Gezeigt werden konnte aber auch, dass institutionelle Unterstützungsmaßnahmen, z. B. Besuche von Betrieben, Berufsmessen, Lehrstellenbörsen und beruflichen Bildungseinrichtungen, oder auch individuelle Maßnahmen, wie Potenzialanalysen, Einzelberatungsgespräche in der Schule, Betreuung durch Berufseinstiegsbegleiter oder ein Berufswahlpass, zwar einen (positiven) Einfluss auf die berufliche Orientierung ausüben, bisher aber die Dauer bis zum Abschluss einer Ausbildung sowie die Inanspruchnahme von Übergangssystemen nicht verkürzen (EBERHARD et al. 2013).

Im DJI-Übergangspanel (GAUPP et al. 2008) zeigten sich ähnliche Ergebnisse. Zwischen 2004 und 2009 wurden etwa 3900 Schülerinnen und Schüler des Abgangsjahrgangs an Hauptschulen bzw. vergleichbaren Schulzweigen zunächst halbjährlich, später jährlich zu ihren Bildungs- bzw. Ausbildungswegen befragt. Ergebnisse des DJI-Übergangspanels waren u. a., dass für die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung der Schulabschluss und die schulischen Leistungen von zentraler Bedeutung sind. Darüber hinaus zeigte sich hier aber das interessante Ergebnis, dass die Jugendlichen, die ohne Schulabschluss eine duale Berufsausbildung aufnehmen konnten, zu 90% zuvor ein Praktikum in dem Ausbildungsbetrieb absolviert hatten.

Beide genannte Studien geben an, dass es einen großen Anteil an Varianz gibt, der nicht über die erfassten Merkmale aufgeklärt werden konnte. Basierend auf einer Sekundäranalyse der Daten der BIBB-Übergangsstudie weisen DIONISIUS et al. (2013) darauf hin, dass es trotz der deutlichen Verbesserung der Chancen auf einen Ausbildungsplatz in den letzten Jahren eine große Anzahl von Schulabgängerinnen und Schulabgänger gibt, die bei vorhandener schulischer Vorbildung keinen dualen Ausbildungsplatz finden.

Zur Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten in eine betriebliche oder außerbetriebliche duale Ausbildung verfolgt EBERHARD in ihrer Dissertationsschrift einen ressourcentheoretischen Ansatz (2012). Sie unterscheidet institutionelles, soziales und personales Kapital von Jugendlichen. Berufsspezifisches Vorwissen und Vorerfahrungen von Jugendlichen werden in diesem Modell dem kulturellen Kapital zugerechnet, das neben Adresskapital und ökonomischem Kapital das personelle Kapital ausmacht. EBERHARD weist allerdings darauf hin, dass der Fokus der meisten Untersuchungen bisher auf dem Bildungszertifikaten liegt und weitere Persönlichkeitsmerkmale bisher vernachlässigt werden (EBERHARD2012, 105). Sie kommt u. a. zu dem Ergebnis, dass die Sortierlogiken für den Zugang zu einer betrieblichen oder außerbetrieblichen dualen Ausbildung deutlich voneinander unterscheiden und berufsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt sind.

Nimmt man diese Befunde zusammen, so legen sie die Annahme nahe, dass berufsspezifisches Vorwissen und Vorerfahrung ein kritischer Faktor bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz sein könnte. Dem liegt die Idee zugrunde, dass Vorerfahrungen und ggf. auch Vorwissen von Bewerberinnen und Bewerbern die Entscheidung der Ausbildungsbetriebe maßgeblich beeinflussen können. Beobachtet wurden Fälle, in denen Bewerberinnen und Bewerber mit besten Ausgangslagen (nach den gängigen Kriterien Schulbildung und sozialer Hintergrund) trotz intensiver Bemühungen keinen Ausbildungsplatz fanden. Zudem berichten ehemalige Auszubildende in stark nachgefragten Berufen, wie dem des Mediengestalters/Mediengestalterin, dass ein Ausbildungsplatz erst in greifbarer Nähe war, als sie eine beachtliche berufspraktische Kompetenz bereits auf informellen Wegen erworben hatten.

Daher wurde zumindest für einige Berufsbilder angenommen, dass neben den in den zuvor genannten Studien untersuchten Faktoren auch das Vorhandensein von berufsspezifischem Vorwissen und/oder eine vorangegangene Beschäftigung mit den für den Beruf erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten die Wahrscheinlichkeit auf einen Ausbildungsplatz erhöhen könnte. Dabei kann angenommen werden, dass ein solcher Effekt vermutlich je nach Ausbildungsberuf unterschiedlich ausgeprägt sei. Empirisch untersucht wurde diese Annahme unseres Wissens bisher nicht. Dies liegt vermutlich unter anderem daran, dass berufsspezifisches Vorwissen und berufsspezifische Vorerfahrungen schwer erfassbar sind und Instrumente zur Erfassung dieser Merkmale für alle etwa 360 Ausbildungsberufe jeweils neu entwickelt werden müssten. Eine Orientierung an Instrumenten zur Erfassung von berufsspezifischen Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten nach einer gewissen Ausbildungsdauer, wie diese z. B. bei den ULME-Studien (LEHMANN 2007) Verwendung finden, erscheint nicht geeignet, da diese auf formell vermitteltes und in Curricula festgehaltenes berufliches Wissen der Ausbildung abzielen und nicht auf informell und unsystematisch erworbenes berufliches Vorwissen und Vorerfahrungen.

Vor diesem Hintergrund wurde eine explorative Studie bezogen auf die Ausbildungsberufe Fachinformatiker/Fachinformatikerin und Kaufmann/Kauffrau für Bürokommunikation sowie für die korrespondierenden vollzeitschulischen Ausbildungsberufe Technischer Assistent Informatik und Fachkraft für Bürokommunikation durchgeführt, deren Ergebnisse im Folgenden berichtet werden. Die Ergebnisse sollen erste Aufschlüsse darüber erbringen, wie das berufsspezifische Vorwissen und die berufsspezifischen Vorerfahrungen dieser Jugendlichen ausgeprägt sind und welche Rolle sie für den Zugang zu einem dualen Ausbildungsplatzes spielt.

2 Fragestellungen/Hypothesen

  • Welches berufsspezifische Vorwissen und welche berufsspezifischen Vorerfahrungen bringen Auszubildende und Schüler in korrespondierenden, vollzeitschulischen Ausbildungsgängen mit?
    Hypothese 1: Das berufsspezifische Vorwissen und die berufsspezifische Vorerfahrung ist bei Jugendlichen mit dualem Ausbildungsplatz signifikant höher als bei Jugendlichen in korrespondierenden, vollzeitschulischen Ausbildungsgängen.
  • Ist die Bedeutung des berufsspezifischen Vorwissens und der berufsspezifischen Vorerfahrungen zur Erlangung eines dualen Ausbildungsplatzes bei den beiden Ausbildungsberufen unterschiedlich ausgeprägt?
    Hypothese 2: Der Beitrag des berufsspezifischen Vorwissens und der berufsspezifischen Vorerfahrungen zur Erlangung eines dualen Ausbildungsplatzes ist je nach Ausbildungsberuf unterschiedlich.

3 Untersuchungsdesign

Befragt wurden 311 Jugendliche in den dualen Ausbildungsberufen Fachinformatiker/Fachinformatikerin (n=63) und Kaufmann/Kauffrau für Bürokommunikation (n=144) sowie für die korrespondierenden vollzeitschulischen Ausbildungsgänge Technischer Assistent/Technische Assistentin Informatik (n=32) und Fachkraft für Bürokommunikation (n=72). Die Teilnahme an der Untersuchung war freiwillig, wurde jedoch von den Auszubildenden als sinnvoll erachtet. Aus diesem Grund musste lediglich bei den Informatikberufen ein fehlender Datensatz hingenommen werden, der vollständig aus der weiteren Untersuchung ausgeschlossen wurde. Die Stichprobenbeschreibung kann den nachfolgenden Tabellen entnommen werden.

Tabelle 1: Stichprobenbeschreibung Büroberufe

Stichprobenbeschreibung: Büroberufe

 

 

 

Komplette Gruppe

Subsample: Vollzeitschulisch

Subsample: Dual

 
 

Alter

 

MW=20,36 SD=3,39

MW=18,42
SD=1,87

MW=21,33 SD=3,56

 

Geschlecht

weiblich (in %)

63,00%

50,00%

69,40%

 

 

männlich (in %)

37,00%

50,00%

30,60%

 

Schulabschluss

Hauptschulabschluss (in %)

9,30%

2,80%

12,50%

 

 

Realschulabschluss (in %)

59,30%

91,70%

43,10%

 

 

Fachhochschulreife (in %)

12,00%

2,80%

16,70%

 

 

Allg. Hochschulreife (in %)

14,80%

0,00%

22,20%

 

 

Abgeschl. Studium (in %)

4,60%

2,80%

5,60%

 

Interesse

 

MW=3,06 SD=0,68

MW=3,18
SD=0,63

MW=3,00 SD=0,70

 

N

 

216

72

144

 

Tabelle 2: Stichprobenbeschreibung Informatikberufe

Stichprobenbeschreibung: Informatikberufe

 

 

 

Komplette Gruppe

Subsample: Vollzeitschulisch

Subsample: Dual

 
 

Alter

 

MW=20,43 SD=8,95

MW=17,66
SD=4,06

MW=21,84 SD=10,3

 

Geschlecht

weiblich (in %)

5,20%

3,00%

6,30%

 

 

männlich (in %)

93,80%

93,90%

93,70%

 

 

missing

1,00%

3,00%

0,00%

 

Schulabschluss

Hauptschulabschluss (in %)

1,00%

0,00%

1,60%

 

 

Realschulabschluss (in %)

57,30%

84,80%

42,90%

 

 

Fachhochschulreife (in %)

11,50%

3,00%

15,90%

 

 

Allg. Hochschulreife (in %)

26,00%

3,00%

38,10%

 

 

Abgeschl. Studium (in %)

3,10%

6,10%

1,60%

 

 

missing

1,00%

3,00%

0,00%

 

Interesse

 

MW=3,52 SD=0,80

MW=3,18
SD=0,94

MW=3,69 SD=0,67

 

N

 

95

32

63

 

Zu erkennen ist, dass die vollzeitschulischen Auszubildenden im Durschnitt drei bis vier Jahre jünger sind als die dualen Auszubildenden. Dieser Aspekt muss bei der Prüfung der Hypothesen beachtet/kontrolliert werden. In allen Subgruppen dominiert der Realschulabschluss als höchster bisher erworbener Schulabschluss. Allerdings ist bei den dualen Auszubildenden beider Berufsgruppen ein insgesamt höheres Bildungsniveau (gemessen am Schulabschluss) zu erkennen. Bei den Büroberufen findet sich ein höherer Anteil an weiblichen Auszubildenden, der sich jedoch ausschließlich aus der Verteilung der dualen Auszubildenden ergibt. In der Informatikberufen sind in beiden Gruppen mit einem Anteil jeweils über 90 % die männlichen Auszubildenden deutlich am stärksten vertreten.

Mit einem Online-Fragebogen, der im Klassenverband ausgefüllt wurde, sollten die dualen und vollzeitschulischen Auszubildenden zu den folgenden Merkmalen Angaben machen bzw. Stellung nehmen:

  • Allgemeine Angaben: Geschlecht, Alter, höchster Schulabschluss, Angestrebter Ausbildungsberuf
  • Einstellungen / priv. Tätigkeiten, die mit dem Beruf in Verbindung stehen: Likert-Skala von‚ trifft nicht zu‘ bis ‚trifft voll zu‘. Z. B. „Ich bastele gern an meinem Rechner herum, um ihn schneller und leistungsfähiger zu machen“ (Informatikberufe) oder „Ich finde es spannend zu lesen, welches Unternehmen zu welchem Unternehmen gehört“ (Büroberufe).
  • Berufsspezifische Fachbegriffe: 6-stufige Skala von ‚Ich kenne das Wort nicht‘ bis‚ ich nutze es oft und kann es selber erstellen/anwenden‘.
  • Berufsspezifische Werkzeuge / Computernutzung: Kenntnis über eine Softwaregattung, z. B. Kalkulationssoftware (Büroberufe) oder Datenbank (Informatikberufe). Wenn eine Softwaregattung grundsätzlich bekannt war konnte auf einer 5-stufige Skala von ‚schon einmal geöffnet‘ bis ‚beherrsche das sehr gut‘ eine Selbsteinschätzung zur Fähigkeit, mit dieser Software umzugehen abgegeben werden.
  • Fachzeitschriften: Hier fanden die Auszubildenden eine vordefinierte Liste von Titeln vor und konnten auf einer 5-stufige Skala von ‚kenne ich nicht‘ bis ‚lese ich regelmäßig‘ einordnen, ob und wie häufig sie diese Fachzeitschrift nutzen.
  • Fachbücher: Die Auszubildenden erhielten eine thematische Auswahl von Gattungsbegriffen, z. B. ‚Börse‘ (Büroberufe) oder ‚Programmierung‘ (Informatikberufe) mit der Möglichkeit anzugeben, ob und wie häufig sie Fachbücher zu dieser Gattung nutzen. Antwortmöglichkeiten von ‚nie‘ bis ‚regelmäßige Nutzung‘.
  • Internetnutzung: Das Internet kann unterschiedlich genutzt werden, um an berufsspezifische Informationen zu gelangen. Die Intensität der Nutzungsart (Foren/Blogs, Tutorials, Websites) konnte von den Auszubildenden zwischen ‚nie‘ bis ‚regelmäßig‘ geratet werden.

In das Modell wurden als Kontrollvariablen das Alter, das Geschlecht der Jugendlichen sowie ihr höchster Schulabschluss einbezogen.

Neben dem Skalenmittelwert der Vorwissens- und Vorerfahrungsskalen wurden der maximale Skalenwert sowie die Anzahl der Minimalwerte innerhalb der Skala untersucht. Der maximale Skalenwert gibt Aufschluss über den Grad der Expertise, den ein Jugendlicher maximal in mindestens einem Teilgebiet erreicht. So kann sich der Skalenmittelwert eines Jugendlichen im unteren Bereich bewegen obwohl sich dieser Jugendliche ggf. bei einem spezifischen Item der Skala als Experte einstuft. Gerade diese Expertise könnte aber ausschlaggebend sein. Dies ist zumindest bei den Informatikberufen auch durchaus zu erwarten, da hier häufig hochspezialisiertes Wissen und hochspezialisierte Beschäftigung vorliegt und kaum jemand sich mit der Informatik als Ganzes auseinandersetzt. Die Anzahl der Minimalantworten hingegen kann als Indikator dafür gesehen werden, wie weit entfernt das Vorwissen und die Vorerfahrungen eines Jugendlichen noch von den Anforderungen des Berufes sind. Hat ein Jugendlicher in einer Skala viele Minimalwerte, könnte dies bedeuten, dass er noch wenig Vorerfahrungen und wenig Vorwissen von den spezifischen Begriffen und Tätigkeiten dieses Berufes hat.

Mit dem Verfahren der logistischen Regression wurde untersucht, ob die Skalen zu berufsspezifischen Vorwissen und zu berufsspezifischen Vorerfahrungen einen signifikanten Einfluss darauf haben, ob ein Jugendlicher zu der Gruppe der vollzeitschulischen oder dualen Auszubildenden gehört. Damit sollte die Annahme geprüft werden, ob sich Vorwissen und Vorerfahrungen positiv auf den Abschluss eines dualen Ausbildungsverhältnisses auswirken und ob dieser Einfluss bei unterschiedlichen Ausbildungsberufen unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Die vorliegende Studie basiert also auf Selbsteinschätzungen von Jugendlichen mit allen damit verbundenen methodologischen Defiziten. Dies kann für den hier angestrebten ersten explorativen Zugang als hinreichend gesehen werden, da Selbsteinschätzungen im Mittel recht gute Schätzer der tatsächlichen Fähigkeit darstellen.

4 Ergebnisse

4.1 Büroberufe

In der nachfolgenden Tabelle werden jeweils für die Gruppe der vollzeitschulisch und dual ausgebildeten Jugendliche die Skalenmittelwerte (mittel), die Maximalwerte innerhalb einer Skala (max.) sowie die Anzahl der Minimalnennungen (Anz.-min.) über alle zugehörigen Schüler angegeben.

Tabelle 3:   Vorwissen und Vorerfahrungen Büroberufe

 

Einstellungen/
priv. Tätigkeit

Fachbegriffe

Werkzeuge/ Computernutzung

Skalen

mittel

max.

Anz.-
min.

mittel

max.

Anz.-
min.

mittel

max.

Anz.-
min.

Schulische Ausbildung

N

72

72

72

72

72

72

72

72

72

Mittelwert

3,18

4,56

0,78

3,36

5,47

5,28

2,49

4,39

9,97

Std.-anw.

0,63

0,65

0,86

0,79

0,77

3,85

1,04

1,19

4,16

Duale Ausbildung

N

144

144

144

144

144

144

142

142

142

Mittelwert

3

4,25

0,61

3,63

5,5

3,14

2,41

4,27

9,52

Std.-anw.

0,7

0,83

0,76

0,9

0,76

3,67

1,09

1,14

4,37

Insgesamt

N

216

216

216

216

216

216

214

214

214

Mittelwert

3,06

4,35

0,67

3,54

5,56

3,85

2,44

4,31

9,67

Sdt.-anw.

0,68

0,79

0,8

0,87

0,76

3,85

1,07

1,16

4,29

                     
 

Fachzeitschriften

Fachbücher

Internetnutzung

Skalen

mittel

max.

Anz.-
min.

mittel

max.

Anz.-
min.

mittel

max.

Anz.-
min.

Schulische Ausbildung

N

72

72

72

72

72

72

72

72

72

Mittelwert

1,75

3,64

6,56

1,45

2

5,22

1,71

3,22

9,22

Std.-anw.

0,48

0,76

3,07

0,68

1,3

2,28

0,58

1,26

4,33

Duale Ausbildung

N

144

144

144

144

144

144

140

140

140

Mittelwert

1,94

3,71

5,15

1,86

2,69

3,92

1,95

3,2

6,79

Std.-anw.

0,51

1,02

3,26

0,94

1,53

2,72

0,8

1,15

5,39

Insgesamt

N

216

216

216

216

216

216

212

212

212

Mittelwert

1,88

3,69

5,62

1,72

2,46

4,35

1,87

3,21

7,61

Sdt.-anw.

0,51

0,94

3,26

0,89

1,49

2,65

0,74

1,18

5,17

Anmerkungen:
mittel: Mittelwert zu allen Vorwissen- und Vorerfahrungsfragen in dieser Domäne .
max.: Maximalwert allen Vorwissen- und Vorerfahrungsfragen in dieser Domäne, dass also ein Empfinden von Expertise in einem bestimmten Bereich vorliegt.
Anz.-min: Anzahl der Häufigkeit, dass der niedrigste Wert angekreuzt wurde, dass also ein Empfinden von völlig fehlendem Wissen vorliegt.

 

Bezogen auf die Skala „Einstellungen / priv. Tätigkeiten, die mit dem Beruf in Verbindung stehen“ hat der Maximalwert einen signifikanten Einfluss auf die Gruppenzugehörigkeit, also ob eine schulische oder eine duale Ausbildung in Anspruch genommen wird. Der Skalenmittelwert sowie die Anzahl der niedrigsten Antworten haben hingegen keinen signifikanten Einfluss.

Bei der Kenntnis des Fachvokabulars hat die Anzahl der unbekannten Worte einen leichten aber signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, der Gruppe der vollzeitschulischen Auszubildenden anzugehören. Der Skalenmittelwert, der so gedeutet werden kann, wie gut die Auszubildenden Ihre Kenntnisse insgesamt einschätzen, sowie der maximale Skalenwert haben hingegen keinen erkennbaren Einfluss.

Die Fähigkeit, mit berufsbezogenen Werkzeugen umzugehen, hatte keinen erkennbaren Einfluss auf die Gruppenzugehörigkeit.

Im Bereich der Mediennutzung zeigt sich lediglich bei den berufsbezogenen Zeitschriften (Skalenmittelwert und Häufigkeit der Minimalantwort) ein schwacher aber signifikanter Zusammenhang. Berufsbezogene Bücher wie auch die Internetnutzung haben keinen erkennbaren Einfluss auf die Gruppenzugehörigkeit.

5  Informatikberufe

In der nachfolgenden Tabelle werden jeweils für die Gruppe der vollzeitschulisch ausgebildeten Jugendlichen, für die dual ausgebildeten Jugendliche die Skalenmittelwerte (mittel), die Maximalwerte innerhalb einer Skala (max.) sowie die Anzahl der Minimalnennungen (Anz.-min.) über alle zugehörigen Schüler angegeben.

Tabelle 4:   Vorwissen und Vorerfahrungen Informatikberufe

 

Einstellungen/
priv. Tätigkeit

Fachbegriffe

Werkzeuge/
Computernutzung

Skalen

mittel

max.

Anz.-
min.

mittel

max.

Anz.-
min.

mittel

max.

Anz.-
min.

Schulische Ausbildung

N

32

32

32

30

30

30

29

29

29

Mittelwert

3,18

4,28

0,84

3,16

5,23

6,97

1,26

2,59

1,86

Std.-anw.

0,94

1,2

1,32

1,18

1,41

5,8

0,99

1,5

0,79

Duale Ausbildung

N

63

63

63

63

63

63

63

63

63

Mittelwert

3,69

4,76

0,44

4,23

5,79

3,1

2,79

3,63

0,73

Std.-anw.

0,67

0,5

0,67

0,89

0,74

2,45

1,4

1,14

0,94

Insgesamt

N

95

95

95

93

93

93

92

92

92

Mittelwert

3,52

4,6

0,58

3,88

5,61

4,34

2,31

3,3

1,09

Sdt.-anw.

0,8

0,83

0,95

1,11

1,03

4,24

1,46

1,51

1,03

                     
 

Fachzeitschriften

Fachbücher

Internetnutzung

Skalen

mittel

max.

Anz.-
min.

mittel

max.

Anz.-
min.

mittel

max.

Anz.-
min.

Schulische Ausbildung

N

29

29

29

29

29

29

28

28

28

Mittelwert

2,12

3,86

4,9

1,81

2,93

3,76

2,24

3,71

3,5

Std.-anw.

0,55

0,83

2,87

0,68

1,49

2,31

0,85

1,18

2,7

Duale Ausbildung

N

63

63

63

63

63

63

63

63

63

Mittelwert

2,12

4,13

5,59

2,34

3,6

2,97

2,98

4,27

1,7

Std.-anw.

0,58

0,87

2,82

1,04

1,43

2,38

0,97

0,9

2,11

Insgesamt

N

92

92

92

92

92

92

91

91

91

Mittelwert

2,12

4,04

5,37

2,17

3,39

3,22

2,75

4,1

2,25

Sdt.-anw.

0,57

0,86

2,84

0,97

1,47

2,37

0,99

1,02

2,44

Anmerkungen:
mittel: Mittelwert zu allen Vorwissen- und Vorerfahrungsfragen in dieser Domäne .
max.: Maximalwert allen Vorwissen- und Vorerfahrungsfragen in dieser Domäne, dass also ein Empfinden von Expertise in einem bestimmten Bereich vorliegt.
Anz.-min: Anzahl der Häufigkeit, dass der niedrigste Wert angekreuzt wurde, dass also ein Empfinden von völlig fehlendem Wissen vorliegt.

 

Bei der Auswertung der Datensätze der Informatikberufe wurden als Kontrollvariablen nur der höchste Schulabschluss und das Alter aufgenommen. Aufgrund des Geschlechterverhältnisses in der Stichprobe von eins zu zwanzig und einer damit verbundenen Unterrepräsentation der weiblichen Auszubildenden wäre ansonsten eine Überbewertung der Variable zu befürchten gewesen.

Die Ergebnisse bei den Informatikberufen unterscheiden sich deutlich von der in den Büroberufen. Bereits in der Skala zu „Einstellungen / priv. Tätigkeiten, die mit dem Beruf in Verbindung stehen“ sind es nicht einzelne Ausschläge (Maximaler Skalenwert) die einen Zusammenhang mit der Gruppenzugehörigkeit haben, sondern der Skalenmittelwert. Zu erklären ist dies damit, dass ein berufsbezogenes Interesse bzw. eine berufsbezogene Beschäftigung nicht punktuell ist, sondern sich eher auf das ganze Spektrum der Informatik bezieht.

Der Einfluss der Kenntnis des Fachvokabulars auf die Gruppenzugehörigkeit ist sehr deutlich ausgeprägt und hochsignifikant sowohl bezogen auf den Skalenmittelwert als auch, naturgemäß negativ, die Anzahl der nicht bekannten Begriffe. Der Maximalwert der Skala ist hingegen nur tendenziell bedeutsam. Identisch ist auch der Einfluss der Kenntnis und Nutzung beruflicher Werkzeuge ausgeprägt. D. h. auch hier sind der Skalenmittelwert sowie die Anzahl der nicht bekannten Werkzeuge (umgekehrt) hochsignifikant. Der Einfluss des Maximalwertes der Skala ist hingegen nur tendenziell bedeutsam.

Nicht bedeutsam für die Gruppenzugehörigkeit ist die Kenntnis berufsbezogener Zeitschriften und Bücher. Dem gegenüber weist die Nutzung des Internets für berufsbezogene Tätigkeiten und Fragestellungen sowohl bei der Betrachtung des Skalenmittelwertes als auch des Maximalwertes mit der Gruppenzugehörigkeit einen bedeutsamen Zusammenhang auf. Auch die Anzahl der nicht genutzten Internetquellen ist noch in schwachem Umfang signifikant.

6  Vergleich beider Kohorten und Zusammenfassung

Ein direkter statistischer Vergleich der Ergebnisse über die beiden Ausbildungsberufsgruppen (Büro und Informatik) verbietet sich, da die Skalen für das Vorwissen nicht identisch sind. Auffällig ist allerdings der sehr starke Zusammenhang in fast allen Skalen und hier jeweils bezogen auf die Skalenmittelwerte bei den Informatikberufen. Es ist deutlich erkennbar, dass die Wahrscheinlichkeit, einen dualen Ausbildungsplatz zu ergattern auch unter Kontrolle des Alters und des Schulabschlusses deutlich auch von dem berufsspezifischen Vorwissen und den berufsspezifischen Vorerfahrungen abhängt. Deutlich schwächer ausgeprägt und nicht in allen Skalen signifikant ist dieser Zusammenhang auch bei den Büroberufen gegeben. Bezogen auf die eingangs aufgestellten Hypothesen lasst sich damit sagen, dass Hypothese 1 bestätigt werden konnte. Das berufsbezogenen Vorwissen und die berufsbezogenen Vorerfahrungen leisten offenbar einen Beitrag zur Wahrscheinlichkeit, einen dualen Ausbildungsplatz zu ergattern. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Skalen zu Vorwissen und Vorerfahrungen zwischen den Berufen ist die zweite Hypothese zur unterschiedlichen Ausprägung des Zusammenhangs bei unterschiedlichen Ausbildungsberufen nicht statistisch prüfbar. Es liegen jedoch auch hier Aufgrund der vorliegenden Werte deutliche Hinweise darauf vor, dass der Beitrag des Vorwissens und der Vorerfahrungen bei den Informatikberufen größer ist, als bei den Büroberufen.

Eine praktische Relevanz bekommen die Ergebnisse in Richtung einer besseren Beratung und Förderung von jungen Menschen hinsichtlich ihrer Chancen bei der Ausbildungsplatzsuche, ihrer Berufsorientierung, aber auch hinsichtlich der Steuerung von Angeboten während der Ausbildungsvorbereitung. Dabei ist die Vermutung der Autoren, dass mehr Zugangsmöglichkeiten zu Berufsdomänen für Jugendliche die Wahrscheinlichkeit auf einen Ausbildungsplatz in einem Berufsfeld erhöhen können, unabhängig von anderen, zumeist kaum beeinflussbaren Faktoren (Elternhaus, soziales Umfeld, fachübergreifende Kompetenzen, schulische Leistung). Um dies zielgereichtet vornehmen zu können, muss der Zusammenhang aber zunächst genauer beschreiben und untersucht werden. Die Studie ist in diesem Sinne als ein erster, zunächst explorativer Schritt zu verstehen der gezeigt hat, dass Vorwissen und Vorerfahrungen kritische Variablen bei der Suche nach einer dualen Ausbildung sind.

Dieser Befund lässt ein Forschungsprogramm zu diesem Thema sinnvoll erscheinen. Dabei sollten zunächst auf eine systematisch und berufsübergreifend vergleichbare Art und Weise die relevanten Aspekte von Vorwissen und Vorerfahrungen pro Beruf identifiziert werden. Wenn man sicher sein kann, dass man Vorwissen und Vorerfahrungen für mehrere Berufsgruppen exhaustiv erfasst, dann kann man die erklärte Varianz durch diese Faktoren über Berufsgruppen hinweg vergleichen. Entsprechend ist es lohnenswert, die hier gemachten Überlegungen systematisch fortzuführen und in einem über verschiedene Berufsgruppen hinweg vergleichbaren Vorgehen ein hinreichend vollständiges Bild der relevanten Vorerfahrungen und des relevanten Vorwissens zu generieren. Wenn auf diese Art und Weise valide Instrumentarien zur Selbsteinschätzung relevanten Vorwissens und Vorerfahrungen generiert worden sind, lassen sich über diese erste systematische Berufsgruppenvergleiche in Bezug auf diese Rolle dieser Dimensionen bei der Ausbildungsplatzsuche sowie auch dem erfolgreichen Verlauf einer Ausbildung anstellen. Darüber hinaus bietet ein solches Selbsteinschätzungsinstrumentarium eine sehr gute Ausgangsbasis, um unter Berücksichtigung bestehender Instrumente wie denen aus ULME Testitems zu entwickeln, über die relevante Kompetenzen auch über Selbsteinschätzungen hinaus valide erfasst werden können.

Literatur

DIONISIUS, R./ ILLIGER, A./ SCHIER, F. (2013): Viele Junge Menschen münden in den Übergangsbereich - trotz guter Vorbildung. In: BWP, H. 2, 4-5.

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EBERHARD, V. et al. (2013): Perspektiven beim Übergang Schule - Berufsausbildung. Methodik und erste Ergebnisse aus der BIBB-Übergangsstudie 2011. Bonn.

GAUPP, N. et al. (2008): Von der Hauptschule in Ausbildung und Erwerbsarbeit. Ergebnisse des DJI-Übergangspanels. Bildung - Ideen zünden! Bonn u.a.

LEHMANN, R. (Hrsg.) (2007): ULME III. Untersuchung von Leistungen, Motivation und Einstellungen der Schülerinnen und Schüler in den Abschlussklassen der Berufsschulen.

Zitieren des Beitrags

SIEMON, J. et al. (2013): Der Einfluss von berufsspezifischem Vorwissen auf die Ausbildungsplatzsuche. In: bwp@ Spezial 7 – Weiterentwicklung dualer Berufsausbildung: Konsekutiv, kompetenzorientiert, konnektiv. Erfahrungen und Impulse aus dem Schulversuch EARA, hrsg. v. WIRTH, K./ KRILLE, F./ TRAMM, T./ VOLLMER, T., 1-11. Online: http://www.bwpat.de/spezial7/siemon_etal_eara2013.pdf (19-11-2013).