Partner von bwp@: 
  SAP University Alliances Community (UAC)   giz - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit    Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.    Österr. Konferenz für Berufsbildungsforschung       

bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS09 - Nachhaltigkeit
Herausgeber: Stephan Stomporowski & Heinrich Meyer


Titel:
Lernmethoden und Lernmaterialien in ernährungsbezogenen Bereichen der beruflichen Vorbereitung und Ausbildung


Maßnahmen zur Optimierung von Implementationsprozessen bei innovativen Unterrichtskonzeptionen am Beispiel neuer Unterrichtsmedien für die Ernährungsberufe

Beitrag von Carmen SZKOLAJA (Universität Hamburg)

Abstract

Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist heute mehr denn je ein wichtiges Bildungsziel in der berufspädagogischen Diskussion. Die Integration von innovativem Unterrichtsmaterial zu dieser Thematik im Lernfeld-Unterricht beruflicher Schulen mit dem Schwerpunkt Gastronomie und Ernährung gestaltet sich jedoch oft als schwierig. In diesem Artikel wird deshalb zunächst die im Workshop vorgetragene Problemlage aufgezeigt. Anschließend werden mögliche Ursachen für die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Themas in den Unterricht dargestellt. Um Lösungen für die Schulpraxis zu generieren, werden Erkenntnisse über Implementierungsprozesse von FULLAN und GUSKEY hinzugezogen. Abschließend werden die Ergebnisse einer Gruppendiskussion zusammengefasst, in der die Teilnehmenden während des Workshops Gelegenheit hatten, sich anhand von Leitfragen kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen.

1 Einleitung

Die Frage, wie innovatives Unterrichtsmaterial zum Thema Nachhaltigkeit in den Unterricht integriert werden kann, beschäftigt mich schon seit meinen ersten Berufsjahren als Lehrerin. Dabei habe ich feststellen können, dass nicht unbedingt die Qualität eines Materials allein über dessen Einführung bzw. Gebrauch in die Unterrichtspraxis entscheidet. Beachtenswert sind hingegen auch und gerade die Art der Einführung von Innovationen und deren Prozessbegleitung durch die beteiligten Akteure. Um hier ein Stück weit mehr Klarheit zu gewinnen, wurde in diesem Workshop danach gefragt, welche Faktoren die beteiligten Teilnehmer/innen für das Gelingen, aber auch das Scheitern von Implementationsprozessen verantwortlich machen. Exemplarisch wird das Thema Nachhaltigkeit vorangestellt, welches sich nicht nur im Rahmen der ‚Beruflichen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung‘ derzeit einer lebhaften Diskussion erfreut, sondern auch politisch über zahlreiche Förderprojekte vorangetrieben wird. Ein Beispiel dafür ist das vom BMBF geförderte Forschungs- und Entwicklungsprojekt Berufsbildung für nachhaltiges Handeln in der Hotel- und Gaststättenbranche: Globale Welt Hotel,  in welchem u.a. umfangreiche Bildungsmaterialien erstellt werden.

2 Herausforderungen bei der Integration des Themas „Nachhaltigkeit“ in den Unterricht

Zweifelsohne bleiben viele innovative Unterrichtskonzepte und Unterrichtsmaterialien oft Inselprojekte einzelner engagierter Lehrerinnen und Lehrer, obwohl aufwändige Verfahren die Einführung erleichtern sollen, indem z.B. fertig ausgearbeitete Workshops mitsamt externer Moderation und Material für Schulklassen von Lehrerinnen und Lehrern bei den entsprechenden Institutionen geordert werden können.

Aus meiner beruflichen Erfahrung als Lehrerin und Fachseminarleiterin weiß ich, wie schwierig es ist, das Thema „Nachhaltigkeit“ in den Lernfeldunterricht für das Hotel- und Gaststättengewerbe zu integrieren. Oft wird es im Unterricht auf den Aspekt „Umweltschutz“ reduziert und dabei wird es bestenfalls an eine Lernsituation, besonders in Bereichen wie „Wirtschaftsdienst“ und „Arbeiten im Magazin“, angeknüpft. Selten ist es mit der Lern- und damit der beruflichen Handlungssituation verwoben. Häufig beobachte ich diese Schwierigkeiten bei meiner Arbeit mit Referendarinnen und Referendaren, obwohl eine hohe Motivation vorhanden ist und sie sich leicht für innovative Unterrichtsmaterialien begeistern lassen. Die jungen Kolleginnen und Kollegen sind oft sehr gut über vorhandene Unterrichtskonzepte informiert, und sie nutzen gern neue Medien. Auf dem Gebiet der Ausgestaltung von Lernsituationen verfügen sie jedoch meist über geringe Erfahrungen. Dies und die schon an den Schulen vorhandenen und bewährten Unterrichtskonzepte bzw. die didaktischen Jahresplanungen, die ausgehend von den veränderten Grundlagen der Rahmen- und Bildungspläne mit viel Fleiß und Mühe, vielfach in aufwändiger Teamarbeit, erstellt wurden, könnte eine Ursache für die „Integrationsschwierigkeiten“ sein. Die Thematik der Nachhaltigkeit ist eher ein „Inselthema“ und wird, wenn überhaupt, an eine schon vorhandene Unterrichtssequenz angedockt. Darüber hinaus stehen die Lehrerinnen und Lehrer vor der Herausforderung, Konzepte zur Selbstorganisation und Individualisierung von Lernenden zu entwickeln und umzusetzen.

Der jüngste Versuch einer angehenden Lehrerin, die im Rahmen der Hausarbeit Nachhaltigkeit als handlungsleitendes Prinzip herausstellt, verdeutlicht das Umsetzungsdilemma. In ihrer Hausarbeit mit dem Titel „Planung, Durchführung und Evaluation eines Projektunterrichts in einer Klasse der BFS tq Gastronomie und Ernährung im Rahmen der Selbstversorgung während einer Klassenfahrt“ wurde letztendlich eine 45minütige Unterrichtseinheit durchgeführt, in der die verschiedenen Bio-Siegel vorgestellt wurden. Eine Untersuchung, inwieweit die Schülerinnen und Schüler, die durch örtliche Gegebenheiten auf der Klassenfahrt nur in einem Supermarkt einkaufen konnten, in ihrer Kaufentscheidung die Mehrdimensionalität der Nachhaltigkeit berücksichtigten, konnte im Rahmen dieser Hausarbeit nicht vorgenommen werden. Wohl aber beobachtete die Lehrerin, dass Kaufentscheidungen reflektiert und von der Lerngruppe diskutiert wurden. Trotz dieses positiven, die Handlungen beeinflussenden Effekts, boten sich in dieser projektorientierten Unterrichtssequenz keine weiteren Möglichkeiten, die Mehrdimensionalität des Themas aufzunehmen. Über mögliche Ursachen lässt sich nur spekulieren, aber zuvor aufgeführte Voraussetzungen der angehenden Lehrerinnen und Lehrer spielen sicher eine Rolle.

Ein Grund für die mangelnde Integration des Themas könnten die wenig konkreten Ausführungen dazu in den bundesweit geltenden Rahmenlehrplänen sein (WEBER 2000). Zudem hat die Forderung von KUTT/ MEYER/ TOEPFER das Modell der beruflichen Handlungskompetenz zur „Mitgestaltung der Globalen Entwicklung“ als handlungsleitend bei der Gestaltung und curricularen Umsetzung der Berufsordnungsmittel anzunehmen, bisher noch wenig Auswirkungen auf der Umsetzungsebene gezeigt (KMK/BMZ 2007, 182).

Sind die beschriebenen Erfahrungen vergleichbar mit denen bei der Einführung des Lernfeldkonzepts vor mehr als zehn Jahren? In den Rahmenlehrplänen war damals gerade der Schritt von der Fachsystematik hin zur Handlungssystematik gelungen und die Umsetzung in Unterricht wurde von den Akteuren größtenteils zielstrebig in Angriff genommen. Im Laufe des Prozesses zeigte sich deutlich, dass keine begleitenden Maßnahmen geplant waren und wenige Ressourcen zur Verfügung standen. Zwar gab es Schulen, die im Zuge der Reform eigenverantwortlich eine sinnvolle Ausgestaltung ermöglichten, indem sie ihre Organisations- und Kommunikationsstrukturen veränderten (z.B. ANTON 2003, 31), aber die Umsetzung ist bis heute nicht an allen Schulen gleichermaßen gelungen. Die intendierte fächerintegrierende Unterrichtsform existiert in der Papierlage, ist aber nicht immer erkennbar (MARITZEN/VACCARO 2009, 70). Weitgehend einig sind sich heute die Beteiligten aller an Implementierung mitwirkenden Institutionen, dass es nicht ausreicht, Material zur Verfügung zu stellen und zu sagen „Gebraucht es!“.

Dazu eine Anekdote von Harvey Stalker:

„In einer schottischen Provinz wird Elektrizität installiert. Jahrelang haben die Menschen dort nur Petroleumlampen verwendet. Als man nach einem Jahr bei einer Frau den Zähler abliest, wird festgestellt, dass der Zähler knapp über Null steht. Auf die Frage, ob der Strom für sie nicht hilfreich sei, erwidert sie: ‚Doch, er ist sehr nützlich. Er hilft mir, im Dunkeln das Licht der Petroleumlampe zu zünden (GROTH/ HEROLD/ MIEHE 2002, 22)“.

Diese Anekdote verdeutlicht, dass die vermeintlichen Nutznießer einer Innovation deren Vorzüge nicht immer erkennen. Die Macht der Gewohnheit ist nicht zu unterschätzen, weshalb ohne flankierende Maßnahmen Innovationen nicht tragfähig sind.

Was können wir vor diesem Hintergrund aus der Einführung des Lernfeld-Konzeptes für die Implementierung des Nachhaltigkeitsgedankens lernen? Grundvoraussetzung ist zunächst die Erkenntnis, dass Lehrende, wie alle anderen Menschen auch, Zeit zum Lernen brauchen, wie man die neuen Instrumente benutzt. Diejenigen, die von der Innovation profitieren sollen, müssen daher möglichst zeitnah an der Planung beteiligt werden und so zum aktiven Handlungsakteur werden. So ergibt sich die Möglichkeit, die positiven Aspekte überhaupt zu erkennen und zu befördern. Den Mittelpunkt der „re-culturing“-Theorie von FULLAN bildet die Idee, dass Schulleitungen den sog. implementation dip, also den Verlust von Vertrauen in die Innovation und einen damit einhergehenden Leistungsabfall schätzen lernen. Beispielsweise kann Leitung erst durch den sensiblen Umgang  mit möglichen Ängsten und Widerständen der Mitarbeiter herausfinden, was ihnen fehlt (technisches Know-how, Qualifikationen, Kompetenzen...) und so gezielt eingreifen z.B. durch geeignete Fortbildungsmaßnahmen. Die Akzeptanz und eine offene Haltung gegenüber Widerständen ermöglicht es der Leitung, die differenzierten Fragen – die für die Umsetzung entscheidend sein können – derjenigen wahrzunehmen, die der Innovation skeptisch (resistors) gegenüberstehen. Voraussetzung dafür ist eine „Schul-Kultur“ in der Verschiedenheit ausdrücklich erwünscht ist und über demokratische Beteiligung Innovationen umgesetzt werden können (FULLAN 2001; 2007; GUSKEY 2006) [1]. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist das gegenseitige Vertrauen. Ohne Vertrauen der Beteiligten ist das Konzept der „learning communities“ nicht denkbar. YOUNG (2008, 134) hat diese Idee im Zusammenhang mit dem Innovierungsprozess in der beruflichen Bildung weiter ausgeführt. Er prägt dafür sogar einen eigenen Begriff, den der „communities of trust“.

Vertrauen der Beteiligten auf allen Ebenen lässt den „Implementierungsabhang“ (implementation dip) nicht ganz so steil werden. FULLAN (2001) geht davon aus, dass ein Lehrerkollegium nach Einführung des Wandels aus immer mehr oder weniger stark ausgeprägten Lehrertypen besteht (vgl. Abb. 1). Es gibt seiner Ansicht nach immer Pfadfinder, Pioniere, Siedler, „Stubenhocker“ (stay-at-homes) und Widerständige. Die so genannten Pfadfinder (trailblazer) sind offen für jede Innovation und sind die ersten auf dem neuen Weg. Sie sind in der Regel allein und vernachlässigen dabei häufig die Zurückgelassenen. Pioniere erforschen und sichern das neue Gelände. Sie arbeiten in der Regel im Team. Siedler folgen den Pionieren und sind die ersten, die das neue Gebiet bewohnbar machen. Sie nehmen Entbehrungen auf sich, um die Innovation zu übernehmen und sie sich zu Eigen zu machen. Diejenigen, die zu Hause bleiben (stay-at-homes) sind gegenüber Innovationen immun und bewegen sich nicht. Die Widerständigen (resistors) arbeiten aktiv gegen die Erneuerung. Sie lehnen Veränderung in ihrem Umfeld ab. In der Regel ist ihre Ablehnung diffus, sie benutzen gerne „Killerphrasen“ um die Veränderung in ihrem Umfeld zu torpedieren (FULLAN in GROTH/ HEROLD/ MIEHE 2002, 20).

Abb. 1:   Lehrertypen in Zeiten des Wandels (FULLAN in GROTH/HEROLD/MIEHE 2002, 20).

Pfadfinder, Pioniere und Siedler benötigen in einer Organisation das unbedingte Vertrauen der Führung, um aktiv zu werden und den Weg für die anderen ebnen (oder wie in der Abbildung gezeigt, Brücken zu bauen), so dass möglichst alle nachfolgen können, also das Tal mit wenig Mühe überwinden können, wie in den folgenden drei Abbildungen dargestellt.

Nach einer Initiierungs- und Implementierungsphase stoßen die Pfadfinder und Pioniere auf erste Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Erneuerung (siehe Abb. 2). Ohne nachfassende Unterstützung (oder wenn Einzelne alleine die Umsetzung der Innovation angehen) erleben sie die gesamte Tiefe des implementation-dips und bleiben im schlimmsten Falle stecken. Die Innovation ist dann gescheitert, weil nachfolgende Kollegen diesen Weg erst gar nicht gehen werden.

Abb. 2:   Erste Schritte zur Implementierung (FULLAN in GROTH/ HEROLD/ MIEHE 2002, 22).

Hat der Pionier den Implementation-dip durchwandert, ist er ein Modell für nachfolgende. Er kann nun eine peer-group mit denjenigen, die ihm folgen wollen, bilden, und ein „Seil“ über das „Implementierungstal“ spannen. Die nachfolgenden Siedler müssen das Tal nicht mehr durchlaufen. Der Weg ist jedoch noch nicht völlig sicher und komfortabel. Auch in dieser Phase ist das Vertrauen der Beteiligten zueinander, die entscheidende Voraussetzung für das Gelingen.

 

Abb. 3:   Voraussetzung für erfolgreiche Implementierung (FULLAN in GROTH/ HEROLD/ MIEHE 2002, 21).

Aus dem Seil wird eine immer fester werdende Verbindung, die über den Implementation-dip führt: Die Innovation ist institutionalisiert. Zur Erleichterung der Implementation kann die Schulleitung erheblich beitragen, indem sie selbst aktiv an der Phase des Wandels beteiligt ist und deutlich macht, dass die Beteiligten nicht nur etwas verlieren oder etwas Liebgewordenes abgeben müssen, sondern auch etwas gewinnen können.

Abb. 4:   Die letzte „Stufe“ zur Überwindung des implemetation-dips (FULLAN in GROTH/ HEROLD/ MIEHE 2002, 22).

Das Bild verdeutlicht, wie wichtig es ist, flankierende Maßnahmen, wie Schulungen, Coaching und Kooperation, mit externen Partnern bereit zu stellen. Diese Phase, in der die Innovation eingeführt wird, ist von hoher Bedeutung für die weitere Entwicklung einer Schule. FULLAN (2001/2007) ermutigt deshalb ausdrücklich Führungspersonal darin, geeignete Begleitmaßnahmen und Hilfsinstrumente von Anfang an einzuplanen und zur Verfügung zu stellen. Die sozio-psychologische Angst vor Veränderung der Beteiligten sowie das Fehlen von technischem Know-how und entsprechenden Fähigkeiten der Akteure, um die Veränderungen sinnvoll durchführen zu können, kann nicht nur hemmend auf die Innovation wirken, sondern auch zu einer absoluten Verweigerung bzw. Passivität gegenüber weiteren Veränderungsprozessen führen.

Für alle, die sich bereits mit Theorien und Konzepten zum Change-Management auseinandergesetzt haben, scheinen diese Erkenntnisse nicht neu. Dennoch werden viele Innovationen bis heute nicht nachhaltig umgesetzt. Dann wirken sie entweder nur so lange sie extern begleitet werden oder sie werden nicht genau so umgesetzt wie anfangs intendiert und erreichen unter Umständen den gegenteiligen Effekt.

3 Gruppendiskussion

Ausgangspunkt der Gruppendiskussion war die Frage, warum innovative Unterrichtskonzepte und neue Bildungsmaterialien oft nur schwer Eingang in die Unterrichtspraxis finden. Dabei sollten an dieser Stelle nicht die zahlreichen Ergebnisse der Implementationsforschung aus der Berufs- und Wirtschaftspädagogik Beachtung finden, sondern die Erfahrungen der Handlungsakteure selbst. Befragt wurden insgesamt die 20 Personen des Workshops ‚Nachhaltigkeit‘, welche vorwiegend aus der schulischen Praxis kommen. In der Aufwärm-Phase tauschten sie sich zunächst mit einem/r Partner/in über nötige Voraussetzungen für die Nutzung innovativen Unterrichtsmaterials und „Killerphrasen“, die eine Einführung neuer Materialien verhindern können, aus. Dazu wurden die Teilnehmenden gebeten folgende Satzanfänge zu vervollständigen. Im Anschluss wurde je eine ausgewählte positive und negative Aussage eines Teams dem Plenum vorgestellt.

Ergebnisse des Austauschs zu den Nutzungs-Voraussetzungen:

Lehrmaterialien werden im Unterricht immer dann eingesetzt, wenn...

  • ...sie anschlussfähig sind.
  • ...das Thema immer mitgedacht / vermittelt wird.
  • ...ein gewisses Probleminteresse vorhanden ist.
  • ...das Thema mehr Wert für die Beteiligten durch die explizite Aufnahme in das schulische Leitbild erhält.
  • ...man bereit ist anderes dafür zu streichen.
  • ...die Arbeitsbedingungen dementsprechend sind, z.B. Arbeitskreise, Konferenzen.
  • ...das Thema ein positives Image erhält.
  • ...Lehrer das Thema persönlich als relevant erkannt haben.
  • ...Schule als Ort des Lernens, an pädagogischen Prozessen orientiert agiert.
  • ...Fürsorge in Form von Fortbildungen mit allen Akteuren für das Thema getragen wird.
  • ...die Lehrer sich darin wieder finden und unterschiedliche Positionen darstellen können, um die Urteilsbildung und die eigene Meinungsbildung zu fördern.

Ergebnisse des Austauschs zu „Killerphrasen“:

Nachhaltigkeit als Unterrichtsthema stößt bei mir auf Ablehnung, wenn...

  • ...es nicht prüfungsrelevant ist.
  • ...es in Einzelstunden / Spots vermittelt werden soll.
  • ...die Komplexität zu Frustration führt.
  • ...die Belastbarkeit der Beteiligten erreicht ist.
  • ...kein adäquates Material zur Verfügung steht bzw. der Aufwand dafür hoch ist.
  • ...der Konkretisierungsgrad nicht ausreicht.
  • ...es mit der beruflichen Realität der Schülerinnen und Schüler nicht vereinbar ist.
  • ...das Material nicht zielgruppengerecht aufbereitet ist.
  • ...das Thema doktrinierend, moralisierend in die Unterrichtspraxis aufgenommen wird.

Die Ergebnisse der Diskussion um die Nutzungs-Voraussetzungen zeigen zunächst, dass „Nachhaltigkeit“ als relevantes Ziel der beruflichen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung betrachtet wird. In der Aussage „Lehrer das Thema persönlich als relevant erkannt haben“ wird beispielhaft deutlich, dass die Lehrerinnen und Lehrer selbst von der Notwendigkeit der Innovation, in diesem Fall Nachhaltigkeit, überzeugt sein müssen. Dafür muss die Thematik„(...) anschlussfähig(...)“ sein. Die folgenden Kommentare .„das Thema immer mitgedacht / vermittelt wird“ und „man bereit ist anderes dafür zu streichen“, fordern m.E. das Thema curricular als „Querschnittsbereich“ zu verorten. Die unter „Killerphrasen“ aufgeführten Aspekte zeigen u.a. dass es kaum differenziertes, zielgruppengerecht aufbereitetes Unterrichtsmaterial gibt. Darüber hinaus wird deutlich, welche Hemmnisse Lehrerinnen und Lehrer für die Umsetzung sehen. Die Herausforderung für Schulleitungen liegt im sensiblen Umgang damit.

Im Anschluss diskutierten die Workshopteilnehmer ihre Ansichten und Ideen zu folgenden vier Fragestellungen:

  1. Welche Interessen und Anliegen haben die Betriebe am Thema Nachhaltigkeit im Unterricht?
  2. Wie werden die Lehr- / Lernmaterialien bekannt gemacht?
  3. Welche Möglichkeiten bestehen, um Akteure, wie Lehrende, Auszubildende und Betriebsvertreter zu sensibilisieren?
  4. Welche Gründe halten die Akteure möglicherweise von einer Umsetzung ab?

Die Ergebnisse haben die Teilnehmer kurz präsentiert. Hier eine schriftliche Zusammenstellung der vorgestellten Stichpunkte:

Zu 1:
Ressourceneffizienz, Greenwashing, Ökonomischer Nutzen, Imagebildung, Ausbildung: Know-how, Unabhängigkeit: betriebliche Freiheiten, Qualitätssicherung.

Zu 2:
Buchveröffentlichung, Internet, Fachveranstaltung, Netzwerke.

Zu 3:
Abhängigkeit als Grundhaltung, eng – offen, Pädagogische Konzepte, Ausbilder, geht – geht nicht, Best Practice, nicht ökonomische Ressource.

Zu 4:
„Machen wir doch schon alles“, keine Zeit für Fortbildungen, „Schon wieder was Neues“, Weiterentwicklung Nachhaltigkeit, Betriebe fragen das nicht nach, Nachhaltigkeit zu politisch, Azubis interessieren sich nicht, Azubis können Nachhaltigkeit nicht umsetzen, Prüfungsausrichtung des Unterrichts hinderlich.

Diese Zusammenstellung der Diskussionsstichpunkte bestätigt meines Erachtens nochmals die These, dass Innovationen immer von individuell auf die jeweilige Institution zugeschnittenen Maßnahmen begleitet sein müssen. Darüber hinaus ist „Nachhaltigkeit“ offensichtlich ist ein Thema, das für die Akteure eine hohe Relevanz besitzt. Die Hinderungsgründe sprechen eindringlich für das o.g. „Lehrertypen“-Modell und zeigen mögliche Aussagen der entsprechenden Lehrerinnen und Lehrer auf.

4 Fazit

Viele Veränderungen konnten über die Jahre mehr oder weniger erfolgreich eingeführt werden, jedoch gibt es für die Umsetzung von Innovationen in Schulen kein Patentrezept. Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen dies nur zu deutlich. Die theoretischen Ansätze für eine erfolgreiche Implementierung variierten. HARGREAVES und FULLAN (2009, 5) halten fest, dass einige Reformvorhaben die perfekten Planung in den Vordergrund stellten, wobei ein brillantes „Design“ der Reform-Initiative, in der alle Teile perfekt zusammenpassten als Voraussetzung angesehen wurde. Anderen Innovatoren wiederum ging es darum eine Kultur zu schaffen, in der die Beteiligten einen Prozess sowohl initiieren, „managen“ und evaluieren konnten und in dessen Verlauf sie sich selbst auch ständig veränderten. Die unterschiedlichen Ansätze, top-down oder bottom-up, verordnet oder selbst entwickelt, politisch oder professionell angetrieben, haben zu einem trennenden Gegeneinander geführt. HARGREAVES und FULLAN (2009) plädieren dafür, dass diejenigen, die Innovationsprozesse planen und anstoßen wollen, Verständnis für die Sichtweisen anderer entwickeln und Differenzen zu debattieren, nicht um eine, sozusagen universale „change“-Theorie zu entwickeln, sondern um eine respektvolle, stimulierende Debatte zu ermöglichen und sich für den besten Weg zu entscheiden. Die beiden Autoren verstehen sich als Handelnde in einer Veränderungskultur, die mit dem Lernen (als stetiger Veränderungsprozess) untrennbar verknüpft ist, wenn sie effektiv sein soll. „Wer innovieren will, muss sich selber verändern“ (HAMEYER/ DASCHNER 2006, 83). Dieses Statement bezieht sich auf die institutionelle Weiterentwicklung oder Neuausrichtung im Sinne einer nachhaltigen Förderung von Qualitätsentwicklung und damit von Umsetzung von Innovation. Da nicht alle alles können und die Ressourcen begrenzt sind, empfehlen HAMEYER/ DASCHNER (2006, 84) neben dem Aufbau eines differenzierten Qualitätsmanagements den systematischen Ausbau von Kooperationsbeziehungen zwischen Lehrerbildungseinrichtungen, Hochschulen, Stiftungen, Unternehmen und nichtstaatlichen Weiterbildungsträgern. Voraussetzung ist ein Wille zur Veränderung aller am Prozess Beteiligten. Diese und andere Empfehlungen sind von den beteiligten Institutionen in der letzten Zeit im Rahmen umfassender Qualitätsentwicklungsprozesse aufgegriffen und mit Engagement umgesetzt worden bzw. werden fortgeführt. Das Thema „Nachhaltigkeit“ spielt dabei im Sinne einer effektvollen und anhaltenden Strukturveränderung zwar eine wichtige Rolle, dennoch „ist Bildung für eine nachhaltige Entwicklung immer noch ein Randthema“ (DE HAAN 2009, 1).

Die Frage ist, ob diese Randstellung der Thematik angemessen ist oder ob Nachhaltigkeit nicht gesellschaftliches Leitprinzip sein muss? STOMPOROWSKI/MEYER stellen „Anknüpfungspunkte für eine nachhaltige berufliche Bildung im Kontext von Globalität und Interkulturalität“ dar und konstatieren, dass der Entwicklungsprozess beruflicher Bildungsvorhaben zum Thema Nachhaltigkeit sich in den Anfängen befindet: „Nachhaltige Entwicklung zielt (dabei) auf einen individuellen betrieblichen Kultivierungsprozess, dessen strukturelle Kopplung (...) auf Grundlage (...) einer Leitidee basiert“ (STOMPOROWSKI/ MEYER 2009, 260).

Gelten demnach für die Implementierung der Thematik Nachhaltigkeit die gleichen Hinderungsgründe, wie z.B. für die Umsetzung des Lernfeldkonzeptes oder muss Nachhaltigkeit als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe verstanden werden? Als Konsequenz würde das meiner Ansicht nach bedeuten, dass Nachhaltigkeit als ein integrativer, gesamt-gesellschaftlicher Ansatz betrachtet werden kann und demnach als durchgängige Leitidee vorherrschen muss.

Literatur

ANTON, D. (2003): Rahmenbedingungen und Strukturen für eine gelungene Umsetzung des Lernfeldkonzepts. Mit Beispielen aus der Fachgruppe Systemgastronomie der G11. In: Informationen für Hamburger Berufliche Schulen, 13. Jg., 2/2003, 31-33.

DASCHNER, P./ HAMEYER, U. (2006): Unterstützungssysteme für selbständige Schulen. In: Journal für Schulentwicklung, Thema: Next Practice, 10.Jg., 1/2006, 74-84.

DE HAAN, G. (2009): „Das Bildungssystem wird eine große Reform in Richtung Nachhaltigkeit erleben.“ Interview. In: DEUTSCHE UNESCO-KOMMISSION e.V. (Hrsg.): unesco heute online, März 2009. Online: http://www.unesco.de/3418.html  (20-05-2011).

FULLAN, M. (2001): Learning in a Culture of Change. San Francisco.

FULLAN, M. (2007): The New Meaning of Educational Change, 4th edition. New York.

GROTH, K./ HEROLD, G./ MIEHE, S.-O. (2002): Bericht über die internationale Fortbildung vom 13.8.2002 „Schule im Wandel“ der Bertelsmann Stiftung an der Bayrischen Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung. Dillingen/Donau.

HARGREAVES, A./ FULLAN, M. (2009): Change Wars: A Hopeful Stuggle. In: HARGREAVES, A./ FULLAN, M. (Hrsg.): Change Wars, Solution Tree. Bloomington.

KUTT, K./ MEYER, H./ TOEPFER, B. (2007): Berufliche Bildung. Globale Entwicklung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung mitgestalten. In: KULTUSMINISTERKONFERENZ (KMK)/ BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG (BMZ) (Hrsg.): Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Bonn, Berlin, 173-204.

KREIDLER, H./ BOUFFARD, S. (2006): A conversation with Thomas R. Guskey. In: The Evaluation Exchange, Harvard Family Research Project. Vol. XI, 4, 12-14.

MARITZEN, N./ VACCARO, E. (2009): Herausforderungen für das Hamburger Schulsystem – 20 Empfehlungen der Schulinspektion. In: FREIE UND HANSESTADT HAMBURG, BEHÖRDE FÜR SCHULE UND BERUFSBILDUNG, INSTITUT FÜR BILDUNGSMONITORING: Jahresbericht der Schulinspektion Hamburg, 62-70.

STOMPOROWSKI, S./ MEYER, H. (2009): Globalität und Interkulturalität als integrale Bestandteile beruflicher Bildung für eine nachhaltige Entwicklung – GInE. Band 5: Tourismus und Hotellerie. Norderstedt.

WEBER, B. (2006): Möglich, aber nicht zwingend: Lehrpläne und nachhaltige Entwicklung. In: sowi-online, Ausgabe 29.08.2006. Online: http://www.jsse.org/2000/2000-1/weber.htm/#Rahmenlehrplne_berufliche  (01-02-2011).

YOUNG, M. (2008): Bringing Knowledge Back In. From social constructivism to social realism in the sociology of education, Routledge, Albington, Oxon.


[1] Die regelhafte Partizipation steht im Mittelpunkt des Evaluationsmodells von GUSKEY.


Zitieren dieses Beitrages

SZKOLAJA, C. (2011): Maßnahmen zur Optimierung von Implementationsprozessen bei innovativen Unterrichtskonzeptionen am Beispiel neuer Unterrichtsmedien für die Ernährungsberufe. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 09, hrsg. v. STOMPOROWSKI, S./ MEYER, H., 1-11. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws09/szkolaja_ws09-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/