Titel:
Durchlässigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung
Beitrag von Wolfgang MÜSKENS & Roland TUTSCHNER (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg & Universität Bremen)
Zur Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulstudiengängen wurde erstmals ein systematischer Äquivalenzvergleich nach dem Oldenburger Anrechnungsmodell zwischen einem Profil der Qualifikation „Staatlich geprüfte/r Techniker/in“ und einem Bachelor of Engineering-Studiengang an einer deutschen Fachhochschule durchgeführt. Aus den Ergebnissen des Vergleichs konnte zunächst nur für wenige Studienmodule eine Anrechnungsempfehlung abgeleitet werden. Damit die Anrechnung der Technikerweiterbildung zu einer substanziellen Verkürzung der Studienzeit führt, müssen sowohl in der Weiterbildung als auch im Studiengang Anpassungen vorgenommen werden. Der Äquivalenzvergleich liefert detaillierte Informationen darüber, wie der Übergang zwischen beruflicher Weiterbildung und Hochschulen im Hinblick auf eine verbesserte Anschlussfähigkeit gestaltet werden kann.
Äquivalenzvergleiche sind strukturierte Verfahren zur Bewertung sowie zum Vergleich von Lernergebnissen unterschiedlicher Qualifikationen. Üblicherweise werden sie eingesetzt um den Umfang einer möglichen Anrechnung beruflicher Fort- und Weiterbildungen auf Hochschulstudiengänge zu bestimmen. Sie bildeten den methodischen Kern der BMBF-Initiative ANKOM (Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge) von 2005 bis 2008 (HARTMANN/ STAMM-RIEMER 2006). Im Rahmen des ANKOM-Projektes „Qualifikationsverbund Nord-West“ wurde mit dem „Oldenburger Modell der Anrechnung“ eine standardisierte Methodik des Äquivalenzvergleichs entwickelt, die mittlerweile bei einer Reihe von Disziplinen erfolgreich für die Implementierung pauschaler Anrechnungsmöglichkeiten eingesetzt werden konnte (MÜSKENS/ GIERKE 2009).
Die Übertragung des zunächst für den kaufmännisch/wirtschaftswissenschaftlichen Bereich entwickelten Oldenburger Modells auf den technisch Bereich bzw. die Ingenieurswissenschaften erfolgte als Teil des EU-LLL-Leonardo-Projekts CREDIVOC „Transparency and Mobility through Accreditation of Vocational Learning Outcomes“ von 2007 bis 2009 (MÜSKENS/ TUTSCHNER/ WITTIG 2009). Bei diesem Modellvorhaben sollte der Abschluss „Staatlich geprüfte/r Techniker/in“ mit dem Profil „Konstruktion“ einer Technikakademie mit einem ingenieurwissenschaftlichen Bachelor-Studiengang im Bereich „Maschinenbau“ an einer deutschen Fachhochschule verglichen werden.
Um die Berufsbezeichnung »Staatlich geprüfte/r Techniker/in« führen zu dürfen, müssen der entsprechende Weiterbildungsstudiengang an einer Fachschule für Technik, auch Technikerschule oder Technikakademie genannt, absolviert und die staatliche Prüfung erfolgreich abgelegt werden. Der Technikerabschluss ist kein akademischer Grad, sondern eine staatliche Prüfung. Im Gegensatz zu den Aus- und Fortbildungsberufen nach BBiG und HwO (Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung), die bundesrechtlich geregelt sind, unterliegt der/die »Staatlich geprüfte Techniker/in« als schulischer Berufsabschluss der Regelungsbefugnis der Länder, zwischen denen in Bildungsfragen eine bundesweite Koordination durch die Kultusministerkonferenz (KMK) stattfindet. Für die Fachschulausbildung und damit auch für den Technikerabschluss besteht die zentrale Rechtsgrundlage in der Rahmenvereinbarung über Fachschulen (KMK-Beschluss Nr. 429 vom 07.11.2002), die von den Ländern in ihren Schulgesetzen und in Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen umgesetzt wird.
Die Technikerschulen oder Technikakademien sind je nach Bundesland entweder Fachschulen in Berufsschulzentren, Berufskollegs, selbständige private Schulen oder staatliche Schulen. Staatliche Technikerschulen können organisatorisch sehr unterschiedlich strukturiert sein. So können Technikerschulen Teil eines Berufsschul- oder Fachschulzentrums sein oder auch als reine Technikerschulen agieren. Einzelne Technikerschulen führen die Technikerweiterbildung in Form von Fernlehrgängen durch. Insgesamt gibt es über 300 Technikerschulen und Technikakademien in Deutschland.
Die berufliche Weiterbildung an Technikerschulen dauert als Vollzeitkurs zwei Jahre (vier Semester), als berufsbegleitender Teilzeitkurs vier Jahre (8 Semester). Die Technikerweiterbildung kann aber auch als Fernlehrgang mit flexibler Zeiteinteilung absolviert werden. Viele Technikerschulen bieten beide Studienformen, das heißt Vollzeit- und Teilzeitform, nebeneinander an. Obwohl es keine bundesweit einheitlichen Lehrpläne gibt, umfasst die Technikerweiterbildung eine Mindestregelstundenzahl von 2.400 Unterrichtsstunden. Demnach hat die Technikerweiterbildung etwa die doppelte Stundenzahl wie die Meisterfortbildung mit etwa 1.200 Unterrichtsstunden.
Zugangsvoraussetzungen für die Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker sind:
a) Eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem nach Bundes- oder Landesrecht anerkannten und für die Ziele der Technikerweiterbildung einschlägigen Ausbildungsberuf plus mindestens einjährige Berufstätigkeit in dem erlernten Beruf nach Abschluss der Erstausbildung.
b) Alternativ zur abgeschlossenen Ausbildung ist als Zugangsvoraussetzung eine fünfjährige qualifizierte Tätigkeit in einem der Fachrichtung entsprechenden Beruf nachzuweisen.
Die Fächerstruktur der Technikerweiterbildung besteht aus vier Schwerpunkten, von denen die ersten drei (Lernbereiche I–III) den so genannten Pflichtbereich bilden:
Innerhalb der Technikerweiterbildung muss eine Projektarbeit erstellt werden. Sie kann die Form einer wissenschaftlichen Arbeit oder die Lösung eines gestellten praktischen Problems zum Inhalt haben, zu der sämtliche notwendige Berechnungen und Entscheidungen ersichtlich in einer umfangreichen Facharbeit dokumentiert werden müssen. Thema und Bewertung werden im Abschlusszeugnis aufgeführt. Die Technikerweiterbildung schließt mit einer staatlichen Prüfung ab, welche aus vier Prüfungen besteht, die verschiedene Schwerpunkte der Fachausbildung abdecken müssen. Die Abschlussprüfung zum/zur „Staatlich geprüften Techniker/in“ findet unter Vorsitz des zuständigen Oberschulamtes statt.
Alle Technikerschulen unterstehen den Bildungsministerien der Länder. Diese sind für die Aufsicht über die Curricula und die Durchführung der Prüfungen verantwortlich. Seit mehreren Jahren sind die Technikerschulen dabei, analog zu den Berufschulen, ihre Curricula auf Lernfelder umzustellen. Die am Äquivalenzvergleich beteiligte Technikakademie hatte ihr Curriculum bereits auf Lernfelder umgestellt.
Der Abschluss »Staatlich geprüfte/r Techniker/in« kann in einer Vielzahl beruflicher Fachrichtungen erworben werden, die oftmals noch in Schwerpunkte untergliedert sind. Bei der Bundesagentur für Arbeit waren 2008 insgesamt 77 Fachrichtungen der Technikerweiterbildung verzeichnet, von denen 15 eine Spezialisierung in Schwerpunkte aufweisen, die von Bundesland zu Bundesland variieren. Hierbei liegt die Fachrichtung Maschinentechnik mit 13 Schwerpunkten (einschließlich einer Variante ohne Spezialisierung) an der Spitze. Einschließlich dieser Schwerpunktausbildungen und bereinigt um Überschneidungen können insgesamt etwa 140 Berufsprofile mit dem Abschluss »Staatlich geprüfte/r Techniker/in« identifiziert werden (BERUFENET, http://berufenet.arbeitsagentur.de, Stand 26.05.2008). Eine Ursache für die die ausgeprägte Spezialisierung und Differenzierung der Technikerangebote ist die starke Ausrichtung der Fachschulen an den spezifischen Qualifizierungsbedürfnissen der regionalen Industrie.
In der Vergangenheit stand nach Abschluss der Technikerweiterbildung in allen Bundesländern unter bestimmten Bedingungen den Absolventen ein Zugang zum Studium an einer Fachhochschule offen. Der KMK-Beschluss vom 6.3.2009 eröffnet den Absolventen von beruflichen Aufstiegsfort- und -weiterbildungen, das heißt Meistern, Technikern, Fachwirten und Inhabern gleich gestellter Abschlüsse den allgemeinen Hochschulzugang (vgl. KMK 2009).
In einem ersten Schritt wurden 15 der insgesamt 26 Studienmodule für den weiteren Äquivalenzvergleich ausgewählt (Abb.1). Bei dieser Vorauswahl wurden solche Module selektiert, die bezüglich ihrer Inhalte zumindest teilweise Überschneidungen zur Technikerweiterbildung aufwiesen. Anders als der eigentliche Äquivalenzvergleich basierte die Vorauswahl der Module lediglich auf Curriculums- bzw. Modulbeschreibungen.
Abb. 1: Vorauswahl der Studienmodule für den Äquivalenzvergleich (grün=ausgewählt)
Bei einem Treffen von Vertreter/inne/n der Technikakademie und der Fachhochschule wurde die Durchführung eines Äquivalenzvergleichs vereinbart. Das Modellprojekt CREDIVOC moderierte den Vergleichsprozess und lieferte die notwendigen Instrumente und Verfahren. Die Technikakademie und die Fachhochschule einigten sich auf einen Fachgutachter, der unter Anleitung des Modellprojekts die Begutachtung durchführen sollte.
Der Äquivalenzvergleich nach dem Oldenburger Modell basiert in erster Linie auf authentischen Lern- und Prüfungsunterlagen. Der Gutachter arbeitet mit Skripten, Foliensätzen, Textbänden, Prüfungen und Prüfungsbearbeitungen aus den jeweiligen Lernkontexten. Für die beteiligten Bildungseinrichtungen ergab sich daraus zunächst die Aufgabe, die notwendigen Dokumente und Materialien zusammenzustellen.
Das Gewinnen authentischer Informationen über Lerninhalte und -erfolgskontrollen ist häufig mit Problemen verbunden: Die Bildungsanbieter (Fortbildungseinrichtungen und Hochschulen) verfügen meist nicht über alle benötigten Dokumente. Die Dozenten und Referenten verwenden oft eigene Präsentationen, Skripte und Prüfungsaufgaben und sind nicht immer bereit, diese für einen Äquivalenzvergleich zur Verfügung zu stellen. Im beschriebenen Fall gelang es jedoch sowohl der Technikakademie als auch der Fachhochschule innerhalb kurzer Zeit, die benötigten Dokumente für alle ausgewählten Module bzw. Lernfelder zusammenzustellen. Anhand dieser Unterlagen führte sodann der Fachgutachter den eigentlichen Äquivalenzvergleich durch.
Der Äquivalenzvergleich nach dem Oldenburger Modell besteht aus separaten Inhalts- und Niveauvergleichen für jedes ausgewählte Studienmodul. Für den Inhaltsvergleich steht mit der Learning-Outcome-Matrix (LOM) ein Instrument zur Bestimmung der inhaltlichen Abdeckung der Lernergebnisse eines Studienmoduls durch ein oder mehrere Vergleichsfächer bzw. -lerneinheiten zur Verfügung (MÜSKENS/ MÜSKENS/ HANFT 2008). Üblicherweise sind die Gutachter gehalten, 5 bis 15 Lernergebnisse pro Studienmodul in die LOM einzutragen. Für den hier betrachteten Maschinenbau-Studiengang erwies sich eine solche Beschreibung jedoch als zu ungenau. Eine Reihe von Modulen (u.a. Konstruktion A, Produktion, Produktentwicklung, Produktionstechnik, Technische Mechanik A, Wirtschaft und Recht sowie Mathematik) bestanden aus mehreren Lernfeldern, für die jeweils gesonderte Lernergebnisabdeckungen bestimmt werden konnten.
Die mittels LOM berechneten Abdeckungen der Lernergebnisse der Module durch die Techniker-Weiterbildung betrugen zwischen 0% (Informatik) und 95% (Elektrotechnik). Der Median des Abdeckungsgrades der 12 ausgewählten Studienmodule betrug 40,6%. Bei vier der ausgewählten Module ergab sich eine Lernergebnisabdeckung von mehr als 70% (Elektrotechnik, Fertigungsverfahren, Konstruktion A und Qualitätsmanagement). Insofern zugleich eine ausreichende Übereinstimmung des Niveaus vorliegt, kann für diese Module eine Anrechnungsempfehlung gegeben werden.
Mit dem Module Level Indicator (MLI) steht ein bereichsübergreifendes Instrument zur Bestimmung des Niveaus einer Lerneinheit zur Verfügung. Der MLI wurde bislang im kaufmännisch-wirtschaftswissenschaftlichen (MÜSKENS/ GIERKE 2009) sowie im Bereich der Gesundheitsberufe (KNIGGE-DEMAL/ SCHÜRMANN 2009) eingesetzt. Mit dem hier durchgeführten Vergleich sollte erstmals die Verwendbarkeit des MLIs im technischen/ingenieurwissenschaftlichen Bereich erprobt werden.
Der MLI besteht aus insgesamt 51 Kriterien (Items), die sich auf die Lernergebnisse und ‑erfolgskontrollen einer einzelnen Lerneinheit beziehen. Ziel einer MLI-Bewertung ist somit die Niveaubestimmung einer Lerneinheit – und nicht etwa eines Abschlusses oder einer Qualifikation. Damit unterscheidet sich der MLI in seiner Funktion und Zielsetzung grundsätzlich von Qualifikationsrahmen (wie dem EQF oder dem DQR), auch wenn diese für die Entwicklung und Validierung des MLIs eine bedeutsame Rolle spielten.
Die 51 Items des MLIs werden in einem ersten Schritt zu 9 Ergebnisskalen verrechnet: Breite und Aktualität des Wissens, Kritisches Verstehen, Interdisziplinarität, Problemlösen, Praxisbezug, Innovation und Kreativität, Selbständigkeit, Kommunikation sowie Berücksichtigung sozialer und ethischer Fragen. Die Reliabilitäten der Ergebnisskalen (interne Konsistenzen) liegen zwischen α=.62 und α=.89. Das arithmetische Mittel der Ergebnisskalen bildet den MLI-Gesamtwert und damit das Niveau der bewerteten Lerneinheit.
Beim hier vorgenommenen Äquivalenzvergleich berichtete der Gutachter Schwierigkeiten bei der Bewertung der Items der Skalen „Kommunikation“ und „Berücksichtigung sozialer und ethischer Fragen“. Für beide Skalen beinhalteten die vorliegenden Dokumente der Technikakademie bzw. der Fachhochschule nach Einschätzung des Gutachters keine ausreichenden Informationen, um eine Bewertung der entsprechenden Items vornehmen zu können. Darüber hinaus sah der Gutachter insbesondere für die letzte Skala keine hinreichende Relevanz für den Bereich „Maschinenbau“. Auf eine Bewertung der Items dieser Skalen wurde daher verzichtet. Der im Folgenden berechnete MLI-Gesamtwert basiert daher lediglich auf den verbleibenden 7 Ergebnisskalen.
Abb. 2: MLI-Niveau der Studienmodule (gelb) und Fortbildungslernfelder (blau)
Insgesamt 11 Studienmodule und 5 Lernfelder der Technikerweiterbildung wurden anhand des MLIs bewertet (Abb. 2). Die MLI-Gesamtwerte lagen bei sämtlichen Bewertungen zwischen 3,6 und 5,4. Bachelor-Studienmodule erreichen üblicherweise MLI-Gesamtwerte zwischen 3,5 und 5,5, d.h. sowohl die bewerteten Studienmodule als auch die Lernfelder der Weiterbildung entsprechen hinsichtlich ihres MLI-Niveaus typischen Bachelor-Modulen.
Zur Durchführung des Niveauvergleichs werden jeweils Studienmodule und Lernfelder der Weiterbildung mit korrespondierenden Lernergebnissen einander gegenübergestellt. Eine Anrechnung wird (bei ausreichender inhaltlicher Übereinstimmung) empfohlen, wenn das Niveau der Fortbildung nicht mehr als 0,5 MLI-Niveaustufen unterhalb des Niveaus des entsprechenden Studienmoduls liegt. Bei zwei der vorgenommenen Niveauvergleiche ergaben sich für die Weiterbildung höhere MLI-Niveaus als für die korrespondierenden Fachhochschulmodule. Dies betraf das Nebenfach „Elektrotechnik“ sowie das Modul „Qualitätsmanagement“. Bei „Fertigungsverfahren“ lag das Niveau des korrespondierenden Lernfeldes unwesentlich unterhalb des Studienmoduls (Abb. 3 und 4).
Abb. 3: Zusammenfassende Matrix der Inhalts- und Niveauübereinstimmungen (Teil 1)
Abb. 4: Zusammenfassende Matrix der Inhalts- und Niveau-übereinstimmungen (Teil 2)
Insgesamt wurden im Rahmen des Anrechnungsgutachtens folgende Anrechnungsempfehlungen an den Studiengang gegeben:
Betrachtet man lediglich die unmittelbaren Anrechnungsempfehlungen, die auf der Grundlage des Äquivalenzvergleichs gegeben werden konnten, so fällt der Anrechnungsumfang enttäuschend aus: Ohne Änderungen der Weiterbildung bzw. des Studiengangs konnte zunächst nur eine Anrechnung von Fächern und Modulen im Umfang von 18 KP empfohlen werden. Das sind weniger als 10% des Workloads des gesamten Bachelor-Studiengangs (210 KP) (Abb. 5).
Abb. 5: Übersicht der Anrechnungsempfehlung: unmittelbar anrechenbare Module (grün), teilweise oder nach geringfügigen Anpassungen anrechenbare Module (ocker), keine Anrechnungsempfehlung (rot)
Die Implementierung solcher geringfügigen Anrechnungsmöglichkeiten führt zwar zu keiner (oder keiner bedeutsamen) Reduzierung der Studiendauer, kann aber dennoch sinnvoll sein: Durch die Anrechnung erhalten gerade beruflich qualifizierte Studierende ohne Abitur zusätzliche Zeitfenster im Studium, die sie dazu nutzen können, fehlendes Grundlagenwissen (z.B. in naturwissenschaftlichen Fächern) nachzuholen. Beruflich qualifizierte Studierende ohne Abitur fühlen sich häufig in den ersten Semestern von der Stofffülle überfordert. Hier können einzelne angerechnete Module oder Fächer notwendige Freiräume schaffen.
Doch die Umsetzung der Ergebnisse eines Äquivalenzvergleichs muss sich nicht auf die pauschale Anrechnung einiger Module bzw. Fächer beschränken. Zum Abschluss des CREDIVOC-Projektes wurden daher auf einer Reihe von Workshops mit Vertretern von Techniker- und Fachhochschulen Konzepte für eine auf den Vergleich aufbauende umfassendere Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen den beiden Bildungsbereichen entwickelt.
Bei einer Reihe von Modulen und Fächern konnte die Anrechnung entweder aufgrund einer zu geringen inhaltlichen Abdeckung der Lernergebnisse oder eines unzureichenden MLI-Niveaus der korrespondierenden Lernfelder nicht empfohlen werden. Allerdings ließe sich durch relativ geringe Veränderungen der Inhalte, der Form der Wissensvermittlung bzw. der Lernerfolgskontrollen der Weiterbildung eine Anrechenbarkeit für diese Fächer bzw. Module erreichen. Durch eine entsprechende Anpassung der Technikerweiterbildung könnte der Anrechnungsumfang auf insgesamt 53 KP (d.h. beinahe ein Vollzeit-Studienjahr) erhöht werden.
Der Äquivalenzvergleich liefert detaillierte Informationen, wie mögliche Anpassungen der Weiterbildung gestaltet werden müssten, um einen möglichst hohen Anrechnungsumfang zu erreichen. So zeigt beispielsweise ein Profilvergleich der MLIs des Lernfeldes „Maschinentechnische Produkte konstruieren“ mit dem korrespondierenden Modul „Konstruktion B“ deutlich höhere Werte der Skalen „Interdisziplinarität“, „Problemlösen“, „Praxisorientierung“ und „Selbstständigkeit“ des Studienmoduls gegenüber dem Fortbildungsfach (Abb. 6 und 7). Diese Skalen liefern somit mögliche Ansatzpunkte für eine Erhöhung des MLI-Niveaus des Lernfeldes.
Abb. 6: MLI-Ergebnisse des Lernfeldes „Maschinentechnische Produkte...konstruieren“
Abb. 7: MLI-Ergebnisse des Studienmoduls „Konstruktion B“
Die potenziell anrechenbaren Module und Fächer verteilen sich über die Semester 1-3 und 5. Selbst bei einer Anpassung der Technikerweiterbildung mit dem Ziel einer möglichst hohen Anrechenbarkeit ergibt sich daher noch keine Verkürzung der Studiendauer für staatlich geprüfte Techniker/innen, da keines der Semester vollumfänglich angerechnet werden kann. Um tatsächlich die Studiendauer zu reduzieren, muss daher ein spezielles Curriculum für Studierende erstellt werden, die die Anrechnung in Anspruch nehmen möchten. Ein solches Curriculum sollte die nach der Anrechnung verbleibenden Module bzw. Fächer auf möglichst wenige Semester konzentrieren und dabei gleichzeitig sicherstellen, dass alle notwendigen Studienmodule belegt bzw. Kreditpunkte erworben werden können.
Ein solches Anrechnungscurriculum kann vorsehen, dass Module in ein anderes Semester verlegt werden, so dass z.B. ein nicht angerechnetes Modul anstatt im vollständig entfallenden ersten Semester dann im dritten Semester belegt werden kann. Lässt die Angebotshäufigkeit bestimmter Module eine Verlegung in ein geeignetes Semester nicht zu, so können andere Formen der Flexibilisierung eines Studiengangs erwogen werden, um ein Anrechnungscurriculum zu erstellen. Diese können z.B. das Ersetzen eines Präsenz- durch ein Online-Modul oder die Nutzung eines Moduls eines anderen Studiengangs (z.B. auch einer anderen Hochschule) für Anrechnungsstudierende vorsehen.
Die Gestaltung von Anrechnungscurricula steht bislang in einem Spannungsverhältnis zur Studiengangsakkreditierung. Die Akkreditierung bezieht sich gegenwärtig meist auf ein fest definiertes Standard-Curriculum eines Studiengangs. Um eine Reduzierung der Studienzeiten für beruflich Qualifizierte zu erreichen, müsste die Akkreditierung die Einrichtung davon abweichender Anrechnungscurricula ermöglichen.
Spezielle Anrechnungsempfehlungen, wie sie auf der Grundlage eines Äquivalenzvergleichs hier erstellt wurden, berücksichtigen nur diejenigen Teile einer Weiterbildung, deren Lernergebnisse mit entsprechenden Lernergebnissen des Studiengangs korrespondieren, auf den angerechnet werden soll. Der inhaltliche Zuschnitt bzw. die Profilbildung des Studiengangs beeinflusst hierbei den Anrechnungsumfang.
Im Rahmen des niedersächsischen Modellvorhabens „Offene Hochschule“ wird seit 2010 ein neues Verfahren der Begutachtung von beruflichen Fort- und Weiterbildungen entwickelt, das auch nicht-korrespondierende Lernergebnisse von Fort- und Weiterbildungen dokumentiert. Bei diesem Verfahren wird ein Äquivalenzvergleich zwischen einer beruflichen Qualifikation und einem hochschulischen Referenzstudiengang verwendet, um für alle Lerneinheiten (Fächer, Lernfelder, etc.) der beruflichen Fort- oder Weiterbildung eine Anrechnungsempfehlung zu erstellen. Diese allgemeine Anrechnungsempfehlung beinhaltet Informationen über Niveaus, Lernergebnisse und Workloads sämtlicher Lerneinheiten.
Allgemeine Anrechnungsempfehlungen richten sich nicht nur an den Zielstudiengang des Äquivalenzvergleichs sondern auch an Studiengänge des gleichen Faches an anderen Hochschulen (Abb. 8). Liegt für eine Fort- oder Weiterbildung eine allgemeine Anrechnungsempfehlung vor, so lassen sich darüber hinaus auch Fächer oder Lernfelder identifizieren, die hinsichtlich ihres Niveaus und Workloads einem Studienmodul (bzw. einer bestimmten Anzahl von Kreditpunkten) entsprechen, ohne dass diese mit einem bestimmten Studienmodul inhaltlich korrespondieren müssen. Solche Lernfelder oder Fächer lassen sich dann beispielsweise auf Wahlmodule oder Wahlbereiche innerhalb eines Studiengangs anrechnen, so dass der Anrechnungsumfang für eine Fort- oder Weiterbildung insgesamt noch einmal erhöht werden kann.
Abb. 8: Allgemeine Anrechnungsempfehlung schematisch
Allgemeine Anrechnungsempfehlungen können zwar von mehreren Studiengängen genutzt werden, wie spezifische Anrechnungsempfehlungen beziehen sie sich aber auch nur auf eine bestimmte Fort- oder Weiterbildung. Bei einer beruflichen Weiterbildung, wie dem/die staatlich geprüfte/n Techniker/in, dessen inhaltliche und didaktische Ausgestaltung von Technikerschule zu Technikerschule unterschiedlich erfolgen kann, müsste für jedes fachschulische Angebot eine erneute Begutachtung erfolgen.
Die Ergebnisse des Äquivalenzvergleichs können aber auch genutzt werden, um beispielhaft für eine Technikerweiterbildung und einen Fachhochschulstudiengang Überschneidungen der Lernergebnisse zu definieren und daraus Übergangsstandards für einen Verbund mehrerer Technikerschulen und Fachhochschulen zu definieren. Solche Übergangstandards beschreiben ein bestimmtes Set von Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen, das an allen dem Verbund angehörenden Weiterbildungseinrichtungen vermittelt wird und bei allen beteiligten Fachhochschulen angerechnet wird. Damit bilden Übergangsstandards die bislang am weitesten reichende Form einer Öffnung der Hochschulen gegenüber beruflichen Lernergebnissen auf der Grundlage eines Äquivalenzvergleichs.
Die im Anschluss an die ANKOM-Projekte entwickelten Generalisierungen der pauschalen Anrechnung über spezifische zu allgemeinen Anrechnungsempfehlungen und schließlich hin zu Übergangsstandards weisen einen Weg auf aus dem häufig beklagten Dilemma zwischen Aufwand und Qualitätssicherung von Äquivalenzvergleichen und verdeutlichen das noch weitgehend ungenutzte Potenzial dieser Verfahren für die Gestaltung von Übergängen zwischen beruflicher und akademischer Bildung.
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