bwp@ 39 - Dezember 2020

Berufliche Bildung in Europa – 20 Jahre nach Lissabon und am Ende von ET 2020. Entwicklungen und Herausforderungen zwischen supranationalen Strategien und nationalen Traditionen

Hrsg.: Karin Büchter, Karl Wilbers, Hubert Ertl, Dietmar Frommberger & Franz Gramlinger

... und sie bewegt sich doch: Berufsbildung in Europa, supranationale Integrationspolitik und das Tintenfisch-Prinzip

Beitrag von Sandra Bohlinger & Dieter Münk
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Berufsbildungspolitik, Europa, Funktionalismus, Governance, Intergouvernementalismus, Politiktransfer

Deutschsprachige Berufsbildungsforschung im europäischen Kontext beschäftigt sich vorrangig mit Einflüssen supranationaler Reformansätze und ihren (möglichen Folgen) für nationale Berufsbildung. Theorieansätze zur europäischen Integration oder zum Politiktransfer spielen dabei kaum eine Rolle, sei es, weil die europäische Integration v.a. in anderen Politikfeldern stattzufinden scheint oder sei es, dass Politiktransfer in der Berufsbildung kaum im europäischen Kontext betrachtet wird.

Dieser Beitrag geht den umgekehrten Weg und hinterfragt, inwiefern Ansätze zur europäischen Integration an Ansätze zum Politiktransfer anschlussfähig gemacht werden können, um zu einem besseren Verständnis europäischer Berufsbildungspolitik beizutragen. Dazu verortet der Beitrag zunächst die Rolle der Berufsbildung in der Europapolitik. In einem weiteren Schritt wird gezeigt, dass und inwiefern die Berufsbildungspolitik ein paradigmatisches Beispiel für die „großen“ europäischen Integrationstheorien darstellt. Anschließend werden die Ansätze zur europäischen Integration für dieses Politikfeld an jene des Politiktransfers anschlussfähig gemacht und dabei Steuerungsmodi jenseits von Macht und Hierarchie herausgearbeitet. In einem letzten Schritt werden Steuerungslogiken und -modi präsentiert, die quer dazu liegen und die Entwicklung europäischer Berufsbildungspolitik verständlicher machen.

… nevertheless, it does move: European integration and the octopus principle

English Abstract

Interlinking “grand” European integration theories with findings from (VET) policy transfer, this paper aims at contributing to a better understanding of European VET policy. Building on the assumption that governing “logics” and modes of European VET policy go far beyond common approaches to European integration we propose that policy transfer provides a more detailed understanding of agents’ decision-making processes in this field.  

The contribution starts with outlining the role of VET in EU policy and then analyses how and in which ways VET policy is a paradigmatic case of European integration theories. Next, we interconnect such integration theories with approaches to policy transfer and identify modes of governance that are beyond power and hierarchy. In a final step, we reveal additional modes and logics of governance that go beyond rationality but do have a massive impact on EU VET policy.

In Gedenken an Professor Dr. Andreas Fischer
(*30. August 1955, Dannenberg,
3. Dezember 2019, Lüneburg)

1 Einleitung

Andreas Fischer hat einst zusammen mit Gabriela Hahn bei einer Tagung zur Europäischen Berufsbildungspolitik die Funktionsweise der Europäischen Union mit dem Bild vom „Paartanz zu Orchestermusik“ erklärt – und dies seinen doch recht überraschten Lüneburger Studierenden direkt vorgeführt.

Wer groß angelegte Tanzanlässe wie etwa den Wiener Opernball oder den SemperOpernball betrachtet, mag – ähnlich wie bei der Europäischen Union – zunächst den Eindruck einer harmonisch abgestimmten Zeremonie gewinnen. Denkt man dabei jedoch an das aktuelle Gezerre um die europäische Flüchtlingspolitik sowie (damit zusammenhängend) an das bislang ebenso fruchtlose Bestreben der Gestaltung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik, so regen sich beim Betrachter jedoch ernsthafte Zweifel, ob das Bild der gemeinsamen Orchestrierung als Grundlage für einen gleichmäßig getakteten Paartanz wirklich so passgenau ist. Trotzdem muss man konzedieren, dass der Integrationsprozess auf, wenn auch zuweilen wundersame Art und Weise, am Ende doch voranschreitet: Jedenfalls scheint es zumindest für das hier in Rede stehende europapolitische Feld der Berufsbildung weitgehend außer Zweifel zu stehen, dass in den letzten 20 bis 30 Jahren für die Berufsbildung nicht nur mit Erfolg ein eigenes Politikfeld innerhalb der EU-Bildungspolitik etabliert werden konnte, sondern dass darüber hinaus eine beträchtliche Anzahl substantieller berufsbildungspolitisch relevanter Reformen und Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden konnten. Dass diese Perfektionierung des Paartanzes in gelungener wechselseitiger Abstimmung mit dem Orchester angesichts jahrelanger (Koordinations-)Arbeit am Ende dann trotz zahlreicher Pannen, Fehlversuche und Fehltritte doch zu gelingen scheint, ist Anlass mindestens für ein überraschtes Staunen des Betrachters.

Der Belgier Hermann von Rompuy, seines Zeichens ehemals belgischer Premierminister und Regierungschef sowie für zwei Amtszeiten erster ständiger Präsident des Europäischen Rates begründete diesen eigentlich erstaunlichen politischen Erfolg der Europäischen Union anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Kommission damit, dass „the Union has perfected the art of compromise“ (van Rompuy 2012).

Egal ob bei Paartanz oder – worauf wir weiter unten noch ausführlicher eingehen werden – bei der Koordination von Tentakeln: Wie bei allem, was perfekt ist (oder scheint), verbleibt bei dem gewogenen Betrachter indes ein Rest von Unerklärbarkeit und Unverständnis, weil nicht vollständig erklärbar ist, aus welchen Elementen sich diese Kompromiss- (bzw. Koordinations-)Fähigkeit speist.

In diesem Sinne fragt unser Beitrag im Gedenken an unseren Kollegen Andreas Fischer danach, inwieweit die „Kunst des Kompromisses und der Integration“ – bezogen auf die europäische Berufsbildungspolitik – als Prozess in seinen Gelingensbedingungen verständlich und erklärbar ist. Wir grenzen uns dabei bzgl. unserer Fragestellung deutlich von jenen Forschungsbeiträgen ab, die sich aus governance-theoretischer Perspektive der Steuerung von beruflicher Bildung zur Fachkräftesicherung widmen (z.B. Busemeyer/Trampusch 2011; 2012), auch geht es hier nicht um die Frage, inwiefern eine „europäische Berufsbildungspolitik“ abgrenzbar ist, wie sie „funktioniert“, inwiefern sie supranationale Ziele verfolgt (ausführlich: Bohlinger 2014[1]) und was mit politischer Governance (v.a. in einem Mehrebenensystem) überhaupt gemeint ist (ausführlich: Benz et al. 2006). Vielmehr rekurrieren wir für unsere Frage auf Ansätze aus der Politikwissenschaft sowie auf die Heuristik von eher pragmatischen Erklärungsansätzen, die versuchen, die Frage zu klären, warum und auf welche Weise der Integrationsprozess trotz aller Obstakel voranschreitet

Last not least halten wir fest, dass die im englischsprachigen Raum gängige Differenzierung zwischen policies, polity und politics, d.h. verkürzt die Differenzierung zwischen den Inhalten von Politik, den Institutionen und Prozessen im deutschsprachigen nicht-politikwissenschaftlichen Kontext ebenfalls eine eher ungeordnete Rolle spielt. Gleiches gilt für die Frage danach, ob es – analog zum nationalen berufsbildungspolitischen Selbstverständnis – ein europäisches Selbstverständnis der Berufsbildung gibt. Auch hier verkürzen wir die entsprechende Diskussion und definieren nach Ward und Eden (2009, 13) (Berufs-)Bildungspolitik als eine Ausdrucksform eines Staates „[by which] a nation defines itself and sustains its cultural existence, transmitting beliefs, ideas and knowledge from generation to generation“.

2 Theoretische Ansätze und der Forschungsstand zu „Europäische Berufsbildungspolitik“

2.1 Problem- und politikfeldbezogene Forschung zum Integrationsprozess

Ein kurzer Blick auf den Forschungsstand zum europäischen Integrationsprozess eröffnet im Kern zwei Perspektiven: Die erste erkennbare Forschungslinie ist eher problem- und damit auch unmittelbar politikfeldbezogen, während sich eine zweite Forschungslinie vorrangig mit Anleihen aus der politikwissenschaftlichen Forschung befasst und um eine theoretische Erfassung der Natur sowie der Prozesslogiken des europäischen Integrationsprozesses bemüht ist.

Zur ersten Forschungslinie zählt vor allem jene Vielzahl von Studien zur europäischen Integration, welche vorrangig konkrete Politikfelder analysiert, in welchen der Integrationsprozess qua „hard law“ (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen) geregelt wird – so z.B. bei der Umsetzung des Binnenmarktes, der Landwirtschaftspolitik, der Währungs- oder auch der Zollunion. Das hier in Rede stehende Politikfeld der Berufsbildung – und erst recht das der Erwachsenenbildung – besetzt dagegen eine vergleichsweise untergeordnete Position. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Legitimität der beruflichen Bildung häufig lediglich aus ihrer Rolle als Erfüllungsgehilfin übergeordneter Politikziele abgeleitet wurde und wird – wie z.B. durch jene der Berufsbildung als „Schmiermittel“ der Ökonomie. Dies hängt ganz wesentlich mit der Tatsache zusammen, dass der EU und ihren Akteuren[2] aufgrund des Harmonisierungsverbots im „Aquis Communautaire“ nur wenige verbindliche Steuerungsmittel für dieses Politikfeld zur Verfügung stehen und es daher weitgehend den Politikstrategien der politisch souveränen Mitgliedstaaten überlassen bleibt, ob und bis zu welchem Punkt sie den europäischen Empfehlungen (z.B. zur Einführung von Qualifikationsrahmen), Stellungnahmen (z.B. Weißbücher) und Aktionsprogrammen (z.B. Horizont 2020, Erasmus+) folgen bzw. daran teilnehmen wollen oder nicht.

Vor diesem Hintergrund stellt sich mit Blick auf das Politikfeld „Berufsbildung“ im europäischen Kontext mithin die Frage, „wer steuert in der europäischen Berufsbildungspolitik bzw. innerhalb dieses komplexen „Multi-Level Education System“ was, auf welche Weise und aus welchen Motiven heraus?“ (Wilkoszewski/Sundby 2016; Bohlinger 2014).

Blick man vor diesem Hintergrund auf den Forschungsstand zur „europäischen Berufsbildungspolitik“, so lässt sich zunächst eindeutig feststellen, dass die Mehrzahl der existierenden Untersuchungen die Genese, Umsetzung sowie die nationalen Auswirkungen dieses Politikfeldes in den Vordergrund stellt (z.B. Gössling 2016; Hübel et al. 2010; Münk 2015); zugleich beschränken sich Untersuchungen zu derartigen (politischen) Steuerungsfragen oft auf die Rolle des sogenannten „soft law“ wie der Offenen Methode der Koordinierung (OMC), des Monitorings, der Umsetzung der NAPS (national action plans, id est: jährliche Umsetzungspläne) oder des Europäischen Semesters (Milana/Klatt 2019; Rasmussen 2014; Wilkoszewski/Sundby 2016), gleichwohl die Grenzen zwischen „hard law“ und “soft law“ fließend sind (Charbit 2011).

Auch wenn unser Beitrag explizit politische und eben nicht ökonomisch-organisationale Steuerung in den Blick nimmt, ist weiterhin erwähnenswert, dass parallel zu Untersuchungen zu (politischer) Governance seit Jahren verstärkt Untersuchungen zu (organisationaler) Governance bzw. zu ökonomischen Steuerungsfragen im Bildungsbereich entstehen; diese beziehen sich jedoch vorwiegend auf das allgemeinbildende Schulsystem oder auf den Hochschulbereich und diskutieren Governance daher meist im Kontext des „New Public Management“-Ansatzes (Graß et al. 2019; Koch/Schemann 2009; Langer/Brüsemeister 2019; Schrader et al. 2015).

Zudem zeigt sich, dass Untersuchungen, die diese Felder gemeinsam in den Blick nehmen (i.e. organisationale und politische Governance im Bildungssektor), eher selten sind; sie identifizieren – vorrangig mit Blick auf den Hochschulsektor – die Kommodifizierung, d.h. die Vermarktlichung und Wettbewerbsorientierung des Bildungssektors (Hoareau 2012; Naidoo 2018; Walkenhorst 2008).

Diese Ausrichtung existierender Untersuchungen verdeutlicht dabei zum einen eine Konzentration auf ökonomische Steuerungsmechanismen, die im Zuge von New Public Management eingeführt wurden und deren Folgen vorwiegend als kritisch eingestuft werden. Zum anderen dominiert im Kontext europäischer Berufsbildungspolitik die Vorstellung der freiwilligen Übernahme von Reformansätzen und infolge dessen die Überbetonung von Untersuchungen zur Steuerung auf den Wegen des „soft law“.

In diesen Diskursen zur europäischen Berufsbildungspolitik als Prozess der Integration wird dabei weitgehend vernachlässigt, ob und inwiefern es sich bei Politiktransfer, d.h. der Übernahme und Adaption von Bildungsreformen und -ideen von einem (nationalen) Kontext in andere, im Berufsbildungsbereich in der EU tatsächlich, ausschließlich und explizit um freiwillige Politiktransferprozesse handelt (Bulmer/Padgett 2004; Hoareau 2012), weil andere Optionen zunächst qua Harmonisierungsverbot (seit den Maastrichter Verträgen von 1993) formal ausgeschlossen sind. Gleichzeitig wird dabei auch vernachlässigt, dass viele Reformen dieser speziellen Spielart von Europapolitik mehr oder minder gezielte Übernahmen nationaler oder regionaler (und häufig angelsächsischer) Ideen darstellen, die dann wieder in die Mitgliedstaaten zurück diffundiert werden (Beispiele hierfür sind u.a.: EQF, gestufte Studiengänge oder short-cylce tertiary qualifications, micro credentials).

Parallel dazu lässt sich feststellen, dass auch die Europäische Integration und die für die Berufsbildung so zentrale Frage des Politiktransfers eher selten in Verbindung zueinander gesehen werden (Bulmer/Padgett 2004; Radaelli 2004): Wenngleich sich beide Themenfelder nicht originär mit dem Thema „Bildung“ befassen, bieten sie zentrale Ansatzpunkte für das Verständnis europäischer Berufsbildungspolitik. Dies gilt beispielsweise für die Analyse der Übernahme von Bildungspolitiken anderer Länder oder auch für die Frage des Transfers eigener Ansätze ins Ausland; ebenso gilt dies natürlich für das Verständnis der Steuerung und Steuerbarkeit nationaler Berufsbildungspolitiken im Mehrebenensystem der Europäischen Union. Als Beispiele hierfür mögen der „Export“ (sowie der Transfer) von Aus- und Weiterbildungsstrukturen nach deutschem Vorbild, die Übernahme von europäischen und/oder angelsächsischen Reformansätzen (id est: Validierungsansätze, Qualifikationsrahmen, Leistungspunktesysteme oder gestufte Studien- und Berufsabschlüsse, siehe oben) oder die Verpflichtung zur Einhaltung globaler Bildungsziele (wie im Programm Bildung für nachhaltige Entwicklung) herangezogen werden.

Wir zeigen in diesem Beitrag, dass weder europäische Integrationstheorien noch Ansätze zum Politiktransfer alleine die Entwicklungen in diesem Feld erklären können – und im Übrigen auch nicht die aktuell so oft diskutierte Governanceforschung im Kontext des New Public Management-Ansatzes. Deutlich vielversprechender erscheint dagegen die Kopplung dieser ihrem Grunde nach sehr verschiedenen Ansätze, weil nur so Handlungsmodi – auch jenseits von Hierarchie, Legitimität und Markt – in den Blick genommen werden können, darunter allen voran die Elemente Verhandlungsgeschick, Wahlfreiheit und Akteurszentrierung.

2.2 Politikwissenschaftliche Erklärungsansätze für die Europäische Integration und ihre Bezüge zur europäischen Berufsbildungspolitik

Für die oben genannte zweite Forschungslinie zur Analyse des Europäischen Integrationsprozesses können Anleihen aus und Rekurse auf mehrere politikwissenschaftliche Theorieansätze fruchtbar gemacht werden. Für das Verständnis des europäischen Integrationsprozesses im Sinne von „auf dauerhafte und organisierte Kooperation oder gar auf einen engen Zusammenschluss europäischer Staaten zielende[n] Bemühungen“ (Woyke 2008: 118) haben sich im Laufe der Jahre maßgeblich drei Erklärungsansätze etabliert; dies sind in chronologischer Reihung, in der sie auch im Folgenden skizziert werden, erstens der so genannte „(Neo-)Funktionalismus“, zweitens der „liberale Intergouvernementalismus“ sowie drittens der gesamte Bereich der unterschiedlichen Ansätze zur politischer „Governance“ (v.a. multilevel governance).[3] Auch wenn es auf den ersten Blick scheint, als könnte sich die (Berufs-)Bildung weitgehend dem Integrationsprozess und damit auch diesen primär theoretisch interessierten Erklärungsansätzen entziehen, lässt sich bei genauerer Betrachtung zeigen, dass das Feld der Berufsbildungspolitik ein geradezu paradigmatisches Beispiel für die Entwicklungsphasen des Integrationsprozesses im Allgemeinen ist.

2.2.1 (Neo-)Funktionalismus

Die politikwissenschaftliche Theorie des (Neo-)Funktionalismus fragt nach der Zusammenarbeit von Staaten vor allem in jenen Bereichen, welche für die Friedenssicherung der Nationalstaaten leitend sind (und nicht etwa entlang ihrer nationalstaatlichen Interessen im Allgemeinen). Die Zusammenarbeit wird dadurch auf notwendige bzw. „funktionale“ Bereiche beschränkt, d.h. auf rationalistisch und utilitaristisch geprägte Kooperationen. David Mitrany, einer der Gründer des Funktionalismus, ging davon aus, dass sich unter diesen Vorzeichen eine Eigendynamik bei erfolgreichen Kooperationen entwickelt, die die Ausweitung der Kooperation in anderen Bereichen nach sich zieht. Dies bedingt allerdings eine strikte Trennbarkeit technisch-administrativer und politischer Probleme. Während sich nach dieser Vorstellung zudem politische Probleme eher auf high politics, also v.a. Friedens- und Außenpolitik bezieht und von politisch versierten Akteuren (Politikern, Diplomaten) übernommen wird, beziehen sich technisch-administrative Probleme auf low politics, zu welchen auch der gesamte Bildungsbereich zählt (Mitrany 1943, 20ff.; 1944). Die Zusammenarbeit in solchen Bereichen wurde als weniger kontrovers eingeschätzt und man ging davon aus, dass sie zu prinzipiell erfolgreicherer Kooperation führen dürfte.

In der Praxis hat sich eine klare Trennbarkeit von disparaten Problemfeldern allerdings als unrealistisch erwiesen und mündete in der Weiterentwicklung des Ansatzes zum Neofunktionalismus. Dieser betrachtet die europäische Integration als gradualistischen Prozess der Staatenkooperation, bei dem nicht mehr die „Netzwerke technisch-administrativer Eliten, sondern vielmehr die Institutionalisierung von Kooperationen“ (Knodt/Corcari 2012, 25; ausführlich: Haas 1958, 378ff.) sowie die Schaffung von Sicherheit und wohlfahrtsstaatlichen Strukturen durch den Aufbau eines supranationalen Entscheidungssystems unter Beibehaltung regionaler Gemeinschaften im Vordergrund stehen.

Die europäische Berufsbildungspolitik stellt in ihrer Entwicklung ein paradigmatisches Beispiel für beide Ansätze dar: Als im April 1951 die EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) gegründet wurde, geschah dies, um den Frieden zu sichern, die soziale Kohärenz der Mitgliedstaaten zu stärken und einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen. Die Berufsbildung spielte dabei zunächst eine ungeordnete Rolle. Erst mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957, welche die vier Grundfreiheiten garantieren (freier Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr), entwickelte sich in Abgrenzung zu anderen Politikfeldern, aber zunächst eher funktional-technokratisch, eine europäische Berufsbildungspolitik, die der Logik der Gewährleistung eben dieser Freiheiten folgt und daher zumindest in ihren Anfängen eine Vereinheitlichung der Berufsbildungssysteme anstrebte.

2.2.2 Liberaler Intergouvernementalismus

(Liberaler) Intergouvernementalismus entstand als Weiterentwicklung von (Neo-)Funktionalismus in den 1960er Jahren, als sich abzeichnete, dass die europäischen Nationalstaaten kaum dazu bereit waren, (weitere) Befugnisse an die damalige EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) zu übertragen – so etwa bei dem Versuch, die Berufsbildungssysteme der EU zu harmonisieren (Moravcsik 1993; Petrini 2004).

Intergouvernementalismus geht davon aus, dass Staaten als rational handelnde Akteure verschiedene Handlungsalternativen jeweils einem Kosten-Nutzen-Kalkül entlang ihrer eigenen Interessen unterziehen, aber auch Handlungsoptionen und -präferenzen anderer Akteure beobachten. Freiwillige intergouvernementaler Zusammenarbeit erfolgt dabei in einem Verhandlungsumfeld, in dem alle nationalen Verhandelnden gut über Interessen und Präferenzen anderer Verhandler informiert sind und zugleich niedrige Transaktionskosten der Verhandlung zum Ziel haben. In der EU ist eine solche Form der Zusammenarbeit für alle Mitgliedstaaten von Nutzen, solange dabei sowohl die wechselseitigen als auch die jeweils eigenen Interessen gewahrt werden können (Hoffmann 1966, 896).

Auch hier kann die europäische Berufsbildungspolitik als exemplarisch gelten: In den Folgejahren der anfänglichen Harmonisierungsbestrebungen, d.h. spätestens mit Beginn der 1970er Jahre, erwies sich die als „Harmonisierung“ gehandelte Vereinheitlichungsstrategie der nationalen Berufsbildungsstrukturen wegen der deutlich abweichenden nationalen Sonderinteressen als vollkommen unrealistisch. Spätestens mit dem sog. Dahrendorf-Memorandum 1973 wurde daher die Wende zum Subsidiaritätsprinzip eingeläutet, welches gleichermaßen durch die nationale Hoheit über die Bildungssysteme und die freiwillige Zusammenarbeit in diesem Politikfeld wie auch durch die Entwicklung gemeinsamer Informations- und Kommunikationsstrukturen charakterisiert ist. Daher wurde die Transparenz der nationalen Bildungs- und Berufsbildungssysteme zum übergeordneten politischen Ziel des europäischen Integrationsprozesses definiert, um den Mitgliedstaaten hinreichende Informationen über berufsbildungsbezogene Strukturen anderer Mitgliedstaaten und damit Entscheidungsgrundlagen für Reformansätze an die Hand zu liefern. Es ist kein Zufall, dass das CEDEFOP mit u.a. genau diesem vornehmlich der Transparenz verpflichteten Aufgabenzuschnitt dieser Ära, nämlich 1975, und nur wenig später ebenso das europäische Bildungsinformationswerk Eurydice 1980 etabliert wurden. Parallel und ergänzend räumt das im Bildungsbereich bedeutsame Subsidiaritätsprinzip die Möglichkeit ein, auf (nationale) Handlungsalternativen auszuweichen oder auf europäische Reformvorschläge zu verzichten.

Zugleich sind die 1970er und 1980er Jahre für die Berufsbildungspolitik entscheidend, denn mit Berichten wie „For a Community Policy on Education“ (Janne 1973) oder der „First Resolution on Education“ (1974), gefolgt von der zweiten Resolution 1976 werden die Grundsteine für eine Kooperation der Mitgliedstaaten im (Berufs-)Bildungsbereich gelegt, die massive Folgen für die nationalen Berufsbildungssysteme und die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen hat (Charlier/Croché 2005/2006, 9).

Anders als der (Neo-)Funktionalismus fokussiert der (liberale) Intergouvernementalismus auf die Frage, unter welchen Bedingungen die Kooperation zwischen Staaten gelingen kann, wobei Verhandlungen (bargaining and negotiation) sowie Kooperations- und Kompromissbereitschaft in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielen.

Auch hierfür finden sich zahlreiche Beispiele aus der (Berufs-)Bildungspolitik: So etwa, als sich die Mitgliedstaaten 1998/1999 auf die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraums einigten (der auf eine Initiative der Hochschulen von ursprünglich nur vier Mitgliedstaaten zurückgeht), 2001 den Brügge-Kopenhagen-Prozess initiierten und der Berufsbildung eine entscheidende Rolle durch die Lissabon-Strategie 2000 und die Folgestrategien Europa 2020 und Europa 2030 als zentrales Mittel zur Erlangung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit verschafften. Dabei lagen und liegen die Vorteile der Zustimmung zu diesen Strategien auf der Hand: Stärkung der Zusammenarbeit, der nationalen Bildungssysteme und der Qualifikationsniveaus, Sicherung des Fachkräftebedarfs und damit letztendlich auch die Sicherung der eigenen (Markt-)Macht und Wettbewerbsfähigkeit.

In diesem Zusammenhang ist politischer Neoliberalismus bedeutsam, weil auch er die Kooperationsmotive und -formen von Staaten zu erklären versucht. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive fokussiert Neoliberalismus v.a. die Rolle internationaler Organisationen, die Kooperationsfähigkeit der Akteure und die Rolle ihrer Nutzengewinnung, allerdings nur in Relation zur eigenen Position, nicht aber in Relation zu anderen Staaten (Keohane/Nye 1987, 728ff.). Zugleich geht er für die Förderung politischer Freiheit – und damit ähnlich wie der ökonomische Neoliberalismus – von einer Begrenzung staatlicher Macht bei gleichzeitiger Förderung von Leistungs- bzw. Marktorientierung aus.

In unserem Kontext ist vor allem die Untersuchung der Rolle internationaler Akteure für das Verständnis des europäischen Integrationsprozesses relevant, dienen sie doch u.a. dazu, die Machtasymmetrie zwischen Akteuren in Verhandlungen zumindest teilweise auszugleichen, indem sie durch gemeinsam geschaffene Institutionen, Normen, Regeln, sowie durch die Etablierung von Kommunikations- und Verhandlungssystemen verbindliche Orientierungshilfen für alle Staaten schaffen und diese sich wiederum stabilisierend auf das gegenseitige Vertrauen der Staaten und den Fortbestand von Kooperationen auswirken – ein Aspekt, der allerdings ursprünglich v.a. jenseits des europäischen Integrationsprozesses untersucht wurde (z.B. Stone 1999).

In der europäischen Berufsbildungspolitik lassen sich die Verbindung zu ökonomischem Liberalismus und die Schaffung gemeinsamer Normen mehr oder minder von Beginn an  anhand der Gratwanderung zwischen der Akzeptanz nationaler Souveränität und supranationaler Machtfestigung beobachten: Die Initiativen zur Schaffung einer gemeinsamen (Berufs-)Bildungspolitik zwischen 1957 und 1985 können als „historische Meilensteine“ (Charlier/Croché 2005/2006, 8) in der Entwicklung einer europäischen Berufsbildungspolitik betrachtet werden, bei denen die zehn allgemeinen Grundsätze zur Berufsbildung von 1963 als Initiativkraft für die meisten der danach folgenden Reformansätze betrachtet werden können. Weiterhin hat zum einen hat die europäische Berufsbildungspolitik im Laufe der Jahrzehnte durch den beständigen Auf- und Ausbau ihrer Aktivitäten (z.B. durch den Brügge-Kopenhagen-Prozess, die Riga Conclusions, die European Alliance for Apprenticeship oder die Fixierung von Zielen zur Stärkung von und Partizipation an Berufs- und Erwachsenbildung als feste Bestandteile der Lissabonner Strategie und ihrer Folgeprozesse Europa 2020 und Europa 2030) dazu beigetragen, dass zentrale Institutionen (z.B. das CEDEFOP oder die Generaldirektionen Bildung und Kultur sowie Beschäftigung) gemeinsame Zielvorstellungen, Normen, Regeln und Verfahren in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten etablieren und diese ihre eigenen Erwartungen und Zielsetzungen wiederum an den gemeinsamen Zielen ausrichten, bis letztlich der Fortbestand von Kooperation selbst im Falle von Enttäuschungen (wie z.B. bei ECVET) gewährleistet wird.

Zum anderen hat sie sich trotz Harmonisierungsverbots v.a. durch eine extensive Rechtsauslegung (Charlier/Croché 2005/2006; Scharpf 2009), einen massiven Anstieg der eingesetzten Beratungsgremien und Expertengruppen der Kommission im Bereich Bildung und Beschäftigung (Blomeyer et al. 2015, 27f.) sowie durch die systematische intergouvernementale Funktionalisierung der europäischen Berufsbildungspolitik (Walkenhorst 2008, 569) an entscheidenden Stellen Zugang zu den nationalen Bildungssystemen verschafft, die für eine Verschiebung von politischem zu ökonomischen Liberalismus sprechen; sie umfasst vor allem die Nutzung von wirtschaftlichen Kontrollmechanismen wie Kennzahlen, Indikatoren, Benchmarks sowie eine grundsätzliche Markt- und Wettbewerbsorientierung. Daran ändert das Mehrebenensystem der EU nichts, sondern fokussiert lediglich stärker als bei den anderen Ansätzen auf die Komplexität der Governance in der EU.

2.2.3 Regieren im Mehrebenensystem Europas: Multilevel Governance

Im Zentrum dieses jüngsten der drei Ansätze stehen Entscheidungs-, Aus- und Verhandlungsmuster bei politischen Prozessen und die Interaktion der Akteure auf und zwischen supra- und subnationalen (regionalen) Ebenen mit dem Ziel der „gemeinwohlorientierten Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (Scharpf 1988, 64). Eine Besonderheit liegt dabei in der Machtverteilung: Neben Hierarchie und Legitimität spielen hier Wettbewerb und Marktorientierung, aber auch Gemeinwohlorientierung und Verhandlung zentrale Rollen, und zwar unter der Annahme, dass die Akteure einander mehr oder minder ebenbürtig sind. Der Ausgang von Verhandlungen hängt dabei von zahlreichen Faktoren ab wie etwa der Reputation der involvierten Akteure, Anzahl und Sequenz der strategisch nötigen Schritte, das Institutionengefüge, Ausmaß und Umfang von Kommunikation, Informations(a)symmetrie, Verteilung und Verteilbarkeit der Verhandlungsmasse einschließlich alternativer Wahloptionen und -koalitionen, side-payments, Handlungspräferenzen, Risikobereitschaft oder (Un-)Geduld und Verhandlungskompetenz (Elgström/Jönsson 2000; Moravcsik 1993, 497f.). Dass und in welcher Form dabei die Europäische Kommission vor allem im Bildungsbereich eine entscheidende Rolle eingenommen hat, indem sie immer wieder auf bewährte (historische) Mittel und Ansätze zur Staatenkooperation zurückgreift („mimicking history“) hat Petit (2007) ausführlich untersucht.

All diese Aspekte sind im bildungspolitischen Bereich von zentraler Bedeutung, denn ohne hierarchische Steuerungsmöglichkeit und weitgehend ohne Wettbewerb wird der Rückgriff auf und die Weiterentwicklung bewährter Strategien der Überzeugung, Argumentation und Aushandlung zu den bedeutendsten Steuerungsformen.

Genau hier liegt eine entscheidende Schnittstelle zum Politiktransfer, bei dem je nach Art und Zustandekommen des Transfers diese Punkte ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen.

3 Problemzentrierter Politiktransfer in der (Berufs-)Bildung

Politiktransfer bezeichnet einen Prozess der Übertragung von Wissen, Ideen und Strukturen aus einem politischen System in ein anderes – mit oder ohne Adaption an lokale (regionale, nationale) Besonderheiten (Dolowitz/Marsh 2000, 5; Portnoi 2016, 149ff.; Stone 1999). Wenngleich sich die Mehrheit existierender Studien zum Politiktransfer im (Berufs-)Bildungsbereich auf den (Berufs-)Bildungstransfer vom Globalen Norden in den Globalen Süden bezieht (z.B. Bohlinger/Wolf 2016; Gessler et al. 2019; Portnoi 2016; Steiner-Khamsi 2004; 2014), sind, wie in der folgenden Abbildung gezeigt, Schnittstellen zwischen beiden Feldern (Politiktransfer auf der einen und Europäische Integration auf der anderen Seite) allein schon insofern zu erwarten, als dass beide Themenfelder originär der Politik(-wissenschaft) zuzurechnen sind und innerhalb der EU die Schaffung eines gemeinsamen Marktes die Auseinandersetzung mit der Harmonisierung, Standardisierung und Regulierung von Märkten (wenn auch jenseits des Bildungsbereichs) geradezu bedingt (Stone 1999, 53).

Abbildung 1: Schnittstellen zwischen Europäischen Integrationstheorien und Politiktransfer in der Berufsbildung. Quelle: Autoren.Abbildung 1: Schnittstellen zwischen Europäischen Integrationstheorien und Politiktransfer in der Berufsbildung. Quelle: Autoren.

Die Abbildung spiegelt dabei nicht den Politikzyklus wider, sondern bezieht sich auf Schnittstellen der Theorieansätze zur Europäischen Integration und solche zum Politiktransfer. Politiktransfer selbst beginnt üblicherweise mit der Identifizierung eines Reformbedarfs bzw. Problems im eigenen Bildungssystem, gefolgt von der Suche nach ähnlichen Problemen in anderen Ländern, die eine adäquate Lösung für das (vermeintlich) gleiche Problem zu haben scheinen – und die eine hohe Reputation aus der Perspektive jenes Landes haben, das auf der Suche nach Lösungen ist. Daran schließen der Entwurf und die Umsetzung eines Lösungsansatzes auf der Basis dessen an, was im anderen Land beobachtet wurde (Phillips/Ochs 2003, 451ff.; Rose 1991; Stone 1999).[4] 

Entscheidend ist bei diesem Politikzyklus, wer auf welcher Basis und welchen Interessen Entscheidungen über den Transfer trifft. Hier lassen sich unterschiedliche Freiheitsgrade identifizieren, unter denen Politiktransfer (im Bildungsbereich) stattfindet; sie reichen von erzwungenem Politiktransfer in totalitären bzw. autoritären Regimes über Transfer, der mittels bi- oder multilateraler Abkommen, aber unter Zwang ausgehandelt wird, bis hin zu freiwilligem Transfer sowie der Funktion als Reform- und Ideeninkubator durch Vorbilder in anderen Systemen (Ochs/Phillips 2005, 9; Stone 1999, 52). Es ist eindeutig, dass Politiktransfer ganz erheblich vom jeweiligen Freiheitsgrad, aber auch von der Fähigkeit des Erkennens und Verstehens des Problems für einen Reformanlass sowie von der Verfügbarkeit (realistischer) Lösungsansätze und Veränderungen bzw. Veränderungsbereitschaft des politischen Kontexts (z.B. Regierungswechsel) abhängt (Bennett 1991, 224-225; Steiner-Khamsi 2016, 38).

Übertragen auf den europäischen Kontext stellt sich ebenso wie bei den Governance- und intergouvernementalistischen Ansätzen auch hier die Frage, warum Nationalstaaten (auch jenseits monetär-ökonomischer Interessen) im Bildungsbereich kooperieren und wie die Entscheidung für oder gegen bestimmte Bildungsreformen und -länder als Referenzmodelle getroffen werden. Speziell mit Blick auf die EU stellt sich zudem die Frage, warum sich Mitgliedstaaten fast grundsätzlich an einem europäischen Aktionsprogramm beteiligen oder nahezu immer über kurz oder lang einer Empfehlung oder Stellungnahme folgen, ohne dass in jedem Fall der Nutzen für die Mitgliedstaaten eindeutig erkennbar wäre. Neben finanziellen Anreizen, die – gerade bei den Aktionsprogrammen – bei „erfolgreicher“ Teilnahme winken, liegt eine weitere Ursache in der Symbolkraft solcher Handlungen: “Political maneuvers might lead to governments adopting policies without the intention of implementing them. Policies that serve a strategic purpose such as political expediency are symbolic. Symbolic policies are typically abstract and lack concrete language for implementation” (Portnoi 2016, 124). Aber auch die mehr oder minder regelmäßigen Rechenschaftsberichte der Kommission über Beteiligung und Fortschritt aller Mitgliedstaaten stellen im Sinne eines „naming and blaming“ für viele Länder einen Anreiz (konkreter: ein Steuerungsinstrument) dar, sich in der Öffentlichkeit fortschrittlich und „erfolgreich“ zu präsentieren. Umgekehrt bietet die öffentliche Bloßstellung von Ländern (in Form von Monitoring) mit geringer oder keiner Beteiligung bzw. unterdurchschnittlichen Fortschritten qua Ermangelung verbindlicher Rechtsformen einen häufig angewendeten „Anreiz“ supranationaler Organisationen zum Erreichen von Benchmarks. Die Grenzen zwischen freiwilligem Politiktransfer und Steuerung mittels Gemeinwohlorientierung und Verhandlung einerseits und dem, was auch als „forceful persuasion“[5]  bezeichnet wird, sind dabei fließend.

Weitere Verbindungslinien zwischen Integrationstheorien und Politiktransfer finden sich mit Blick auf die Herkunftsregionen vieler Reformansätze. Ähnlich wie bei Prozessen des Politiktransfers jenseits der EU lässt sich auch für die EU anhand der oben genannten Beispiele zeigen, dass es sich hierbei häufig um „quasi-market, neo-liberal, or hyper-liberal reforms that originated during the Thatcher-Reagan era“ (Steiner-Khamsi 2014, 160) handelt und dass diese Reformen eine deutliche Ähnlichkeit mit den häufig kritisierten ökonomisch-liberalen Ansätzen aufweisen, die dem New Public Management entspringen. Zugleich liefert der Rekurs auf „erfolgreiche“ Reformen eine Legitimationsgrundlage für ihre Übernahme und dient damit zugleich auch für den Machterhalt bzw. -ausbau der Akteure des Politikfeldes „Berufsbildung“, mit der sie wiederum weitere Aktivitäten und Reformen rechtfertigen. Legitimation gilt dabei als eine andere Ausdrucksform von Macht (im Sinne der Berechtigung) und weist eine weitere Überschneidung zu Grundüberlegungen von Governance auf.

4 Problemzentrierter Politiktransfer: Steuerung durch das Oktopus-Prinzip

Die vorstehenden Ausführungen sollten belegen, dass in der europäischen Berufsbildungspolitik neben Hierarchie v.a. Verhandlung, Argumentation und Überzeugung entscheidende Steuerungsmodi sind; diese basieren auf einer mehr oder weniger ausgeprägten Gleichberechtigung und Gemeinwohlorientierung der Akteure. Die Koppelung der vorgestellten europäischen Integrationsansätze mit dem Ansatz des Politiktransfers hat dies verdeutlicht und belegt überdies, dass für die Erklärung des (Inter-)Agierens individueller bzw. organisationaler oder institutioneller Verhandlung und Legitimation, aber auch Zugänglichkeit bzw. Verfügbarkeit von Handlungsalternativen sowie – grundlegend – das Interesse an Machterhalt und -ausbau weitere Handlungslogiken sind.

In jenen Handlungskontexten allerdings, in welchen die Akteure konkret darüber verhandeln und entscheiden, welche Reformansätze jenseits von Legitimation auch tatsächlich wirksam sein könn(t)en, greifen alle bisher genannten Handlungslogiken nur noch bedingt: Woher wissen die Akteure, welche inhaltliche Ausrichtung der Reformansätze bzw. welche Steuerungsmodi und -instrumente sich als nachhaltig und erfolgreich bewähren könnten?

In diesem Zusammenhang wirkt offenbar eine weitere Dimension politischen Handelns, welche jenseits der dargestellten Theorien rationaler Steuerung und logischer Verstehbarkeit liegt und die sich mithin dem allgemeinen Steuerungsverständnis als „zielorientiertes, geplantes und in seiner Umsetzung relativ gut kontrollierbares Handeln“ (Böttcher 2017, 73) entzieht. Anders formuliert: Die Vorstellung, dieses gesamte Politikfeld mit seinen vielfältigen Handlungsdimensionen und -prozessen gleichsam steuern zu können, als handele es sich um eine einzelne Organisation oder Institution, scheint angesichts der Komplexität der involvierten Prozesse und Akteure mindestens fragwürdig, wenn nicht gar unmöglich.

Um dieses Erklärungsdefizit zu füllen, lässt sich auf eine Metapher zurückgreifen, die  Gita Steiner-Khamsi nutzt, um diejenigen Handlungslogiken zu beschreiben, die bei policy making, bei Verhandlungen und auf der Suche nach attraktiven Lösung für Reformbedarfe regelmäßig zum Einsatz kommen: Es ist das Bild eines Oktopusses, nach dessen Tentakeln nationale bzw. regionale Akteure auf der Suche nach „bestmöglichen“ Reformansätzen greifen, um ihre Entscheidungen zu legitimieren: „Local actors reach out and grab the arm of the octopus that is closest to their particular policy agenda, and thereby attach (local [national]) meaning to a (global [European]) policy“ (Steiner-Khamsi 2014, 155f.). Fernab des von außen koordiniert und harmonisch wirkenden „Paartanzes zur Orchestermusik“ (siehe oben) kommt sie mit diesem scheinbar simplen Bild der „Logik“ der Steuerung sozio-politischer Systeme auch und gerade im europäischen Kontext – näher als viele andere Erklärungsansätze und zeigt, dass das oben genannte Steuerungsideal nur sehr bedingt zutrifft.

Nebenbei erklärt dieses zielgerichtete, wenn auch letztlich mehr auf Zufällen denn auf rationalem Kalkül beruhende „grabbing“ nach einzelnen vorliegenden und scheinbar plausiblen und praktikablen Lösungsansätzen (um im Bild zu bleiben: dem Griff nach einem gerade zufällig vorbeischwimmenden und mehr oder weniger passungsfähigen Tintenfischarm) in geradezu idealtypischer Weise den in der europäischen Integrationspolitik gerade im Politikfeld Berufsbildung sehr häufig genutzten Rückgriff auf Beispiele guter Praxis getreu dem einfachen Prinzip: „At least we know it works“.

Solche best practice-Ansätze sind in diesem Sinne dann Lösungsansätze, die – und zwar weitgehend unabhängig von irgendwelchen theoretisch begründeten Steuerungsmodellen, Transferansätzen oder gar ganzheitlichen kohärenten Konzepten und Strategien – als pragmatischer und plausibler Weg zur Zielerreichung erscheinen, welche ohne unvertretbar hohe Kosten im Gesamtsystem umgesetzt werden können und trotzdem mit einer erheblichen Nutzenerwartung versehen sind, ohne dass die Letztere notwendigerweise präzise quantifiziert oder gemessen werden könnte; dann etwa getreu dem (theoretisch noch weniger anspruchsvollen) Prinzip: „Sounds great, assuming it works“.

Beispiele dafür finden sich in den zahlreichen Förderprogrammen für die (Berufs-)Bildung und hierin wiederum innerhalb der Förderprogramme wie z.B. durch Erasmus, Erasmus+, Horizont 2020, Tempus[6] etc., wo seit den 1980er Jahren explizit best-practice-gefördert und innerhalb der geförderten Projekte wiederum besonders herausragende Beispiele preisgekrönt werden. Die Identifikation von Beispielen guter Praxis ist zudem seit Jahren eine bewährte Alternative zu Rankings und bewertenden Evaluationen in jenen Bereichen, in denen Fortschritte (noch) nicht hinreichend identifziert und bewertet werden können, so z.B. beim European Inventory on Validation of Non-Formal and Informal Learning[7] oder beim Global Inventory of Regional and National Qualifications Frameworks.[8]

Untermauert wird diese Vorgehensweise – wie oben mit Blick auf die massive Ausweitung der Beratungsgruppen in der EU sichtbar wurde – zusätzlich durch „Expertengruppen“, die sich unter dem Stichwort „epistemic communities of certified expertise“ (Jules/Jefferson 2016, 136) subsumieren lassen: Gemeint sind „Expertengruppen”, die vorrangig dann von politischen Akteuren zu Rate gezogen werden, wenn das Politikfeld von großer Unsicherheit geprägt ist und die „Experten“ kollektive Interessen zu vertreten scheinen (Jules/Jefferson 2016, 136). Entscheidend ist dabei zudem, dass – weit über die EU hinaus – diese “Expertengruppen” Reformlösungen präsentieren und preisen „[that] are packaged as universal and presented as ‘truths’ that apply everywhere” (Suárez 2007, 53).

In der Praxis des Politikfeldes Berufsbildung wird dieses Oktopus-Prinzip zudem in kaum einem anderen Bereich so deutlich wie etwa bei den zahlreichen Versuchen der Reform nationaler Berufsbildungssysteme durch die – allerdings regelmäßig adaptierte – Übernahme von Lösungsansätzen anderer Mitgliedstaaten. Zu den prominentesten Beispielen hierfür dürften etwa die unter unterschiedlichen Vorzeichen seit Jahrzehnten anhaltendenden bundesdeutschen Versuche des Exportes des Dualen Systems zählen: Ungeachtet der Tatsache, dass das Duale System im eigenen Land durchaus heftigster Kritik unterliegt, wird es von internationalen Organisationen wie der OECD (2010) als best practice-Ansatz gerühmt („Sounds great, assuming it works“) und wurde in der Folge nachgerade zum beliebtesten bildungspolitischen Exportschlager der Bundesregierung. Erstaunlicherweise spielt dabei die Frage der wissenschaftlich – und das heißt: auch theoretisch abgesicherten Voraussetzungen und Gelingensbedingungen für ein derart komplexes System eine eher untergeordnete Rolle, weshalb sich das ,deutsche Modell‘ sowohl im kommunistischen China (ohne privatwirtschaftliche Betriebe) als auch in Osteuropa überaus großer Beliebtheit erfreut, obwohl die vollzeitschulische Tradition gerade dieser osteuropäischen Länder deutlich belegt, dass das Duale System seiner Natur nach angesichts der in diesen Ländern regelmäßig fehlenden betrieblichen Ausbildungs- und Finanzierungsbereitschaft eigentlich alles andere als einen ,best practice-Ansatz‘ darzustellen scheint (vgl. Münk/Muscati 2019) – es sei denn, man reduziert das Duale System auf seine didaktisch-methodischen sowie auf dessen curriculare Grundprinzipien und blendet dabei dessen komplexe institutionelle und organisatorische Struktur weitgehend aus.

Die Fähigkeit der Bedeutungszuschreibung (Plausibilität) sowie die Nutzenvermutung erhalten hier eine sehr hohe Bedeutung; beides ist zu erheblichen Teilen erfahrungsbasiert, was sich unmittelbar aus dem beinahe ausschließlich pragmatischen Ansatz dieser Herangehensweise ergibt. Da das hier zitierte Tintenfisch-Prinzip eher auf pragmatischer Plausibilität denn auf rationaler Entscheidung basiert, steht es in enger Verbindung mit der Intuition als Kategorie politischen Handelns; Intuition ist hier gemeint als jene Fähigkeit, Wissen, Gesetzmäßigkeiten oder die subjektive Stimmigkeit von Entscheidungen zu erlangen, ohne streng rationale Vorüberlegungen zu treffen. Auch wenn seit langem bekannt ist, dass individuelle Entscheidungsfindungen zu ganz erheblichen Teilen auf Intuition basieren, ist durchaus kritisch zu hinterfragen, ob und inwiefern den Akteuren eines Mehrebenensystems wie der europäischen Union Intuition tatsächlich eine solche – letztlich auf irrationalen Überlegungen basierende – Handlungsstrategie im politischen Raum zur Grundlage von politischen Entscheidungsfindungsprozessen unterstellt werden kann, die noch dazu die nachweisliche Expertise und Erfahrung der Akteure deutlich übersteigen würde. Wünschenswert wäre es dennoch, das hier so genannte „Tintenfisch-Prinzip“ mit einem wissenschaftlichen Fundament zu unterfüttern und die hier dargestellten theoretischen Konzepte, die ihrem Ursprung nach politikwissenschaftlich fundiert sind, gleichsam bildungstheoretisch zu wenden.

Allerdings entzieht sich der wissenschaftliche Nachweis von Intuition und ihrer Determinanten bei politischen Entscheidungen vermutlich der empirischen Evidenz, da derartige Entscheidungsfindungsprozesse weder auf der individuellen noch auf der kollektiven Ebene offen ausgehandelt und explizit proklamiert werden. Gleichwohl finden sich in dem hier relevanten Politikfeld und in der EU als politischem System per se mehr als in anderen Systemen die vier Rahmenbedingungen, die intuitives Handeln begünstigen bzw. bedingen; dies sind erstens ein hohes Maß an Unsicherheit, zweitens das Vorliegen zahlreicher Handlungsalternativen,  drittens erhebliche Unsicherheit über die (mögliche) Wirksamkeit des Handelns, weil etwa verlässliche empirische Daten nicht verfügbar sind und viertens die  Langwierigkeit von Entscheidungsprozesse, die Fehlervermeidung deutlich reduziert (Kahneman 2011, 418).

Am Ende zeigt sich deutlich, dass der kritische Blick auf die Frage, ob und auf welche Weise komplexe politische Prozesse wie jener der europäischen Integration gesteuert werden können, durchaus mit dem eingangs von Andreas Fischer insinuierten Bild eines orchestrierten Paartanzes verglichen werden kann: Denn für den Paartanz bedarf es mindestens der Musiker mit ihren Instrumenten, welche diese nach den Regeln der Kunst zu bedienen im Stande sind, es bedarf zudem der Orchestrierung dieser Einzelleistungen sowie – natürlich – eines Steuermannes, der in diesem Bild als Dirigent zu bezeichnen ist, und es bedarf des tanzenden Paares, welches die vorgegebenen Takte und Harmonien in – möglichst inspirierte und harmonisch wirkende – Bewegung umzusetzen in der Lage sein muss.

Wenn also dieses Bild des sehr geschätzten Kollegen Andreas Fischer tatsächlich so gut in den hier in Rede stehenden Zusammenhang passt, so bedeutet dies, dass komplexe Prozesse wie die Formulierung und Umsetzung von berufsbildungspolitischen Leitlinien im Kontext des europäischen Integrationsprozesses nur durch das Zusammenspiel aller hier vorgestellten theoretischen Ansätze nachvollziehbar erklärt werden kann: Es gilt, die gängigen Ansätze zur Erklärung der europäischen Integration (aus funktionaler, intergouvernementaler, neoliberaler oder governancetheoretischer Perspektive) mit den genannten Ansätzen des Politiktransfers zu verknüpfen, weil neben den zahlreichen rationalen und gut dokumentierten (Verhandlungs-)Determinanten eine Mischung aus impliziten Wissen, Zufall, Komplexität und jahrelanger Erfahrung eine erhebliche Rolle bei der finalen Entscheidungsfindung gespielt haben dürften. Das Ausmaß der Wirksamkeit des von Steiner-Khamsi beschriebenen “Tintenfischprinzips“ entzieht sich dabei leider – wie erwähnt – der empirischen Evidenz und Messbarkeit; es darf allerdings – gleichsam ganz pragmatisch und plausibel – mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Inspiration, Intuition und „Bauchgefühl“ bei weitem nicht nur im Paartanz, sondern auch in der primären Alltagserfahrung – und natürlich ebenfalls bei der Steuerung politischer Prozesse ­− eine kaum zu unterschätzende Rolle spielen.

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[1]    Verkürzt formuliert bezieht sich dieses Politikfeld auf alle Rechtsformen, (freiwilligen) Vereinbarungen und Verlautbarungen der supranationalen Akteure sowie der entsprechenden Akteure auf nationaler und regionaler Ebene und ergänzt um die zahllosen „technical groups“, „working groups“, Ausschüsse und nicht zuletzt Lobbyisten, die ad hoc oder dauerhaft (Teil-)Themen der Berufsbildung und angrenzende Themenfelder behandeln.

[2]    Neben den Organen der EU bezieht sich der Akteursbegriff in diesem Beitrag auch auf jene „agents of transfer [which] include individuals, networks and organisations. Official actors include individual bureaucrats and politicians, central government departments and agencies, local government or quangos, government task forces and Commissions of Inquiry” (Stone 1999, 55).

[3] Für einen Überblick über die „grand theories of European Integration“ siehe Hooghe und Marks (2019).

[4]    Es sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt, dass der in der Berufsbildungsforschung so häufig zitierte Politikzyklus nach Ochs und Phillips (2003) u.a. von Rose (1991) stammt, seine Anfänge aber bis in die 1950er Jahre (ausführlich: Jann/Wegrich 2006) zurückreichen.

[5]    Forceful persuasion bzw. coercive diplomacy (oder simpler: „carrot and stick“) bezieht sich auf den Versuch, Akteure unter Androhung von Sanktionen oder Gewalt dazu zu bewegen, ihr objektives Verhalten zu ändern (Lauren 1972).

[6]    Erasmus = European Community Action Scheme for the Mobility of University Students, Tempus = Trans-Mobility Programme for University Students.

[7]    https://www.cedefop.europa.eu/en/tags/validation   

[8]    https://www.cedefop.europa.eu/en/publications-and-resources/publications/2224-0

Zitieren des Beitrags

Bohlinger, S./Münk, D. (2020): ... und sie bewegt sich doch: Berufsbildung in Europa, supranationale Integrationspolitik und das Tintenfisch-Prinzip. In: bwp@ Berufs- und Wirt­schaftspädagogik – online, Ausgabe 39, 1-20. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe39/bohlinger_muenk_bwpat39.pdf (17.12.2020).