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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS28 - Hochschulzugang
Herausgeber: Antje Barabasch & Ernst A. Hartmann


Titel:
Durchlässigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung


Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen an der Alice Salomon Hochschule Berlin - Praxiserfahrungen

Beitrag von Adriana SAVA (Alice Salomon Hochschule Berlin)

Abstract

Die Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) beteiligt sich seit vielen Jahren an Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten mit dem Ziel, berufliche und hochschulische Bildung im Sinne der Förderung des lebenslangen Lernens miteinander zu verbinden und die Durchlässigkeit der Bildungsgänge sicherzustellen. Damit leistet die ASH einen sehr wichtigen Beitrag zur Vollbringung eines der Bologna-Hauptziele, mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungssektoren zu ermöglichen. Sie beschäftigt sich intensiv mit der Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen in mehreren Studiengängen. Zu Beginn des Beitrags werden die bestehenden Anrechnungsverfahren an der ASH präsentiert, wobei die Ziele und die Modalitäten dargestellt werden. Der zweite und wesentlich größere Teil des Beitrags spricht das Schwerpunktthema an. Das Portfolioverfahren wird als Grundlage der individuellen Anrechnung von beruflichen Kompetenzen von Erzieherinnen im Bachelor-Studiengang Erziehung und Bildung im Kindesalter vorgestellt. Seit dem Sommersemester 2008 können immatrikulierte Studierende des BA-Studiengangs Erziehung und Bildung im Kindesalter, die bereits eine Fachschulausbildung als Erzieher/-in absolviert haben, die Anrechnung vorhandener Kompetenzen auf ausgewählte Module des Studiengangs beantragen. Das Portfolio-Verfahren wurde an der ASH im Rahmen von zwei Forschungsprojekten entwickelt und durchgeführt: dem Entwicklungsprojekt im Rahmen der BMBF-Initiative "Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulausbildungen" (AnKom) und dem Projekt „Professionalisierung von ErzieherInnen“, das durch den Europäischen Sozialfonds gefördert wurde.

1 Ziele und Modalitäten der Anrechnung an der ASH

Viele ASH-Studierende bringen eine mehrjährige berufliche Erfahrung ins Studium mit, die zuvor nicht auf akademischem Niveau anerkannt werden konnte. Derzeit bieten einige ASH-Studiengänge die Möglichkeit an, Kompetenzen auf ASH-Module anrechnen zu lassen, die im Rahmen der Berufstätigkeit, der beruflichen Ausbildung oder im Rahmen von Weiterbildungen erworben wurden. Die Kenntnisse und die Fähigkeiten müssen den Lernzielen, den Inhalten und dem Kompetenzniveau des anzurechnenden ASH-Moduls entsprechen. Gemäß KMK-Beschluss vom 18.09.2008 (KMK 2008) ist es möglich bis zu maximal 50% des Studienumfangs durch außerhochschulische Kompetenzen zu ersetzen.

1.1 Ziele

An der ASH verfolgen die bisher entwickelten Verfahren für die Anrechnung von außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen zwei Ziele:

  • Erstens sollen Doppelungen im Lernprozess vermieden und dadurch die Präsenzzeiten im Studium reduziert werden.
  • Zweitens dienen sie zum „Nachholen“ von ECTS-Kreditpunkten bei Masterstudierenden,>die einen Bachelor mit 180 ECTS-Kreditpunkten absolviert haben. Für den Masterabschluss werden unter Einbeziehung des vorangehenden Studiums 300 ECTS- Kreditpunkte benötigt. Die Studierenden mit einem Bachelor mit weniger als 210 ECTS-Kreditpunkten müssen zusätzlich bis zur Anmeldung der Masterarbeit 30 ECTS-Kreditpunkte erbringen.

1.2 Modalitäten

Beide Formen der Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen werden an der ASH praktiziert: Das individuelle und das pauschale Verfahren.

Individuelle Anrechnungsverfahren ermöglichen die>Prüfung und die Anerkennung der Kompetenzen aus der Aus- und Weiterbildung und/oder der Berufspraxis von Studierenden durch ein von der Alice Salomon Hochschule entwickeltes Prüfverfahren (Portfolioverfahren). Die Äquivalenzprüfung erfolgt individuell und ist daher personenbezogen. Die individuelle Anrechnung verlangt in der Regel viel Bearbeitungszeit, sowohl seitens der Studierenden als auch seitens der betreuenden Modulverantwortlichen sowie der Verwaltung.

Ein pauschales Anrechnungsverfahren ist dagegen institutionenbezogen. Pauschale Anrechnungsverfahren beruhen auf Kooperationen mit Fachschulen, mit Berufsschulen und mit Weiterbildungseinrichtungen, deren Absolventinnen damit ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand die Anrechnung bestimmter Kompetenzen beanspruchen können, wenn sie an der Alice Salomon Hochschule immatrikuliert sind (VON BALLUSECK, H./ KRUSE, E./ PANNIER, A./ SCHNADT, P. 2008, 161). Eine pauschale Anrechnung kann nur im Sinne des „Ersetzens“ stattfinden. Dagegen dienen individuelle Anrechnungsverfahren zum Ersetzen von Studienleistungen sowie zum Nachholen von fehlenden ECTS-Kreditpunkten bei Masterstudierenden. Beide Anrechnungswege können additiv genutzt werden.

1.3 Studiengänge

An der ASH wurde ein erstes Verfahren für die Anrechnung von außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen im Bachelor-Studiengang „Gesundheits- und Pflegemanagement“ (B.Sc.) entwickelt und implementiert. Es handelt sich dabei um ein individuelles Anrechnungsverfahren, das im Rahmen des Studienmoduls „Berufsbezogene Reflexion“ stattfindet (PIECHOTTA, G./ PEHLKE-MILDE, J., 2008). Inzwischen können Studierende dieses Studienganges weitere Module sowohl individuell als auch pauschal anrechnen lassen. Im Rahmen der individuellen Anrechnung müssen die antragstellenden Studierenden zu jedem anzurechnenden Modul (z. B. durch Zeugnisse, dokumentierte Lernergebnisse etc.) qualifiziert nachweisen, dass sie über die Kenntnisse und die Fähigkeiten verfügen, die den Lernergebnissen, den Inhalten, dem Niveau und dem Umfang des zu ersetzenden Moduls (oder der Module) entsprechen.

Ein anderer Studiengang, der sich sehr intensiv mit den beiden Formen der Anrechnung befasst, ist der Bachelor-Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“. Die Anrechnungsverfahren wurden im Rahmen von zwei Forschungsprojekten entwickelt und durchgeführt: In einem Entwicklungsprojekt der BMBF-Initiative "Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulausbildungen" (AnKom, 2005-2008) und im ESF-Projekt „Professionalisierung von ErzieherInnen“ (2006-2007). Dabei wurden die in der Aus- und Weiterbildung, teilweise auch die in der Praxis erworbenen Kompetenzen, zur Hochschulbildung in Beziehung gesetzt, um Entscheidungen darüber treffen zu können, welche Teile im Rahmen des Hochschulstudiums angerechnet werden können (VON BALLUSECK, H./ KRUSE, E./ PANNIER, A./ SCHNADT, P., 2008).

Die Kooperationsverträge für die pauschale Anrechnung im Bachelor-Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ wurden Ende 2010 um weitere zwei Jahre verlängert. Dabei waren die Kooperationspartner (Fachschulen und andere Träger der beruflichen Bildung) an der Verlängerung der bestehenden Vereinbarungen sehr interessiert, weil sie dadurch ihre eigenen beruflichen Aus- und Weiterbildungsangebote attraktiver machen können. Die Fortsetzung dieser Kooperationen spricht auch für das gegenseitige Vertrauen zwischen den beiden unterschiedlichen Bildungsbereichen, die vor einigen Jahren noch strikt voneinander getrennt waren: beruflich und akademisch.

Voraussichtlich können die Möglichkeiten der Anrechnung bei weiteren ASH-Studiengängen angeboten werden. Die Arbeit, die die Entwicklung und die Umsetzung von solchen Verfahren voraussetzt, kann monate- bis jahrelang dauern, weil vielfältige Aspekte berücksichtigt werden müssen, sowohl in Bezug auf theoretische Hintergründe der jeweiligen Verfahren als auch in Bezug auf deren praktische Umsetzung in der Hochschule. Aus den bisherigen Erfahrungen mit den Anrechnungsverfahren ergibt sich, dass die bestehenden Verfahren nicht sogleich auf weitere Studiengänge übertragen werden können. Das erklärt sich durch die Spezifität der Fachbereiche und durch die verschiedenen Bedarfe, die für jeden einzelnen Studiengang identifiziert werden können.

2 Die Umsetzung des Portfolio-Verfahrens im Bachelorstudiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“

Die individuelle Anrechnung wurde zum Sommersemester 2007 erstmals mit fünf berufserfahrenen Erzieherinnen durchgeführt und stützt sich auf ein elaboriertes Portfolioverfahren. Zu dem Portfolio gehört ein Lebenslauf – in dem die schulischen und beruflichen Bildungswege ebenso dargestellt werden wie die Erfahrungen, die in der Berufspraxis erworben wurden –  ein Lerntagebuch, Arbeitsbögen sowie verschiedene Dokumentationen als Anhang (VON BALLUSECK, H./ KRUSE, E./ PANNIER, A./ SCHNADT, P., 2008).

2.1 Kurze Präsentation des Studiengangs

Dieser erste grundständige Studiengang für Erzieher/-innen in Deutschland bildet für die Arbeit mit Kindern von der Geburt bis zum Ende des 12. Lebensjahres aus. Das Studium wird sowohl in Form eines Präsenzstudiums als auch in einer berufsintegrierenden Studienform angeboten. Die Studiendauer beträgt sieben Semester, erworben werden müssen 210 ECTS-Kreditpunykte und es werden 40 Studienplätze im Jahr vergeben. Die Zulassung erfolgt zweimal jährlich: Zum Sommersemester für die Präsenzstudienform und zum Wintersemester für die berufsintegrierende Studienform. Zulassungsvoraussetzungen sind:

  • Allgemeine Hochschulreife (Abitur)
  • Fachhochschulreife
  • Bewerberinnen mit Realschulabschluss, geeigneter Berufsausbildung und mind. 4 jährige Berufstätigkeit nach Paragraph §11 Berliner Hochschulgesetz (das wird sich mit der BerlHG-Novelle ändern).

2.2 Formale Verankerung der Anrechnungsverfahren

Die Verfahren für die Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen im Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ sind in der Prüfungsordnung vom 24.06.2008 geregelt: Unter Paragraph 10, Absatz 7, „Anrechnung von Lern- und Prüfungsleistungen sowie von außerhochschulisch erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten“. Hier werden kurz die Möglichkeit und die Modalitäten der Antragsstellung erwähnt. Näheres dazu regelt die Anlage 3 zur Prüfungsordnung, die die verschiedenen Aspekte der Anrechnung detailliert regelt, wie zum Beispiel: Allgemeines zu den Modalitäten und den Zwecken der Verfahren für die Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen, Voraussetzungen für die pauschale und die individuelle Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen, Beantragung der Anrechnung durch Studierende, anrechnungsfähige Module für beide Studienformen (Präsenz- und berufsintegrierend), Gestaltung der Äquivalenzprüfung im Rahmen der individuellen Anrechnung (Portfolioverfahren, Prüfungskriterien). Die Prüfungsordnung steht auf der ASH-Homepage zum Download zur Verfügung: www.ash-berlin.eu/uploads/media/Pruefungsordnung_EBK_AM22_01.pdf

2.3 Antragstellung: Voraussetzungen, Antragsformulare

Die Möglichkeit der Antragstellung besteht nur für immatrikulierte Studierende, die eine anerkannte Ausbildung zur Erzieher/-in absolviert haben. Zusätzliche Voraussetzungen sind:

  • mit Hochschulzugangsberechtigung und mit aktueller Tätigkeit als Erzieher/-in (mindestens bis zu Aufnahme des Studiums).
  • ohne Hochschulzugangsberechtigung und mit aktueller Beschäftigung als Erzieher/-in (mindestens bis zur Aufnahme des Studiums) und Nachweis einer einschlägigen Berufstätigkeit von mehr als 4 Jahren Dauer.
  • mit Hochschulzugangsberechtigung und ohne aktuelle Beschäftigung als Erzieher/-in, wenn die Berufsausbildung an einer Fachschule für Erzieher/-innen nicht länger als fünf Jahre zurückliegt.

Neben diesen Voraussetzungen gibt es noch weitere Regelungen, die bei einer Anrechnung eine wichtige Rolle spielen. Durch den bereits genannten KMK-Beschluss von 2008 ist „eine Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium jedoch nur bis zu 50% möglich“. Dies würde im Fall des Bachelor-Studiengangs „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ maximal 105 ECTS-Kreditpunkten entsprechen.

Anträge auf individuelle Anrechnung außerhochschulisch erworbener Lernleistungen sollen bezogen auf ein bestimmtes Modul gestellt werden. Bei der Auswahl von anzurechnenden Modulen orientieren sich die Studierenden an den Beschreibungen der Lernergebnisse, die im Modulhandbuch des Studienganges zur Verfügung stehen. Diese Beschreibungen ermöglichen den Vergleich zwischen den außerhalb der Hochschule erworbenen Kompetenzen und den angestrebten Kompetenzen in den jeweiligen Modulen des Studiengangs. Außerdem werden die Studierenden auch die Listen von „anrechnungsfähigen“ Modulen berücksichtigen, die in der Prüfungsordnung nach Studienform und nach Anrechnungsmodalität festgelegt sind. Für eine individuelle Anrechnung kann auch ein frei zu wählendes Modul in Betracht kommen, solange es sich dabei weder um die Bachelorarbeit noch um Projekte handelt. Dagegen ist die Liste von „anrechnungsfähigen“ Modulen für eine pauschale Anrechnung strikt festgelegt.

Um die Antragsstellung und die Bearbeitung der Anträge im Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ zu vereinfachen, wurden vier Antragsformulare entwickelt, die jeder Studienform und jeder Modalität der Anrechnung entsprechen:

  1. Präsenzstudienform – Pauschale Anrechnung
  2. Präsenzstudienform – Individuelle Anrechnung
  3. Berufsintegrierende Studienform – Pauschale Anrechnung
  4. Berufsintegrierende Studienform – Individuelle Anrechnung

Diese deutliche Trennung der Formulare hat sich als nötig und vorteilhaft erwiesen, weil es getrennte Listen von „anrechnungsfähigen“ Modulen für jede Studienform und für jede Anrechnungsmöglichkeit gibt. Außerdem war es notwendig, zwischen verschiedenen Modulen in der berufsintegrierenden Studienform zu differenzieren, weil in dieser zwei Schwerpunkte für das Studium vorgesehen sind und manche Module nur in einem Schwerpunkt angeboten werden. Um diese vielfältigen Aspekte in der Anrechnungspraxis nachvollziehbar umsetzen zu können, wurden die vier getrennten Antragsformulare zum Sommersemester 2010 eingeführt.

2.4 Das Portfolioverfahren im Rahmen der individuellen Anrechnung

Das Portfolioverfahren dient zur Identifikation der studienrelevanten beruflichen Kompetenzen, die für eine Anrechung berücksichtigt werden können. Die Entwicklung des Verfahrens sowie die Umsetzung in der Hochschule haben sich als sehr aufwendig für alle Beteiligten erwiesen (Studierende, Modulveranwortliche, Verwaltung). Trotzdem bleibt das Portfolioverfahren das bisher am häufigsten benutzte Instrument für die Anrechung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen an der ASH. Immer mehr Studierende des Bachelor-Studiengangs „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ von beiden Studienformen (berufsintegrierende sowie Präsenzstudienform) nutzen die Möglichkeit der individuellen Anrechnung.

2.4.1 Information und Beratung der Studierenden

Die Möglichkeiten der Anrechnung im Bachelor-Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“, individuell sowie pauschal, werden den Studierenden zu Beginn des Studiums präsentiert. Erstens erhalten sie zusammen mit dem Immatrikulationsbescheid Informationsmaterial. Zweitens werden sie auf Veranstaltungen durch verschiedene Ämter über die Verfahren aufgeklärt. Hauptsächlich ist die Anrechnungsbeauftragte des Studierendencenters dafür zuständig. Wenn Fragen zur Anrechnung mit der Studiengangsstruktur oder mit der Studienplanung des jeweiligen Studiengangs zu tun haben, ist die Zusammenarbeit mit der jeweiligen Studiengangskoordination unerlässlich. Flyer zur Anrechung haben sich auch als sehr nützlich für die Verbreitung der Informationen und die Transparenz bzgl. der Anrechnungsverfahren erwiesen.

Viele Studierende sind mit dem Begriff „Portfolio“ im Bildungsbereich und dessen Zielen nicht vertraut und demzufolge wissen sie anfangs nicht, was sie zu bewältigen haben. Deswegen spielt die Beratung eine wichtige Rolle. Vor sowie während der Antragstellung wird den Studierenden erläutert, was die Grundlage der Entscheidung über die individuelle Anrechnung ihrer beruflichen Kompetenzen bildet und wozu das Portfolio dient. Besonders im Prozess der Berufstätigkeit werden vielfältige Erfahrungen und Kompetenzen aufgebaut. Mit dem Portfolio wird den Studierenden die Möglichkeit eröffnet, sich dieses zum Teil implizite Wissen bewusst zu machen und es zu dokumentieren. Die Dokumentation dient als Grundlage für die Anrechnung ihres Wissens und Könnens auf den Bachelor-Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“.

2.4.2 Struktur des Portfolios

Im Bildungsbereich ist das Portfolio „eine Art Leistungsmappe, in der die ‚Produkte’ aus einer individuellen Bildungsbiografie gesammelt und geordnet werden, um die Entwicklung der Lernenden sichtbar zu machen“ (VON BALLUSECK, H./ KRUSE, E./ PANNIER, A./ SCHNADT, P. 2008, 164). Während des ANKOM-Projekts wurde ein Formular für das Portfolio entwickelt, das einen Eingangstext mit allen benötigten Informationen zur Bearbeitung und zur Zusammensetzung des Portfolios beinhaltet.

Das Portfolioformular besteht aus:

  • Einem Lebenslauf (nach dem Modell des „Europass Lebenslaufs“), in dem die schulischen und beruflichen Bildungswege ebenso dargestellt werden wie die Erfahrungen, die in der Berufspraxis erworben wurden.
  • Einem Lerntagebuch. Mit dem Lerntagebuch erhalten die Anrechnungsstudierenden die Aufgabe, die eigene Arbeit zu vorgegeben Fragen zu reflektieren. Studierende, die im Moment der Antragstellung nicht als Erzieher/-in tätig sind und deren Berufabschluss als Erzieher/-in nicht länger als drei Jahre zurück liegt, können alternativ einen Bericht über ihr Fachpraktikum aus der zurückliegenden Berufsausbildung einreichen.

Das Lerntagebuch muss fünf Arbeitstage lang nach vorgegebenen Reflexionsaufgaben geführt werden:

  1. Tag: Führen Sie einen Tag lang Tagebuch! Notieren Sie sämtliche Ihrer beruflichen Tätigkeiten.

  2. Tag: Führen Sie wieder einen Tag lang Tagebuch! Dieses Mal beschreiben Sie bitte einen Aspekt (eine Spielsituation, eine Aktivität mit Kindern, eine Verwaltungstätigkeit…) Ihrer Tätigkeit ausführlich. Was genau haben Sie getan? Welche Schritte waren dazu nötig? Was war gut, was lief nicht so, wie Sie es sich vorgestellt haben?

  3. Tag: Führen Sie wieder einen Tag lang Tagebuch! Beobachten Sie eine Spielsituation in Ihrer Gruppe und dokumentieren Sie diese Situation. Welche Beobachtungen können Sie bezüglich einzelner Kinder und bezogen auf die Gruppensituation machen? Welche Schlüsse ziehen Sie für Ihre weitere Arbeit daraus?

  4. Tag: Versuchen Sie heute einmal Ihre Routine zu verändern. Ändern Sie die Reihenfolge Ihrer Tätigkeiten, sprechen Sie mit Ihren Kollegen/-innen und den Kindern einmal über andere Dinge oder verändern Sie den routinierten Tagesablauf. Was war anders? Wie haben die Anderen reagiert? Wie haben Sie innerlich reagiert?

  5. Tag: Stellen Sie sich nun eine gute Freundin vor. Schildern Sie ihr die letzten Arbeitstage mit den wichtigsten Fragen und Erkenntnissen, die Ihnen dabei gekommen sind.

Das Schwierigkeitsniveau der Aufgaben steigt graduell, indem man mit einfacheren Beschreibungsaufgaben anfängt und mit immer komplexeren Analyseaufgaben bis zum fünften Tag fortfährt.

  • Einer Übersicht über anrechnungsfähige Module.

Gründliche Beschreibungen von Inhalten sowie von den angestrebten Lernergebnissen für jedes anzurechnende Modul stehen auch im Formular für das Portfolio zur Verfügung. Mit deren Hilfe können Studierende ständig einen Überblick über die angestrebten Lernergebnisse behalten, die sie anrechnen lassen möchten. Außerdem wird für jedes Modul angegeben, wie viele Semesterwochenstunden (SWS) dafür vorgesehen sind und wie viele ECTS-Kreditpunkte sie dafür erhalten.

  • Einem Arbeitsbogen, der einer Dokumentation des Wissens und Könnens in den einzelnen Modulen entspricht.

Ein Arbeitsbogen wird für jedes anzurechnende Modul ausgefüllt. Dieser ist mit einer Auflistung der angestrebten Lernergebnisse im jeweiligen Modul versehen und enthält zwei Hauptaufgaben: Beschreiben und Analysieren. Im Arbeitsbogen soll einerseits beschrieben werden, welche Tätigkeiten in Bezug auf das Thema des Moduls in der eigenen Berufspraxis anfallen. Zum anderen soll reflektiert werden, welche Kompetenzen für diese Tätigkeiten genutzt werden. Mit dem Ausfüllen des Arbeitsbogens ist die Zusammensetzung des Portfolios für die individuelle Anrechnung fast komplett. Man hat nur noch Kopien von Nachweisen als Anhang beizufügen.

  • einem Anhang: Nachweise und Belege.

Nachweise können in Form von Zeugnissen, Zertifikaten oder Dokumentationen, die die im Portfolio dargestellten Kompetenzen unterstützen, eingereicht werden. Dazu gehören zuerst die Zeugnisse vom Arbeitgeber, vom Ausbildungsträger oder die Zertifikate von Weiterbildungseinrichtungen. Eigene Nachweise sind auch sehr wichtig für die Darstellung der beruflichen Kompetenzen. Diese können schriftlich, bildlich oder gegenständlich sein, zum Beispiel in Form von Aufsätzen, Berichten, Protokollen. Visuelle Elemente, wie Fotografien, Grafiken, Webseiten, Filme sowie Poster, Präsentationen oder Videos können dem Portfolio beigefügt werden und sind entscheidend für den Beurteilungsprozess durch die jeweiligen betreuenden Modulverantwortlichen.

Abschließend wird mit den Anrechnungskandidaten/-innen ein Kolloquium durchgeführt, dessen Grundlage die vorgelegten Portfolios sind. Im Rahmen des Kolloquiums überprüfen zwei Hochschullehrer/-innen die aus dem Portfolio und den eingereichten Nachweisen ermittelten Kompetenzen. Ein Beurteilungsbogen wird ausgefüllt und die Note sowie die entsprechende Zahl von ECTS-Kreditpunkten werden eingetragen.

2.4.3 Äquivalenzprüfung - Entscheidungskriterien

Für die Äquivalenzprüfung und die Bewertung der eingereichten Portfolios wurde ein Beurteilungsbogen für jedes anzurechnende Modul entwickelt. Auf diesem sind jeweils 5 - 6 zentrale Kompetenzziele aus dem Modulhandbuch angegeben. Für jedes dieser Kompetenzziele können auf Grundlage des Portfolios und des Gesprächs bis zu 3 Punkte vergeben werden. Es können maximal 18 Punkte erreicht werden. Die Äquivalenzprüfung ist erfolgreich bestanden, wenn eine wesentliche Übereinstimmung der vorhandenen Kompetenzen mit den aufgeführten Kompetenzzielen besteht. Für jedes Modul, das angerechnet werden soll, müssen daher insgesamt mindestens 15 Punkte aus dem Portfolio und dem Gespräch erreicht werden, davon mindestens 9 Punkte aus dem Portfolio.

Module können auch mit Auflagen angerechnet werden. In der Regel ist die Auflage die Teilnahme an einer relevanten Lehrveranstaltung. Wenn  keine positive Anrechnungsentscheidung getroffen wurde, wird dies im Beurteilungsbogen begründet.

Mit dem Ausfüllen des Beurteilungsbogens durch die jeweiligen Modulverantwortlichen ist die Äquivalenzprüfung im Rahmen des Portfolioverfahrens beendet. Der weitere Verlauf des Verfahrens wird in der Verwaltung der Hochschule durchgeführt.

2.4.4 Ablauf des Verfahrens für die individuelle Anrechnung

Der Ablauf des Verfahrens für die individuelle Anrechnung lässt sich am besten durch die Gliederung in zwei Hauptetappen beschreiben: VOR Versand des Formulars für das Portfolio an die antragstellenden Studierenden und NACH Rücksendung des ausgefüllten Portfolios an die Anrechnungsbeauftrage des Studierendencenters.

VOR Versand des Formulars für das Portfolio per E-Mail an die Studierenden ist die Beratung der Studierenden erforderlich. Die meisten Anrechnungsinteressierten benötigen Informationen über das Prozedere der Antragsstellung, die Bedeutung des individuellen Verfahrens, die Zusammenstellung der Unterlagen für das Portfolio und die Äquivalenzkriterien. Nach dieser Informations- und Beratungsphase reichen die Studierenden das entsprechende Antragsformular zusammen mit Kopien der erforderlichen Zertifikate bei der Anrechnungsbeauftragten ein. Des Weiteren werden die formellen Voraussetzungen zur Antragsstellung überprüft (gemäß Prüfungsordnung des Studiengangs). Wenn die eingereichten Unterlagen den an der ASH etablierten Standards entsprechen, sendet die Anrechnungsbeauftragte das Formular für das Portfolio per Email an die jeweiligen Studierenden. Die Bearbeitungszeit für Studierende ist nicht strikt begrenzt, aber es muss darauf geachtet werden, dass das ausgefüllte Portfolio spätestens acht Wochen vor Beginn jedes anzurechnenden Moduls bei der Anrechnungsbeauftragten eingereicht wird. Portfolios, die später eingereicht werden, können nicht mehr berücksichtigt werden. Während der Bearbeitungszeit können die Studierenden gegebenenfalls einen Beratungstermin mit der/dem jeweiligen Modulverantwortlichen vereinbaren.

NACH Rücksendung des ausgefüllten Portfolios: Die Anrechnungsbeauftragte fügt die entsprechenden Beurteilungsbögen für die anzurechnenden Module dem Portfolio bei. Die Unterlagen werden danach an die jeweiligen Modulverantwortlichen weitergeleitet, die für die Sichtung und die Bewertung der eingereichten Unterlagen zuständig sind. Schon während der Beurteilungszeit können sich die Studierenden mit den jeweiligen Modulverantwortlichen in Verbindung setzen, um einen Kolloquiumstermin zu vereinbaren. Am Ende dieses Beurteilungsprozesses - inklusive des Kolloquiums - senden die Modulverantwortlichen die vollständigen Unterlagen zurück zur Anrechnungsbeauftragten: Antragsformular, Portfolio, ausgefüllter Beurteilungsbogen. Die Anträge werden weiter zur Genehmigung (ggf. zur Ablehnung) der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses eingereicht, die die getroffene Entscheidung an die Anrechnungsbeauftragte zurücksendet. Es bleibt nur noch die Erstellung der Bescheinigung über die anzurechnenden Module (ggf. das Absageschreiben). Bei Genehmigung müssen die Studierenden das Schreiben sorgfältig aufbewahren, weil es als Leistungsnachweis gilt.

3 Fazit aus den bisherigen Praxiserfahrungen mit Anrechnung im Bachelor-Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“

Die Möglichkeit der individuellen Anrechnung von außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen wird insbesondere im Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ intensiv genutzt. Anhand der Statistik der Antragsstellungen konnten relevante Daten bzgl. der Zielgruppe von praktizierten Anrechnungsverfahren gewonnen werden. Die Zahl der Antragsstellungen ist in den letzten Jahren konstant gestiegen, von nur 5 Anträgen im Jahr 2007 auf 21 Anträge im Jahr 2010. Für die Zukunft wird mit deutlich mehr Anträgen zu rechnen sein. Nachfolgend werden die Antragsstellungen im Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ von 2007 bis 2011 nach Studienform und Modalität der Anrechnung dargestellt:

Gesamtzahl Anträge 2007 - 2011

53

 

davon:

 

Art der Anrechnung

Individuell

44

 

Pauschal

9

 

 

 

Art der Studienform

Berufsintegrierend

37

 

Präsenz

16


Die Zahlen zeigen eindeutig, für welche Zielgruppe die Anrechnungsverfahren am interessantesten sind, nämlich für die Studierenden in der berufsintegrierenden Studienform (davon überwiegend Frauen). Die bisherigen Praxiserfahrungen mit der Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen an der ASH offenbaren auch, dass das Verfahren für die individuelle Anrechnung zurzeit besser den Bedarf unserer Studierenden deckt. Dies ist auch dadurch begründet, dass ein individuelles Verfahren die informell und die non-formal erworbenen Kompetenzen berücksichtigen kann, während ein pauschales Verfahren nur formal erworbene Kompetenzen in Betracht zieht. Es wird zukünftig beabsichtigt, die Möglichkeiten der pauschalen Anrechnung für den Studiengang „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ sowie für weitere Studiengänge zu erweitern, indem die ASH mit neuen Kooperationspartnern Kontakte knüpft.

Die bisherigen Praxiserfahrungen sind insbesondere für die Analyse der Zielgruppen von Anrechnungsverfahren sehr relevant, die überwiegend aus berufstätigen Studierenden bestehen. Außerdem regen sie neue Ideen für die Weiterentwicklung von Maßnahmen an, die den Studienerfolg und die Studienzufriedenheit von Studierenden, die über ihre berufliche Qualifizierung das Studium an der ASH aufgenommen haben, positiv beeinflussen.

Literatur

KMK (2008): Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium (II). Online: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2008/2008_09_18-Anrechnung-Faehigkeiten-Studium-2.pdf  (13.06.2011).

PIECHOTTA, G./ PEHLKE-MILDE, J. (2008): Die Anrechnung von berufsbezogenen Kompetenzen im Bachelor-Studiengang Gesundheits- und Pflegemanagement an der Alice-Salomon Fachhochschule Berlin. Das Modul „Berufsbezogene Reflexion“. In: PrInterNet , 389-394.

VON BALLUSECK, H./ KRUSE, E./ PANNIER, A./ SCHNADT, P (2008): Von der ErzieherInnen-Ausbildung zum Bachelor-Abschluss – Mit beruflichen Kompetenzen ins Studium. Berlin.


Zitieren dieses Beitrages

SAVA, A. (2011): Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen an der Alice Salomon Hochschule Berlin - Praxiserfahrungen. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 28, hrsg. v. BARABASCH, A./ HARTMANN, E. A., 1-11. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws28/sava_ws28-ht2011.pdf (26-09-2011).



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