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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS15 - Zielgruppen
Herausgeber: Dieter Münk & Christian Schmidt


Titel:
Ziel- und Risikogruppen im Übergangssystem


Junge Mütter als Risikogruppe im Übergangssystem

Beitrag von Marianne FRIESE (Universität Gießen)

Abstract

Der Beitrag thematisiert junge Mütter als Risikogruppe des Übergangssystems. Dabei werden zum einen biografisch und strukturell bedingte Risiken und Ressourcen für Qualifizierung und Kompetenzentwicklung einer sehr heterogenen Zielgruppe dargestellt. Es werden zum anderen an der biografischen Statuspassage Übergang Schule-Beruf spezifische Förderansätze ausgeführt, die das Leitbild „Work-Life-Balance“ und somit die Frage der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Ausbildung systematisch berücksichtigen. In der Gesamtperspektive soll ein Beitrag geleistet werden, das bislang wenig beachtete Phänomen junge Mutterschaft in den bildungspolitischen und berufsbildungswissenschaftlichen Fachdiskurs zu rücken.

1 Work-Life-Balance: Leitbilder und bildungspolitische Ziele

„Wenn es üblich wäre, die kleinen Mädchen eine Schule besuchen und sie im Anschluss daran, genau wie die Söhne die Wissenschaften erlernen zu lassen, dann würden sie genauso gut lernen und die letzten Freiheiten aller Künste und Wissenschaften ebenso mühelos begreifen wie jene.“ (PIZAN 1986) Auf den ersten Blick scheint die von Christine de PIZAN, Frühhumanistin und prominente Streiterin der „Querelle de Femme“ bereits um 1400 entworfene geschlechterkritische Bildungsutopie im 21. Jahrhundert Realität geworden zu sein. Im allgemeinbildenden Schulwesen haben Mädchen und junge Frauen aufgeholt. Sie erreichen die höheren Schulabschlüsse im Sekundarbereich I und entscheiden sich häufiger als junge Männer für weiterführende Bildungsgänge der Sekundarstufe II sowie für die Einmündung in ein Studium. Demgegenüber ist der Anteil der jungen Männer am Übergangssystem, insbesondere der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, deutlich gestiegen. Trotz demografisch bedingtem leichten Rückgang des Übergangssystems mündet noch die Hälfte der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss und mehr als drei Viertel der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss in das Übergangssystem; 2008 beträgt der Anteil der jungen Männer 56 % gegenüber 44 % der jungen Frauen. (AUTORENGRUPPE Bildungsberichterstattung 2008, 159 ff, 2010, 99). Hat sich das Geschlechterverhältnis damit umgekehrt? Könnten Mädchen und Frauen gar zu „Gewinnerinnen“ des Bildungssystems avancieren?

Diese Hoffnung trübt sich durch den zweiten Blick. Werden die Entwicklungen der beruflichen Bildung näher beleuchtet, zeichnen sich historisch gewachsene Beharrlichkeiten ab. Geschlechtstypische Faktoren wie die eingeschränkte Berufswahl von Mädchen und eine relativ niedrige Übergangsquote von jungen Frauen in das duale System der beruflichen Bildung verdeutlichen, dass die historisch tradierten Geschlechterstrukturen im Arbeits- und Berufssystem keineswegs aufgehoben sind. Die schon an der ersten Schwelle beginnenden geschlechtscodierten Barrieren des Ausbildungssystems, die sich im Erwerbsverlauf nicht zuletzt aufgrund struktureller Diskrepanzen zwischen beruflichen und familiären Zeitstrukturen insbesondere für Frauen mit Kindern verstärken, gelten in spezifischer Weise für junge Mütter und alleinerziehende junge Frauen. Aufgrund fehlender Konzepte zur Vereinbarkeit von Mutterschaft und Ausbildung werden junge Frauen mit Kindern nahezu zwangsläufig zur Risikogruppe des Übergangssystems (FRIESE 2008).

Die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat mit der Implementierung von Gender Mainstreaming in gesetzliche Regelungsbereiche und Programmatiken der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Bildungspolitik zwar eine bemerkenswerte gesellschaftliche und politische Akzeptanz erhalten. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass das Leitbild Life-Work-Balance bislang vornehmlich auf weibliche Statuspassagen in betrieblichen Erwerbsstrukturen und berufsbiografisch etablierten Lebensphasen bezogen wird. Diese Ausrichtung des Gender Mainstreaming findet sich auch in den derzeit vielfältig aufgelegten Programmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in den Netzwerken für Wirtschaft und Familie sowie in den Ansätzen für Existenzgründung, für beruflichen Wiedereinstieg sowie Nachqualifizierung. Auch diejenigen Konzepte des Managing Diversitiy, die gender orientierte Instrumente wie beispielsweise das Mentoring beinhalten, zielen auf gut ausgebildete und beruflich qualifizierte Frauen in Führungspositionen. Diese Kopplung von Work-Life-Balance an generationale und soziale Lagen schließt die biografische Statuspassage Jugend und Ausbildung aus (FRIESE 2010).

Besonders betroffen sind junge Mütter und insbesondere allein erziehende junge Frauen. Für eine erfolgreiche Einmündung in nachhaltige Erwerbsperspektiven ist der erfolgreiche Abschluss einer beruflichen Ausbildung, vornehmlich im dualen System, von zentraler Bedeutung. Die Expansion des Übergangssystems zeigt, dass von dieser Perspektive gegenwärtig große Gruppen benachteiligter junger Menschen und insbesondere junge Mütter ausgeschlossen sind. Gründe für diese Exklusion liegen in familienbedingten Barrieren des Berufsbildungssystems, die sich für junge Mütter aufgrund struktureller Diskrepanzen zwischen beruflichen und familiären Zeitstrukturen sowie schwieriger ökonomischer und psycho-sozialer Bedingungsfaktoren verstärken.

Die biografischen und familiären Folgen dieser Exklusion sind weit reichend: Zum einen für junge Mütter und ihre Kinder, die in der Entfaltung von individuellen Entwicklungsressourcen und Bildungspotentialen entscheidende Hemmnisse erfahren, zum anderen für die Fortsetzung prekärer familiärer Konstrukte, die gleichsam als kulturelles Erbe an die nächste Generation weitergegeben werden; nicht zuletzt für Wirtschaft und Gesellschaft, indem auf bedeutende Potenziale der Fachkräfteentwicklung und Wertschöpfung verzichtet wird. Ist diese Entwicklung zum einen eine Folge der schon Mitte der 1990er Jahre im 5. Familienbericht thematisierten „strukturellen Rücksichtslosigkeit“ der Sozial- und Familienpolitik (BMFSF 1995), stellt zum anderen weder das Übergangs- noch das Ausbildungssystem adäquate Bewältigungsstrategien und Förderansätze für die Vereinbarkeit von Ausbildung und Mutterschaft und der alltäglichen Bewältigung des schwierigen Balanceaktes Familie und Beruf bereit. Für junge Frauen mit Kindern ist es insbesondere die „Not der Zeit“ (FRIESE 2008a), die sich eindrucksvoll in dem folgenden Zitat ausdrückt: „Ich komme mir persönlich zu kurz. Ich hatte in den letzten Wochen immer Spätschicht (…) ich konnte eigentlich so bis neun schlafen, aber halt aufräumen, sich um das Kind kümmern, Mittag machen und essen und das Kind schon wieder wegbringen (…) und dann war es schon wieder halb acht (…) und dann ist man schon wieder schlafen gegangen.“

Die skizzierten Problemlagen wurden seit den 1990er Jahren von gender orientierten Ansätzen der Berufsbildungsforschung thematisiert. Eine Folge war die Entwicklung, Erprobung und Evaluation von zeitflexiblen Ausbildungsmodellen, die seit Ende der 1990er Jahre durch sozial- und bildungspolitische Förderprogramme der Bundesregierung und Europäischen Union flankiert wurden. Vor dem Hintergrund der Sorge um den zunehmenden Abstand zwischen den leistungsschwächeren Jugendlichen und dem demografisch bedingten Fachkräftemangel der Wirtschaft (GRIMM/ VOCK 2007, 251) zeichnete sich des Weiteren seit den 1990er Jahren ein Leitbildwandel in der berufspädagogischen Integrationsförderung ab. Förderpolitisch bedeutsam war das BQF-Programm „Kompetenzen fördern. Förderansätze für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF 2005), in dessen Rahmen neue Instrumente und Konzepte der Benachteiligtenförderung entwickelt, erprobt und evaluiert wurden. Von bildungspolitischer Relevanz waren zentrale Neuregelungen im Bereich der Berufsvorbereitung und Ausbildung.

Insbesondere mit dem Neuen Fachkonzept für Arbeit von 2004 und der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes von 2005 wurden ordnungsrechtliche Weichen gestellt, die neben Öffnungen und Durchlässigkeiten für flexible Ausbildungsverläufe auch neue Qualifizierungswege für gering qualifizierte Personengruppen aufzeigen und Einstiege sowie Rückkehr in formale Ausbildungsfelder, sowie Berufsvorbereitung, Ausbildung und Weiterbildung ermöglichen. Von besonderer Bedeutung für den Bereich der Berufsvorbereitung ist die Implementierung von Qualifizierungsbausteinen sowie deren Anerkennung und Zertifizierung. Weichenstellend für das Ausbildungssystem ist die Ermöglichung der Teilzeitberufsausbildung, die mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes von 2005 eine gesetzliche Grundlage erhalten hat. Mit diesen Regelungen werden historisch erstmals ordnungsrechtliche Verankerungen aufgenommen, die lebensweltliche und familiäre Verpflichtungen an der Schnittstelle zum System der beruflichen Bildung berücksichtigen. Damit wurden wesentliche politische und ordnungsrechtliche Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von qualifizierter Ausbildung und Kinderbetreuung geschaffen.

Diese Perspektiven verfolgte das Projekt MOSAIK „Kompetenzentwicklung für junge Mütter. Zur Kooperation von Beratung, Ausbildung und Beruf“. Das Projekt zielte darauf, in Form einer im Lande Bremen als Prototyp eingerichteten „Förderkette junge Mütter“ ein regionales Netzwerk zur Kooperation von Beratung und beruflicher Bildung zu initiieren und bundesweit zu transferieren. Ein Fokus lag auf der Konzeptionierung und Implementierung von Ausbildung und Berufsvorbereitung in zeitmodifizierter Form sowie der institutionellen Sicherung einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung. Ein weiteres Ziel war die Identifizierung von Kompetenzprofilen für die Aus- und Weiterbildung des pädagogischen Personals. Zugrunde gelegt war ein Leitbild, das für die heterogenen Bedarfe der Zielgruppe ganzheitlich, biografisch sowie individuell orientierte Förderansätze bereitstellt (FRIESE 2008).

2 Zielgruppenanalyse:  Heterogenität und Typisierung

2.1 Biografische und strukturelle Risiken junger Mütter

Demografische und qualitative Studien zur Lebens- und Ausbildungssituation junger Mütter belegen (detailliert in FRIESE 2008, 11 ff), dass das Phänomen junge Mutterschaft durch ein hohes Maß an Heterogenität hinsichtlich der biografischen, familiären und soziokulturellen Dispositionen geprägt ist. Aus dieser biografischen Heterogenität hinsichtlich der Kategorien Alter, sozialer Herkunft, Familienbezüge, Kinderbetreuungs- und Einkommenssituation sowie Bildungsverlauf und Ausbildungsstand resultieren unterschiedliche Förderbedarfe, denen bei der Erarbeitung von Ausbildungs- und Qualifizierungskonzepten Rechnung getragen werden muss.

Gleichwohl zeichnen sich gemeinsame Strukturmerkmale ab, die eine Typisierung der Zielgruppe der jungen Mütter und ihrer Förderbedarfe zulassen. Signifikant ist der enge Zusammenhang von sozioökonomischen Armutslagen und früher Mutterschaft, die mit biografischen Risiken und prekären Lebenslagen junger Mütter und ihrer Kinder verbunden sind. Im Rahmen der biografischen Dispositionen lassen sich schwierige Herkunftsfamilien, fehlende Vorbilder, unterbrochene Bildungsverläufe sowie fehlende oder niedrige Ausbildungsabschlüsse und mangelnde Berufsperspektiven als prägende Faktoren für die Entscheidung für frühe Mutterschaft identifizieren. Barrieren für den Einstieg in das Ausbildungs- und Erwerbssystem sind damit quasi vorgezeichnet. So setzen sich die im Generationengefüge sozial ererbten biografischen Unsicherheiten und Abhängigkeiten von Transferleistungen mit der Gründung der neuen Familie und dem Leben mit dem Kind fort. Die daraus entstehenden Folgen wie fehlende Partizipation, soziale Isolation und gesellschaftliche Exklusion junger Mütter und ihrer Kinder werden zu charakteristischen Merkmalen einer gemeinsamen „Schicksalsgemeinschaft“.

Münden junge Mütter in Qualifizierung und Ausbildung ein, begeben sie sich in ein spannungsreiches Verhältnis, das zum einen im Wettlauf mit der Zeit und zum anderen in der Auseinandersetzung mit dem für Deutschland charakteristischen mütterzentrierten Leitbild zu bewältigen ist. Stellt sich die massive Doppelbelastung und insbesondere die Not der Zeit generell für alle Frauen als alltäglich zu bewältigender Balanceakt dar, gilt dieses für junge Mütter in besonderer Weise. In dem Bemühen, der Vereinbarkeitsforderung von beruflichen Anforderungen und Mutterpflichten Rechnung zu tragen, wollen junge Frauen zunächst ihre Aufgaben eigenständig und ohne fremde Hilfe bewältigen. Befragungen junger Mütter verdeutlichen, dass nicht nur die zeitliche Dimension im Empfinden der Belastung eine Rolle spielt. Belastend ist vor allem die Empfindung junger Mütter, allein für alle Belange verantwortlich zu sein, den hohen Anforderungen aber nicht umfassend gerecht werden zu können. So mündet der Anspruch, eine „perfekte Mutter und Auszubildende“ zu sein, nicht selten auch in Überforderungen sowie in eigenen Schuldzuweisungen hinsichtlich der nicht zu bewältigenden Probleme des Alltags, verbunden mit einem diffusen „schlechten Gewissen“ gegenüber dem Kind.

Zu dieser Überlastung kommt insbesondere bei allein erziehenden Frauen das verinnerlichte Leitbild der „guten Mutter“, das häufig über die Anforderungen einer beruflichen Weiterbildung oder Erwerbstätigkeit gestellt wird. Auch wenn die meisten allein erziehenden Frauen zwar eine Erwerbsarbeit präferieren, akzeptieren sie diese aber nur zu Bedingungen, die sich mit der eigenen Mutterrolle gut vereinbaren lassen (TOPPE 2007, 40f). Aus Befragungen junger Mütter geht hervor, dass sie sich für eine Ausbildung entscheiden, wenn die Betreuung der Kinder gewährleistet ist. Für allein Erziehende und junge Mütter ist eine Unterstützung durch familiäre und institutionelle Netzwerke sowie professionelle Beratung und sozialpädagogische Begleitung also von elementarer Bedeutung.

Dabei hat sich zum einen die Mobilisierung sozialer Netzwerke als eine nachhaltige Strategie allein Erziehender zur Bewältigung prekärer Lebenslagen erwiesen. Auf der Basis einer Differenzierung allein erziehender Mütter des Forschungsprojekts „Armutsprävention und Milderung defizitärer Lebenslagen durch Stärkung von Haushaltsführungskompetenzen“ haben sich die „vernetzten Aktiven“, deren Kennzeichen ein stabiles soziales Netz und die selbstbewusste Inanspruchnahme institutioneller Angebote sind, als diejenigen erwiesen, die über die meisten Ressourcen zur Bewältigung des Alltags verfügten (MEIER-GRÄWE 2004, 17). Diese Befunde bestätigen sich in den Befragungen des Projekts MOSAIK. Frauen mit unterstützenden familiären und sozialen Netzwerken empfinden die Situation der Vereinbarkeit von Ausbildung und Familienpflichten als weniger belastend. Von Bedeutung für die Stabilisierung der jungen Mütter sind dabei vielfältige Formen der Hilfe, die sich nicht nur auf eine pragmatische und organisatorische Kinderbetreuung beziehen, sondern auch auf Unterstützung bei der Haushaltsführung, bei finanziellen Engpässen, bei Behördengängen sowie hinsichtlich der Organisation von Freiräumen für Lernsituationen und eigene Bedürfnisse für die jungen Mütter. In der Wahrnehmung der Mütter ist die Unterstützung in der Kinderbetreuung das entscheidende Moment für die Freude an der Ausbildung, die daraus resultierende Wertschätzung und Motivation, die Ausbildung erfolgreich zu Ende zu führen. Für die gesellschaftliche und berufliche Integration sowie Bildung junger Mütter und ihrer Kinder sind also passgenaue, qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote unverzichtbar. Die regional und bundesweit in Deutschland unzureichenden Angebote belasten insbesondere allein erziehende Mütter und Frauen mit Kindern unter drei Jahren. Die komplexen psychosozialen und organisatorischen Problemlagen junger Mutterschaft erfordern professionelle Angebote mit zeitflexiblen und sozialräumlich orientierten Konzepten, die zum einen die Sicherung des „doppelten Kindeswohls“ garantieren und zum anderen eine nachhaltige Korrektur der nicht selten vorzufindenden labilen Mutter-Kind-Bindung vornehmen. Ist die Verbindung von frühkindlicher Förderung und biografischer Stärkung der jungen Mütter insbesondere für sozial schwache Familien von elementarer Bedeutung, bedarf es darüber hinaus für alle jungen Mütter gezielter Unterstützung in Form von sozialpädagogischer Begleitung sowie der Herstellung adäquater Zeitstrukturen und Sicherung des Lebensunterhalts.

2.2 Ressourcen und Kompetenzen junger Mütter

Die schwierige Lebenssituation junger Mütter mündet nicht zwangsläufig in fehlende Motivationslagen hinsichtlich ihrer Ausbildungs- und Erwerbsabsichten. Auch für junge Mütter gelten die Erkenntnisse der Jugendforschung, nach denen sich die Zuschreibung der „Null-Bock-Generation“ als Mythos erwiesen hat. Die zentrale Bedeutung eines hohen Bildungsniveaus, der Wunsch nach subjektbezogener Ausbildung sowie gesicherter und sinnstiftender Berufsbiografien kennzeichnen die Lebensentwürfe der jungen Generation in der Gegenwart (DEUTSCHE SHELL 2010). Hat sich seit den 1980er Jahren für Frauen der „doppelte Lebensentwurf“ als strukturierende Komponente etabliert, deutet sich seit den 1990er Jahren aufgrund der schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Wandel an. Bei aller Vielfalt der Lebensentwürfe von jungen Frauen hat sich die Priorität von Bildung und Beruf auf Kosten des Kinderwunsches heraus kristallisiert und zum zentralen Baustein weiblicher Lebensplanung etabliert. Ein demografischer Ausdruck dieses Leitbilds ist zum einen das Konzept der späten Mutterschaft nach erfolgter beruflicher Etablierung, neuer Partnerwahl und ökonomischer Stabilität und zum anderen der Verzicht auf Mutterschaft, insbesondere von akademisch gebildeten Frauen. Hier vollzieht sich ein Leitbildwandel von der Normal- zur Wahlbiografie, der als Ausdruck individualisierter weiblicher Lebensentwürfe interpretiert werden kann.

Für junge Mütter gilt diese Wahlmöglichkeit nicht mehr. Gleichwohl sind sie in besonderer Weise darum bemüht, durch eine qualifizierte Ausbildung und Berufsperspektive eine ökonomisch eigenständige und sinnvolle Gestaltung des Lebens für sich und ihre Kinder zu gewährleisten. In Befragungen zeigt sich, dass junge Mütter trotz der hohen Belastungen eine hohe Motivation zur Einmündung in das Berufssystem und zum Ausstieg aus der „Sozialhilfekarriere“ aufweisen. Eine Ausbildung und Qualifizierung stellt aus Sicht vieler junger Mütter eine bedeutende Voraussetzung für die Einmündung in die Erwerbsarbeit dar. Diese reflektierte Einschätzung junger Mütter speist sich zum einen aus ihrer Erfahrung mit kurzfristigen Jobs und nicht qualifizierten Tätigkeiten, die sie zur Sicherung des Lebensunterhalts durchlaufen haben. Zum anderen erkennen sie vor dem Hintergrund von Isolations- und Exklusionserfahrungen die Bedeutung einer Berufsausbildung, die häufig als letzte Chance für den Anschluss in das Erwerbssystem und dem Ausstieg aus der Sozialhilfe eingeschätzt wird. Darüber hinaus erweist sich die Vorbildfunktion für die eigenen Kinder als eine hohe Motivation, verbunden mit einem Wertesystem der ökonomischen und sozial eigenständigen Lebensführung. Spiegeln sich in diesen Motivationslagen Stärken junger Mütter wider, zeigen sich jedoch auch die alltäglichen Risiken der hohen Belastung, die in Ausbildungsabbrüche münden können.

Wird dieses spannungsreiche Geflecht an Anforderungen und Belastungen bewältigt, bringen junge Mütter vielfältige Ressourcen mit, die für die Entwicklung beruflicher Kompetenzen sowie für Lebensführungskompetenzen wirksam werden. Zum einen drückt sich die Bewältigung der Doppelanforderung in einer positiven subjektiven Beurteilung und Wertschätzung des eigenen Selbst aus. Bemerkenswert ist die Selbsteinschätzung junger Mütter hinsichtlich ihrer Berufswahl sowie Ausbildungs- und Erwerbsmöglichkeiten. Befragungsergebnisse junger Mütter in Ausbildungsmaßnahmen in den Bundesländern Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen des Projekts MOSAIK belegen (FRIESE 2008, 118 ff), dass junge Mütter über ein hohes Maß an Reflektion hinsichtlich der Schwierigkeiten der Ausbildungsverläufe, der Vereinbarkeit mit Familienpflichten sowie der Realität von Erwerbsarbeitsverläufen verfügen. Diese Einschätzung befähigt sie zur Bewältigung von komplexen Situationen in privaten und beruflichen Kontexten. Junge Mütter in Ausbildung erwerben ein hohes Maß an beruflicher und lebensweltlicher Handlungskompetenz, die sie zu einer erfolgreichen Bewältigung von Work-Life-Balance befähigt.

Zum anderen entwickeln junge Mütter Stärken aus ihrer Erziehungsverantwortung, dem Umgang mit Behörden und Institutionen, der Bewältigung des spannungsreichen Alltags sowie aus Prozessen der im weiblichen Lebenszusammenhang erworbenen Kompetenzen. In Selbsteinschätzungen begründen junge Mütter diese Ressourcen mit den Erfahrungen der Mutterschaft, die hohe Anforderungen hinsichtlich der Entfaltung von Empathie, Geduld und Diplomatie sowie an der Ausbildung von Fähigkeiten zur Konfliktlösung und Stressbewältigung in schwierigen und ungeplanten Situationen stellt. Befragungen des Ausbildungspersonals (ANSLINGER 2008, NADER et al. 2003, LIFE 2008) bestätigen, dass junge Mütter diese im Alltag erworbenen Ressourcen und Kompetenzen produktiv in Ausbildungsverläufe einbringen.

Mit diesen Ressourcen und Kompetenzen junger Mütter steht für die berufliche Bildung ein Potential zur Verfügung, das für curriculare, methodische und organisatorische Innovationen zukunftsweisend gestaltet werden kann. Gegenwärtig eröffnen sich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen und diskursiven Wandels zugleich Modernisierungspotenziale, die für Förderansätze junger Mütter in der beruflichen Bildung nutzbar gemacht werden können. Diese basieren erstens auf veränderten Strukturen des Arbeitsmarktes und einem erhöhten Fachkräftebedarf, der sich insbesondere im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungsberufe entwickelt. Hier entstehen neue Qualifikations- und Professionsanforderungen, die auch den an diesem Segment stark beteiligten jungen Müttern zu Gute kommen können (FRIESE 2010a).

Begünstigend ist zweitens die gegenwärtige Kompetenzwende in der beruflichen Bildung, die neben beruflichen Kompetenzen auch lebensweltliche und informelle Kompetenzbildung einbezieht. Von Bedeutung sind drittens die bildungspolitische Stärkung des Übergangsmanagements, das mit der Orientierung auf „Bildung im Lebenslauf“ (AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008, 6) ganzheitliche und individuelle Förderansätze in die Berufsvorbereitung einbezieht sowie viertens ordnungsrechtliche und bildungspolitische Neuerungen des Berufsbildungsgesetzes, die auch in der Ausbildung flexible und biografisch orientiere Instrumente und Methoden ermöglichen. Damit sind neue Optionen für gender orientierte Ansätze eröffnet, die für die Integration und Förderung von jungen Müttern im System der beruflichen Bildung förderlich sind.

3 Förderansätze des Übergangs- und Ausbildungssystems

3.1 Theoretische Rahmungen: Kompetenzen fördern und entwickeln

Die im Rahmen der Modernisierung der beruflichen Bildung seit den 1990er Jahren vollzogene „Kompetenzwende“ bietet Optionen für ein verändertes Geschlechterverhältnis, von dem auch junge Mütter profitieren können. Der Kompetenzbegriff und die vielfältigen Beschreibungen von Kompetenzentwicklung, Kompetenzmessung und Kompetenzförderung (WALKENHORST et al. (Hg.) 2009) sind in der gegenwärtigen Fachdebatte zwar keineswegs einheitlich geklärt. Gleichwohl kristallisiert sich ein Leitbild heraus, das Kompetenz von zwei Seiten bestimmt: von der Seite der Person hinsichtlich der individuellen Bedürfnisse und Ressourcen wie auch von der Seite der bildungsökonomischen Bedarfe und Umgebungsfaktoren (ERPENBECK/ HEYSE 1999). In der beruflichen Bildung wird seit Bereitstellung der KMK-Handreichungen von 1996 ein Leitbildwandel eingeleitet, der Kompetenz im Unterschied zur Qualifikation, die an Verwertbarkeit und Bildungsnachfrage orientiert ist, auf den individuellen Lernerfolg und die Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen bezieht.

Diese Lesart von Kompetenz eröffnet auch neue Perspektiven zu Förderansätzen für junge Mütter, wird mit den KMK-Handreichungen doch historisch erstmals der Bereich des Privaten bildungspolitisch thematisiert und damit das Verhältnis von Lebenswelt und Beruf neu in den Blick gerückt. Die Vereinbarkeit von Ausbildung und Mutterschaft setzt ein hohes Maß an eigenverantwortlichem Handeln in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen voraus sowie die Fähigkeit, die in komplexen Strukturen vorhandenen Umgebungsressourcen wie auch die eigenen Ressourcen kontinuierlich für die Doppelanforderung von Lebenswelt und Beruf nutzbar zu machen. Einen besonderen Stellenwert in diesem Kontext hat die Ausgestaltung von Sozialkompetenz, die in der gegenwärtigen Kompetenzdebatte eine herausragende Bedeutung einnimmt. Kommt diese Perspektive zwar den lebensweltlich erworbenen Kompetenzen von Frauen zu Gute, ist doch auch eine widersprüchliche Feminisierung des Konstrukts Sozialkompetenz zu verzeichnen. Diese drückt sich in einer nur selten kritisch reflektierten normativen Gleichsetzung von geschlechtsattributierten Merkmalen und Sozialkompetenz aus. Weiterführend sind Ansätze, die eine Differenzierung von Merkmalszuschreibungen sozialer Kompetenzen in Ausbildungs- und Berufsprofilen vornehmen und Sozialkompetenz zugleich als Fachkompetenz in sozialen und personenbezogenen Tätigkeiten definieren.

Außerdem gerät die Frage der Bedeutung und Anerkennung informeller und nicht formal erworbener Kompetenzen in der beruflichen Bildung neu in den Blick. Die Berücksichtigung und didaktische Aufbereitung informeller Kompetenzen erhält für die berufliche Bildung von Frauen und jungen Müttern einen besonderen Stellenwert. Fließen die im familiären Alltag und im informellen Sektor erworbenen Kompetenzen in der Regel „unsichtbar“ ohne Bewertung und Akkreditierung in berufliche Tätigkeiten ein, gilt dies insbesondere für Haushalts- und Familienkompetenzen, die bei Frauen vorausgesetzt und quasi als Naturkonstante angesehen werden. Gelingt es, in der beruflichen Bildung adäquate didaktische Reflexionsräume und Erfassungsinstrumente im Rahmen von Kompetenzfeststellung und Qualifizierungscurricula zur Verfügung zu stellen, kann das bei der Zielgruppe junger Mütter vorhandene hohe Maß an Sozialkompetenz, eine wichtige Basis für fachliche Anerkennungen und Qualifizierungen bilden. Für die curriculare und methodisch-didaktische Ausgestaltung können die neuen Instrumente der beruflichen Bildung und Benachteiligtenförderung wie der Einsatz von Modulen, Qualifizierungsbausteinen sowie Zertifizierung genutzt und ausgestaltet werden.

Zur Stärkung des Übergangs Schule-Beruf wurden und werden in der Benachteiligtenförderung unterschiedliche Kompetenzfeststellungsverfahren entwickelt, um sowohl lebensweltliche als auch schulische und berufliche Kompetenzen Jugendlicher und junger Erwachsener erfassen zu können. Im Projekt MOSAIK wurden unterschiedliche Verfahren der Kompetenzfeststellung hinsichtlich der Bedeutung für die Zielgruppe junge Mütter ausgewertet. Deutlich wurde, dass für einen gelingenden Übergang von der Schule in das Berufsleben die Förderung von Individual- und Sozialkompetenzen, die jenseits spezifischer Maßnahmeprofile zu erfassen sind, von zentraler Bedeutung ist. Als wichtige Voraussetzung für eine derartige Kompetenzfeststellung hat sich die Herstellung einer transparenten und vertrauensvollen Lernumgebung als wichtige Beziehungsgrundlage erwiesen. In einer offenen Umgebung kann es gelingen, auch die impliziten und verdeckten Kompetenzen und Wissensbestände sichtbar und explizit zu machen. Dabei erweist sich die regelmäßige Reflexion der Standards im Kompetenzfeststellungsverfahren als pädagogisch sinnvolles Instrument wie auch die Schaffung von Möglichkeiten, sich in verschiedenen Berufsrichtungen praxisnah erproben zu können. Dieses steigert die Motivation und fördert die Selbsterfahrung. Als äußerst positiv erweist sich aus Sicht der Jugendlichen die ungeteilte Aufmerksamkeit, die ihnen durch Kompetenzfeststellungsverfahren zukommt (FRIESE 2008, 93).

Die Erfahrungen zeigen darüber hinaus, dass Kompetenzfeststellungsverfahren nur dann sinnvoll sind, wenn sie in ein daran anknüpfendes Förderplansystem sowie in die curriculare Struktur des berufsvorbereitenden Unterrichts eingebunden sind (vgl. BMBF (Hrsg.) 2006, 68 ff). Im Rahmen des Projekts MOSAIK wurde in der Berufsvorbreitungsmaßnahme „Ich gehe meinen Weg mit Kind und Beruf“ (PREGITZER/ THIESSEN 2005) ein individueller Förderplan unter Mitwirkung der jungen Mütter entwickelt, der als Kontrakt zwischen Jugendlichen und Ausbildungspersonal galt. Mit den Jugendlichen wurden verbindliche Ziele vereinbart, deren Umsetzung vom Ausbildungspersonal unterstützt wurde. Zugleich wurde die ausbildende Institution in die Pflicht genommen, entsprechende Fördermöglichkeiten bereit zu stellen. In diesem Rahmen bietet der Förderplan eine Möglichkeit, selbstständigen und verantwortlichen Umgang mit Lernen und Reflexion zu entwickeln.

3.2 Reformpolitische Konzepte: Berufsvorbereitung und Ausbildung in Teilzeit

Für eine erfolgreiche Einmündung in nachhaltige Erwerbsperspektiven ist der Abschluss einer beruflichen Ausbildung von zentraler Bedeutung. Dabei ist der Übergang an der zweiten Schwelle nach wie vor mit einer dualen Berufsausbildung am besten zu bewältigen. Der enge Kontakt zum Betrieb während einer dualen Berufsausbildung und die Chance am Ende der Ausbildung vom Betrieb übernommen zu werden, ist bei einer dualen Berufsausbildung nach wie vor eher gewährleistet. Auch für junge Mütter ist eine Ausbildung im dualen System attraktiv, aufgrund der disparaten Zeitstrukturen zwischen Betrieb und Familien jedoch kaum realisierbar. Die vor dem Hintergrund dieser Analyse seit den 1990er Jahren entwickelten Ansätze zur Teilzeitberufsausbildung haben vielfältige Erfahrungen und Evaluationsergebnisse zu zeitmodifizierten Formen der Berufsvorbereitung und Ausbildung hervor gebracht. Die Forschungsergebnisse und Wirkungsanalysen geben zugleich relevante Aufschlüsse über subjektive Perspektiven junger Mütter, über Erfahrungen von Betrieben, Berufsschulen und Bildungsträgern sowie über strukturelle und pädagogische Voraussetzungen und Hemmnisse für eine erfolgreiche Implementierung in das Berufsbildungssystem. Aus der Perspektive der Teilnehmerinnen wie auch aus Sicht von Betrieben, Kammern und Schulen werden eine Reihe förderlicher Faktoren wie auch Problemlagen benannt.

Die Deutungen junger Mütter fallen zwar aufgrund der unterschiedlichen sozialen und demografischen Lebenslagen hinsichtlich Alter, Bildungsstand, Ausbildungs- und Einkommenssituation sowie Grad der Vernetzung im sozialen Umfeld unterschiedlich aus. Jedoch kristallisieren sich durch die Erfahrung der biografischen Statuspasse der jungen Mutterschaft auch gemeinsame Deutungen heraus. So wird aus Sicht der jungen Mütter zum einen die strukturelle und emotionale Ambivalenz deutlich, die in der Ausbildung bewältigt werden muss, wie etwa hinsichtlich der Zeitknappheit und der widerstreitenden Empfindungen bezüglich der Verbundenheit mit dem Kind. Zum anderen stellt sich die Berufsausbildung und der damit ausgebildete Zugewinn an Kompetenz und Selbstbewusstsein als zentraler stabilisierender Faktor heraus (ZYBELL 2003).

Von Seiten der Betriebe, Kammern, Schulen und Bildungsträger (ANSLINGER 2008, FRIESE 2008, NADER et al. 2003) werden jungen Müttern ebenfalls positive Aspekte wie eine hohe Motivation, ein hohes Maß an Sozial- und Organisationskompetenz sowie gute Prüfungsergebnisse bescheinigt. Jedoch existieren auch Bedenken gegen die Abweichung von der Ausbildungsnorm und Unsicherheiten bezüglich der Umsetzung der neuen ordnungsrechtlichen Regelungen in den Ausbildungsalltag. Dabei werden auch Problemlagen wie höhere Ausfallzeiten durch Krankheit des Kindes sowie zeitweise Überforderungen aufgrund der Doppelbelastung der Auszubildenden thematisiert. Umso deutlicher werden der Stellenwert der sozialpädagogischen Betreuung und die Bereitstellung von hochwertigen Kinderbetreuungsangeboten. Die Erfahrungen zeigen, dass junge Frauen mit Kindern in der Berufsausbildung Unterstützung bei der Alltagsgestaltung und im Zeitmanagement benötigen.

Hinsichtlich der Implementierung von Teilzeitausbildung in das Regelsystem der beruflichen Bildung bestehen gleichwohl noch vielschichtige Problemlagen, die sich bezogen auf Betriebsformen, Betriebsgrößen, Berufsfelder und regionale Standorte unterschiedlich darstellen. Im Rahmen einer Befragung von Wirtschaftsunternehmen in den Bundesländern Bremen, Hessen und Nordrhein-Westfalen (ANSLINGER 2008) wurde deutlich, dass die Motivlagen von Betrieben, jungen Müttern eine Teilzeitberufsausbildung zu ermöglichen, höchst unterschiedlich sind, wobei sich eigene biografische Erfahrungen und subjektive Eindrücke des Ausbildungspersonals als entscheidungsrelevant erweisen. Wirksam für Entscheidungsprozesse sind darüber hinaus nicht in erster Linie Kalküle hinsichtlich der Umsetzung von familien- und bildungspolitischen Instrumenten des Gender Mainstreaming sowie moralisch-ethische und soziale Leitbilder von Betrieben. Bereits vorhandene frauenpolitische Instrumente im Rahmen von Diversity Management können sich zwar als förderliche Faktoren zur Einstellung von jungen Müttern erweisen, stoßen aber an ihre Grenzen hinsichtlich der Übertragung und Implementierung im Bereich der Ausbildung. Entscheidend für die Einstellung von jungen Müttern sind vielmehr betriebswirtschaftliche Maßstäbe, die im Rahmen von Testverfahren und Assessment nach dem Prinzip der „Bestenauslese“ verfahren. Wird jungen Müttern eine Teilzeitausbildung zugestanden, werden dabei zugleich höhere Maßstäbe und Leistungsprofile angelegt, da die gleichen Ausbildungsinhalte in kürzerer Zeit vermittelt werden müssen (ebd., 364 ff). Die Anstrengungen und Leistungen  der jungen Mütter, die diese hohen Anforderungen bewältigen, bringt eine Ausbilderin pointiert auf den Punkt: „Denn eigentlich hat ´ne junge Mutter mehr geleistet als jede andere Auszubildende“ (ebd., 298).

Erschwerend für eine erfolgreiche Umsetzung von zeitmodifizierter Ausbildung und Berufsvorbereitung wirken zudem die schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen sowohl auf Seiten der Betriebe als auch auf Seiten der Auszubildenden. Für Praktika, Vorbereitung und Ausbildung in Teilzeit konnten bislang vor allem kleine und mittlere Unternehmen gewonnen werden. Betriebe, die in Teilzeit ausbilden, übernehmen eine wichtige soziale Verantwortung und können erhöhte Kosten durch Informations-, Beratungs- und Koordinationsbedarf, u. a. für die Bereitstellung einer sozialpädagogischen Begleitung, haben. Können Aufwandsentschädigungen insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe ein wirksamer Anreiz sein, stellt sich die Frage der Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere für junge Mütter und ihre Kinder als unverzichtbare Voraussetzung zur Durchführung einer Teilzeitberufsausbildung dar.

Mit den gesetzlichen Neuregelungen der Grundsicherung im Rahmen von Hartz IV haben sich die Finanzierungsmöglichkeiten beruflicher Vollausbildungen im Arbeitslosengeld-II-Bezug verschlechtert. Die bestehenden Ausbildungsprojekte sind für ihre Finanzierung auf komplizierte Mischfinanzierungen angewiesen. Während der Lebensunterhalt häufig über Hilfe zum Lebensunterhalt abgedeckt wird, werden die trägerbezogenen Ausbildungskosten für Lehrkräfte, Stützunterricht, sozialpädagogische Begleitung, Praktikums- und Ausbildungsplatzakquisition häufig aus ESF-Mitteln und zum Teil aus Landesmitteln, eher selten durch die Arbeitsagenturen aufgebracht. Eine bildungspolitische Forderung besteht darin, die Finanzierung der Auszubildenden möglichst aus einer Hand zu gestalten und so ausreichend auszustatten, dass die Teilnehmerinnen eine Planungssicherheit bekommen. Auszuschließen ist, dass junge Mütter durch Ausbildung unter das Existenzminimum fallen. Voraussetzung ist eine zeitnahe Bewilligung der Geldleistungen.

Datenanalysen und Befragungen von Kammerorganisationen in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Berlin (ALBERT et al. 2008, FRIESE 2008, LIFE e.V. (Hg.) 2009) zeigen, dass die Implementierung von Teilzeitberufsausbildung zudem erheblich durch fehlende Informationen zur regionalen Umsetzung in Kammern, Betrieben, Arbeitsagenturen sowie Bildungsträgern erschwert wird. Probleme existieren hinsichtlich Kommunikation und Zusammenarbeit der Akteure und Institutionen sowie hinsichtlich der Heterogenität der Kammerentscheidungen zur Ausgestaltung der Ausbildungsverträge. Daraus resultieren Forschungs- und Handlungsbedarfe zur Erhebung von Erfahrungen und Informationsdefiziten vor Ort wie auch zu verbindlichen Regelungen und Transferinstrumenten in regionaler und bundesweiter Perspektive. Auch steht die Konzipierung von Weiterbildungsmaßnahmen und Schulungen für das pädagogische Personal noch aus. Um die neuen ordnungsrechtlichen Gestaltungsspielräume wirksam in das System der Berufsausbildung zu implementieren, ist eine intensivere Zusammenarbeit von Betrieben mit den zuständigen Stellen sowie eine Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Ausbildungsstellen für die Teilzeitberufsausbildung zu gewährleisten.

4 Fazit

Der Beitrag hat zum einen die Heterogenität und zum anderen Merkmale der Typisierung der Zielgruppe junge Mütter dargestellt. Verdeutlicht werden sollte, dass junge Mütter aufgrund der disparaten Zeitstrukturen zwischen Familie und Ausbildung und nahezu zwangsläufig zu einer Risikogruppe des Übergangssystems werden. Zugleich wurden die Potenziale junger Mütter für Kompetenzentwicklung aufgezeigt, die produktiv für Förderansätze in der beruflichen Bildung genutzt werden können. Dabei haben sich insbesondere zeitmodifizierte Ansätze der Berufsvorbereitung und Ausbildung als innovative und zukunftsfähige Konzepte erwiesen. Auch wenn für eine nachhaltige Implementierung der Teilzeitberufsausbildung noch erhebliche institutionelle und normative sowie förderpolitische Hürden zu überwinden sind, zeichnet sich doch für die Berufsbildung und für die Zielgruppe der jungen Mütter ein doppelter Gewinn ab. So mag es der Berufsbildung gelingen, junge Mütter als qualifiziertes Fachkräftepotenzial zu gewinnen und auszubilden. Ermöglicht wird jungen Müttern zugleich der berechtigte Anspruch auf Partizipation, Kompetenzentwicklung  und gesellschaftlicher Teilhabe an Arbeit, Bildung und Beruf.

Literatur

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Zitieren dieses Beitrages

FRIESE, M. (2011): Junge Mütter als Risikogruppe im Übergangssystem. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 15, hrsg. v. MÜNK, D./ SCHMIDT, C., 1-14. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws15/friese_ws15-ht2011.pdf (26-09-2011).



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