Partner von bwp@: 
  SAP University Alliances Community (UAC)   giz - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit    Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.    Österr. Konferenz für Berufsbildungsforschung       

bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS02 - Berufsschule
Herausgeber: Josef Rützel & Arnulf Zöller


Titel:
Übergänge im Bildungssytem - Brüche oder Brücken? Die Rolle der Berufsschule im Prozess des Lebenslangen Lernens


Verbundsystem in der Ausbildung für Fachkräfte „Frühe Kindheit“ – Perspektiven und Konsequenzen

Beitrag von Dagmar GIEBENHAIN & Torsten WENZLER (Fachschule für Sozialpädagogik am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis

Abstract

Der Beitrag zeigt einen neuen Weg der Gestaltung von Übergängen in der beruflichen Bildung auf. Die Anrechnung bisher erbrachter formeller Leistungen entspricht der Entwicklung des sich im Wandel befindenden Bildungssystems hin zum lebenslangen Lernen. Damit wird eine kontinuierliche berufliche Weiterbildung verbunden, die auch in höheren Bildungsabschlüssen münden kann. Am Beispiel aktueller Entwicklungen in der Ausbildung der Fachkräfte im Bereich der „Frühen Kindheit“ wird aufgezeigt, welche grundsätzlichen Überlegungen und Veränderungen vorliegen. Schließlich wird ein mögliches Verbundmodell exemplarisch vorgestellt.

1 Aktuelle Entwicklungen in der Ausbildung von Fachkräften im Bereich der „Frühen Kindheit“

Ein modernes Übergangsystem mit unterschiedlichen Ausgestaltungen befindet sich seit Mitte der 2000er Jahr in Bundesrepublik im Aufbau. Der Wandel zeigt sich an den gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich frühpädagogische Einrichtungen, deren Mitarbeiterinnen sowie die Ausbildungsorte (Fachschulen für Sozialpädagogik und Fachakademien). Die dahinter liegenden Megatrends der Vielfalt, der Medialität, Globalisierung sind mittlerweile eine zentrale Herausforderung, die auch in der frühkindlichen Bildung bewältigt werden müssen. Um diese Herausforderungen wahrzunehmen und mit entsprechenden Konzepten zu hinterlegen, bedarf es einer Ausbildung der Fachkräfte auf entsprechendem Niveau.

Der formale und strukturelle Weg wurde und wird kontrovers diskutiert. Aus der Fülle und Vielfalt der Stellungnahmen wissenschaftlicher Expertisen und Positionsbestimmungen ergeben sich drei verschiedene Ausgangsforderungen:

  • Strukturelle  Veränderungen der Fachschulen / Fachakademien
  • Inhaltliche Reform der Lehrpläne
  • Forderung der vollständigen Akademisierung der Ausbildung

Als Folge daraus lässt sich feststellen, dass die Fachschule als originärer Ort der Fachkräfteausbildung unter einen Legitimationsdruck geraten ist. Entstanden ist eine Diskussion über den Ort der Qualifizierung und die Qualität der Ausbildung. Die Jugendministerkonferenz (vgl. http://www.ljrt-online.de/wDeutsch/download/schule/2005/TOP10.pdf ) stellt bereits im Mai 2005 für die sozialpädagogischen Fachkräfte einen erweiterten Bedarf an fach- und arbeitsübergreifenden Kompetenzen fest und fordert von der sozialpädagogischen Ausbildung die

  • Stärkung von Wahrnehmungs-, Deutungs- und Reflexionskompetenz
  • Stärkung von didaktischer Kompetenz im Kontext des Bildungsauftrages
  • Ausprägung von Beobachtungs- und Diagnosekompetenz
  • Stärkung von Persönlichkeitsbildung
  • Stärkung organisationsbezogener Kompetenz

Der normativ-rechtliche Rahmen wurde bereits im Jahr 2002 durch die KMK-Rahmenvereinbarung (http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2002/2002_11_07-RV-Fachschulen.pdf) erlassen. Hier haben sich die Kultusminister auf gemeinsame Standards geeignet:

  • Ausbildungsumfang
  • Vergleichbare Zugangsvoraussetzungen
  • Übergeordnete didaktisch methodische Grundsätze (Entwicklungs- und Handlungsorientierter Ansatz  mit der Ergänzung der Vernetzung der Lernorte Schule und Praxis)

Beide Beschlüsse sind strukturelle wie inhaltliche Voraussetzungen für die Professionalisierung von Fachkräften an Fachschulen / Fachakademien.  Sie haben damit mögliche Übergänge in diesem Bereich der beruflichen Bildung in die Diskussion gebracht. 

2 Folgerungen  in der Ausbildung an Fachschulen / Fachakademien

Obwohl die oben geschilderten aktuellen Veränderungen den europäischen (Europäischer Qualifikationsrahmen) bzw. internationalen Hintergrund (Studien zum Bildungserfolg wie PISA, TIMMS etc.) haben, obliegt die Umsetzung und Ausgestaltung in der Bundesrepublik trotz eines bestehenden nationalen Qualifikationsrahmens (DQR) den jeweiligen Ländern. Hierunter wird allgemein verstanden:

  • Länderspezifische Rahmenverordnungen und Verordnungen
  • Umsetzung der Ausbildung in ein Curriculum mit Lernfeldern und Lernbereichen
  • Anforderungen für die didaktische und / oder lerndidaktische Umsetzung

Gemeinsam ist allen Ausbildungsmodellen ein verstärkter beruflicher Bezug und die Orientierung an der Entwicklung einer beruflichen Handlungskompetenz bei den Studierenden der Fachschulen / Fachakademien. Kompetenzen im personalen Bereichen wie z.B. Reflexionsfähigkeit, Empathie und Interaktionsfähigkeit gewinnen dadurch an Bedeutung.  Kritisch anzumerken ist, dass bis heute ein kompetenzorientierter Lehrplan fehlt, der sichtbarer Ausdruck eines länderübergreifenden Konsenses wäre. Er ist allerdings in Aussicht gestellt.

Vor diesem Hintergrund zeichnen sich die folgenden Entwicklungs- und Zukunftsperspektiven für Fachschulen / Fachakademien

  • Auf der inhaltlichen Ebene: Entwicklung eines didaktischen Konzeptes für einen handlungsorientierten Unterricht und die gleichzeitige inhaltliche und strukturelle Verbindung von Theorie und Praxis
  • Auf der Ebene der Lernorganisation: Gestaltung einer ko-konstruktivistischen  (sozialkonstruktivistischen) Lernkultur, Aufbau eines Systems der Qualitätsentwicklung und Evaluation,
  • Auf der Ebene der konzeptionellen Weiterentwicklung: Studierenden eine individuelle und sozialräumliche Profilbildung ermöglichen, Schaffung eines flexiblen und individualisierten Systems der Weiterbildung z.B. verkürzte Vollzeitausbildung und Teilzeitausbildung mit Anerkennung formeller und informeller Bildung
  • Auf der Ebene der strategischen Weiterentwicklung: Fachschulen können zunehmend die Rolle von sozialpädagogischen Kompetenzzentren einnehmen, in denen Aufbau und Implementierung eines kooperativen Verbundsystems von Bedeutung sein wird. Hierbei sind insbesondere die Vernetzung im Sozialraum, die Anschlussfähigkeit und Durchlässigkeit gegenüber Studiengängen der frühen Kindheit sowie die Einbindung in Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu nennen.

Die Ebenen der inhaltlichen und lernorganisatorischen Weiterentwicklung stellen für Fachschulen / Fachakademien eine „Frage der Ehre“ dar. Sie haben erkannt, dass eine moderne Ausbildung sozialpädagogischer Fachkräfte, die alle gesellschaftlichen Herausforderungen in sich vereinen möchte, ein Desiderat ist, das sie aktiv gestalten wollen. Anders sieht es vermutlich auf den beiden Ebenen der konzeptionellen und strategischen Weiterentwicklung aus. Diese sind abhängig von einzelnen Personen, die in Teams zusammen das System weiterentwickeln. Vorhandene rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen lassen Spielräume für die Entwicklung auf den beiden Ebenen zu, wobei die Nutzung der Spielräume noch nicht in der Wahrnehmung als wichtige Anforderung seitens der Fachschulen / Fachakademien gesehen wird. Folglich müssen aktuell sowohl ein visionäres Team, eine strategisch ausgerichtete Schulleitung und Schulverwaltung diese Entwicklung als gemeinsamen Weg gehen wollen.

3 Verbundmodell Fachschule / Fachhochschule

Durch die Anforderung einer hochqualifizierenden Ausbildung sozialpädagogischer Fachkräfte sind auf den Ebenen der konzeptionellen und strategischen Weiterentwicklung  unterschiedliche Modelle entstanden.  Als Beispiel für ein Modell in Hessen gilt der doppelt qualifizierende Ausbildungs- Studiengang „Bildung und Erziehung in der Kindheit“, der von  vier evangelischen Fachschulen und der Evangelischen Fachhochschule in Darmstadt angeboten wird. 

Ein weiteres Modell ist die durch einen Vertrag festgeschriebene Kooperation zwischen der Fachschule in Michelstadt (Berufliches Schulzentrum Odenwaldkreis) in Hessen und der Fachhochschule in Erfurt. Der Vertrag hat zum Gegenstand den Berufsbegleitenden Vollzeitstudiengang  „Bildung und Erziehung von Kindern“. Das Besondere an diesem Verbundmodell ist die Bundesländer übergreifende Zusammenarbeit.  

Beiden Modellen liegt eine Modularisierung des Curriculums der Fachschule zu Grunde. Diese Modularisierung stellt die Basis für die Anrechenbarkeit der Ausbildung dar. Im Verbundmodell der Fachschule in Michelstadt mit der FH Erfurt werden 50% des Studienumfangs angerechnet. Hierfür steht der KMK Beschluss vom 18.09.2008.  Im konkreten Fall bedeutet dies, dass die gesamten während der Ausbildung erbrachten theoretischen Leistungen vollständig auf den Studiengang angerechnet werden. Die Studierenden steigen in diesem Modell direkt in das 4. Studiensemester ein. Der Einstieg ist durch den Vertrag unabhängig von dem Notendurchschnitt der erbrachten Leistungen geregelt.

 Initiates file download

Abb. 1:   Verbundmodell der Fachschule für Sozialpädagogik am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis und der Fachhochschule Erfurt im berufsbegleitenden Vollzeitstudiengang „Bildung und Erziehung von Kindern“

Neben dem DQR, der als bildungspolitischer Überbau gilt, bilden Kooperationsverträge auf allen Ebenen eine wichtige Basis für das Kooperationsmodell der Fachschule und der FH Erfurt. Konkret bedeutet dies, dass die Bildungsqualität von beiden Seien gewährleistet wird durch Qualitätsstandards die sich vor allem auf die praktischen Phasen der Ausbildung beziehen. Darüber hinaus besteht damit natürlich auch die Möglichkeit bei Bedarf flexibel und zeitnah reagieren zu können.

Insbesondere der Aspekt der berufsbegleitenden Ausbildung findet sowohl an der Fachschule als auch an der FH Berücksichtigung. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen (sich verändernde Familienbilder, Megatrends) ist dieses Modell eine folgerichtige Reaktion darauf.

4 Fazit

Um den hohen Anforderungen innerhalb der frühkindlichen Bildung gerecht zu werden und dabei die Kinder im Blick zu behalten, ist eine enge Zusammenarbeit in der Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte erforderlich und notwendig. Sie ist idealerweise von einer gemeinsam geführten Auseinandersetzung über das Bild vom Kind und den daraus resultierenden Bildungszielen geprägt. Dadurch entsteht ein gemeinsamer Sprachgebrauch, so dass die Kommunikation auf allen Ebenen gelingen kann. Sie setzt eine Regelmäßigkeit und Verbindlichkeit voraus. Im Sinne einer doppelten Vermittlungspraxis gilt dieses natürlich auch für den Umgang mit den Studierenden und im letzten Schritt im Umgang mit den Kindern.

Abschließend ist anzumerken, dass mit einer Akademisierung im Bereich der „Frühen Kindheit“ enorme Anforderungen auf die beteiligten Fachschulen und Fachhochschulen zukommen. Konkret bedeutet dies eine Übersetzung der Lernfelder in anschlussfähige und anrechnungsfähige Module, die Grundvoraussetzung für eine Anrechenbarkeit von erbrachten Leistungen auf ein Fachhochschulstudium sind. Für die Fachhochschulen steht damit eine Auseinandersetzung mit den Inhalten der Fachschulausbildung an, die den Blick für das gesamte Ausbildungsangebot im sozialpädagogischen Bereich öffnet. Die Auseinandersetzung mit Inhalten und deren Ausgestaltung in der gemeinsamen getragenen durchlässigen Ausbildung stellt für alle Beteiligte einen Synergieeffekt dar.

Hinzu kommt durch die enge Kooperation der Fachschulen mit den Praxisstellen die Chance, die Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis zu verstärken und den Blick auf die berufliche Handlungskompetenz zu schärfen.

Es wäre wünschenswert, wenn alle Absolventinnen und Absolventen von Fachschulen und Fachakademien unter Anerkennung ihrer bisher erbrachten Leistungen ein verkürztes Studium aufnehmen könnten und nicht auf die Initiative von einzelnen Fachschulen/Fachakademien und Fachhochschulen angewiesen wären. Um eine Verlässlichkeit in der Akademisierung zu erlangen, ist eine allgemein anerkannte und festgeschriebene Möglichkeit, im Sinne eines Regelmodells von Übergangsgestaltung anzudenken.

Alle Beteiligte sind darüber hinaus aufgefordert, sich in gegenseitigem Respekt zu nähern und Kooperationen einzugehen, die letztlich  den Kindern, ihren Eltern und der Gesellschaft zu Gute kommen. Das dieses geht zeigt sich darin, dass die ersten Absolventinnen der Fachschule kurz vor dem Abschluss ihres Studiums an der FH Erfurt stehen.

Es gilt das Motto: Wo der Wille ist, da ist auch der DQR-Weg!

Literatur

GIEBENHAIN, D./ MOHRHARDT, W./ WENZLER, T. (2010): Übergänge in der beruflichen Bildung – am Beispiel eines Kooperationsmodells in der Professionalisierung frühpädagogischer Fachkräfte. In: berufsbildung 126, Dezember 2010, 64. Jg., 28-29.

http://www.ljrt-online.de/wDeutsch/download/schule/2005/TOP10.pdf  (04.07.2011).

http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2002/2002_11_07-RV-Fachschulen.pdf  (04.07.2011).


Zitieren dieses Beitrages

GIEBENHAIN, D./ WENZLER, T. (2011): Verbundsystem in der Ausbildung für Fachkräfte „Frühe Kindheit“ – Perspektiven und Konsequenzen. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 02, hrsg. v. RÜTZEL, J./ ZÖLLER, A., 1-6. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws02/giebenhain_wenzler_ws02-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/