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bwp@ Ausgabe Nr. 21 | Dezember 2011
Qualität und Qualitätsmanagement in der Berufsbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 21 sind Karin Büchter, Franz Gramlinger & Karl Wilbers

Merkmale guter Hochschullehre: Definitionsversuche und Operationalisierbarkeit

Beitrag von Melanie KLINGER (Universität Mannheim)

Abstract

In den letzten Jahren wurde die Qualitätsdiskussion auf Hochschulebene nicht zuletzt durch die Bologna-Reform neu entfacht. Unter anderem sollen Kompetenzorientierung und Lernerzentrierung „gute Lehre“ gewährleisten, Akkreditierungen und Lehrveranstaltungsevaluationen zu deren Sicherstellung beitragen. Doch wie definiert sich die Qualität von Hochschullehre? Welche normativen Maßstäbe werden zur Bewertung herangezogen? Gute Lehre zeichnet sich maßgeblich durch die Interaktion von Lehrendem und Lernendem aus. Der Lehrende stellt eine Lernumgebung bereit, die vom Lernenden genutzt werden kann. Insofern muss Lehre aktivierend und lernerzentriert gestaltet sein, um die Leistungsergebnisse der Studierenden (Output) zu befördern. Außerdem sollen Prozessorientierung und multiple Anwendungskontexte die Verwertbarkeit der erlangten Kompetenzen im zukünftigen Beruf (Outcome) steigern. Zur Messung der Qualität von Lehre müssen adäquate Kriterien formuliert und operationalisiert werden. Aus diesem Grund verständigen sich beispielsweise hochschuldidaktische Netzwerke und Verbünde derzeit auf ein einheitliches Qualitätsverständnis (Standards) bezüglich Lehre. Auf Bundesebene wurde die Akkreditierungskommission (AKKO) der DGHD e. V. für hochschuldidaktische Weiterbildungsangebote gegründet; die SEDA entwickelte in Großbritannien ein „Professional Development Framework“ zur Akkreditierung von Lehrenden und Hochschulen. Ziel des Artikels ist eine zusammenfassende Betrachtung vorliegender Ansätze zur Bestimmung der Qualität von Hochschullehre. Darüber hinaus werden erste Überlegungen zu deren Operationalisierung angestellt, wobei auch auf die damit verbundenen Herausforderungen und offenen Fragen eingegangen wird.


Characteristics of good higher education teaching: Attempts at definitions and operationalisability

In recent years the quality discussion at higher education level was given new impetus, not least by the Bologna reforms. Amongst other things competence orientation and learner-centredness should ensure “good teaching”, and accreditations and teaching evaluations should contribute to assuring them. But how is the quality of higher education teaching to be defined? Which normative measures are used for their evaluation? Good teaching stands out particularly through the interaction of teachers and learners. The teacher creates a learning environment which can be used by the learners. In this regard teaching must be designed in an activating and learner-centred way, in order to maximise the attainment outcomes of the students (output). In addition process orientation and multiple application contexts should increase the usefulness of the competences gained in future professional work (outcome). In order to measure the quality of teaching appropriate criteria must be formulated and operationalised. For this reason higher education didactic networks and associations, for example, are currently agreeing on a uniform understanding of quality (standards) with regard to teaching. At the federal level the accreditation commission (AKKO) of the DGHD for higher education didactic further education provision was founded; SEDA in Great Britain developed a “Professional Development Framework” for the accreditation of lecturers and higher education institutions. The aim of this article is to summarise and consider the available approaches to the determining of quality of higher education teaching. Furthermore initial reflections on their operationalisation are considered, whereby the article also deals with the associated challenges and open questions.

1 Hintergrund

In den letzten Jahren wurde die Qualitätsdiskussion auf Hochschulebene nicht zuletzt durch die Bologna-Reform neu entfacht. Unter anderem sollen Kompetenzorientierung und Lernerzentrierung „gute Lehre“ gewährleisten, Akkreditierungen und Lehrveranstaltungsevaluationen zu deren Sicherstellung beitragen. Doch wie definiert sich die Qualität von Hochschullehre? Welche normativen Maßstäbe werden zur Bewertung herangezogen?

Ziel des vorliegenden Artikels ist eine zusammenfassende Betrachtung vorliegender Ansätze zur Bestimmung der Qualität von Hochschullehre. Darüber hinaus werden erste Überlegungen zu deren Operationalisierung angestellt, wobei auch auf die damit verbundenen Herausforderungen und offenen Fragen eingegangen wird. Der Adressatenkreis dieses Artikels umfasst Lehrende aller akademischen Disziplinen, die sich mit der Frage befassen, auf welche Art und Weise sie die Qualität der eigenen Lehre (im Rahmen des „Lifelong Learning“) und beobachteter Lehre (z. B. im Rahmen des kollegialen Feedbacks oder der Leistungsbeurteilung) einschätzen können. Außerdem soll die ausführliche Zusammenstellung der Merkmale guter Lehre (siehe Kapitel 4) als Anhaltspunkt und als Orientierung im Rahmen von Überlegungen zur kontinuierlichen Verbesserung der Hochschullehre dienen.

Aufgrund des Umfangs der vorliegenden Arbeit kann im Folgenden lediglich eine exemplarische Auswahl von Ansätzen aufgegriffen und vorgestellt werden. Dieser Beitrag versteht sich daher als erster Impuls und Einblick in die Problematik der Definition von Qualität.

Im vorliegenden Artikel wird zunächst die Relevanz eines einheitlichen Qualitätsverständnisses (Kap. 2) dargestellt. Außerdem wird der Qualitätsbegriff in Bildungskontexten (Kap. 3) diskutiert und darauf folgend Ansätze (Kap. 4) vorgestellt, mit denen sich „gute Lehre“ und Lehrkompetenz definieren lassen, ebenso wie die Herausforderungen, die sich mit deren Operationalisierung (Kap. 5) ergeben. Dabei wird die Frage nach den Merkmalen um die Frage nach der Messmethodik ergänzt. Abschließend werden Grenzen und Entwicklungstendenzen (Kap. 6) im Zusammenhang mit der Beurteilung und Entwicklung von Hochschullehre aufgezeigt.

2 Zur praktischen Relevanz eines einheitliches Qualitätsverständnisses

Mit dem Ziel der innereuropäischen Mobilität geht mit dem Bologna-Prozess die Frage nach der Standardisierbarkeit von Bildungsabschlüssen einher. Zielsetzung der Hochschulbildung im Rahmen konsekutiver Studiengänge ist es, beschäftigungsfähige Absolventen hervorzubringen. Damit stellt sich die Frage nach der Ausgestaltung von Hochschullehre. Diese soll die Kompetenzentwicklung der Studierenden hin zur Beschäftigungsfähigkeit unterstützen (zur Diskussion der Beschäftigungsfähigkeit im Rahmen von Hochschulbildung  vgl. auch GERHOLZ/ SLOANE 2008).

Aber auch die zunehmende politische Relevanz von Hochschulrankings bedingt eine Vergleichbarkeit des Qualitätsverständnisses von Hochschulen. Dabei spielen neben Aspekten wie Forschung und internationaler Ausrichtung auch die Studienbedingungen eine wesentliche Rolle (vgl. TER HORST 2009, CENTRUM FÜR HOCHSCHULENTWICKLUNG 2011).

Um durch die Gestaltung von Lehre die Kompetenzentwicklung der Studierenden ebenso wie die Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit der Hochschule zu unterstützen, sind vielerorts hochschuldidaktische Qualifizierungsmaßnahmen und Qualitätsmanagementsysteme eingeführt worden. Begleitend ist eine Vielzahl von Forschungsprojekten entstanden. Die Entwicklung eines einheitlichen Verständnisses von Lehrqualität ist unter anderem in diesen Bereichen relevant und wird im Folgenden näher erläutert.

Bei der Vielzahl und Ausdifferenzierung hochschuldidaktischer Institutionen sollte, schon allein wegen des Ziels der Verbesserung der Lehre und der Anerkennungsfähigkeit von Weiterbildungsleistungen untereinander, aber ebenfalls mit Blick auf internationale Karrierewege von Hochschullehrenden, ein Konsens bezüglich des Verständnisses von Lehrqualität gebildet werden. Außerdem bestehen von der Organisation in hochschuleigenen Weiterbildungsabteilungen bis hin zum landesweiten Verbund (z. B. HDZ Baden-Württemberg) viele Institutionalisierungsformen. Diese werden ergänzt durch nationale Verbünde (Deutsche Gesellschaft für Hochschuldidaktik (DGHD), Staff and Educational Development Association (SEDA) in Großbritannien), ebenso wie durch internationale Verbünde (Network of European Tertiary Level Educators (NETTLE) in Europa, The International Consortium for Educational Development (ICED) global). Um eine übergreifende Kooperation und Abstimmung zu ermöglichen, ist ein gemeinsames Qualitätsverständnis notwendig, jedoch leider bislang nur selten erarbeitet oder expliziert (vgl. Kapitel 4.2).

Einhergehend mit der Einführung von Qualitätsmanagement an den Hochschulen wurden zumeist auch Lehrveranstaltungsevaluationen und Akkreditierungen von Studiengängen zur Selbstverständlichkeit. Evaluation, ebenso wie Akkreditierung, muss ein eindeutiges Verständnis des Untersuchungsgegenstandes und eine präzise Definition der zu untersuchenden Merkmale zugrunde liegen. (Im Zuge der Akkreditierung von Hochschullehre ist hier beispielhaft die Akkreditierungskommission der DGHD e.V. für hochschuldidaktische Aus- und Weiterbildungsangebote (AKKO) zu nennen, die zum einen in der hochschuldidaktischen Weiterbildung und Beratung tätige Personen, einzelne Veranstaltungen bzw. Veranstaltungsbündel oder -sequenzen („Module") sowie ganze Programme zur hochschuldidaktischen Aus- und Weiterbildung akkreditiert; auch kann beispielhaft die Agentur für Qualitätssicherung durch Akkreditierung von Studiengängen (AQAS) angeführt werden.)

Auch aktuelle BMBF-Forschungsprojekte, beispielsweise im Rahmen der „Hochschulforschung als Beitrag zur Professionalisierung der Hochschullehre“ bedürfen eines einheitlichen Verständnisses von guter Lehre. Exemplarisch sei auf die Projekte „LehreProfi – Professionelle Hochschullehre“, „QualitAS-Lehre – Theorie und Praxis von Anreiz- und Steuerungssystemen im Hinblick auf die Verbesserung von Hochschullehre“, „MogLI – Motivation und Anreize zu „guter Lehre“ im Rahmen des Implacement“, „ProfiLe – Professionalisierung in der Lehre – Qualitätssteuerung und hochschuldidaktische Kompetenzentwicklung“ hingewiesen, deren Grundlage als auch Zielsetzung ein einheitliches Verständnis von guter Lehre und Lehrkompetenz bildet.

3 Qualität von Lehre

Bevor der Frage nachgegangen wird, was unter Qualität von Hochschullehre verstanden werden kann, muss zunächst der Begriff der Qualität erörtert werden.

HEID (2000) betrachtet Qualität als „keine beobachtbare Eigenschaft oder Beschaffenheit eines Objektes, sondern [als] das Resultat einer Bewertung der Beschaffenheit eines Objektes“ (41, Hervorhebung i. O.). Von Qualität kann dann gesprochen werden, wenn eine bestimmte Beschaffenheit vorliegt, die über normative Qualitätskriterien festgelegt wird. Diese Kriterien wiederum sind Ergebnisse der Entscheidungsprozesse derer, die Qualität beurteilen wollen und damit subjektiv, selbst wenn sie im intersubjektiven Diskurs gebildet wurden. Demnach kann Lehre nicht „gut“ sein, sie kann nur von bestimmten Interessengruppen für „gut“ befunden werden. Weiter argumentiert HEID, dass selbst scheinbar objektive Merkmale häufig rein tautologischer Natur sind. Dies zeigt sich beispielsweise in dem Kriterium der aktiven Beteiligung des Lernenden am Lernprozess. Da Lernen nur durch Beteiligung am Lernprozess möglich ist, kann es laut HEID nicht als Qualitätskriterium für den Lernprozess Verwendung finden. Dies widerspricht allerdings der gängigen Auffassung (vgl. z. B. BIGGS 2003; BERENDT 2000), dass Lehrqualität sich sehr wohl auch durch die Gelegenheiten zur aktiven Beteiligung der Studierenden beurteilen lässt.

Zur Bestimmung von Qualität müssen des Weiteren, aufgrund ihrer Beteiligung am Lehr-Lern-Arrangement, sowohl die Bedürfnisse und Vorstellungen der Lehrenden als auch der Lernenden in die Qualitätsdefinition einbezogen werden, wobei von den Beteiligten Gewünschtes und objektiv Erforderliches einander gegenüber zu stellen sind (vgl. HEID 2000).

Qualität lässt sich also nur beurteilen, wenn normative Vorgaben bestehen, die den Soll-Zustand beschreiben. Zudem sind Kriterien zu operationalisieren und methodisch geprüfte Messverfahren anzuwenden. Dabei sollte nach HEID (2000) die Bestimmung der Kriterien nicht allein von deren Messbarkeit abhängig gemacht werden.

HARVEY und GREEN (2000) beschreiben Qualität als Ausnahme, als Perfektion, als Zweckmäßigkeit oder als adäquaten Gegenwert, wobei diese Konzepte nicht ohne Weiteres auf den Bildungsbereich übertragbar sind. Insbesondere bei letzterem besteht die Gefahr, den Gegenwert in Leistungsindikatoren wie Personal-Student-Relationen oder Prüfungsergebnissen zu messen, dabei aber zu übersehen, dass es sich letztendlich um Werkzeuge zur Messung der Qualität handelt, nicht um das Ziel selbst, nämlich die Bereitstellung einer lernförderlichen Lernumgebung. HEID (2000) vermutet in diesem Zusammenhang sogar, dass das Prestige und damit die vermeintliche Qualität einer Institution, eines Faches oder einer Lehrperson von dem Grad der Verfehlung des Ziels im Sinne der Gewährleistung von Lernerfolg abhängt. Zusammengefasst: je besser die Noten, desto „schlechter“ die Lehre. Eine weiterer Ansatz von HARVEY und GREEN (2000) umfasst die Transformation (= Weiterentwicklung und Empowerment) und scheint für Bildungsprozesse die am ehesten geeignete zu sein. Sie bemisst Qualität anhand der Weiterentwicklung des Teilnehmers und am „Empowerment“, also der Befähigung des Lerners, seinen Lernprozess aktiv zu gestalten und zu verantworten. Zugleich weisen auch HARVEY und GREEN (2000) darauf hin, dass die Definition von Qualität immer interessenabhängig ist. Die Rede ist von einer „pragmatischen Haltung“ (36) zur Qualitätsbestimmung. Dementsprechend sollte von „unterschiedlichen Qualitäten“ (36) gesprochen werden, innerhalb derer bestimmte Interessengruppen konkrete Kriterien anwenden, um Qualität einzuschätzen (vgl. auch WEBLER 2000; WISSENSCHAFTSRAT 2008). Diese werden um praktikable Messverfahren ergänzt, wobei auch hier zu beachten ist, diese Messverfahren nicht einzig aufgrund ihrer Praktikabilität als valide darzustellen (HARVEY/ GREEN 2000).

Nach BRAUN und HANNOVER (2011) soll Hochschullehre „Lerngelegenheiten zum Erwerb von Kompetenzen in fachlichen und überfachlichen Domänen bieten. Unter Lerngelegenheiten sind Merkmale des Hochschulunterrichts zu verstehen, durch die systematisch bestimmte Lernprozesse ausgelöst werden“ (23, Hervorhebung i. O.).

Im Falle der Hochschullehre liegt der Fokus der Beurteilung folglich auf dem Lernprozess. Insofern kann nur dann von Qualität gesprochen werden, wenn die Lehre versucht, den Lernprozess zu fördern. Diese Auffassung wird von der HRK (2008) geteilt, die schreibt:

„,Gute’ Lehre besteht darin, das eigenständige Lernen der Studierenden zu ermöglichen und zu unterstützen. In diesem Sinne ist gute Lehre heute studierendenzentriert. Lehre hingegen, die sich als reine Wissensvermittlung begreift und die aktive Verarbeitung des Wissens durch die Studierenden vernachlässigt, verschenkt einen Großteil ihrer möglichen Wirkung. Die Gestaltung der Lernumgebung durch die Lehrenden macht den Unterschied zwischen guter und weniger guter Lehre aus.“

Demzufolge ist die Gestaltung der Lernumgebung der zentrale Ausgangspunkt zur Bemessung der Qualität von Lehre. Die Lernumgebung umfasst neben direkten Aspekten wie der Aufarbeitung und Darstellung der Lerninhalte, der Methodik und den eingesetzten Medien auch Rahmenbedingungen der Lehre, wie beispielsweise die personelle und materielle Ausstattung der Hochschule oder auch die Lehr-/Lernkultur (vgl. Kapitel 4).

Zu diskutieren bleibt die Frage, ob es möglich ist, die Qualität der Lehre unabhängig vom fachspezifischen Hintergrund zu bestimmen (vgl. SENGER 2010). An dieser Stelle sei auf die Forschung im schulischen Kontext verwiesen, die ebenso fachübergreifend Merkmale guten Unterrichts definiert (vgl. z. B. MEYER 2004). Die interdisziplinäre Einigkeit besteht vor allem darin, wie Lernprozesse verlaufen und gefördert werden können (vgl. WEBLER 1991). Aus zwei Gründen wird jedoch im folgenden Artikel die Schulforschung keinen Einbezug finden: Zum einen sollte die Hochschullehre von schulischen Lernumgebungen abgegrenzt werden, da sie bestimmten Spezifika unterliegt, die wiederum die Lernumgebung beeinflussen (zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden von akademischer und nicht-akademischer Berufsbildung vgl. HERKNER/ PAHL 2011). Beispielsweise besteht in vielen Veranstaltungen eine Anonymität der Studierenden, die den Aufbau eines persönlichen, vertrauensvollen Verhältnisses stark erschwert und die Studierenden wiederum ihrer Eigenverantwortung überlässt. (Wo der Lehrer beispielsweise durch namentliche Ansprache oder Klassenbucheinträge verwarnen kann, ist dies im überfüllten Hörsaal weder denkbar noch gewünscht.) Zum anderen ist es Ziel dieses Artikels darzustellen, wie insbesondere die Hochschulforschung der Frage nach Qualität von Lehre begegnet. Diese Frage scheint auch deshalb von Interesse, weil derzeit zwar viele hochschuldidaktische Institutionen bestehen, die die Qualität von Lehre durch konkrete Maßnahmen verbessern wollen, diese Aktivitäten aber in den seltensten Fällen von evidenzbasierter Arbeit und Forschung begleitet werden (vgl. SENGER 2010). 

Zusammenfassend versteht sich „gute Lehre“ als Bereitstellung von lernförderlichen Lernumgebungen. Damit bedingt die Frage nach guter Lehre die Frage nach Lehrenden, die fähig sind, solche Lernumgebungen zu schaffen. Es geht dementsprechend auch um die Lehrkompetenz als Indikator guter Lehre. Allerdings sind Lehrkompetenzen, wo überhaupt in der Forschung aufgegriffen (vgl. BRENDEL/ EGGENSPERGER/ GLATHE 2006), nicht ausreichend präzise ausdifferenziert, um als Indikatoren zur Messung von guter Lehre zu fungieren.

TRIGWELL und SHALE (2004), TRIGWELL, MARTIN, BENJAMIN und PROSSER (2000) sowie BIGGS (2003) sprechen im Zusammenhang mit Lehrkompetenz von einem „Scholarship of Teaching“, WINTELER (2009) von der „Evidenzbasierten Lehre“. „Evidenzbasierte Lehre“ liegt dann vor, wenn Lehrende ihre Lehre als Forschungsgegenstand betrachten, diese reflektieren und evaluieren, die Perspektive des Lernenden berücksichtigen sowie sich mit Kollegen über ihre Lehre austauschen (WINTELER 2009). TRIGWELL et al. beschreiben das „Scholarship of Teaching“ als „a reflective and informed act engaging students and teachers in learning“ (TRIGWELL/ SHALE 2004, 523). Beachtung findet also nicht nur das Lernen der Studierenden, sondern auch der Lernprozess des Lehrenden, der durch Konsultation, Analyse und Akzeptanz anerkannter Theorien, aufbauend auf diesen und in Kombination mit den eigenen Erfahrungen, eine eigene Lehrpraxis entwickelt (BIGGS 2003). Ferner geht es um „bewusste, explizite, wohlbegründete Anwendung der gegenwärtig besten Evidenz für Entscheidungen“ (WINTELER 2009) hinsichtlich der Gestaltung von Lernumgebungen und der Zusammenführung wissenschaftlicher Erkenntnisse mit praktischen Erfahrungen und den Bedürfnissen der Lehrenden und Studierenden.

Lehrkompetenz bildet eine notwendige, mitnichten aber eine hinreichende Bedingung für gute Lehre, da die Kompetenz nichts über die tatsächliche Performanz des Lehrenden im Hörsaal aussagt. Weil außerdem neben der Lehrkompetenz bzw. dem Scholarship of Teaching auch die Interaktion mit Studierenden und Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die technische Ausstattung des Hörsaals oder die Wertschätzung von Lehre im Fachbereich, eine Rolle spielen, würde die Beschränkung auf Lehrkompetenz die Lehrqualität nicht gänzlich erfassen. Daher wird im Folgenden ein Modell eingeführt, das möglichst allumfassend die Bedingungen guter Lehre abbildet.

4 Merkmale guter Hochschullehre

Im Folgenden soll ein Rahmenmodell des Lehr-Lern-Kontexts dargestellt und erläutert werden. Anhand des Modells wird der Begriff „guter Lehre“ präzisiert, anschließend werden weitere Ansätze zur Definition guter Hochschullehre auf eine Modellpassung hin geprüft und bewertet.

4.1 Der Lehr-Lern-Kontext: ein Rahmenmodell

BIGGS (2003), der Studierende zwei Gruppen zuteilt – den „akademischen“ und den „nicht-akademischen“ – definiert „gute Lehre“ folgendermaßen: „Good teaching is getting most students to use the higher congnitive level processes that more academic students use spontaneously.“ (5, Hervorhebung i. O.). Ziel der Lehre ist dementsprechend, Studierende zum Tiefenlernen („Deep Approach“) anzuregen. BIGGS spricht in diesem Zusammenhang vom „Constructive Alignment“ (25). Die systematische Steuerung des studentischen Lernprozesses besteht ihm zufolge vor allem darin, dass Lernziele, Lehraktivitäten und Prüfungsform aufeinander abgestimmt sein müssen, um die erwünschten Tiefenlernprozesse anzuregen (vgl. Abb. 1; zu einer ausführlichen Erläuterung des Oberflächen- und des Tiefenlernens vgl. ebd. S. 11 ff.). Beispielsweise wird ein Student, der oberflächliches Auswendiglernen gewohnt ist, seine Lernstrategie anpassen, wenn er weiß, dass in der Klausur hauptsächlich Transferaufgaben gestellt werden. Ist die Art des Leistungsnachweises transparent kommuniziert, wird der Student in der Regel schnell erkennen, dass reines Auswendiglernen von Fakten in der Klausur wahrscheinlich zu keinem befriedigenden Ergebnis führen wird. Die Anpassung seiner Lernaktivitäten hin zum Tiefenlernen führt dann zum erwünschten Learning Outcome. Die Lernaktivitäten ebenso wie die Learning Outcomes hängen wechselseitig auch von den Voraussetzungen der Lernenden ab, beispielsweise deren Vorwissen, Fähigkeiten und Motivation zum Besuch der Lehrveranstaltung. So wendet ein Student, der über ein hohes Vorwissen und Interesse am Thema verfügt, eher Tiefenlernen an, als beispielsweise ein Student, dem das Seminar zugeteilt wurde und der unter enormem Zeitdruck steht (vgl. BIGGS, 2003). Neben den Voraussetzungen der Lernenden stellt auch der Lehrkontext („Teaching Context“) einen Einflussfaktor auf den gesamten Lehr-Lern-Prozess dar. Außerdem wirken die Voraussetzungen der Lernenden und der Lehrkontext wechselseitig aufeinander ein. Unter dem Lehrkontext werden lehrveranstaltungsspezifische sowie organisationale Merkmale verstanden, ebenso wie die Charakteristika der Lehrperson. Lehrveranstaltungsspezifische Merkmale bilden beispielsweise die Ziele der Veranstaltung, die über die Prüfungsordnung vorgegebenen Prüfungsmodalitäten oder das Klima innerhalb der Lehrveranstaltung. Unter organisationalen Merkmalen werden Aspekte wie die technische und personelle Ausstattung, aber auch die Lernkultur und die allgemeine Wertschätzung von Lehre (im Fachbereich und der gesamten Hochschule) subsummiert. Fachliche Expertise, Lehrkompetenz und Motivation zählen unter anderem zu den Charakteristika der Lehrperson. Der Lehrkontext beeinflusst beispielsweise die geplanten Aktivitäten („Teaching and Learning Activities“) in der Art, als dass diese von den didaktischen Kenntnissen der Lehrperson, als auch deren Motivation zur Vorbereitung und zum Einsatz der Methoden abhängen. Ebenso ist die Art des Leistungsnachweises („Assessment“) zum einen von der diagnostischen Kompetenz der Lehrperson, aber auch von der Prüfungsordnung abhängig. Auch die Lernaktivitäten und das Lernergebnis sind beispielsweise von der Lernkultur und dem Klima im Rahmen der Lehrveranstaltung abhängig.

Das Lernsystem steht in Abhängigkeit zum Lehrsystem und wird vor allem vom Wechselspiel aus Lernziel, Methode und Prüfungsform beeinflusst. Wird Lehre nun als der Versuch verstanden, Tiefenlernprozesse bei den Studierenden anzustoßen und zu fördern, so zeigt sich, dass das Erreichen eines „Constructive Alignment“ ausschlaggebend für Lehrqualität ist. Folglich definiert sich ein guter Lehrender als Person, die aufbauend auf den Voraussetzungen – den „Student Factors“ und dem „Teaching Context“ – eine Lernumgebung schafft, in der die eingesetzten Methoden und Prüfungsformen derart gestaltet, dass die Lernaktivitäten der Studierenden Lernergebnisse hervorbringen, die mit den zuvor festgelegten Lernzielen übereinstimmen.

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Abb. 1:   Constructive alignment within the 3P-model of teaching and learning (in Anlehnung an BIGGS 2003, 19 ff.)

Fraglich bleibt, wie eine solche Lernumgebung – neben der Abstimmung von Lernzielen mit Methoden und Prüfungsform - konkret gestaltet sein sollte. BIGGS (2003) kommt zu dem Schluss, dass eine „gute“ Lernumgebung durch vier Faktoren bedingt wird:

  • A well-structured knowledge base
  • An appropriate motivational context
  • Learner activity, including interaction with others
  • Self-monitoring (75).

Der erste Faktor, die Wissensbasis, bezieht sich auf das Vorwissen des Studierenden, an das durch die Lehre angeknüpft werden soll. Je umfangreicher und besser strukturiert dieses Vorwissen ist, desto besser und mit mehr Tiefenverständnis kann der Studierende lernen. Daher müssen Lehrende darauf achten, Verhaltensweisen und Faktoren, die lediglich oberflächliches Lernen fördern, zu erkennen und zu eliminieren, dafür Tiefenlernen auszulösen und zu unterstützen. Der Lehrende sollte an das Vorwissen der Studierenden anknüpfen, bei der Strukturierung des Wissens unterstützen, Fehler konstruktiv nutzen und den Studierenden bewusst machen, dass Lernen deren aktiver Prozess ist. Der motivationale Kontext soll Studierenden helfen, die Relevanz des Themas zu erkennen, Neugierde zu entwickeln und sich selbstbestimmt und selbstverantwortlich die Lerninhalte anzueignen. Dabei ist darauf zu achten, dass auch stark extrinsisch motivierte Studierende angesprochen werden, beispielsweise durch soziale Motivation im Sinne einer Vorbildfunktion des Lehrenden (61f.). Lehre sollte zudem aktivieren, da zum einen die Konzentration durch aktive Lernphasen gestärkt wird, zum anderen wurde empirisch belegt, dass eine stark positive Korrelation zwischen dem Grad der Aktivität und der Lerneffektivität vorliegt (WITTROCK 1977 in BIGGS 2003, 79). Dabei kann eine aktivierende Lernphase, die in Kooperation mit anderen Lernenden erfolgt, weitere positive Nebeneffekte haben: Sie kann die Elaboration fördern, den Diskurs und die Auseinandersetzung mit den Haltungen und Ansätzen der anderen ermöglichen und ebenso die Metakognition unterstützen. Studierende sollten neben der Möglichkeit, ihren eigenen Lernprozess zu reflektieren, ebenso Gelegenheiten haben, ihren Lernfortschritt zu überprüfen. Lehrende sollten daher Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung stellen und Studierenden dabei helfen, Selbstkontrollmechanismen aufzubauen (BIGGS 2003).

Fraglich bleibt nun, inwieweit weitere Ansätze das vorgestellte Modell stützen bzw. näher präzisieren können, insbesondere bezüglich der Frage der Operationalisierbarkeit. Daher werden im Folgenden weitere Ansätze aufgegriffen, mit dem Modell abgeglichen und diskutiert.

4.2 Weitere Ansätze zur Definition von guter Lehre

In Evaluationsinstrumenten wie dem Heidelberger Inventar zur Lehrveranstaltungsevaluation (HILVE-2) wurden die Kriterien von Lehre hinreichend operationalisiert und bieten damit auch Aufschluss über die Güte von Lehre. Der HILVE-2 basiert auf dem Bedingungsmodell des Lehrerfolgs von RINDERMANN (2002). Das Modell zeigt auf, dass die Lehrkompetenz allein keinen Lehrerfolg bedingt (Abbildung 2). Erst die erfolgreiche Kombination der Voraussetzungen des Dozenten mit Rahmenbedingungen und den Merkmalen der Studierenden kann zu Lerngewinn und Kompetenzerwerb führen (zu einer ausführlichen Erläuterung des Modells vergleiche RINDERMANN 2009).

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Abb. 2:   Bedingungsmodell des Lehrerfolgs (RINDERMANN 2001) Quelle: RINDERMANN (2002, 2009)

Das Bedingungsmodell des Lehrerfolgs stellt das Zusammenwirken der Bedingungsvariablen weniger konkret dar als das oben eingeführte Modell, bildet dahingegen jedoch die Kriterien von erfolgreicher Lehre detaillierter ab. So gibt RINDERMANN (2002) als wichtigste Determinante von Lehrerfolg die Strukturierung und Klarheit einer Lehrveranstaltung an. Auf Seiten des Dozenten sind Lehrkompetenz und rhetorische Kompetenz von besonderer Bedeutung. Kritisch zu hinterfragen sind an dieser Stelle die dargestellten Merkmale von Lehrerfolg. So bleibt zu diskutieren, ob Lehrerfolg zwingend die Interessantheit einer Veranstaltung bedingt, ebenso, wie sich allgemeine Veranstaltungsqualität definiert. Des Weiteren wäre zu hinterfragen, ob sich der Lehrerfolg nicht auch auf den Dozenten auswirken kann, beispielsweise durch die Beeinflussung der Lehrkompetenz und des Engagements. So kann man davon ausgehen, dass eine erfolgreiche Lehrveranstaltung den Dozenten in seinen Fähigkeiten bestärkt und sein Engagement bezüglich weiterer Lehrveranstaltungen erhöht.

Geht es im nächsten Schritt um die Messung von Lehrqualität, ist anzumerken, dass das Instrument der Lehrveranstaltungsevaluation auf der subjektiven Sicht der Studierenden basiert und daher entsprechend schwer zur Bestimmung von guter Lehre zu verwenden ist (vgl. HEID 2000; WEBLER 2005; zu einer ausführlichen Diskussion auch RINDERMANN 2002). Zum einen ist die Fähigkeit der Selbst- aber auch der Veranstaltungseinschätzung durch die Studierenden kritisch zu hinterfragen, zum anderen könnten möglicherweise Störfaktoren wie die Sympathie gegenüber der Lehrperson die Beurteilung der Studierenden beeinflussen. Auch wenn die Fähigkeit der Studierenden, Lehrveranstaltungen adäquat einschätzen zu können, nachgewiesen wurde (vgl. RINDERMANN 2002), sollten Lehrveranstaltungsevaluationen aufgrund der kontroversen Diskussion bezüglich ihrer Validität nicht als alleiniges Messinstrument verwendet werden.

Ein weiteres Evaluationsinstrument ist der „College Student Report“ im Rahmen des „National Survey of Student Engagement“ (NSSE). Das NSSE erhebt das „Student Engagement“ von Studierenden als Indikator für die Qualität von Hochschulen. „Student engagement represents two critical features of collegiate quality. The first is the amount of time and effort students put into their studies and other educationally purposeful activities. The second is how the institution deploys its resources and organizes the curriculum and other learning opportunities to get students to participate in activities that decades of research studies show are linked to student learning.“ (NSSE). Um das „Student Engagement“ zu erheben, wurden fünf Indikatoren entwickelt, die „Benchmarks of Effective Educationale Practice“:

  • Level of Academic Challenge (e. g. number of written papers, coursework emphasis)
  • Active and Collaborative Learning (e. g. class discussions, presentations)
  • Student-Faculty Interaction (e. g. discussions with instructors, prompt feedback from instructors)
  • Enriching Educational Experiences (e. g. talking with students with different backgrounds, using technology for assignments)
  • Supportive Campus Environment (e. g. institutional emphasis, relationships)

(http://nsse.iub.edu/pdf/nsse_benchmarks.pdf, ein Muster des gesamten Fragebogens kann unter http://nsse.iub.edu/pdf/survey_instruments/2011/NSSE2011_US_English_Paper.pdf eingesehen werden.)

Da das Instrument aber nicht nur die Qualität der Hochschullehre, sondern der gesamten Hochschule messen will, kann es für den aktuellen Beitrag nur bedingt verwendet werden. Allerdings lassen sich Kriterien ableiten, die laut NSSE für Lehrqualität stehen, so z. B. aktives und kollaboratives Lernen und die Interaktion zwischen Lehrendem und Lernendem (Student-Faculty Interaction). Festzuhalten ist, dass die Operationalisierung der Lehrqualität an dieser Stelle bis zur Konkretisierung z. B. der Anzahl der schriftlichen Ausarbeitungen der Studierenden pro Semester reicht. Kritisch zu hinterfragen bleibt jedoch, ob die bloße Quantifizierung der Studiertätigkeit im Sinne von Arbeits- bzw. Gesprächsstunden und erstellten Dokumenten wirklich Rückschlüsse auf die Qualität der Lehre zulässt.

Einen weiteren Ansatz zur Begriffsbestimmung bieten Standards, die zur Qualitätssicherung und Kooperation der bestehenden, verschiedenartig organisierten Institutionen zur Verbesserung der Lehrkompetenz von Lehrenden Verwendung finden sollten. Da es neben  Neugründungen vermehrt zur Bildung von Regional- und Landesverbünden kommt, z. B. zur Gründung des Hochschuldidaktikzentrums Sachsen (HDS) im April 2011, steigt die Relevanz eines einheitlichen Qualitätsverständnisses. Weil diese geografisch ausgerichteten Verbünde durch Dachorganisationen wie die DGHD in Deutschland oder die internationale ICED ergänzt werden, ist zu prüfen, inwieweit ein solches Qualitätsverständnis Verwendung findet. Dabei kann festgestellt werden, dass viele Institutionen und Organisationen mittlerweile über mehr oder weniger explizite Mission Statements verfügen, ein einheitliches Qualitätsverständnis liegt dagegen bisher nicht vor. Dies könnte unter anderem in der Tatsache begründet sein, dass in den Organisationen viele Einzelinstitutionen und Einzelpersonen mit eigenen Perspektiven, Ansichten und Interessen zusammentreffen. Eine Vorreiterrolle bei der Anerkennung von hochschuldidaktischen Maßnahmen, Einrichtungen und in der Hochschuldidaktik tätigen Personen übernimmt die englische Staff and Educational Development Association (SEDA), die im Folgenden näher erläutert wird.

Die SEDA gilt als eine der vorbildhaften Organisationen zur Verbesserung der Qualität von Lehre (QUALITÄT IN DER WISSENSCHAFT 2009). Sie kann nach einer ausführlichen Prüfung der Institution, des Programms oder der lehrenden Person Awards, z. B. den „Staff and Educational Development“ oder den „Supporting Learning“ Award (SEDA 2011) verleihen. Die Prüfungskriterien können Aufschluss über das ihnen zugrunde liegende Qualitätsverständnis geben und sollen daher näher betrachtet werden.

Alle Aktivitäten und Prüfungen der SEDA unterliegen Wertorientierungen und handlungsleitenden Richtlinien, den „SEDA Values“:

  • An understanding of how people learn
  • Scholarship, professionalism and ethical practice
  • Working and developing learning communities
  • Working effectively with diversity and promoting inclusivity
  • Continuing reflection on professional practice
  • Developing people and processes

(http://www.seda.ac.uk/about.html?p=2_1)

Sie unterliegen des Weiteren den „Core Development Outcomes“, also dem Ziel, die eigene Lehrtätigkeit zu reflektieren und selbstverantwortlich weiterzuentwickeln:

Teachers/Programs/Institutions

  • Identify their own professional development goals, directions or priorities
  • Plan for their initial and / or continuing professional development
  • Undertake appropriate development activities
  • Review their development and their practice, and the relations between them

(http://www.seda.ac.uk/pdf.html?p=3_1_10_2)

Außerdem bestehen für jeden Award entsprechende „Specialist Outcomes“, die die angestrebten Fähigkeiten und Fertigkeiten abbilden. Diese wären beispielsweise für den „Support Learning“ Award:

Teachers/Programs/Institutions

  • Use a variety of appropriate approaches to enable learning
  • Use a variety of methods for evaluating their role in supporting learning
  • Inform their professional role with relevant strategy, policy and quality considerations

(http://www.seda.ac.uk/pdf.html?p=3_1_10_1_14)

Damit legt die SEDA bei der Prüfung von Weiterbildungsprogrammen und Lehrenden den Schwerpunkt auf Fähigkeiten und Kenntnisse, über die Lehrende verfügen müssen, die aber nicht zwangsläufig zur Gestaltung guter Lehre führen. Dies entspricht dem vorgestellten Lehr-Lern-Modell, das ein wesentlich umfangreicheres System mitsamt der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Komponenten abbildet und die Lehrkompetenz als lediglich einen Faktor beinhaltet. Letztendlich wird auch die durch die Verbesserung der Fähigkeiten und Kenntnisse impliziert vermutete bessere Lehre nicht oder nur oberflächlich (z. B. „use a variety of appropriate approaches to enable learning“) überprüft. Wünschenswert wäre es, neben Kriterien wie der Fähigkeit, die eigene Lehre zu reflektieren oder weitere Weiterbildungsschritte zu planen, auch die Lehre der entsprechenden Personen auf ihre Qualität hin zu analysieren. Denn das Wissen um die Gestaltung von Lernumgebungen und Fähigkeiten zur Selbstreflexion reichen nicht aus, dieses Wissen vor Studierenden adäquat performativ umzusetzen und den sich wandelnden Anforderungen einer zeitgemäßen Lehre gerecht zu werden. (Dies bedingt jedoch ein konkretes Verständnis davon, was als „gute Lehre“ gilt und wie diese operationalisiert werden kann.)

Andere Organisationen wie das US-amerikanische Professional and Organizational Development Network in Higher Education (POD) oder die Higher Education Research and Development Society of Australasia (HERDSA) verfügen zwar über Mission Statements, ein Hinweis auf Standards oder Leitbilder ist jedoch nicht erkennbar bzw. nicht offen zugänglich. Das International Consortium for Educational Development (ICED) arbeitet derzeit an „International Standards for Teacher Education“ (http://icedonline.net/special-interest-group/). Inwieweit diese ein grundlegendes und einheitliches Verständnis von Lehrqualität beinhalten, bleibt abzuwarten.

Vielerorts werden Lehrpreise vergeben, die qualitativ hochwertige Lehre prämieren sollen. Es wäre anzunehmen, dass zur kriteriengeleiteten Preisvergabe ein explizites Verständnis von Lehrqualität zugrunde liegt. Die Gestaltung und Vergabe von Lehrpreisen wird allerdings höchst unterschiedlich gehandhabt, stellenweise sind Kriterien zur Bewertung nicht offengelegt oder gar nicht einmal vorhanden (vgl. FUTTER/ TREMP 2008; OLSSON/ ROXA 2008). Manchen Lehrpreisen liegt lediglich die Betrachtung der studentischen Lehrveranstaltungsevaluationen zugrunde (OLSSON/ ROXA 2008). Aufgrund der häufig undurchsichtigen und fragwürdigen Vorgehensweise, soll exemplarisch für kriteriengeleitete Preisvergaben deshalb an dieser Stelle lediglich der Ars Legendi-Lehrpreis nähere Betrachtung finden (Zu erwähnen seien an dieser Stelle auch der Australian Learning & Teaching Council (ALTC) Award (ehemals Carrick Award) und der National Teaching Fellowship Award (UK), da sie ebenfalls entsprechend kriteriengeleitet vorgehen). Die dem Ars legendi-Preis zugrundeliegenden Bewertungskriterien werden in zwei Bereiche unterschieden: Qualität der Lehre (Kompetenzorientierung, Forschungsbezug, Praxisbezug, studentenzentrierte Lehr-/Lernmethoden, regelmäßige Lehrevaluation und gute Evaluationsergebnisse) und Nachhaltigkeit der Lehrqualität (Übertragbarkeit auf andere Lehrende/Fächer/Hochschulen, Impulse über die eigenen Lehrveranstaltungen hinaus in das Fach/die Hochschule hinein, Verankerung im Qualitätsmanagement der Hochschule, Qualitätssicherung durch Beratungs- und Weiterbildungsangebote für Lehrende) (HRK o. J.).

Damit wird „gute Lehre“ durch eine Kombination verschiedener Aspekte definiert, die sich im eingeführten Modell einordnen lassen. Kompetenzorientierung, Forschungs- und Praxisbezug fließen im Modell bestenfalls sowohl in die Lernziele, als auch in die Lehr-Lern-Aktivitäten ein. Lehrevaluationen und deren Ergebnisse sind lediglich ein Bestandteil zur Bestimmung guter Lehre und ergänzen relevante Aspekte wie Kompetenzorientierung oder Praxisbezug - unabhängig davon, wie diese von Studierenden wahrgenommen bzw. wertgeschätzt werden. Insbesondere der Nachhaltigkeitscharakter hebt diesen Ansatz von anderen ab. Dieser sollte jedoch bestenfalls in das Qualitätsverständnis direkt integriert anstatt als parallele Säule betrachtet zu werden.

Es kann festgehalten werden, dass in den vorgestellten Ansätzen weitgehend Einigkeit über das interaktive Zusammenwirken von Lehr- und Lernaktivitäten besteht. Um nun aber die Qualität von Lehre bewerten zu können, müssen messbare Kriterien entwickelt werden. Daher sollen nachfolgend exemplarisch mögliche Kriterien vorgestellt und erörtert werden.

4.3 Mögliche Kriterien

Im Folgenden sollen mögliche Kriterien zur Bewertung von Lehrqualität erörtert werden. Die ausgewählte Literatur soll an dieser Stelle lediglich einen exemplarischen Einblick in die Menge der möglichen Kriterien liefern. Außerdem wird im Rahmen dieser Arbeit lediglich beispielhaft auf zwei Modellkomponenten, die „Teacher Factors“, die im System dem „Teaching Context“ zuzuordnen sind, und die „Teaching and Learning Activities“ eingegangen. Dies lässt sich dadurch begründen, dass diese zwei Komponenten wesentliche Aspekte sind, anhand derer die Lehrperson die Lernumgebung beeinflussen kann.

Generell gilt festzuhalten, dass die im nachfolgenden vorgestellten Kriterien, insbesondere im Bereich „Teaching and Learning Activities“, nicht in jeder Lehrveranstaltungsform gleichermaßen Anwendung finden können. Dabei geht es aber weniger um die akademische Disziplin (auch wenn dies häufig im Rahmen der Forderung nach Fachdidaktik diskutiert wird), sondern vielmehr um die Veranstaltungsart, die Gruppengröße und die Lerninhalte. Die Kriterien bieten jedoch einen ersten Orientierungsrahmen; bezüglich der Operationalisierbarkeit wird auf Kapitel fünf verwiesen. Anzumerken ist außerdem, dass bei der folgenden Auflistung Lehrkompetenz als notwendige, wenngleich nicht hinreichende Bedingung für Lehrqualität betrachtet wird (vgl. Kapitel 2). Dementsprechend wurden auch Kriterien aufgenommen, die sich originär auf Lehrkompetenz und nicht explizit auf Lehre beziehen.

Bezüglich der „Teacher Factors“ können beispielsweise die folgenden Merkmale der Fachliteratur entnommen werden. Diese werden dabei aus Übersichts- und Strukturgründen in die Bereiche Ausbildung & Qualifikation, Persönlichkeitsmerkmale, Hilfsbereitschaft und berufliches Rollenverständnis unterteilt. 

Ausbildung & Qualifikation

  • Fachwissen der entsprechenden Disziplin (Lehrinhalte) (SHULMAN 1986, LEDIC/ RAFAJEC/ KOVAC 1999)
  • Kognitionspsychologische Grundlagen (SEDA 2011)
  • Wissen um didaktische Methoden (SHULMAN 1986)
  • Curriculares Wissen (SHULMAN 1986, LEDIC et al. 1999)
  • Diagnostische Kompetenzen (HABEL 2005)
  • Begeisterung für das eigene Fach (LEDIC et al. 1999)
  • Gute Vorbereitung (LEDIC et al. 1999)

Persönlichkeitsmerkmale

  • Respekt, Toleranz, Geduld, Freundlichkeit (WEBLER 1991)
  • Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Souveränität, Optimismus (HABEL 2005)
  • Hohe Selbstwirksamkeitserwartung (HABEL 2005)
  • Demokratisches Lehrverhalten, Chancengleichheit wird praktiziert (BERENDT 2000)

Hilfsbereitschaft

  • Bereitschaft im Rahmen der Veranstaltung zu helfen (LEDIC et al. 1999)
  • Bereitschaft zur Berufsberatung (NSSE)
  • Bereitschaft Studierenden auch in persönlichen Angelegenheiten zu helfen (SEDA 2011)

Berufliches Rollenverständnis

  • Distanz zu Studierenden (HABEL 2005)
  • Lehre wird nicht als „Belehrung“, sondern als „Coaching“ verstanden (HABEL 2005)
  • Betrachtung von Lehre als Wissenschaft – Scholarship of Teaching (BIGGS 2003; TRIGWELL et al. 2000 / 2004; SEDA 2011)
  • Lehre als Teamarbeit (SEDA 2011)
  • Der Lehrende betrachtet sich selbst als Lerner, Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten (SHULMAN 1986; SEDA 2011)

Bei der obigen Auflistung wird schnell ersichtlich, dass die Merkmale Raum zur Diskussion lassen. So scheint beispielsweise zumindest ein Widerspruch zwischen der Bereitschaft Studierenden auch in persönlichen Angelegenheiten zu helfen (SEDA 2011) und der Distanz zu Studierenden (HABEL 2005) zu bestehen. An diesem Beispiel lässt sich ein wesentliches Problemfeld bei der Definition von Lehrqualität aufzeigen. Die Begriffsbestimmung ist immer von den persönlichen Ansichten und Interessen der Beteiligten, sowohl derer, die die Merkmale definieren, als auch derer, die anhand der Merkmale bewertet werden sollen, abhängig und kann daher in verschiedenen Kontexten unterschiedlich gestaltet und aufgefasst werden (vgl. HEID 2000; HARVEY/ GREEN 2000). Dadurch sind insbesondere personenbezogene Merkmale abhängig von der Persönlichkeit des Agierenden. Anhand des obigen Beispiels ist entsprechend anzumerken, dass neben objektiven Kriterien auch die Authentizität der Lehrperson eine wichtige Rolle spielt. Demnach muss der Lehrende eine für sich vertretbare Nähe bzw. Distanz zu den Studierenden finden, um eine kooperative Lernatmosphäre zu schaffen. Des Weiteren bleibt beispielsweise fraglich, inwieweit die Bereitschaft zur Berufsberatung wirklich die Qualität von Lehre bestimmen sollte. Unter Einbezug der dargestellten Definition von guter Lehre kann sicherlich festgehalten werden, dass dieses Kriterium, wenn überhaupt, einen marginalen Einfluss auf den Einsatz von Tiefenlernstrategien der Studierenden hat.

Bezüglich der Systemkomponente „Teaching and Learning Activities“ können folgende Kriterien in der Literatur gefunden werden:

  • Förderung aktiven Lernens (BIGGS 2003; CHICKERING/ GAMSON 1987; WINTELER 2009; BRAUN/ HANNOVER 2011; BERENDT 2000; LEDIC et al. 1999)
  • Förderung kritischen Denkens (HARVEY/ GREEN 2000)
  • Förderung der Kooperation zwischen Studierenden (BIGGS 2003; CHICKERING/ GAMSON 1987; LEDIC et al. 1999)
  • Förderung des Kontaktes zwischen Lehrperson und Studierenden (CHICKERING/ GAMSON 1987; NSSE)
  • Förderung der Motivation durch Mitsprache und Verantwortung der Studierenden (HARVEY/ GREEN 2000), Selbststeuerung, Autonomie und Eigenverantwortlichkeit (WINTELER 2009; LEDIC et al. 1999)
  • Lernerzentrierung (HARVEY/ GREEN 2000; WINTELER 2009; SHULMAN 1986)
  • Authentische Aufgabenstellung (BIGGS 2003; BRAUN/ HANNOVER 2011)
  • Transfermöglichkeiten und Übung des Transfers (exemplarisches Lernen) (WEBLER 1991)
  • Sinnvoller und abwechslungsreicher Einsatz verschiedener Methoden (SEDA 2011)
  • Sinnvoller Einsatz von Medien (BERENDT 2000)
  • Förderung der Selbstreflexion der Studierenden (BIGGS 2003; HARVEY/ GREEN 2000)
  • Rückmeldung an Studierende über deren Leistungsstand (NSSE; CHICKERING/ GAMSON 1987), Einsatz von Rückmeldeinstrumenten (z. B. Tests) für Studierende an (WEBLER 1991)
  • Feedback und Evaluation durch Lernende in Bezug auf deren Zufriedenheit (HARVEY/ GREEN 2000; LEDIC et al. 1999; SEDA 2011; WEBLER 1991)
  • Reaktion des Lehrenden auf studentisches Feedback (LEDIC et al. 1999)
  • Gespräche mit Kollegen und Vorgesetzten über die Lehre  (BIGGS 2003; HABEL 2005; SEDA 2011)
  • Öffentliche Zugänglichkeit von Unterricht und Entscheidungen (HABEL 2005)

Auch diese Kriterien sind diskussionsfähig und mitnichten hinreichend systematisiert, um Lehrqualität zu bewerten. So wäre beispielsweise zu erörtern, wie die Förderung aktiven Lernens in praktikable Kriterien übertragen werden kann. Zudem wäre zu präzisieren, was unter sinnvollem Einsatz von Medien (BERENDT 2000) konkret zu verstehen ist oder welche Art von Reaktion des Lehrenden auf studentisches Feedback (LEDIC et al. 1999) angebracht wäre. Im Gesamten bieten die vorgestellten Kriterien jedoch einen ersten Einblick in die komplexe Struktur des Lehr-Lern-Systems und die Problematik, die sich mit der Formulierung von entsprechenden Prüfkriterien ergibt. Nach diesem Einblick wird im Folgenden der Frage nachgegangen, welche Herausforderungen sich im Weiteren mit der Operationalisierung ergeben.

5 Zur Operationalisierbarkeit

Eine erste Herausforderung bei der Operationalisierung besteht in der Formulierung normativer Vorgaben, die den Zielzustand beschreiben und damit Qualität definieren. Dass Lehrqualität nicht ohne Weiteres überprüfbar ist, hat die Komplexstruktur des eingeführten Modells gezeigt. Zu viele Faktoren wirken auf den Lehr-Lern-Prozess ein und determinieren damit seinen Ausgang im Sinne des Produkts. So müssen von entsprechenden Interessengruppen nicht nur Prüfkriterien gebildet werden, die diese Systematik berücksichtigen und dabei praktikabel sind; diese Kriterien müssen auch auf Akzeptanz der Beteiligten stoßen (vgl. HEID 2000). Dies ist unter anderem dadurch zu erreichen, dass das entsprechende Qualitätsverständnis flächendeckend und interdisziplinär zugrunde gelegt wird, beispielsweise bei Lehrveranstaltungsevaluationen, hochschuldidaktischen Weiterbildungen und Lehrpreisvergaben. Welche Herausforderungen sich damit schon allein innerhalb einer Hochschule ergeben können, zeigt sich in der aktuellen Diskussion um die Stärkung der Fachdidaktik, da Fachbereiche häufig bisher noch immer von sehr unterschiedlichen „Qualitäten“ ausgehen.

Es bleibt in einem ersten Schritt zu prüfen, wie Kriterien qualitativ und gegebenenfalls sinnvoll quantitativ spezifiziert werden können, um eine Messung von Lehrqualität vornehmen zu können. Neben der in Lehrveranstaltungsevaluationen üblichen subjektiven Globaleinschätzung von Sachverhalten (z. B. Zufriedenheit mit Vortragsweise des Dozenten) zeigt das NSSE alternative Wege auf, z. B. mit dem Item „Number of written papers or reports of 20 pages or more“ (NSSE 2011, Hervorhebung i. O.). Fraglich bleibt, inwieweit eine solche „Quantifizierung“ in Lernprozessen möglich und sinnvoll ist (vgl. Abschnitt 4.2).

Ein weiterer Aspekt betrifft die Messinstrumente. Die operationalisierten Kriterien sind in standardisierte Instrumente zu übernehmen. Um das komplexe Konstrukt „gute Lehre“ möglichst valide zu messen, sollte eine Kombination von Instrumenten Anwendung finden (ein möglicher Ansatz findet sich in Tabelle 1), insbesondere von einer alleinigen Messung über Lehrveranstaltungsevaluationen ist dringend abzuraten (vgl. Kapitel 4.2). Beispielsweise sollte eine Beobachtung der Lehrenden durch geschulte Beobachter und mithilfe eines standardisierten Beobachtungsbogens stattfinden. Zur Gewinnung eines umfassenden Bildes könnte die studentische Lehrveranstaltungsevaluation sowie ein Instrument zur Selbsteinschätzung und -reflexion (z. B. Lehrtagebuch oder Lehrportfolio) eingesetzt werden. Eine Analyse der Rahmenbedingungen, wie z. B. die Untersuchung der materiellen und personellen Ausstattung, könnte ergänzend Verwendung finden.

Tabelle 1:  Mögliches Gesamtkonzept zur Erfassung der Lehrqualität

Merkmal

Prüfender

Methode

Instrument

Zufriedenheit

Lehrende

Selbsteinschätzung

Fragebogen

Studierende

Selbsteinschätzung

Lehrveranstaltungs-evaluationen

Erfüllung bestimmter Kriterien „guter Lehre“

Lehrende

Selbsteinschätzung

Fragebogen

Experte

Beobachtung

Beobachtungsbogen

Weiterentwicklung des Lehrenden

Lehrende

Selbstreflexion

Lehrportfolio, Lerntagebuch

Experte

Dokumentenanalyse (Lehrportfolio, Lerntagebuch)

Gespräch

Analyseleitfaden

 

 

Gesprächsleitfaden

Rahmenbedingungen an der Hochschule

Experte

Beobachtung & Datenanalyse

Beobachtungs-/
Analyseleitfaden

 

Bisher scheint eine derart umfassende Messung der Lehre utopisch. Die Lehre derjenigen, die an Qualifizierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Lehrkompetenz teilnehmen, wird bisher zur Zertifizierung nicht oder lediglich kollegial und gegebenenfalls indirekt (z. B. über die Ausführungen im Lehrportfolio) überprüft. Neben den erworbenen Kenntnissen sollte aber auch deren konkrete Anwendung (Performanz) in der Lehrsituation überprüft werden.

Ein dermaßen ausführliches Messdesign erscheint auf den ersten Blick wenig praktikabel, insbesondere im Hinblick auf die zeitlichen und personellen Ressourcen, die zur Messung und Auswertung der Daten notwendig wären. Überdies sind schon allein Lehrveranstaltungsevaluationen nur dort sinnvoll, wo die Möglichkeit zum Aufbau oder der Verbesserung von Lehrkompetenz besteht (BERENDT 2000; RINDERMANN 2009). DUBS (2009, 24) spricht in diesem Zusammenhang  von „immer oberflächlicher vorgenommen[en]“ Beurteilungen, wenn Evaluationen zur Routine werden, ohne dass eine Verbesserung der Lehre folgt. Somit müssten die personellen Ressourcen zur Beratung und Qualifizierung Lehrender deutlich ausgebaut werden.

Der Wirtschaftlichkeit der Evaluation guter Lehre steht jedoch die Frage nach der Wertigkeit von Lehre gegenüber. Es zeigt sich, „dass Hochschulen inzwischen in weitaus größerem Umfang neben ihren Aufgaben im Bereich der Heranbildung des Nachwuchses für Wissenschaft und Forschung selbst auch gesellschaftliche Pflichten in der Berufsausbildung übernehmen“ (BMBF, 2007). Folglich sollte zur Erfüllung dieser Pflichten die Möglichkeit zur Weiterentwicklung der Lehre durch Beratung und (Weiter-)Qualifizierung der Lehrenden wissenschaftlich fundiert erfolgen und nachhaltig an den Hochschulen implementiert bzw. weiterentwickelt werden. Die Zertifizierung der Teilnahme an entsprechenden Weiterbildungsangeboten sollte durch die Zertifizierung der erfolgreichen Performanz im Lehralltag ergänzt werden. Hierfür ist die Entwicklung und Überprüfung von Kriterien und Verfahren notwendig, ebenso wie die flächendeckende Akzeptanz dieser durch die Beteiligten.

6 Grenzen und Ausblick

Mit der Konkretisierung und Messung von Lehrqualität ergeben sich deutliche Herausforderungen. Nicht nur müssen auf der Makroebene messbare Kriterien gefunden und zum normativen Maßstab deklariert werden; ebenso muss das Qualitätsverständnis im Gesamten sowohl von der Lehrperson als auch von ihrer Umgebung akzeptiert und internalisiert werden (Mesoebene). Damit einher geht eine Wertschätzung von Lehre als wichtige Arbeitsaufgabe neben der Forschungstätigkeit. Hierbei liegt die Herausforderung insbesondere darin, auch die Lehr- und Lernkultur an der Hochschule, im Fachbereich oder am entsprechenden Lehrstuhl zu untersuchen und zu verändern, da davon ausgegangen werden kann, dass die Einstellung der höhergeordneten Instanz Einfluss auf die Einstellung der einzelnen Dozenten zur eigenen Lehre hat. Zu denken sei hier beispielsweise an den Professor, der die Einstellung vertritt, Studierende, die seinen Ausführungen nicht folgen können, seien nicht hinreichend intelligent bzw. von der Schule unzureichend für die Universität qualifiziert worden (vgl. BIGGS 2003). Dieser Lehrhabitus hat sicherlich Auswirkungen auf den wissenschaftlichen Nachwuchs. Es ist in diesem Zusammenhang auch notwendig, die eigene Lehre für Beobachter zu öffnen und für Optimierungen bereit zu sein. Hierfür müssen Experten zur Beobachtung, Beratung und weiteren Qualifizierung der Lehrenden in ausreichendem Maße vorhanden sein. Zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre ist es daher unerlässlich, Institutionen an den Hochschulen zu implementieren und weiterzuentwickeln, die Lehrende bei der (Weiter-)Entwicklung ihrer Lehrkompetenz unterstützen. Der wenig weitsichtige Ansatz, aus Kostengründen diese Stellen zu minimieren oder aufzulösen, ist daher sehr bedenklich (vgl. BIGGS 2003). Erfreulicherweise ist derzeit in Deutschland ein eher gegenteiliger Trend zu erkennen, derzeit beispielsweise durch Exzellenzinitiativen gestützt und finanziert.

Auch bei der Optimierung der eigenen Lehre (Mikroebene) kann es zu Problemen kommen.  So sind die Lehrenden durch den Fokus auf die Lernenden und deren Aktivität gezwungen, Kontrolle abzugeben (vgl. HARVEY/ GREEN 2000). Dies hat häufig auch Widerstände der Lernenden zur Folge, die unfreiwillig aus ihrer Konsumhaltung gerissen werden. Aber auch das persönliche Zeitmanagement des Lehrenden spielt eine wichtige Rolle, da in der Regel die Zeit, die in die Vorbereitung von Lehre investiert wird, direkt zu Lasten der eigenen Forschung geht. In diesem Zusammenhang kritisch zu hinterfragen ist auch die in Deutschland Einzug haltende Department-Struktur, die dazu führt, dass Professoren immer seltener auf Assistenten zur Gestaltung der Lehre zurückgreifen können. Es bleibt zu vermuten, dass diese Struktur in den meisten Fällen zu Lasten der Lehrqualität gehen könnte, insofern nicht parallel hauptberufliche „Lecturer“ im Sinne von Hochschullehrern mit geringer oder keiner Forschungstätigkeit eingesetzt werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Shift from Teaching to Learning im Hinblick auf die Qualität von Hochschullehre viele Herausforderungen bereithält. In jedem Fall zu empfehlen bleibt, nicht nur ein einheitliches Begriffsverständnis von „guter“ Lehre nebst praktikablen Indikatoren zu entwickeln, sondern auch alltagstaugliche Möglichkeiten zur Überprüfung der vielen Facetten von Lehre zu gestalten und Institutionen zur Weiterbildung von Lehrpersonen einzurichten und evidenzbasiert weiterzuentwickeln.

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Zitieren dieses Beitrages

KLINGER, M. (2011): Merkmale guter Hochschullehre: Definitionsversuche und Operationalisierbarkeit. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 21, 1-23. Online:  http://www.bwpat.de/ausgabe21/klinger_bwpat21.pdf  (20-12-2011).


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