Editorial bwp@ 21
Editorial von KARIN BÜCHTER (Helmut Schmidt Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg), FRANZ GRAMLINGER (ARQA-VET) & KARL WILBERS (Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg)
Mit der Ausgabe 21 von bwp@ geben wir einen Einblick in die aktuelle Forschung, in Modellversuche und in den Diskurs über Qualität und Qualitätsmanagement in der Berufsbildung. Bezogen auf die Berufsbildungssegmente berufsbildende Schule und Weiterbildung, betriebliche Bildung und Hochschule werden unter Berücksichtigung folgender Aspekte Ergebnisse und Positionen präsentiert: Qualitätsverständnisse und Qualitätskriterien, Methoden und Instrumente der Qualitätsentwicklung und -sicherung, Qualitätsmanagement und Verstetigung der Qualitätsentwicklung, Implementation von Qualitätsmanagement-Systemen und deren Wirksamkeit.
Um „Peer Review in QIBB“ (QualitätsInitiative BerufsBildung), ein externes Evaluationsverfahren im Rahmen eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems im österreichischen berufsbildenden Schulwesen und dessen Wirksamkeit, geht es in den ersten beiden Artikeln dieser Ausgabe, die von GABRIELA WULZ, MICHAELA JONACH und FRANZ GRAMLINGER sowie von MELANIE BUICHL und KARL WILBERS verfasst worden sind.
Mit einzelschulischem Qualitätsmanagement als Verwaltungsreformstrategie setzen sich DINA KUHLEE und CORNELIA WAGNER auseinander. Unter Berücksichtigung empirischer Fallstudien an Berliner beruflichen Schulen geht es um den Umgang schulischer Akteure mit den ihnen extern vorgegebenen Qualitätsforderungen und den Wirkungen von Qualitätsinitiativen.
Am Beispiel eines Modellversuchs im Rahmen der Schulentwicklungsforschung, der den Auftrag hatte, den Transfer von Innovationen zu entwickeln, zu erproben und zu evaluieren, geht BARBARA KOCH der Frage nach, wie die Qualität von Innovations- und Transferprozessen entwickelt werden kann. Hierbei handele es sich um eine Problemstellung, die im Diskurs zur ‚Qualität in der beruflichen Bildung’ noch wenig Beachtung gefunden hätte.
KARIN WIRTH stellt die Frage adäquater Qualitätsmaßstäbe und -maßnahmen anhand eines laufenden Hamburger Schulversuchs. Unter Rückgriff auf Überlegungen zum Design-Based Research diskutiert sie das Innovationpotenzial des im Schulversuch erprobten Bildungsgangs.
Aus der Perspektive beruflicher Weiterbildung prüft ANNA ROSENDAHL die Frage, inwieweit in Deutschland akzeptierte Zulassungsverfahren die im EQARF empfohlenen Qualitätssicherungselemente integrieren. Unter Rückgriff auf das in England im öffentlich finanzierten Weiterbildungsbereich eingesetzte Inspektionsverfahren werden denkbare Umsetzungsalternativen des EQARF skizziert.
Ausgehend von der Unmöglichkeit unmittelbarer Anwendung vorgefertigter Qualitätsmodelle auf die betriebliche Bildung unternimmt TOBIAS SCHLÖMER eine theoriegeleitete Analyse und schlägt eine Konzeption für ein Qualitätsmanagement in der betrieblichen Bildung vor. Dabei geht es u.a. um die Fragen, welche theoriegeleiteten Zugänge zum Qualitätsgegenstand (individuelle Lernprozesse) und zu qualitätsfördernden Strukturen und Prozessen zielführend sind, und welche Anforderungen an ein Qualitätsmanagement der betrieblichen Bildung zu stellen sind.
GEORG SPÖTTL und LARS WINDELBAND werfen die Frage auf, ob Bildungsstandards und damit korrespondierend Qualitätsstandards aus den betrieblichen Arbeitsprozessen generiert werden können und wie diese konkret zu definieren sind. Die Autoren zeigen einen Ansatz zur Entwicklung von Standards auf, der sich in das System der deutschen Berufsbildung einfügen lässt, an Arbeitsprozessen anknüpft und als oberstes Ziel die Qualitätsentwicklung verfolgt.
UTE CLEMENT, HEIDI MÖLLER und PETER EBERL sehen in einem gelingenden Vertrauensmanagement beim Übergang von Jugendlichen in die Berufsausbildung einen Indikator für Qualität. Dieser Artikel berichtet von einer explorativen Studie zu Bedingungen und Maßnahmen, mit deren Hilfe Vertrauen in Ausbildungsbetriebe erleichtert werden kann. Erfolgreiche Betriebe stützen diesen Sozialisationsprozess mit einer Balance von Caring, Compliance und Commitment.
In dem Beitrag von TANJA WEIGEL, UTE HIPPACH-SCHNEIDER und PHILIPP GONON wird Qualität als Resultat einer Bewertung betrachtet. Es werden die Erwartungen und Anforderungen von Unternehmen dargelegt, die sie an Bewerberinnen und Bewerber sowie an die Mitarbeitenden stellen und wie sie diese einschätzen. Die vergleichende Analyse erfolgt auf der Basis von Kompetenzen, weshalb dem Kompetenzbegriff eine besondere Rolle in diesem Beitrag zukommt.
JOANNA BURCHERT und SVEN SCHULTE beschreiben in ihrem Beitrag, wie im Projekt expertAzubi, das im Rahmen des BMBF-geförderten Programms „Neue Medien in der beruflichen Bildung“ durchgeführt und wie das Berichtsheft als Online-Variante auf Basis der Web2.0-Technologie entwickelt wird. Das in diesem Kontext aufgebaute Reflexionskonzept sehen sie als eine Möglichkeit der Qualitätssicherung in der Ausbildung.
Dieser Abschnitt ist den eingereichten Beiträgen aus dem Förderschwerpunkt des BUNDESINSTITUTS FÜR BERUFSBILDUNG (BIBB) „Entwicklung und Sicherung der Qualität der betrieblichen Aus- und Weiterbildung“ gewidmet. Das BIBB fördert seit Ende 2010 zehn Modellversuche, deren Ziel es ist, Instrumente und Verfahren zur Entwicklung, Sicherung und Evaluation von Qualität in der betrieblichen Ausbildung des Handwerks, der Altenpflege- und Bildungseinrichtungen bereit zu stellen. Handlungs- und Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung von Instrumenten, Kommunikations- und Kooperationsstrukturen sowie von Qualifizierungskonzepten für das Ausbildungspersonal (vgl. ausführlich: http://www.bibb.de/de/57649.htm).
Die Mitglieder der wissenschaftlichen Begleitung der Modellprojekte, MARTIN FISCHER, MATTHIAS KOHL, SUSANNE WEBER, MAGDALENE ZIEGLER DANIELA REIMANN und UTA FAHRENHOLZ, diskutieren in ihrem Artikel die Problematik der Anwendung des Qualitätsbegriffs in der beruflichen Bildung, stellen die Anforderungen an Qualitätssicherung und -entwicklung im Spannungsfeld von berufspädagogischen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen dar und fassen die vorliegenden Forschungsergebnisse zum Ist-Stand der Qualitätssicherung und zum Qualitätsverständnis der Akteure im dualen System zusammen. Vor diesem Hintergrund werden zentrale Merkmale des Modellversuchsprogramms erläutert.
In den folgenden Artikeln geht es um drei Modellversuche in Handwerksbetrieben. Es wird ein Einblick in Selbstverständnisse, Aufgaben und Ziele der Modellversuche gegeben, die ersten empirischen Befunde werden analysiert und Erfahrungen im Kontext der Entwicklung und Implementation von Instrumenten der Qualitätsentwicklung beschrieben und reflektiert. Die Artikel erläutern zudem das weitere Vorgehen in den jeweiligen Modellversuchen. KARIN BÜCHTER, CARMEN HAHN, RENE KRÄENBRING und MONIQUE WÖLK berichten über den Modellversuch „Qualitätsentwicklung und -sicherung im Ausbildungsprozess bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) des Maler- und Lackiererhandwerks in Hamburg“ (ML-QuES) der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr und der Maler- und Lackiererinnung Hamburg. ALEXANDRA EDER, CLAUDIA KLEMM, BEATE KRAMER und LARS POPP stellen den Modellversuch „Qualitätsentwicklung in der Ausbildung in Handwerksbetrieben: Entwicklungsinstrumente und Qualifizierungskonzepte“ der Handwerkskammer Hannover und der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk (ZWH) vor. HANS JOACHIM BUGGENHAGEN und NADINE BÖTTCHER berichten über das Modellprojekt AusbildungsMEISTER, „Meisterliche Ausbildung im Handwerk Westmecklenburgs – mit Qualität und im Verbund für die Zukunft“, durchgeführt vom itf (Innovationstransfer- und Forschungsinstitut) sowie der Kreishandwerkerschaft Schwerin.
Im Anschluss daran stellt TINA KNOCH den Modellversuch QUESAP Qualitätsentwicklung und -sicherung der praktischen Ausbildung, Intensivierung der Lernortkooperation und Anpassung der Konzepte der berufspädagogischen Qualifizierungen für Praxisanleitungen der Altenpflege, durchgeführt vom IGF (Institut für Gerontologische Forschung, Berlin) vor.
Im Modellversuch ProfUnt geht es um „berufsbegleitende Professionalisierung der Ausbildungsakteure in Thüringer Unternehmen“ in Kooperation zwischen der Universität Erfurt und drei Bildungsträgern, das von MANFRED ECKERT, CLAUDIA MÜLLER und TOM SCHRÖTER vorgestellt wird.
JOSE GOMEZ, DAVID KOBLER und CHARLOTTE NÜESCH zielen mit ihrem Beitrag darauf, die Qualität der Hochschullehre ganzheitlich zu erfassen und die Ansprüche und Zielsetzungen verschiedener Anspruchsgruppen wie z.B. Lehrpersonen, Lernende oder Schulleitung zu integrieren.
MELANIE KLINGER stellt zunächst die Relevanz eines „einheitlichen“ Qualitätsverständnisses dar. Daran anknüpfende werden Ansätze vorgestellt, mit denen sich „gute Lehre“ und Lehrkompetenz definieren lassen. Dabei wird die Frage nach den Merkmalen um die Frage nach der Messmethodik ergänzt. Abschließend werden Grenzen und Entwicklungstendenzen im Zusammenhang mit der Beurteilung und Entwicklung von Hochschullehre aufgezeigt.
MICHAELA HEINRICH richtet den Fokus auf die Sicherung und Verbesserung der Lehrveranstaltungsqualität, unter besonderer Berücksichtigung des weit verbreiteten Instrumentes zur Messung der Lehrqualität. In dem Artikel werden unterschiedliche Elemente und Funktionen der Lehrevaluation kritisch beleuchtet.
DANIELA WAGNER geht in ihrem Beitrag der Frage nach, wie ein Teaching Portfolio zu einer qualitätsvollen Lehre und damit zu Qualität in der Lehrer(innen)(aus)bildung beitragen kann. Diese wird auf der Grundlage einer Dokumentenanalyse von Homepages der Universitäten/Hochschulen in Österreich, Deutschland und der Schweiz sowie von Ergebnissen aus Expert(inn)eninterviews diskutiert.
ELISABETH RIEBENBAUER und MICHAELA STOCK schauen auf die Implementierung eines Qualitätskonzeptes im Rahmen der Umstrukturierung auf Bachelor-/Masterstudiengänge. Hauptaugenmerk des Beitrags liegt auf der Neugestaltung der schulpraktischen Ausbildung im Rahmen des Masterstudiums der Wirtschaftspädagogik sowie dem dafür entwickelten Qualitätskonzept.
Für die Beiträge für diese Ausgabe möchten wir uns bei den Autorinnen und Autoren recht herzlich bedanken. Ohne sie wäre bwp@ 21 nicht zustande gekommen. Aber vor allem ohne die Redaktion und den Webmaster hätten wir es nicht geschafft, Ausgabe 21 in dieser Zeit und dieser Form online zu veröffentlichen. Ein ganz besonderes Dankeschön geht an Nicole Naeve für die exzellente redaktionelle Arbeit, die Autorenbetreuung und die Koordinierung unter den Herausgebern, an Stephanie Wilde für die zeitnahe Übersetzung der Abstracts und nicht zuletzt an Markus Holzweber für die Gestaltung und Umsetzung der Online-Version, die Sie jetzt lesen, downloaden, weiter verschicken und hoffentlich auch weiter empfehlen können.
Karin Büchter, Franz Gramlinger & Karl Wilbers
im Dezember 2011