bwp@ 33 - Dezember 2017

Entwicklungsbezogene (Praxis-)Forschung

Hrsg.: Tade Tramm, H.-Hugo Kremer & Gabi Reinmann

Technologisch-rekonstruktive Forschung als komparative Analyse innovativer pädagogischer Praxis aus wissenschaftstheoretischer und methodologischer Perspektive

Beitrag von Frank Krille
bwp@-Format: Diskussionsbeiträge
Schlüsselwörter: technologisch-rekonstruktive Forschung, komparative Analyse, Praxisforschung

Hier wird die Annahme vertreten, dass sozialwissenschaftliche Forschung auf das Lösen von Problemen zielt (vgl. Herrmann 1979, 30f.; Albert 1972, 22) und sich dabei letztlich immer auf praktisches Handeln bezieht. Wissenschaftliche Tätigkeit wird als zielgerichtetes, rationales Handeln verstanden, das auf die Bewältigung von Aufgaben gerichtet ist, indem etwas getan oder hergestellt wird, was der Problemlösung dienlich ist (vgl. Herrmann 1979, 30). Erst auf Basis eines solchen forschungspraktischen Handeln lassen sich „methodologische Überlegungen [entwickeln], die von tatsächlicher Relevanz für die empirische Forschung sein können. Sie sind im Sinne einer Explikation, Systematisierung, Begründung, Einordnung und Absicherung forschungspraktischer Verfahren zu verstehen, also im Sinne einer Rekonstruktion dieser Forschungspraxis.“ (Bohnsack 2003, 10). Ganz in diesem Sinne ist eine komparative Analyse innovativer pädagogischer Praxis als Beispiel entwicklungsbezogener (Praxis-)Forschung Ausgangspunkt dieses Beitrags (Krille 2016). Fokussiert werden insbesondere die wissenschaftstheoretischen und methodologischen Grundlagen, die in der Auseinandersetzung mit der Rekonstruktion der Praxis empirischer Forschung entstanden sind. Ziel ist es, die technologische Wissenschaft nach Herrmann (1979), das Konzept der evaluativ-konstruktiven Curriculumforschung nach Tramm (1992a; 1992b; 1996; 2009) und die rekonstruktive Sozialforschung nach Bohnsack (2003) zu einem aufgeklärt eklektizistischen Forschungsansatz zu verdichten (siehe hierzu Achtenhagen 1984, 11).

Technologically Reconstructive Research as a Comparative Analysis of Innovative Educational Practice from a Theoretical and Methodological Perspective

English Abstract

This paper assumes that the aim of socio-scientific research is to solve problems (cf. Herrmann 1979, 30f.; Albert 1972, 22) – ultimately on the basis of practical action. Scientific activity is understood as target-oriented rational action that is aimed at accomplishing tasks by doing or producing something that helps to solve the problem (cf. Herrmann 1979, 30). Only on the basis of such research-practice action is it possible to develop "methodological considerations that can be of actual relevance to empirical research. They are to be understood as the explication, systematisation, justification, classification and validation of research practice methods, i.e. as a reconstruction of this research practice." (Bohnsack 2003, 10). With precisely this in mind, this paper takes as a starting point a comparative analysis of innovative educational practice as an example of development-related (practice) research (Krille 2016). It mainly focusses on the theoretical and methodological foundations that have been established through discussion on the reconstruction of the practice of empirical research. The aim is to consolidate technological science based on Herrmann (1979), the concept of evaluative-constructive curriculum research on the basis of Tramm (1992a; 1992b; 1996; 2009), and reconstructive social research on the basis of Bohnsack (2003) into a clearly eclecticist research approach (see Achtenhagen 1984, 11). 

1 Problemstellung und Ausgangspunkt

Die Forschung in der Wissenschaftsdisziplin Berufs- und Wirtschaftspädagogik folgt keinem einheitlichen Wissenschaftsbegriff und keiner allgemein akzeptierten Erkenntnistheorie, sondern ist wissenschaftstheoretisch und methodologisch heterogen (exemplarisch Nickolaus u.a. 2010, 17 f.). Neben dem Handbuch von Nickolaus u.a. (2010) und den darin enthaltenden Positionen, Vergleichen und Perspektiven von Kell (2010); Sloane (2010); Beck (2010); Kutscha (2010); Klusmeyer (2010); Euler (2010) und Kell/Nickolaus (2010) wird die Heterogenität der Disziplin auch in eher gegenstandsbezogenen Publikationen deutlich, beispielsweise im Diskurs zwischen Tramm (2003; 2009) und Reinisch (2003) im Kontext evaluativ-konstruktiver Forschung oder auch im Kontext von wissenschaftlicher Begleitforschung bei Sloane (2005), der seine Position gegen die von Beck (2003) abgrenzt. Wesentliche Fragestellungen werden beispielsweise auch von Aprea (2013) mit Bezug auf die Lehr-Lernforschung angesprochen. Grundsätzlich wurde der methodologische Diskurs innerhalb der Berufs- und Wirtschaftspädagogik in jüngster Vergangenheit allerdings nur mit sehr geringer Intensität geführt, Zabeck (2009) beklagt sogar, er „sei so gut wie tot“ (Zabeck 2009, 121; mit gleicher Kernaussage auch Lisop 2009, 75). In diesem Zusammenhang markiert das aktuelle Themenheft der Zeitschrift bwp@ - Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 33 wohl eine überfällige Trendwende zu der auch dieser Beitrag einen kleinen Teil leistet.

Bohnsack (2003) postuliert, dass sich „methodologische Überlegungen, die von tatsächlicher Relevanz für die empirische Forschung sein können“ erst auf Basis forschungspraktischen Handeln entwickeln lassen. „Sie sind im Sinne einer Explikation, Systematisierung, Begründung, Einordnung und Absicherung forschungspraktischer Verfahren zu verstehen, also im Sinne einer Rekonstruktion dieser Forschungspraxis.“ (ebd., 10). Ganz in diesem Sinne ist eine komparative Analyse innovativer pädagogischer Praxis als Beispiel entwicklungsbezogener (Praxis-) Forschung Ausgangspunkt dieses Beitrags (Krille 2016). Fokussiert werden insbesondere die wissenschaftstheoretischen und methodologischen Grundlagen, die in der Auseinandersetzung mit der Rekonstruktion der Praxis empirischer Forschung entstanden sind. In diesem Sinne werden hier Forschungsergebnisse präsentiert, die darauf zielen, die technologische Wissenschaft nach Herrmann (1979), das Konzept der evaluativ-konstruktiven Curriculumforschung nach Tramm (1992a; 1992b; 1996; 2009) und die rekonstruktive Sozialforschung nach Bohnsack (2003) zu einem aufgeklärt eklektizistischen Forschungsansatz zu verdichten (siehe hierzu Achtenhagen 1984, 11). Im Fokus steht dabei die Entwicklung zentraler Ansprüche einer technologisch-rekonstruktiven Forschung, die auch für andere Forschungsprojekte nützlich sein können. Dabei stehen drei Kategorien im Mittelpunkt:

  1. Ausgangspunkte: Probleme im praktischen Handeln,
  2. Forschungsziele: pragmatischer Nutzen und theoretischer Erkenntnisgewinn,
  3. Forschungspraxis: rekonstruktive Forschungsmethoden.  

Die methodologischen Überlegungen zu Krille (2016) zeugen von einer reflexiven Beziehung zwischen Forschungserfahrung und methodologischen Begrifflichkeiten. Auf die eigentliche Forschungsarbeit wird mehrfach Bezug genommen, damit die Entstehung und Nutzung der methodologischen Grundlagen deutlich wird. Ausführliche Beschreibungen, beispielsweise zum pädagogischen Ausgangsproblem, zu den Forschungsmethoden und den zentralen Ergebnissen müssen jedoch unterbleiben. Ausgangspunkt der Forschungsarbeit Krille (2016) ist die Annahme, dass Schulen vor der Herausforderung stehen, dass weitgehend unklar ist, nach welchen Prinzipien und vor welchem theoretischen Hintergrund Kompetenzraster entwickelt werden können. Für die forschungspraktische Grundidee einer vergleichenden Analyse von Kompetenzrastern als Instrumente innovativer pädagogischer Praxis ergab sich für das Forschungsvorhaben unter anderem die Frage, welche methodologischen Grundlagen für die Bearbeitung der pädagogischen Problemstellung tragfähig sind bzw. sein können. Erste Hinweise boten Konzepte, die die Erforschung und gleichzeitige (Weiter-) Entwicklung pädagogischer Innovationen fokussieren. In diesem Kontext sind beispielsweise die evaluativ-konstruktive Curriculumforschung nach Tramm (1992b) oder das Design-Based Research (exemplarisch Reinmann 2005; Aprea 2009) im Rahmen berufs- und wirtschafts-pädagogischer Forschung erprobt. Diese Konzepte lassen jedoch weitgehend offen, welche rekonstruktiven Verfahren mit paradigmatischer Passung genutzt werden können. Daneben ist der forschungspraktische Ausgangspunkt typischerweise ein konkreter pragmatischer Kontext und darüber hinaus wird bei der (Weiter-)Entwicklung eine enge Kooperation von Wissenschaft und pädagogischer Praxis angestrebt. Die praktische Entwicklungsarbeit fokussiert dabei typischerweise den jeweils fokussierten Kontext, der auch für das Ausgangsproblem prägend ist. Aus diesen Postulaten ergeben sich im Vergleich zu Krille (2016) relevante Kontraste, die bei der Klärung methodologischer Grundlagen bedeutsam sind. Denn es wird von einer Mehrzahl relevanter Rekonstruktionen aus unterschiedlichen pragmatischen Kontexten ausgegangen. Es geht unter anderem darum, dass in diesen Kontexten rekonstruierbare (technologische) Wissen zu erschließen, es systematisch zusammenzuführen und zu verdichten. Somit sind die Aggregation der Rekonstruktionen und auch der (intendierte) Nutzen für unterschiedliche pragmatische Kontexte, im Rahmen methodologischer Überlegungen, bedeutsam.

2 Wissenschaftstheoretische und forschungsmethodologische Bezüge[1]

Im Folgenden werden die grundlegenden wissenschaftstheoretischen und methodologischen Annahmen der Forschungsarbeit Krille (2016) systematisch dargestellt. Dabei wird expliziert, welche Art der wissenschaftlichen Erkenntnis angestrebt wird und welche methodologischen Grundlagen dem Forschungsprozess unterliegen. Es wird keiner vermeintlich richtigen oder überlegenden wissenschaftlichen Tradition gefolgt, sondern es werden verschiedene Elemente aus unterschiedlichen Traditionen kombiniert. Bei der Darstellung liegt der Akzent auf Gemeinsamkeiten im Theoriekern und der spezifischen Leistung für die Forschungsarbeit. Die Kombination der aufeinander bezogenen Theoriebereiche folgt dabei dem Kriterium der theoretisch-paradigmatischen Konsistenz. Die Forschungsarbeit Krille (2016) ist also aufgeklärt eklektizistisch angelegt (vgl. Achtenhagen 1984, 11; siehe auch Tramm 1992a, 19).

Zentral für die wissenschaftstheoretische und methodologische Verortung sind drei Bezugspunkte:

  • Die Konzeption einer technologischen Wissenschaft nach Herrmann (1979):
    Der Ansatz leistet vor allem einen Beitrag in Bezug auf das Wissenschaftsverständnis. Die Forschungsarbeit wird damit konzeptionell im Bereich der praxisbezogenen Forschung verortet: Ausgangspunkt sind Probleme im praktischen Handeln und analoges Ziel ist es, Lösungsansätze hierfür zu erarbeiten. Wesentliches Gütekriterium der Forschung ist die Leistung der entwickelten Lösungsansätze für das praktische Handeln. Die Entwicklung selbst stützt sich auf wissenschaftliche Erkenntnisbestände.
  • Das Konzept der evaluativ-konstruktiven Curriculumforschung nach Tramm (1992a; 1992b; 1996 und 2009):
    Der Ansatz präzisiert den Ausgangspunkt der Forschungsarbeit auf curriculare Fragestellungen im Kontext innovativer Ansätze der schulischen Bildung. Weiterhin wird die Arbeit im Bereich der mittelfristig-fachdidaktischen Curriculumforschung (vgl. Tramm 1992a, 3) verortet. Auch im Bereich der Ziele erfolgt eine Präzisierung: zum einen auf eine empirisch-pragmatische Forschungsperspektive, die sich vor allem einem praktischen Nutzen für Unterricht verschreibt, und zum anderen auf eine theoretisch-systematische Forschungsperspektive, die den theoretischen Erkenntnisgewinn fokussiert.
  • Die Grundlagen einer rekonstruktiven Sozialforschung nach Bohnsack (2003):
    Der Ansatz leistet vor allem einen Beitrag zur Klärung des methodischen Vorgehens für den Schwerpunkt des Forschungsvorhabens. Fokussiert wird ein rekonstruktives Verfahren, das auf einer komparativen Analyse ausgewählter Kompetenzraster fußt. In Bezug auf die Ziele der Forschung ist die Generierung von Theorie intendiert und nicht deren Überprüfung.

Abbildung 1: Wissenschaftstheoretische und methodologische BezügeAbbildung 1: Wissenschaftstheoretische und methodologische Bezüge

Im Folgenden werden diese drei Bezugspunkte in ihren Grundzügen dargestellt und auf das vorliegende Forschungsvorhaben bezogen (siehe auch Abbildung 1).

2.1 Technologische Wissenschaft

Nach Herrmann (1979) zielt sozialwissenschaftliche Forschung auf das Lösen von Problemen (vgl. ebd., 30 f.; Albert 1972, 22) und bezieht sich dabei letztlich immer auf praktisches Handeln. Wissenschaftliche Tätigkeit wird als zielgerichtetes, rationales Handeln verstanden, das auf die Bewältigung von Aufgaben gerichtet ist, indem etwas getan oder hergestellt wird, was der Problemlösung dienlich ist (vgl. Herrmann 1979, 30). Nach Albert (1972) handelt es sich bei den gewonnenen Arbeitsergebnissen um “Konstruktionen mit Hypothesencharakter, […] die prinzipiell der Kritik und der Revision unterliegen, die sich bewähren oder scheitern können“ (ebd., 22). Die Beurteilung wissenschaftlicher Problemlösungsversuche ist „jeweils von ihrer Leistung im Hinblick auf die Aufgaben abhängig zu machen, die sie zu erfüllen haben. Die Anforderungen, die an sie zu stellen sind, müssen […] auf das Problem der Realisierbarkeit Rücksicht nehmen.“ (ebd., 22). Dabei steht diese Auffassung durchaus in Konflikt zu anderen Ansätzen, in denen wissenschaftliches Handeln „die schrittweise Annäherung des von uns Angenommenen an die Wahrheit, Realität, Wirklichkeit o. dgl. zu seinem Ziel und Ende hat.“ (Herrmann 1979, 31).

Die nachfolgende Darstellung technologischer Wissenschaft beruht auf der Charakterisierung von Herrmann (1979). Der Autor argumentiert ausgehend von der Psychologie als Wissenschaft und entfaltet das Konzept unter Bezugnahme auf Münsterbergs Psychotechnik (1920), Klages Unterscheidung der a- und g-Innovationen (1967) sowie Bunges technologische Theorie (1967a; 1967). Zentral ist die idealtypische Unterscheidung und die wechselseitige Relationierung von drei Tätigkeitsklassen (vgl. ebd., 148 f., siehe auch 26 und 132 ff.):

  1. Nicht-forschende, technisch-praktische Tätigkeiten sind wissensbasierte Tätigkeiten, die in unterschiedlicher Weise auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, jedoch nicht auf die Vermehrung von rationalem Wissen und Können gerichtet sind.
    Hermann (1979) führt im Kontext der Psychologie folgende Beispiele an: „Jemand führt ein standardisiertes Elterntraining für eine Gruppe von Eltern aggressiver Kinder durch. Jemand entwirft ein Werbeplakat unter Berücksichtigung psychologischer Gesichtspunkte, die er gelernt hat.“ (ebd., 132).
  1. Technologische Innovations- bzw. Forschungstätigkeit (technologische Wissenschaft) ist eine wissenschaftliche Forschung, die primär auf die Verbesserung der Voraussetzungen für praktische Tätigkeiten zielt.
    Beispiele: „Jemand entwickelt ein bestimmtes Elterntrainingsprogramm und überprüft seine Wirksamkeit. Jemand entwickelt und prüft eine Theorie lehrzielorientierten Testens.“ (ebd.).
  1. Wissenschaftliche Innovations- bzw. Forschungstätigkeit (Wissenschaft i. e. S.) ist eine wissenschaftliche Forschung, die primär auf die Vermehrung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Fortgang wissenschaftlicher Forschung selbst zielt.
    Beispiel: „Jemand entwickelt und prüft eine mathematische Lerntheorie.“ (ebd.).

Herrmann (1979) versteht Technologie als eine Form von Wissenschaft. Der Technikbegriff soll keine „´technizistischen´ oder gar ´technokratischen´ Absichten widerspiegeln“. (ebd., 134). Es geht dem Autor gerade darum, nicht konnotativ nahezulegen, dass beispielsweise das Tun des Klinischen Psychologen angewandte Psychologie sei, also „die in mehrerlei Sinn nachgeordnete Auswertung von dem, was der ´reine´ Wissenschaftler bereits geschaffen hat.“ (ebd., 135). Technologische Wissenschaft wird vielmehr als ebenso „genuin“ angesehen wie Wissenschaft i. e. S. Es werden jedoch andere Innovationsaufgaben fokussiert, andere Zwecke verfolgt und entsprechend andere Bewertungsgrundlagen verwendet (vgl. ebd., 135). Technologische Wissenschaft und Wissenschaft i. e. S. stehen nicht in einem deduktiven Anwendungsverhältnis. Technologie soll also nicht im Sinne des Hempel-Oppenheim Schemas (vgl. exemplarisch Schnotz 2011, 16 ff.) wissenschaftlich erarbeitete nomologische Gesetze in Handlungsregeln umsetzen. Technologische Erkenntnisse beziehen sich auf wissenschaftliche Arbeitsresultate, wobei die Inanspruchnahme auf die Optimierung von Voraussetzungen für praktisch-technische Zielerreichung gerichtet ist. „Die wissenschaftlichen Erkenntnisbestände werden entsprechend selegiert und aufbereitet.“ (Herrmann 1979, 137). Forschungsresultate der Wissenschaft i. e. S. können als Mittelbausteine[2] in technologische Entwicklungen einfließen (vgl. ebd., 148 f.). Gütekriterium ist die praktisch-technische Effizienz und Nutzbarkeit für die Optimierung technisch-praktischen Handelns. Die Annäherung an die Wahrheit (im Sinne einer empirisch überprüfbaren Gültigkeit) oder Realität ist für technologische Theorien nicht bedeutsam, sondern der praktisch-technisch nutzbare Ertrag theoretischer Arbeit. Technologische Theorien dienen also „zur Hauptsache der Lösung von Problemen, die im nicht-forschenden, praktischen Handeln, nicht aber im Fortgang wissenschaftlicher Forschung selbst entstehen.“ (ebd., 138). Generell gilt aber, dass technisch-praktisches Handeln nicht vollständig durch technologische Maßgaben determinierbar ist (vgl. ebd., 148 f.).

Technologische Erkenntnisresultate werden zum einen in Form von expliziten Handlungsregeln und zum anderen als implizites Hintergrundwissen bereitgestellt und verbreitet. Herrmann (1979) spricht sich in diesem Kontext für einen Strategiepluralismus aus, der im Sinne einer technologischen Forschung sowohl auf die Generierung von Hintergrundwissen als auch auf die Generierung expliziter Handlungsregeln zielt (vgl. ebd. 155). Beide Ansätze werden im Folgenden kurz erläutert.

Zur Bereitstellung handlungsrelevanten Hintergrundwissens (vgl. ebd., 155 f.): Fehlt es einem Handelnden im pädagogischen Praxisfeld an bewährten Routinen, so muss er in produktiver Weise planen und Entscheidungen treffen. Ziele und Wege praktisch-technischen Handelns müssen als Resultate von Problemlösungsprozessen gefunden werden. Dabei kann adäquates technologisches Hintergrundwissen helfen. Eine Effizienzsteigerung in diesem Sinne erscheint jedoch nur erreichbar, wenn zum Zwecke der Bereitstellung von Hintergrundwissen rationale Rekonstruktionen der praktischen Problemfelder entwickelt werden. Am Anfang sollten, durchaus vage und unvollständige, Rekonstruktionen der fokussierten Problembereiche stehen. Die schrittweise Rekonstruktion zielt darauf, das problematisierte Gebiet immer besser zu beschreiben und zu erklären, also kognitiv zu durchdringen und verstehbar zu machen. Diese rekonstruktive Systematisierung entspricht in der Regel nicht der üblichen i. e. S. wissenschaftlichen Sachverhaltsstrukturierung. Fortschreitende Problemfeld-Strukturierungen beziehen sich jedoch auf explizite Modellvorstellungen und Theoriekomponenten wissenschaftlicher Erkenntnisbestände. Diese Erkenntnisbestände sind dann Mittelbausteine im Sinne von Klages (1967). „Das anzupeilende Ziel der Problemfeld-Rekonstruktion sollte in einem expliziten Problemfeld-Modell bestehen. Ein solches mag allenfalls am Ende mühsamer technologischer Entwicklungen realisierbar sein.“ (Herrmann 1979, 157). Dabei müssen modellhafte Problemfeld-Rekonstruktionen insofern reduktiv sein, als sie die Komplexität der pädagogischen Problemfelder reduzieren. Sie sollten jedoch nicht trivial sein, wenn sie Problemfelder so abbilden, dass mit ihrer Hilfe bisher nicht Betrachtetes (z. B. Aspekte, Komponenten, Dimensionen) einbezogen werden soll. „Technologische Problemfeld-Rekonstrukte […] gewinnen nicht durch Komplexitätssteigerung ihre Qualität, sondern durch die überaus schwierige, richtige Auswahl der problem- und handlungsspezifisch relevanten Gesichtspunkte.“ (ebd., 157).

Zur Bereitstellung und theoretischen Begründung von standardisierten Techniken (vgl. ebd., 160 f.): Effizienzsteigerungen im pädagogischen Handeln können neben der Bereitstellung von Hintergrundwissen auch durch die Bereitstellung eines theoretisch fundierten Systems von expliziten Handlungsregeln gefördert werden. Bei der Anwendung expliziter Regeln entsteht jedoch folgendes Dilemma: Sind die Handlungsregeln allgemein, so müssen sie bei schwierigen Aufgaben konkretisiert werden. Dies schränkt ihre handlungsleitende Funktion ein. Zu spezifische Handlungsregeln bergen jedoch auch Gefahren, wie den Verzicht auf produktive Problemkognitionen und Problemlösungen sowie die Ratlosigkeit im Fall der offensichtlichen Nichtanwendbarkeit von Regeln. Um diesem Dilemma entgegenzuwirken, empfiehlt Herrmann (1979) explizite Handlungsregeln stets so zu formulieren, dass der Handelnde erfährt, unter welchen Bedingungen sich der Versuch des Regelbefolgens lohnt. Dieses Vorgehen führt jedoch nicht zur Lösung des benannten Konkretisierungsproblems. Das Problem bleibt für pädagogische Realsituationen bestehen. Es lässt sich jedoch weiter abschwächen, wenn Situationen fokussiert werden, die der Handelnde in Form von Standardisierungen herstellt. Dann müssen Handlungsregeln nicht für spezifische Realsituationen adaptiert werden, vielmehr werden Realsituationen durch Standardtechniken so konstituiert, dass die Anwendung von Handlungsregeln relativ einfach möglich ist. Herrmann (1979) führt hierzu folgendes an: „Besteht die technische Handlung eines Lehrers zum Beispiel im Vorlegen eines standardisierten Testformulars […] so besteht für ihn höchstens in sehr abgeschwächter Form das Konkretisierungsproblem, zu entscheiden, was es hic et nunc bedeutet, der Regel zu folgen: ´Um … zu erreichen, lasse den Test XY ausfüllen!´“ (Herrmann 1979, 162). Über den Einsatz solcher Standardtechniken entscheidet der praktisch Handelnde selbst und zwar als Resultat von Problemlösungs-prozessen, welche wahrscheinlich nur durch die Bereitstellung adäquaten Hintergrundwissens verbessert werden können. Entsprechend kann die technologische Entwicklung begründeter Standardtechniken eine Möglichkeit sein, der Komplexität pädagogischen Handelns zu begegnen. Komplexität wird dann „durch die Herstellung vereinfachter, rational und durchschaubarer Situationen, wie sie in der Anwendung von Standardtechniken liegt, reduziert.“ (ebd., 164).

Technologische Forschung kann demnach auf zwei Wegen dazu beitragen, praktisches Handeln rationaler und effizienter zu gestalten: Erstens durch die Bereitstellung von handlungsspezifischem Hintergrundwissen, das dem praktisch Handelnden bei seinen Planungs- und Entscheidungsaufgaben dienlich ist, und zweitens durch theoretisch fundierte Standardtechniken, die Systeme von expliziten technisch-praktischen Handlungsregeln implizieren.

Abbildung 2: Lösungswege technologischer ForschungAbbildung 2: Lösungswege technologischer Forschung

Für Krille (2016) ist Herrmanns (1979) Abgrenzung von nicht-forschender, technisch-praktischer Tätigkeit, technologischer Wissenschaft und Wissenschaft i. e. S. zentral. Unter nicht-forschender, technisch-praktischer Tätigkeit das gesamte Tätigkeitsspektrum von Lehrkräften verstanden. Entsprechend zählt hierzu auch die Konstruktion von Kompetenz-rastern als Instrumente individualisierten Unterrichts. Ganz im Sinne einer technologischen Wissenschaft im schulpädagogischen Bereich ist ein Problem der schulischen Praxis Ausgangspunkt der Forschungsarbeit. Es wird angenommen, dass Schulen vor der Herausforderung stehen, dass weitgehend unklar ist, nach welchen Prinzipien und vor welchem theoretischen Hintergrund Kompetenzraster entwickelt werden können. Analoges Ziel ist es, für dieses Problem ein Lösungsangebot zu entwickeln, um die Rationalität und Effizienz im praktischen Handeln zu erhöhen. Die Verwendung des Begriffs Lösungsangebot soll verdeutlichen, dass keinesfalls eine Bevormundung der Praktiker durch Wissenschaft beabsichtigt ist, sondern die Erforschung möglicher Alternativen zur Steigerung von Rationalität und Effektivität im praktischen Handeln. Lösungsangebote als technologische Erkenntnisresultate können nach Herrmann (1979) in Form von Hintergrundwissen und Handlungsregeln entwickelt werden. Im Rahmen von Krille (2016) steht die Entwicklung von handlungsrelevantem Hintergrundwissen zur Konstruktion von Kompetenzrastern im Mittelpunkt. Gegenstand der Forschung ist also nicht das pädagogische Handeln selbst, sondern im Sinne einer inhaltlich-technologischen Theorie ein Objekt des pädagogischen Handelns (Kompetenzraster).

Das forschungspraktische Vorgehen der Problemfeld-Strukturierung lässt sich analytisch in zwei Schwerpunkte gliedern. Zum einen in die rekonstruktive Systematisierung des Problemfeldes, in der konkrete empirische Fälle betrachtet werden. Dieser Schwerpunkt der Rekonstruktion zielt darauf, den Gegenstand und das Problem der Konstruktion sukzessive zu beschreiben und zu erklären, also kognitiv zu durchdringen und verstehbar zu machen. Zum anderen die theoretisch-rekonstruktive Systematisierung, in der wissenschaftliche Erkenntnisbestände aufgearbeitet werden und als Mittelbausteine im Sinne Klages (1967) in Lösungsangebote einfließen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisbestände entstammen der von Herrmann (1979) charakterisierten dritten Tätigkeitsklasse Wissenschaft i. e. S. und werden entsprechend des Problems aus der nicht-forschenden Praxis selegiert und aufbereitet. Darüber hinaus werden auch technologische Erkenntnisbestände einbezogen. In Abgrenzung zu Herrmanns (1979) Lösungsangebot in Form von expliziten Handlungsregeln wird im Rahmen der Forschungsarbeit Krille (2016) nicht die Entwicklung von Regeln angestrebt, sondern es werden Handlungsempfehlungen als Lösungsangebot für eine schulnahe Entwicklung von Kompetenzrastern erarbeitet.

2.2 Evaluativ-konstruktive Curriculumforschung

Die evaluativ-konstruktive Curriculumforschung ist der zweite wissenschaftstheoretische und methodologische Ansatzpunkt. Mit diesem Ansatz werden der Kontext des Forschungsgegenstandes und die damit einhergehenden Ziele der Forschung präzisiert. Die nachfolgende Darstellung evaluativ-konstruktiver Curriculumforschung beruht auf der Konzeption von Tramm (1992b). Ausgangspunkte dieses Forschungsansatzes sind Orientierungs- und Handlungsprobleme der pädagogischen Praxis. Angestrebt wird ein aktives und reflexives Hineinwirken in curriculare Gestaltungsprozesse. Der Forschungsansatz ist somit ein Gegensatz zu einer Wissenschaft, die aus einem distanziert-analytischen Verhältnis zwischen Wissenschaft und Praxis, auf die Generierung von nomologischen Aussagen gerichtet ist (vgl. Tramm 2009, 2 ff.). Tramm (2009) betont jedoch, „dass wir vermutlich nicht nur beide Formen der Forschung brauchen […] sondern dass es entscheidend darauf ankommen wird, diese Forschungsrichtungen so aufeinander zu beziehen, dass Synergien möglich werden.“ (ebd., 5). Im Sinne der evaluativ-konstruktiven Forschung verstehen Tramm/Hofmeister/Derner (2009) das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis als beiderseitigen Rückkoppelungsprozess. „Denn zum einen soll Wissenschaft Praxis analysieren und wird daher durchaus in ihren Gegenständen, Vorgehensweisen und Methoden durch die Praxis mitbestimmt und zum anderen soll Wissenschaft der Praxis gerade dadurch Anregung und Orientierung bieten und wirkt daher auch auf die Praxis ein.“ (ebd., 10). Beide Handlungsbereiche orientieren sich an unterschiedlichen Regeln, Zielsetzungen und Bedingungen, beziehen sich dabei aber auf die gleichen Gegenstände und können sich durch Perspektiverweiterungen gegenseitig bereichern (vgl. ebd., 11).

Der evaluativ-konstruktive Ansatz ist eine Variante mittelfristig-fachdidaktischer Curriculumforschung, die im Gegensatz zu der von Robinsohn (1967) geforderten Totalrevision keine „Neukonstruktion des Bildungssystems auf der Grundlage einer umfassenden Gesellschaftsanalyse angestrebt.“ (Tramm 1992a, 3). Der Fokus wird vielmehr auf „die analytische Rekonstruktion abgegrenzter pädagogischer Felder unter Bezug auf ein explizites, empirisch und hermeneutisch fundiertes, aber durchaus unvollständiges und vorläufiges Verständnis relevanter gesellschaftlicher Bereiche als Grundlage kontrollierter Innovationen“ gelegt (ebd. 3). Es wird eine „schrittweise Verbesserung bestehender curricularer Praxis“ aus einer fachdidaktischen Perspektive angestrebt (vgl. ebd., 2, 20).

Zentraler Bezugspunkt der bewusst pragmatisch angelegten evaluativ-konstruktiven Forschung ist die Identifikation und Weiterentwicklung zukunftsweisender innovativer Konzepte der pädagogischen Praxis (vgl. ebd., 9). Dabei gilt es, Bestehendes vor dem Hintergrund normativer Leitvorstellungen und begründeter theoretischer Kategorien zu rekonstruieren. Die dabei identifizierten Leistungen, Potenziale und Defizite werden als Entwicklungsaufgaben aufgefasst (vgl. Tramm 1996, 27). In Abkehr von starren Entwickler-Anwender-Konzepten wird ein kooperativer Entwicklungsprozess angestrebt (vgl. Tramm 1992a, 9), der durch ein iteratives Zusammenspiel evaluativer und konstruktiver Prozesse geprägt ist (vgl. Tramm 2009, 4). Idealtypisch sollte dieser Prozess Bestandsevaluation, Konstruktion, Erprobung, Überprüfung und Bewertung beinhalten (vgl. Tramm 1992a, 9). Curriculare Produkte werden als technologische Hypothesen im Sinne von Herrmann (1979) gesehen, die einer permanenten Überprüfung im pädagogischen Handlungsfeld auszusetzen sind (vgl. ebd., 3). Die curriculare Argumentation ist nach Tramm (1992a) konsequent am Lernsubjekt auszurichten. Gefordert wird eine individuenzentrierte und handlungsorientierte Sicht auf didaktische Prozesse, womit das Lernhandeln zu einer zentralen Bezugsgröße der curricularen Arbeit wird. Dabei bedarf curriculare Entwicklungsarbeit einer kooperativen Aufklärung über Ziele, Bedingungen und Möglichkeiten didaktischen Handelns. Weiterhin ist ein theoretisches und normatives Bezugssystem nötig, auf das sich der Entwicklungsprozess argumentativ beziehen kann (vgl. ebd., 8 ff.).

Der evaluativ-konstruktive Ansatz verfolgt parallel zwei Forschungsperspektiven, die forschungspraktisch aufeinander bezogen werden. Zum einen die pragmatische Perspektive, deren Fokus es ist, in abgegrenzten pädagogischen Feldern Ansätze zur Lösung von praktischen Problemen zu erarbeiten. Hierzu werden innovative Konzepte identifiziert und weiterentwickelt. Dabei verschreibt sich die Weiterentwicklung vor allem einem pragmatischen Nutzen für pädagogische Praxen. Zum anderen liegt dem pragmatischen Strang notwendigerweise ein komplexes Gefüge theoretischer und normativer Annahmen mit Bezug zum fokussierten Problem zugrunde (vgl. Tramm 2009, 4). Die Entwicklung eines normativ-theoretischen Bezugsrahmens als Basis für die Weiterentwicklung innovativer Konzepte wird in der systematischen Perspektive fokussiert. Ausgangspunkt hierfür ist das jeweilige pädagogische Problem, wobei die theoretisch reflektierte Rekonstruktion des Problemfeldes ein erster Schritt zur Entwicklung eines normativ-theoretischen Bezugsrahmens ist.[3]

Für die wissenschaftstheoretische und methodologische Verortung des Forschungsvorhabens Krille (2016), auf Basis unterschiedlicher theoretischer Bezüge, ist deren paradigmatische Passung unerlässlich. Die evaluativ-konstruktive Curriculumforschung (Tramm 1992a) kann als ein spezifischer Ansatz technologischer Wissenschaft (Herrmann 1979) charakterisiert werden, mit dem Ansatz erfolgt eine mehrfache Präzisierung. Dabei zeigen sich auch die grundlegenden Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Ansätzen:

  • Praxisnahe Forschung:
    Ausgangspunkt der Forschung sind Orientierungs- und Handlungsprobleme der pädagogischen Praxis im Kontext curricularer Herausforderungen. Kompetenzraster werden als curriculare Dokumente verstanden, in denen Ziele und Inhalte schulischen Lernens zum Zweck der Individualisierung abgebildet werden. Die Raster gelten als innovative Ansätze kompetenzorientierten Unterrichts.
  • Zielperspektiven:
    Angestrebt wird die Weiterentwicklung dieser innovativen Ansätze für die berufliche Bildung. Das Ziel der Weiterentwicklung (pragmatische Perspektive) kommt vor allem in der Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die Konstruktion von Kompetenzrastern zum Ausdruck. Dafür ist jedoch die Entwicklung eines normativ-theoretischen Bezugssystems bzw. von relevantem Hintergrundwissen (systematische Perspektive) zur Konstruktion von Kompetenzrastern zentral. In diesem Sinne soll ein Beitrag zu rationalen Diskursen im Kontext curricularer Entwicklungsarbeit geleistet werden.
  • Stellenwert rekonstruktiver Prozesse:
    Rekonstruktionen haben eine zentrale Stellung im Forschungsprozess. Zum einen mit Bezug auf das fokussierte Problem, um es besser zu beschreiben und zu erklären, also kognitiv zu durchdringen und verstehbar zu machen, und zum anderen mit Bezug auf die Weiterentwicklung innovativer Ansätze, für die eine Rekonstruktion des Bestehenden vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisbestände unabdingbar ist (hierzu weiterführend die rekonstruktive Sozialforschung nach Bohnsack 2003).
  • Angestrebte Ergebnisse:
    Die Empfehlungen zur Konstruktion von Kompetenzrastern werden als technologische Hypothesen verstanden, die sich im Praxisfeld als nützlich erweisen müssen. Gütekriterium ist die Effizienz und Nutzbarkeit für die Optimierung praktischen Handelns. Die Annäherung an die Wahrheit (im Sinne einer empirisch überprüfbaren Gültigkeit) oder Realität ist dabei nicht bedeutsam, sondern der praktisch nutzbare Ertrag theoretischer Arbeit. Neben dieser pragmatischen Perspektive geht es auch um einen Beitrag zum erziehungswissenschaftlichen Diskurs. In diesem Sinne zielt die Forschungsarbeit mit der theoretisch-rekonstruktiven Systematisierung auf die Entwicklung eines »Forschungsfeldes Kompetenzraster«.

Entgegen dem Konzept der evaluativ-konstruktiven Curriculumforschung wird im Rahmen von Krille (2016) keine kooperative Entwicklungsarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis durchgeführt. Allerdings besteht ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf das Ausgangsproblem. Außerdem zielt die Forschung darauf, zukünftige curriculare Entwicklungsprozesse im fokussierten Gegenstandsbereich (Kompetenzraster) positiv zu beeinflussen. Gerade deshalb wird nicht nur die Entwicklung von relevantem Hintergrund-wissen angestrebt, sondern auch konkrete pragmatische Handlungsempfehlungen für die Konstruktion von Kompetenzrastern erarbeitet.

2.3 Rekonstruktive Sozialforschung

Sowohl für das Konzept technologischer Wissenschaft als auch für den Forschungsansatz evaluativ-konstruktiver Curriculumforschung ist eine rekonstruktive Forschungspraxis konstitutiv. Für die wissenschaftstheoretische und methodologische Verortung werden wesentliche Grundzüge der rekonstruktiven Sozialforschung nach Bohnsack (2003) herangezogen (siehe hierzu auch Soeffner 2004). Damit wird der rekonstruktive Fokus, vor allem in Bezug auf den Prozess der Forschung, für den Schwerpunkt der Kompetenzrasterkonstruktion, konkretisiert. Hiermit zeigt sich auch die paradigmatische Passung der drei gewählten Ansätze. Soeffner (2004) sieht die wissenschaftstheoretischen Frontlinien nicht zwischen qualitativen und quantitativen oder nicht-standardisierten und standardisierten Verfahren, sondern zwischen verstehender Forschung und einer an der Naturwissenschaft orientierten erklärenden Forschung (vgl. ebd., 8; siehe hierzu auch Herrmann 1979). Dies korrespondiert mit dem Ansatz von Bohnsack (2003) und seiner Unterscheidung von rekonstruktiver und hypothesenprüfender Forschung (vgl. Bohnsack 2003, 10). Im Folgenden werden die Grundzüge der rekonstruktiven Sozialforschung nach Bohnsack (2003) dargestellt und auf das Forschungsvorhaben Krille (2016) bezogen.

Für Bohnsack (2003) sind „Sozialwissenschaften […] empirische Wissenschaften, also Erfahrungswissenschaften. Empirische Wissenschaften unterscheiden sich von nicht-empirischen Wissenschaften dadurch, dass in ihnen lediglich solche theoretischen Aussagen Anerkennung finden, die einer Nachprüfung durch die Erfahrung prinzipiell fähig sind.“ (ebd., 13). Er unterscheidet zwei Perspektiven rekonstruktiver Sozialforschung:

Erstens die Rekonstruktion der Forschungspraxis: „Methodologische Überlegungen, die von tatsächlicher Relevanz für die empirische Forschung sein können, haben ihre Erfahrungsgrundlage in der Forschungspraxis. Sie sind im Sinne einer Explikation, Systematisierung, Begründung, Einordnung und Absicherung forschungspraktischer Verfahren zu verstehen, also im Sinne einer Rekonstruktion dieser Forschungspraxi“ (ebd., 10). Die forschungspraktischen Schritte der Erhebung und Auswertung entstehen im Forschungsprozess selbst und werden im Rückblick auf die eigene Vorgehensweise systematisiert und präzisiert. Sie sind nicht aus allgemeinen methodologischen Prinzipien abgeleitet. Methodologische Überlegungen dienen vielmehr als Reflexions-, Artikulations- und Systematisierungshilfe bei der Rekonstruktion bereits vollzogener Arbeitsschritte. Damit entsteht eine reflexive Beziehung zwischen Forschungserfahrung und methodologischen Begrifflichkeiten (vgl. ebd., 32). Methodologie entwickelt sich in der Auseinandersetzung mit der Rekonstruktion der Praxis empirischer Forschung (vgl. ebd., 189), es besteht keine deduktive, sondern eine reflexive Beziehung (vgl. ebd., 32).

Zweitens die Rekonstruktion der Alltagspraxis: „Theorie- und Typenbildung vollzieht sich auf der Grundlage einer Rekonstruktion der Alltagspraxis der Erforschten bzw. auf der Grundlage der Rekonstruktion des Erfahrungswissens, welches für diese Alltagspraxis konstitutiv ist.“ (ebd., 10). Die Beziehung zum Forschungsgegenstand ist rekonstruktiv und konstituiert sich durch mehrstufiges Interpretieren. Die forschende Auseinandersetzung innerhalb des Gegenstandsbereichs soll sich nach Bohnsack (2003) auf der Grundlage einer empirischen Analyse mit vier Interpretations- bzw. Rekonstruktionsstufen vollziehen. In der (1) formulierenden Interpretation werden zunächst Elemente der jeweiligen Fälle mit thematischer Relevanz für die Fragestellung der Forschung identifiziert und zusammenfassend aufgearbeitet. Im Rahmen der (2) reflexiven Interpretation werden weitere Fälle herangezogen, wobei die Auswahl im Sinne einer komparativen Analyse nach Maßgabe zu erwartender Erkenntnisgewinne vollzogen wird. Die sich anschließende (3) Diskursbeschreibung betrachtet die wechselseitigen Steigerungen von Redebeiträgen (im Gruppeninterview) und sich herauskristallisierende kollektive Bedeutungsmuster. Auf der letzten Interpretationsstufe münden die systematischen Vergleiche (komparative Analyse) in der (4) Bildung von Typen (vgl. ebd., 34 ff.).

Für die komparative Analyse sind Vergleichskriterien notwendig und von hoher Bedeutung bei einer gegenstandsbezogenen Theorieentwicklung. Bohnsack (2003) spricht sich unter Rückgriff auf Matthes (1992) dafür aus, Vergleichskriterien zu wählen (vgl. Bohnsack 2003, 204 f.), die das Gemeinsame oder Gleichartige der betrachteten Fälle widerspiegeln (tertium comparationis). Damit ist der eigentlichen komparativen Analyse bereits ein Prozess des Vergleichs vorausgegangen. In diesem wird identifiziert, was den vergleichenden Fällen gemeinsam ist. Die Vergleichskriterien der komparativen Analyse haben damit induktiven Charakter. Sie müssen dabei so abstrakt sein, dass sie nicht nur für einen Fall adäquat sind. Dabei ist eine Definition der so gewonnenen Grundbegriffe, als metatheoretische Kategorien, in Abgrenzung zu gegenstandsbezogenen Begriffen methodologisch bedeutsam. Die metatheoretischen Kategorien sollten in der Lage sein, die in unterschiedlichen Gegenstandsbereichen vorzufindenden Konstruktionen ersten Grades[4] so ineinander zu übersetzen, dass sie überhaupt vergleichbar werden. „Erst auf dieser Basis gelingt es, im Vollzug der komparativen Analyse die gegenstandsbezogenen Theorien zu generieren.“ (Bohnsack 2003, 204). In der Strukturierung des Vergleichs benötigt die rekonstruktive Forschung „voraussetzungsvolle theoretische Konzepte ex ante, also präzise Grundbegriffe, welche die Forschung anleiten.“ (ebd., 205).

Bohnsack (2003) spricht sich bei beiden Perspektiven dafür aus, den gesamten Forschungsprozess auf die Generierung von Theorie zu legen und nicht auf die Prüfung von Theorie (vgl. ebd., 28 ff.). Er verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Argumentation von Glaser/Strauss (1969), die dargelegt haben, dass eine ungeeignete Theorie nur durch eine alternative, am gleichen Gegenstand entwickelte oder generierte Theorie überwunden werden kann, nicht aber durch Falsifikation. Ausgehend von dem untrennbaren Zusammenhang von Theorie und Erfahrung sind Beobachtungen immer selektiv im Lichte dieser Theorie. Für einen Erkenntnisfortschritt ist es demnach nötig, aus einem bestehenden hermeneutischen Zirkel auszusteigen und einen neuen, alternativen Zirkel zu initiieren – „bei gegebener Beobachtung, bei gegebener Datenlage also eine neue Theorie generieren, die auf der Grundlage dieser Daten gleichermaßen plausibel erscheint. Erkenntnisfortschritt ist also an Theoriegenerierung gebunden.“ (Bohnsack 2003, 29).

Die rekonstruktive Systematisierung des Problemfeldes geschieht bei Krille (2016) im weitesten Sinne als Rekonstruktion der Alltagspraxis nach Bohnsack (2003). Sie zielt jedoch nicht auf die Rekonstruktion des impliziten Wissens der Erforschten als wissenssoziologische Interpretation (siehe ebd., 201). Denn Gegenstand ist ein pädagogisches Instrument (Kompetenzraster). Als empirisches Material zur Problemfeld-Systematisierung werden (1) Veröffentlichungen aus der pädagogischen Praxisliteratur und (2) ein Interviewprotokoll als Ergänzung herangezogen. Die (1) Veröffentlichungen aus der pädagogischen Praxisliteratur umfassen typischerweise eine Deskription der didaktischen Intentionen und des schulspezifischen Kontextes sowie die eigentlichen Kompetenzraster. Die einbezogenen Kompetenzraster gelten als öffentlich zugängliche Dokumente und sind die Basis der komparativen Analyse. Das verwendete empirische Material hat damit einen anderen Charakter als die von Bohnsack (2003) üblicherweise fokussierten Transkripte von Gruppeninterviews. Entsprechend ist ein etwas anderes Vorgehen notwendig. Dennoch weist die komparative Analyse zum strukturellen Aufbau und zur Konstruktion von Kompetenzrastern Analogien zur Rekonstruktion im Sinne Bohnsacks auf, hier vor allem im Rahmen der sequenziellen Interpretation und der zugrundeliegenden Methodologie des Vergleichs (siehe ebd., 199 ff.). Die komparative Analyse ist ein Weg qualitativer Forschung, der von Anfang an über den einzelnen Fall hinaus auf der Ebene der Auswahl von erkenntnisversprechenden Fällen dem Primat der Theoriegenerierung folgt (vgl. ebd., 199).

2.4 Zusammenfassung und Umsetzung des technologisch-rekonstruktiven Forschungsansatzes im Rahmen des Forschungsvorhabens Krille (2016)

Bisher wurden zentrale wissenschaftstheoretische und methodologische Grundlagen der Forschungsarbeit Krille (2016) systematisch dargestellt. Diese Grundlagen entstanden im Forschungsprozess selbst, sie wurden nicht deduktiv abgeleitet. Die methodologischen Überlegungen zeugen von einer reflexiven Beziehung zwischen Forschungserfahrung und methodologischen Begrifflichkeiten der drei dargestellten Bezüge. Damit wird einer zentralen Forderung der rekonstruktiven Sozialforschung nach Bohnsacks (2003) entsprochen.

Der Ausgangspunkt der Forschung ist ein Problem der pädagogischen Praxis: Schulen stehen vor der Herausforderung, dass weitgehend unklar ist, nach welchen Prinzipien und vor welchem theoretischen Hintergrund Kompetenzraster entwickelt werden können. Analoges Ziel der Forschungsarbeit ist die Entwicklung eines normativ-theoretischen Bezugsrahmens (bzw. handlungsrelevanten Hintergrundwissens) und korrespondierende handlungsleitende Prinzipien als ein Problemlösungsangebot für Praktiker. Die angestrebten Erkenntnisse sollen Schulen in Bezug auf dieses Problem Orientierungs- und Entscheidungshilfe sein und einen Beitrag zu rationalen Diskursen im Kontext curricularer Entwicklungsarbeit leisten. Damit wird dem durch Herrmann (1979) geforderten Strategiepluralismus technologischer Wissenschaft im weiteren Sinne gefolgt.

Um die genannten Ziele zu erreichen, stützt sich der Forschungsprozess auf eine schrittweise Problemfeldrekonstruktion. Ausgangspunkt der Rekonstruktionen sind die didaktischen Intentionen der Kompetenzraster: sie werden üblicherweise genutzt, um kompetenz-orientiertes, individualisiertes und selbstgesteuertes Lernen zu unterstützen. Dabei stehen für diese Forschungsarbeit jedoch die didaktische Nutzung der Raster, also konkrete Lehr-Lernarrangements und das dafür notwendige pädagogische Konzept nicht im Zentrum. Dennoch sind der curricular-didaktische Kontext und die mit der Anwendung der Kompetenzraster typischerweise intendierten Funktionen wichtige Bezugspunkte für deren Konstruktion und werden entsprechend intensiv in die Forschungsarbeit eingebunden. Die folgenden drei Rekonstruktionen werden von Krille (2016) erarbeitet:

  1. Rekonstruktion des didaktischen Kontextes:

Dieser Fokus beschäftigt sich aus einer normativ-theoretischen Perspektive mit den für die Kompetenzrasternutzung zentralen didaktischen Leitkategorien: Kompetenzorientierung, Individualisierung und Selbststeuerung. Ziel dieses Kapitels ist eine konzeptionelle Klärung der drei Kategorien vor dem Hintergrund schulischer Handlungs- und Problemfelder.

  1. Rekonstruktion der didaktischen Nutzung:

Dieser Fokus beschäftigt sich aus einer empirisch-pragmatischen Perspektive mit der Nutzung von Kompetenzrastern im schulpraktischen Handlungsfeld. Ziel dieses Kapitels ist es, intendierte Funktionen von Kompetenzrastern im Kontext eines auf Kompetenz-orientierung, Individualisierung und Selbststeuerung zielenden Unterrichtskonzeptes zu beschreiben.

  1. Rekonstruktion des strukturellen Aufbaus und der Konstruktion:

Dieser Fokus beschäftigt sich aus einer empirisch-analytischen Perspektive mit der Konstruktion von Kompetenzrastern. Die Rekonstruktion des strukturellen Aufbaus nutzt dabei ein rekonstruktives Verfahren in Anlehnung an Bohnsack (2003). Aus einer methodologischen Perspektive heraus steht dabei die Methodologie des Vergleichs im Zentrum (Bohnsack 2003, 204, siehe hierzu auch Matthes 1992). Forschungspraktisch stützt sich die Systematisierung wesentlich auf eine komparative Analyse verschiedener Konstruktionsvarianten von Kompetenzrastern. Basis für die Vergleiche sind die metatheoretischen Kategorien, die als theoretisch-konzeptionelle Grundlagen erarbeitet werden und zur gegenstandsbezogenen Theoriegenerierung beitragen. Ziel des Kapitels ist es, das Problem der Konstruktion durch schrittweises Heranziehen erkenntnisversprechender empirischer Fälle sukzessive kognitiv zu durchdringen (siehe hierzu auch Glaser/Strauss 1979, 96 f.). Diese Rekonstruktion bildet im Sinne des verfolgten Forschungsziels den Schwerpunkt der Forschungsarbeit. Im Ergebnis entsteht u. a. eine empirisch begründete Taxonomie der Konstruktionsmerkmale von Kompetenzrastern. Darüber hinaus werden wissenschaftliche Erkenntnisbestände als Hintergrundwissen für das technisch-praktische Problem der Konstruktion aufbereitet und letztlich als handlungsleitende Prinzipien im Sinne eines Problemlösungsangebots für Praktiker verdichtet.

Grundsätzlich gilt, dass die Rekonstruktionen nicht durch Komplexitätssteigerung an Qualität gewinnen, sondern durch die Auswahl der problem- und handlungsspezifisch relevanten Gesichtspunkte (im Sinne von Herrmann 1979, 157 und Bohnsack 2003, 34). Für die gesamte Rekonstruktion gilt, dass im Sinne einer technologischen Forschung (Herrmann 1979) wissenschaftliche Erkenntnisbestände, vor dem Hintergrund technisch-praktischer Probleme, aufbereitet werden und als Mittelbausteine (Klages 1967) in technologische Theorie einfließen. Die erarbeiteten Erkenntnisse können als technologische Hypothesen verstanden werden. Sie unterliegen dem Kriterium der Nützlichkeit sowie der Effizienz und müssen sich erst im Praxisfeld beweisen.

Die drei dargestellten wissenschaftstheoretischen und methodologischen Bezüge technologische Wissenschaft Herrmann (1979), evaluativ-konstruktive Curriculumforschung Tramm (1992b) und rekonstruktive Sozialforschung Bohnsack (2003) verbinden sich paradigmatisch im Sinne einer aufgeklärt eklektizistischen Forschung zum technologisch-rekonstruktiven Forschungsansatz. Mit diesen Bezügen sind das Ausgangsproblem, die Ziele und die zentrale Methode als wesentliche Elemente wissenschaftlicher Forschung fundiert worden, so dass keine weiteren wissenschaftstheoretischen oder methodologischen Bezüge zur Verortung dieser Arbeit nötig sind.

3 Ansprüche technologisch-rekonstruktiver Forschung

Im Rahmen des Forschungsvorhabens Krille (2016) wurden die drei Bezüge technologische Wissenschaft (Herrmann (1979), evaluativ-konstruktive Curriculumforschung Tramm (1992b) und rekonstruktive Sozialforschung Bohnsack (2003) paradigmatisch im Sinne einer aufgeklärt eklektizistischen Forschung zum technologisch-rekonstruktiven Forschungsansatz verbunden. Diese wissenschaftstheoretische und methodologische Verortung hat maßgeblich zur konsistenten Bearbeitung der pädagogischen Problemstellung beigetragen und war entsprechend wertvoll für das forschungspraktische Vorgehen. Aus dieser Erfahrung heraus erscheint es grundsätzlich sinnvoll im Rahmen von Forschungs-vorhaben, methodologische Grundlagen explizit auszuarbeiten und transparent zu beschreiben. Damit ergibt sich auch die Möglichkeit, dass die erarbeiteten Prinzipien für andere Projekte genutzt werden können. Darüber hinaus ist eine Belebung des methodologischen Diskurses der Berufs- und Wirtschaftspädagogik nur plausibel, wenn dieser Thematik im Rahmen forschungspraktischer Erfahrungen mehr Bedeutung beigemessen wird. Im Folgenden werden zentrale Ansprüche einer technologisch-rekonstruktiven Forschung beschrieben:

  1. Probleme im praktischen Handeln als Ausgangspunkt für Forschungsvorhaben
    Als elementare Annahme gilt, dass sich Forschungsbemühungen auf das Lösen von Problemen im praktischen Handeln beziehen. Wissenschaftliche Tätigkeit wird als zielgerichtetes, rationales Handeln verstanden, das auf die Bewältigung von Aufgaben gerichtet ist, indem etwas getan oder hergestellt wird, was der Problemlösung dienlich ist (vgl. Herrmann 1979, 30). Damit ergibt sich ein beiderseitiger Rückkoppelungsprozess von Wissenschaft und Praxis. „Denn zum einen soll Wissenschaft Praxis analysieren und wird daher durchaus in ihren Gegenständen, Vorgehensweisen und Methoden durch die Praxis mitbestimmt und zum anderen soll Wissenschaft der Praxis gerade dadurch Anregung und Orientierung bieten und wirkt daher auch auf die Praxis ein.“ (Tramm/Hofmeister/Derner 2009, 10). Beide Handlungsbereiche orientieren sich an unterschiedlichen Regeln, Zielsetzungen und Bedingungen, beziehen sich dabei aber auf die gleichen Gegenstände und können sich durch Perspektiverweiterungen gegenseitig bereichern (vgl. ebd., 11). Der Problemfokus technologisch-rekonstruktiver Forschung sollte auf Fragestellungen innovativer pädagogischer Praxis gerichtet werden. Dabei gilt es, Bestehendes vor dem Hintergrund normativer Leitvorstellungen und begründeter theoretischer Kategorien zu rekonstruieren. Die dabei identifizierten Leistungen, Potenziale und Defizite werden als Entwicklungsaufgaben aufgefasst (siehe auch Tramm 1996, 27).
  1. Pragmatischer Nutzen und theoretischer Erkenntnisgewinn als Forschungsziele
    In Bezug auf die Ziele der Forschung ist die Generierung von Theorie im Sinne von technologischen Hypothesen intendiert und nicht deren Überprüfung. Angestrebt wird eine gegenstandsbezogene Theorieentwicklung, wobei eine Offenheit gegenüber dem Gegenstand und seiner theoretischen Strukturierung unerlässlich und konstitutiv ist. Dabei geht es forschungspraktisch um pragmatische Entwicklungsarbeit und um systematische Erkenntnisproduktion. Es werden also zwei Forschungsperspektiven verfolgt, die eng miteinander verknüpft sind. Fokus der pragmatischen Perspektive ist es, in abgegrenzten pädagogischen Feldern Lösungsangebote für praktische Probleme zu erarbeiten, die das Potenzial haben, die Rationalität und Effizienz im praktischen Handeln zu erhöhen. Dieser pragmatischen Entwicklungsarbeit liegt notwendigerweise ein komplexes Gefüge theoretischer und normativer Annahmen mit Bezug zum fokussierten Problem zugrunde. Zunächst bedarf es einer theoretisch reflektierten Rekonstruktion des Problemfeldes, um dann die Entwicklung eines normativ-theoretischen Bezugsrahmens als Basis für die Weiterentwicklung zu fokussieren. Mit dieser systematischen Perspektive wird die Generierung theoretischer Erkenntnisgewinne angestrebt. Die duale Forschungsstrategie steht damit im Einklang zu den im Rahmen berufs- und wirtschaftspädagogischer Forschung erprobten Konzepten der evaluativ-konstruktiven Curriculumforschung nach Tramm (1992b) und dem Design-Based Research (exemplarisch Reinmann 2005; Aprea 2009). Dabei können die theoretischen Erkenntnisse als Hintergrundwissen (i. S. v. Herrmann 1979, 155 f.) ebenfalls einen pragmatischen Nutzen für Handelnde aus pädagogischen Praxisfeldern haben. Für die Rekonstruktionen gilt, dass im Sinne einer technologischen Forschung (Herrmann 1979) wissenschaftliche Erkenntnisbestände, vor dem Hintergrund technisch-praktischer Probleme, aufbereitet werden und als Mittelbausteine (Klages 1967) in technologische Theorie einfließen.
  1. Technologisch-rekonstruktive Forschungspraxis
    Das rekonstruktive Vorgehen hat methodologisch wie forschungspraktisch eine hohe Bedeutung. Denn es bestimmt den Zusammenhang von empirischer und theoretischer Explikation und ist damit maßgeblich für die gegenstandsbezogene Theorieentwicklung. Ausgehend von einem technischen Problem pädagogischer Praxis, erscheint es notwendig, unterschiedliche rekonstruktive Perspektiven zu verfolgen. Dabei gewinnen die Rekonstruktionen nicht durch Komplexitätssteigerung an Qualität, sondern durch die Auswahl der problem- und handlungsspezifisch relevanten Gesichtspunkte (im Sinne von Herrmann 1979, 157 und Bohnsack 2003, 34). Hierfür sollte der intentionale Kern pädagogischer Innovationen ergründet werden. Diese Intentionen können Bezug haben zu normativen Leitbildern, ordnungspolitischen Vorgaben und zu persönlichen Ansprüchen von Lehrkräften. Es gilt, diese Bezüge vor dem Hintergrund begründeter theoretischer Kategorien zu beschreiben und zu erklären, also kognitiv zu durchdringen und verstehbar zu machen. Anders ausgedrückt: der normativ-theoretische Kontext des fokussierten Forschungsgegenstandes ist zu explizieren. Wobei mögliche Spannungsfelder und Zielkonflikte von besonderem Interesse sind, denn diese bieten Ansatzpunkte zur Diskussion und Entwicklung. Zum anderen gilt es, die interessierenden Aspekte der fokussierten pädagogischen Praxis zu erschließen. Hierfür ist eine empirische Erschließung unumgänglich, für die unterschiedliche empirische Verfahren bzw. Methoden genutzt werden können. Auf Basis der Erfahrungen im Kontext von Krille (2016) werden im Folgenden die komparative Analyse und ihre methodologisch bedeutsamen Aspekte fokussiert.

    Durch die Nutzung einer vergleichenden Analyse ist es möglich, eine Mehrzahl relevanter Rekonstruktionen einzubeziehen, die aus unterschiedlichen pragmatischen Kontexten stammen können. Die Vergleichskategorien ermöglichen das systematisch, empirisch-fundierte Einbeziehen von Gegen- bzw. Vergleichshorizonten (vgl. Bohnsack 2003, 38). Die komparative Analyse ist ein Weg qualitativer Forschung, der von Anfang an über den einzelnen Fall hinaus auf der Ebene der Auswahl von erkenntnisversprechenden Fällen dem Primat der Theoriegenerierung folgt (vgl. ebd., 199). Damit ist auch die Intention verbunden, dass durch Aggregation der Rekonstruktionen ein Nutzen für unterschiedliche pragmatische Kontexte ermöglicht wird. Eine spezielle Herausforderung liegt unter anderem darin, das rekonstruierbare (technologische) Wissen zu erschließen, es systematisch zusammenzuführen und zu verdichten. Hierfür ist die Entwicklung von Vergleichskategorien von besonderer Bedeutung. Die Kategorien müssen so gewählt werden, dass sie das Gemeinsame oder Gleichartige der betrachteten Fälle widerspiegeln. Sie haben damit einen induktiven Charakter. Vor der eigentlichen komparativen Analyse erfolgt ein explorativer Vergleich erkenntnisversprechender Fälle zur Identifikation von Vergleichskategorien. Im Anschluss gilt es, diese Kategorien als metatheoretische Kategorien auszuarbeiten (siehe hierzu auch Bohnsack, 204 f. mit Bezug zu Matthes 1992). In diesem Arbeitsschritt werden die empirisch-induktiv gewonnenen Kategorien theoretisch-deduktiv fundiert. Hierzu werden entsprechende theoretisch-konzeptionelle Grundlagen, also wissenschaftliche Erkenntnisbestände, ausgewählt und aufbereitet. In der Strukturierung des Vergleichs benötigt die rekonstruktive Forschung „voraussetzungsvolle theoretische Konzepte ex ante“ (Bohnsack 2003, 205).

    Forschungspraktisch stützt sich die empirisch-analytisch ausgerichtete komparative Analyse auf eine mehrstufige Interpretation der einbezogenen Daten. Im ersten Schritt erfolgt eine (1) formulierende Interpretation. Hierzu werden Elemente des jeweils fokussierten Exempels mit thematischer Relevanz für die Fragestellung der Forschung identifiziert und zusammenfassend aufgearbeitet. Dies geschieht jeweils im Kontext des konkreten (pragmatischen) Beispiels. Dabei bestimmen die theoretisch fundierten Vergleichskategorien sehr konkret, was für die Fragestellung der Forschung von thematischer Relevanz ist. Bei der sich anschließenden Stufe der (2) reflexiven Interpretation werden weitere Beispiele herangezogen. Durch die Betrachtung der Differenzen, also des Möglichkeitsraumes unterschiedlicher empirischer Varianten, entsteht eine Rahmung des Forschungsgegenstandes mit Bezug zu spezifischen Problemstellungen. Die komparative Analyse, also der Vergleich verschiedener Beispiele aus dem fokussierten Gegenstandsbereich, setzt immer einen Vergleichshorizont voraus, wobei die Interpretation nach dem Prinzip der Kontraste vollzogen wird. Die Auswahl der Beispiele erfolgt nach Maßgabe zu erwartender Erkenntnisgewinne. Dabei schreitet die Rekonstruktion durch schrittweises Heranziehen erkenntnisversprechender Beispiele sukzessive voran und endet erst, wenn keine Erkenntnisse mehr zu erwarten sind (theoretische Sättigung). Auf Basis des systematischen Vergleichs im Kontext der metatheoretischen Kategorien, also der systematischen Interpretation auf Basis von Gegenhorizonten, entsteht im Rahmen der letzten Stufe sequenzieller Rekonstruktion eine (3) empirisch begründete Taxonomie unterschiedlicher Varianten.[5] Die komparative Analyse ist eine durch theoretisch fundierte Vergleichskategorien analytisch geprägte Deskription. Durch die Kombination aus empirischer und theoretischer Explikation entsteht im Sinne technologischer Forschung ein Hintergrundwissen zum fokussierten Gegenstandsbereich. Mit Bezug zum Ausgangspunkt der Forschungsbemühungen, also dem fokussierten technisch-praktischen Problem, lassen sich in einem weiteren Arbeitsschritt Empfehlungen oder auch konkrete Weiterentwicklungen erarbeiten. Diese sind als normativ-theoretische Problemlösungsangebote zu verstehen (präskriptiv). Es gilt in diesem Sinne, (erneut) theoretisch-konzeptionelle Grundlagen, also wissenschaftliche Erkenntnisbestände, zu selegieren und so aufzubereiten, dass sie einen Nutzen für die fokussierte Praxis haben können. Abbildung 3 fasst die beschriebenen Zusammenhänge graphisch zusammen, damit sollen insbesondere die unterschiedlichen Perspektiven 1) induktiv und deduktiv, 2) deskriptiv und präskriptiv sowie 3) empirisch und theoretisch als auch ihre Verschränkungen verdeutlicht werden.

Abbildung 3: Komparative Analyse im Kontext technologisch rekonstruktiver ForschungAbbildung 3: Komparative Analyse im Kontext technologisch rekonstruktiver Forschung

  1. Gütekriterien:
    Die Beurteilung wissenschaftlicher Problemlösungsversuche ist „jeweils von ihrer Leistung im Hinblick auf die Aufgaben abhängig zu machen, die sie zu erfüllen haben. Die Anforderungen, die an sie zu stellen sind, müssen […] auf das Problem der Realisierbarkeit Rücksicht nehmen.“ (Albert 1972, 22).[6] In diesem Sinne gilt es, für die Zielbereiche der pragmatischen Entwicklungsarbeit (praktischer Output) und der systematische Erkenntnisproduktion (theoretischer Output) nach Nützlichkeit und Relevanz zu fragen oder im optimalen Fall weiterführend zu erproben. Darüber hinaus gilt es, einschlägigen Gütekriterien qualitativer Forschungsvorhaben gerecht zu werden, auch wenn diese, durchaus untersuchungsspezifisch ausgelegt werden können (vgl. Mayring 2002, 140 ff.; Lamnek 2005, 144; Steinke 2012, 320 ff.).

Der hier prägnant beschriebene technologisch-rekonstruktive Forschungsansatz eröffnet vor allem in drei Bereichen Gestaltungsmöglichkeiten, das forschungspraktische Handeln zu variieren bzw. an konkrete pragmatische Gegebenheiten anzupassen. Dies betrifft zum einen die Frage nach der (1) Kooperationsintensität zwischen Handelnden aus dem wissenschaftlichen und aus dem pädagogisch-praktischen Kontext. Zwingend erforderlich ist ein gemeinsames Verständnis des fokussierten Ausgangsproblems, darüber hinaus kann bei der pragmatischen Entwicklungsarbeit eine enge Kooperation mit Bezug zu einem konkreten praktischen Kontext angestrebt werden. Zum anderen scheint die (2) Nutzung unterschiedlicher rekonstruktiver Verfahren möglich, hier müsste jedoch der Zusammenhang von empirischer und theoretischer Explikation und der damit einhergehenden Auswirkungen auf die Theorieentwicklung geprüft werden. In diesem Kontext ist darüber hinaus die (3) Verwendung unterschiedlicher empirischer Methoden und Daten plausibel. Dabei darf jedoch die paradigmatische Passung nicht außer Acht gelassen werden.

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Zabeck, J. (2009): Über die Chancen einer Wiederbelebung des methodologischen Diskurses in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. In: Lisop, I./Schlüter, A. (Hrsg.): Bildung im Medium des Berufs? Diskurslinien der Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Frankfurt, M, 121-147.

 

[1] Teile dieses Kapitels sind bereits bei Krille (2016) beschrieben worden.

[2] Der Begriff Mittelbausteine geht auf Klages (1967) Unterscheidung von a- und g-Innovationen zurück (vgl. Herrmann 1979, 135 ff. über Klages 1967): Klages unterscheidet psychologisch-wissenschaftliche und psychologisch-technologische Innovationstätigkeit begrifflich in a-Innovationen und g-Innovationen. Die g-Innovationen fokussieren Erklärungen bzw. Gesetzlichkeiten zur modellhaften Abbildung der Realität. Im Gegensatz dazu zielen die a-Innovationen auf technische Innovationen, „die auf Artefakte (auf das vom Menschen gemachte, hervorgebrachte, auf Verbesserungen von Alltagssituationen u. dgl.) gerichtet sind, wobei sich die gleichzeitige Auffindung von geschlossenen Systemen von Gesetzlichkeiten eher als irrelevant erweist.“ (Herrmann 1979, 135). Die auf psychologisch-technologische Innovation gerichteten a- Innovationen stehen im Dienste der Verbesserungen von Voraussetzungen für praktisch-technische Zielerreichung. Dabei können die nomologisch ausgerichteten g- Innovationen als sogenannte Mittelbausteine nützlich für technologische Zwecke sein, indem sie als wichtige Elemente für psychologisch-technologische Innovationen genutzt werden.

[3] Der Ansatz evaluativ-konstruktiver Forschung weist in mehrfacher Hinsicht deutliche Parallelen zum Design-Based Research auf (siehe exemplarisch Design-Based Research Collective 2003; Reinmann 2005; Aprea 2009; Aprea 2013). Dies zeigt sich im Wesentlichen in vier Aspekten: (1) Beide Ansätze folgen im Forschungsprozess einer Zielparallelität von pragmatischer Entwicklungsarbeit (praktischer Output) und systematischer Erkenntnisproduktion (theoretischer Output). (2) Dabei wird gefordert, dass wissenschaftliche Erkenntnisbestände Grundlage für den Gestaltungsprozess und die Theorieentwicklung sind. Der Forschungsprozess (3) ist idealtypisch zyklisch angelegt (Evaluation, Entwicklung, Anwendung, Evaluation, …) und (4) zeichnet sich durch eine enge Theorie-Praxis-Kooperation aus.

[4] Eine grundlegende Annahme sozialwissenschaftlicher Forschung ist, dass ihr Gegenstand bereits durch Menschen konstruiert wurde. Die Sozialwelt „hat eine besondere Sinn- und Relevanzstruktur für die in ihr lebenden, denkenden und handelnden Menschen. In verschiedenen Konstruktionen der alltäglichen Wirklichkeit haben sie diese Welt im Voraus gegliedert und interpretiert, und es sind gedankliche Gegenstände dieser Art, die ihr Verhalten bestimmen, ihre Handlungsziele definieren und die Mittel zur Realisierung solcher Ziele vorschreiben […]. Die gedanklichen Gegenstände, die von Sozialwissenschaftlern gebildet werden, beziehen und gründen sich auf gedankliche Gegenstände, die im Verständnis des im Alltag unter seinen Mitmenschen lebenden Menschen gebildet werden. Die Konstruktionen, die der Sozialwissenschaftler benutzt, sind daher sozusagen Konstruktionen zweiten Grades: es sind Konstruktionen jener Konstruktionen, die im Sozialfeld von den Handelnden gebildet werden …“ (Schütz 1971, 6 zitiert nach Bohnsack 2003, 22 f.).

[5] Bohnsack (2003) fokussiert im Gegensatz zur Taxonomie die Bildung von Typen (vgl. ebd., 34 ff. und 141 ff.).

[6] Diese Auffassung wissenschaftlichen Handelns steht durchaus in Konflikt zu anderen Ansätzen, in denen wissenschaftliches Handeln „die schrittweise Annäherung des von uns Angenommenen an die Wahrheit, Realität, Wirklichkeit o. dgl. zu seinem Ziel und Ende hat.“ (Herrmann 1979, 31).

Zitieren des Beitrags

Krille, F. (2017): Technologisch-rekonstruktive Forschung als komparative Analyse innovativer pädagogischer Praxis aus wissenschaftstheoretischer und methodologischer Perspektive. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 33, 1-24. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe33/krille_bwpat33.pdf (14-12-2017).