bwp@ 43 - Dezember 2022

Digitale Arbeitsprozesse als Lernräume für Aus- und Weiterbildung

Hrsg.: Karin Büchter, Karl Wilbers, Lars Windelband & Bernd Gössling

Potenziale von Serious Games als virtuelle Lernumgebung in der betrieblichen Weiterbildung. Konzeptuelle Überlegungen und empirische Erkenntnisse.

Beitrag von Elisabeth Rotter, Angelika Maier, Franziska Funken , Birgit Ziegler & Stefan Göbel
Schlüsselwörter: serious games, educational games, spielbasiertes Lernen, virtueller Lernraum, betriebliche Weiterbildung

Um den Herausforderungen zu begegnen, die sich durch technologischen Wandel und die damit verbundenen Veränderungen für eine digitalisierte Arbeit ergeben, müssen auch die Lernräume erweitert und darauf angepasst werden. Vor diesem Hintergrund haben digitale Lernspielangebote (Serious Games) ein enormes Potenzial, um die erforderlichen Fähig- und Fertigkeiten zu entwickeln, da sie authentische, komplexe Handlungssituationen simulieren und so betriebliches Lernen individuell angepasst sowie auf spielerische und motivierende Weise unterstützen können. Der Beitrag thematisiert die forschungsbasierte Konzeption von KI-gestützten Serious Games als digitales Lernangebot im Kontext virtueller Lernräume. Hierzu werden die Erkenntnisse aus einer Literaturrecherche und explorativen Bedarfsanalyse sowie die Erfahrungen bei der theoriegeleiteten Umsetzung eines Lernspielkonzepts im Rahmen des Forschungsprojekts „Serious Games für die Berufliche Bildung“ (SG4BB) exemplifiziert vorgestellt. Im Ausblick wird das bevorstehende Evaluationsvorhaben zur Untersuchung der Potenziale des spielbasierten Lernens für die Lernförderlichkeit dargelegt.

Using potentials of Serious Games for vocational education and training. A conceptual approach of a virtual learning environment and empirical results.

English Abstract

Technological transformation and thereto affected changes shape a new way of digitized work. As a result, learning environments must also change in form of expansion and adaption to meet these challenges. Considering this, serious games have enormous potential for developing the necessary skills and abilities. They can simulate authentic, complex situations and support learning in an individually adapted, playful and motivating way. The paper motivates the research-based conception of personalized and adaptive serious games to create an effective virtual learning environment for vocational education and training. For this purpose, the paper presents the results from a literature review and exploratory requirement analysis. It describes a theory-based process of implementing learning game concept in the context of the research project serious games for vocational education and training (SG4BB). In the outlook, the potentials of the game-based learning concept must be evaluated to investigate the learning effects.

1 Ausgangslage und Zielstellung

In einer Arbeitswelt 4.0 werden mit hoher Wahrscheinlichkeit sukzessive sämtliche Tätigkeiten, die unter ökonomischen Gesichtspunkten algorithmisierbar sind, durch den Einsatz digitaler Technologien ersetzt. Trotz der erheblichen Substituierungspotentiale von Kerntätigkeiten ist aber weniger von einem hohen Verlust an Beschäftigungsmöglichkeiten auszugehen als von Verschiebungen der Beschäftigtenzahlen und teilweise umfassenden Veränderungen der Tätigkeitsprofile und -strukturen innerhalb von Berufsfeldern (vgl. Dengler/Matthes 2018; Zika et al. 2018). Aus der zunehmenden Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt ergeben sich somit Konsequenzen hinsichtlich der arbeitsbezogenen Anforderungen an Beschäftige und ihrer beruflichen Kompetenzen. Ihre Bereitschaft und Fähigkeit, zu Lernen und digitale Technologien zu nutzen, aber konkret auch analytische Kompetenzen und ein gut strukturiertes Systemwissen zur Arbeitsumgebung sind wesentliche Faktoren, um flexibel auf Veränderungen in der digitalisierten Arbeit reagieren zu können. Hierfür wird eine Bildung, Weiterbildung und Qualifizierung erwartet, die eine erfolgreiche digitale Transformation ermöglicht (vgl. BMAS 2016). Dies erfordert allerdings nicht nur eine inhaltliche Anpassung, sondern bedeutet auch eine digitale Transformierung der Lernräume, im Sinne von veränderten Formen des Lehrens und Lernens in der Aus- und Weiterbildung (vgl. Tenberg 2020; SWK 2022). Aktuelle Entwicklungen im Bereich Digitalisierung der Weiterbildung wurden zwar durch die Corona-Pandemie beschleunigt. Allerdings gibt es kaum Studien, die evaluiert oder analysiert haben, welche Effekte diese neuen digitalen Lehr-Lern-Räume bzw. Lernmedien erzielt haben (vgl. Denninger/Käpplinger 2021, 171f.). Gleichzeitig wird verstärkt versucht das Lernen in der digitalisierten Arbeit und das digitalisierte Lernen für die Arbeit mit anwendungsbezogenen und passgenauen Lernangeboten zu unterstützen und personalisiert bereitzustellen (vgl. Ziegler/Tenberg 2020). Von KI-basierten Anwendungen und „immersiven“ Lernwerkzeugen, wie adaptives Lernen und Learning Analytics, wird diesbezüglich viel erwartet, wie bspw. die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekte der Innovationswettbewerbe InnoVET und INVITE oder der mmb-Trendmonitor 2020/2021 zeigen.

Über Simulationen und Serious Games können virtuelle Lernumgebung im Arbeitskontext angeboten werden und dabei Prozesse und Abläufe in eine digitale Simulation überführen, in der sich Lern- und Anwendungssituation annähern (vgl. Kerres 2018, 385). Damit können interaktive und komplexe Tätigkeiten in schwer zugänglichen Arbeitssituationen trainiert werden, ohne dabei den Betriebsablauf zu stören, wie bspw. der Umgang mit Maschinen in Nicht-Routine-Situationen (vgl. De Freitas 2018). Zudem ermöglichen sie personalisierte Angebote, die an die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen der Zielgruppe angepasst werden, und durch deren spielerischer Charakter bestenfalls die Lernmotivation erhöht werden kann (vgl. Streicher/Smeddinck 2016). Allerdings bedarf es für die Entwicklung eines reflektierten Prozesses, um die „Characterizing Goals“ (Dörner et al., 2016, 17) von Serious Games auch zu realisieren. Zur Veranschaulichung wird in diesem Beitrag auf Basis der bisherigen Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt „Serious Games in der beruflichen Bildung (SG4BB)“[1] das theoriegeleitete Konzept eines digitalen Lernspielangebots zur Förderung der fachspezifischen Problemlösefähigkeit von Service Techniker*innen im Bereich Wellpappenherstellung vorgestellt.

Ein Ziel des Beitrags ist es, den Passungsprozess zwischen dem Aspekt des ernsthaften Lernens und des unterhaltsamen Spielens sowie die daraus resultierenden Herausforderungen bei der Entwicklung eines ersten Prototyps darzustellen und zu reflektieren (vgl. Caserman et al. 2020). Zunächst werden dazu Serious Games allgemein im wissenschaftlichen Kontext erläutert und die (berufs-)bildungswissenschaftlichen Bezüge und didaktischen Anforderungen betrachtet. Daran schließt sich die Darstellung der kompetenzorientierten Theoriebasis an (Kickmeier-Rust/Göbel/Albert. 2008; Kickmeier-Rust/Albert 2009), gefolgt von der Beschreibung empirischer Erkenntnisse aus der Forschung zu spielbasiertem Lernen und KI-gestütztem Game-Design (vgl. Seufert et al. 2021; Ifenthaler et al. 2014; Mislevy/Almond/Lukas 2003; Joshi/Desai/Tewari 2020). Im Anschluss daran, werden das Forschungsdesign und die verwendeten Methoden beschrieben, das digitale Lernspielkonzept vorgestellt und die damit verbundenen Erfahrungen reflektiert. Zuletzt wird im Ausblick das bevorstehende Evaluationsvorhaben skizziert.

2 Theoretischer Hintergrund und empirische Befundlage

2.1 Serious Games und Educational Games

Serious Games (vgl. Dörner et al. 2016) bezeichnen digitale Spiele, die analog zu anderen Computer-/Videospielen Spieltechnologien und -mechaniken nutzen, einem Spielablauf folgen sowie Ziele und Regeln beinhalten. Der Unterschied besteht darin, dass sie nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern zusätzlich ein übergeordnetes, charakterisierendes Ziel verfolgen, zum Beispiel einen bestimmten Lerneffekt, eine Verhaltensänderung (bspw. in Bezug auf den Lebensstil, Bewegung und Ernährung) oder für gesellschaftlich relevante Themen wie Sicherheit, Klima und Energie sensibilisieren. Dies umfasst auch Educational Games bzw. Lernspiele, die spezielle für den institutionalisierten Bildungskontext entwickelt werden.[2] Dabei werden die Spielelemente durch weitere domänenspezifische Methoden, Konzepte und Technologien erweitert, z. B. pädagogische und didaktische Konzepte, wie Feedback, Scaffolding oder Lernen durch Handeln (vgl. Karagkasidis/Lehmann/Hofmann 2022, 80). Hierdurch sollen Lernprozesse und „bildende Erfahrungen“ (Kerres 2018, 390) ermöglicht werden, die zur Selbst- und Weltreflexion anregen können.

Serious Games wird großes Potenzial zugeschrieben, die gesellschaftliche Akzeptanz ist vorhanden und das Interesse in den Serious Games Anwendungsbereichen ist enorm (vgl. Bitkom 2020). Dennoch wird die Qualität von Serious Games und gamifizierten Lernarrangements oftmals als gering eingeschätzt und die Effekte (z. B. der Lernfortschritt) und auch der Spielspaß stellen sich häufig nicht wie gewünscht ein (u. a. De Freitas 2018; Ravyse et al. 2017; Hamari/Koivisto/Sarsa 2014). Einer der Gründe dafür sind schon allein die um Dimensionen geringeren Entwicklungsbudgets im Vergleich zu erfolgreichen Unterhaltungsspielen. Entsprechend sollen im Rahmen des hier verfolgten Forschungsvorhabens Methoden und Konzepte zur möglichst (kosten-)effizienten Erstellung (Authoring, Produktion), Steuerung (Personalisierung/Adaption) und Evaluation von Effekten (als Nachweis und Qualitätsmerkmal von Serious Games) einbezogen werden. Zur Überprüfung und Bewertung der Qualität von Serious Games wurde auf Basis der vielfältigen Projekterfahrungen innerhalb des Wissens- und Technologietransfer Vorhabens WTT Serious Games (2022) ein RAL-Gütezeichen für Serious Games (RAL-GZ 904) entwickelt. Dieses umfasst 14 Qualitätsdimensionen , unterteilt in die Bereiche „serious part“, „game part“ und „Passung“ (Bruder et al. 2021) (vgl. Im Forschungsprojekt SG4BB werden Serious Games konkret für den Anwendungsbereich der betrieblichen Weiterbildung entwickelt. Hier kann a). Digitale Lernspiele, die den Grundanforderungen entsprechen, können ausgezeichnet werden (Caserman et al. 2020).

Abbildung 1: Qualitätsbereiche Serious Games Gütezeichen (eigene Darstellung n. Bruder et al. 2021).Abbildung 1: Qualitätsbereiche Serious Games Gütezeichen (eigene Darstellung n. Bruder et al. 2021).

Die Qualitätskriterien sollen bei der Entwicklung des hier vorgestellten digitalen Lernspiels als Orientierung dienen. Zudem soll eine Bewertung des finalen Spiels durch die Serious Games Gütegemeinschaft erfolgen.

2.2 Bildungswissenschaftliche Bezüge und (medien-)didaktische Anforderungen

Im Forschungsprojekt SG4BB werden Serious Games konkret für den Anwendungsbereich der betrieblichen Weiterbildung entwickelt. Hier kann aus einer bildungswissenschaftlichen bzw. betriebs- und berufspädagogischen Perspektive die Anforderung formuliert werden, dass Lernen in betrieblichen Kontexten mit digitalen Medien mittels Handlungsbezug und Situiertheit unterstützt werden soll. Ziel ist es, die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz und selbständigem Problemlösen im beruflichen Arbeitsumfeld zu fördern (vgl. Dehnbostel/Elsholz 2007, 38). Dem folgend, steht ein kompetenzorientierter Ansatz als theoretische Basis für die Entwicklung des Spielkonzepts im Fokus, der in Kapitel 2.3 beschrieben wird. In diesem Kapitel soll vermehrt auf die bildungs- und kompetenztheoretischen Grundüberlegungen und didaktischen Anforderungen eingegangen werden.

Am Ausgangspunkt des Vorhabens steht ein empirisch ausgerichtetes, domänenspezifisches Verständnis von beruflicher Handlungskompetenz, das sich für die Messung von Kompetenzen im gewerblich-technischen Bereich eignet. Dazu kann der kompetenzdiagnostische Ansatz der Forschungsgruppe um Nickolaus (Geschwendtner/Geißel/Nickolaus, 2010, 258) herangezogen werden, nach dem die berufliche Fachkompetenz als zentrale Facette beruflicher Handlungskompetenz modelliert wird. Berufliche Handlungskompetenz kann demnach in eine zweidimensionale Fachkompetenzstruktur überführt werden, bestehend aus der Subdimension Fachwissen und fachspezifische Problemlösefähigkeit (Nickolaus et al. 2011).[3] Diesem Verständnis folgend, wird berufliche Handlungskompetenz durch die Fähigkeit gefördert, das Fachwissen adäquat in wechselnden und problemhaltigen Situationen anwenden zu können (ebd.). Dies kann als eine beschränkte Modellierung von beruflicher Handlungskompetenz aufgefasst werden, da der Bezug zur beruflichen Performanz fehlt. In ähnliche Richtung zielt die Kritik, dass durch pädagogisch organisierte Lernprozesse der Erwerb von beruflicher Handlungskompetenz nur bedingt unterstützt werden kann und das Lernen damit zu situativ bleiben könnte (vgl. Dehnbostel/Elsholz 2007, 38). Letzteres hängt mit der Auffassung zusammen, dass eine umfassende Kompetenzentwicklung durch Erfahrung und Reflexion des Gelernten erreicht werden könne, was in einer digitalen Lernumgebung unterschiedlich gut umsetzbar ist (ebd. 2007, 39). Die Vorüberlegungen gilt es in den digitalen Lernszenarien zu implementieren und didaktisch zu gestalten (vgl. Arnold 2021, 141).

Theoretische und (medien-)didaktische Konzepte sowie instruktionspsychologische Grundüberlegungen, wie konkrete und spezifische Lernziele, sind für die Synthese von Spielen und Lernen über das Medium von (Serious) Games erforderlich (vgl. Bormann et al. 2008, 341). Damit soll Lernen in den Mittelpunkt des Spiels gestellt werden (vgl. Fritz 1997). Dies kann aus der Perspektive des Instruktionsdesigns verargumentiert werden, wonach effektives Lernen auf einer didaktischen Grundlage erfolgen sollte, um die Informationen und Inhalte sowie den Lernprozess möglichst effektiv und effizient zu gestalten (Klauer/Leutner 2012, 111): „The goal of instructional design is to make learning more efficient, more effective, and less difficult” (Morrison et al. 2019, 4). In diesem Beitrag sollen insbesondere auch die fachdidaktischen Prinzipien der Handlungs- und Situationsorientierung herangezogen werden, um die beruflichen Lehr-Lern-Prozesse einer bestimmten beruflichen Domäne im Sinne eines ganzheitlich angelegten Arbeitshandelns zu gestalten (vgl. Tenberg/Pittich/Bach 2019, 41; Dehnbostel/Elsholz 2007, 40f.). Das Lernpotenzial kann dabei von der Art der Aufgaben abhängen, die die Lernenden zu bewältigen haben. Es kann auf einer eher rekonstruktiven Ebene zur Förderung von konzeptuellem und prozeduralem Wissen bleiben und bis hin zu konstruktiven Simulationen reichen, in denen die Lernenden sich als gestaltendes Subjekt wahrnehmen und reflektieren können (vgl. Sesink 2005). Entscheidend für die Qualität der Lernprozesse und bildenden Erfahrungen könnte hierbei sein, wie die theoretische und praktische Gestaltung zur tatsächlich erfahrenen Wirklichkeit in Bezug gesetzt wird. Daher sollen im Spiel die Lern- und Anwendungssituation einander angenähert werden, indem der Anwendungskontext sowie Arbeitsprozesse und -abläufe möglichst realitätsnah in einer virtuellen Lernumgebung nachgebildet werden.[4] Orientierung bietet hier die „didaktische Realität“, die zum Zeitpunkt der Entwicklung vorgefunden wurde. Zu Übungszwecken kann die Realsituation didaktisch reduziert werden.

Die Lernenden sollen am virtuellen Arbeitsplatz mit simulierten Anforderungen und Problemstellungen der Praxis konfrontiert werden, die sie bewältigen müssen. Im Sinne der vollständigen Handlung werden die Lernsituationen dazu mit möglichst vielen zusammenhängenden Einzelhandlungen gestaltet (vgl. Dehnbostel 2015, 97ff.). Bei der Bearbeitung sollen die Lernenden selbstgesteuert ihr erworbenes bzw. vorhandenes, fachspezifisches (Vor-)Wissen bei der Problemlösung einbringen, aktiv verarbeiten und anwenden, um neue Lernprozesse in der Situation anzuregen und so den Lerntransfer zu begünstigen (vgl. Kerres 2018, 365; Klauer/Leutner 2012, 113; Helmke/Schrader 2010).

Der Anspruch an das vorliegende Spiel ergibt sich aus einer Bedarfsanalyse und ist gebunden an ein spezifisches Weiterbildungssetting (siehe Kapitel 3.2). Ziel ist es, bereits formal erworbenes Fachwissen zu vertiefen und eigenständig in Problemsituationen anzuwenden, um den Lerntransfer zu begünstigen und damit die Transferproblematik abzumildern. Allerdings handelt es sich hier um einfache, gut strukturierte Probleme, bei denen Ausgangs- und Zielzustand wie auch der Lösungsweg eindeutig sind, was nur bedingt dem realen Kontext entspricht, da dort die Probleme meist komplexer und dynamisch sind. Unter der Annahme, dass die beruflichen Kompetenzen im tatsächlichen Praxiseinsatz weiterentwickelt werden können, soll mit der spielbasierten Lernumgebung ein Raum geschaffen werden, in dem Lernen im Arbeitsprozess einer geringeren Niveaustufe ermöglicht wird. Die Lernenden sollen an ein eigenständiges, selbstreguliertes Handeln herangeführt werden, indem sie sich im Lernraum ausprobieren und erste Erfahrungen sammeln können. Die Aufgaben hierfür werden zusammen mit den Fachexpert*innen aus der Domäne realitätsnah entwickelt.

2.3 Competence-based Knowledge Space Theory

Dem Spielkonzept soll ein kompetenzorientierter Ansatz zugrunde gelegt werden, der sich auf die theoretischen Modelle der Competence-based Knowledge Space Theory (CbKST) (Kickmeier-Rust/Albert 2012; Kickmeier-Rust/Albert 2009, 98) stützt. Dies begründet sich darin, dass im Spiel eine Bewertung der Handlungen bzw. des Lernfortschritts[5] vorgenommen werden soll, die von den Spielenden nicht als Assessment wahrgenommen wird (nicht-invasiv). Die CbKST basiert in ihrem Ursprung auf den Überlegungen der kognitiven Psychologie über die Organisation von Wissen und der Beziehung zwischen theoretischer Wissensstruktur und beobachtbarem Verhalten. Damit werden eine Modellierung und Strukturierung von Wissen und Kompetenzen auf einer mathematischen Basis möglich. Sie stellt damit eine konzeptionelle und methodische Grundlage für die Analyse und Interpretation der Daten dar.

Beim Ansatz der ursprünglichen Knowledge Space Theory (Doignon/Falmagne 1985; Albert/Lukas 1999) wird ein Wissensraum aufgebaut. Dazu kann eine Wissensdomäne durch eine Reihe von Problemen oder Testaufgaben charakterisiert werden. Demnach entspräche der Wissensstand einer Person der Teilmenge von Problemen, die diese Person lösen kann. Dabei bestehen gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Aufgaben, weshalb nicht alle potenziell möglichen Wissenszustände erreichbar sind. Diese Abhängigkeiten stellen theoretische Annahmen oder Hypothese über kognitive Prozesse und Beziehungen dar, die durch sogenannte Voraussetzungsbeziehungen visualisiert werden können, bspw. kann die Teilmenge nach Schwierigkeitsprinzip geordnet und überprüft werden. Daraus kann die Wissensstruktur mit allen möglichen, „zulässigen“ Wissenszuständen abgeleitet werden.

Beim erweiterten, kompetenzbasierten Ansatz (CbKST) sollen Leistungen, Fähigkeiten oder kognitive Funktionen eines Individuums differenziert und effizient für die Analyse und Bewertung der Handlungen im Spiel nutzbar gemacht werden. In der Lernumgebung müssen dazu explizit formuliertes fachliches Wissen und diagnostische Methoden verfügbar sein. Dazu werden Annahmen über notwendige Kompetenzen getroffen, die zur Lösung von Problemen bzw. Aufgaben notwendig sind. Kompetenzen können in diesem Zusammenhang definiert werden, als die Aufgabenmenge, zu deren Lösung sie befähigen (vgl. Klauer/Leutner 2012, 28). Diese können sich aus Wissen (Lehrinhalte/Sachverhalte) und Können (erwartete Handlungen, die im Zusammenhang mit dem Inhalt stehen) zusammensetzen (vgl. ebd., 29).[6] Dadurch können den Problemen/Aufgaben Kompetenzen zugeordnet werden. Diese Annahmen werden grafisch mithilfe von Knoten und Kanten strukturiert und in eine Reihenfolge gebracht. So kann notwendiges Vorwissen (sogenannte „prerequisite skills“) über untere Knoten beschrieben werden. Sobald dieses Wissen bzw. diese Kompetenz „erworben“ wurde, können über Kanten verbundene obere Knoten (Themen) adressiert, bzw. im Spiel geladen und bearbeitet werden.

Dies liefert die Grundlage, um auf Basis dieser Annahmen ein maßgeschneidertes Testverfahren aufzubauen und den aktuellen Lernfortschritt zu bewerten. Für jeden Lernenden wird dann die Lösungswahrscheinlichkeit (der aktuell erreichbare Kompetenzgrad) errechnet, mit der Aufgaben einer definierten Menge erwartungsgemäß beantwortet werden können. Das beobachtbare Verhalten wird so in Beziehung gebracht mit einer darunter liegenden mathematischen und formalen Strukturierung eines Wissensgebiets (Domänenwissen). Damit sollen Kompetenzen, die nicht direkt beobachtbar sind, auf der Grundlage der beobachtbaren Leistung einer Person aufgedeckt werden können. Der Wissensraum soll personalisiert, adaptiv exploriert werden können (Stichwort: Sequencing). So werden beim Sequencing die vorangegangenen Antworten der Lernenden als Grundlage genommen, um auf Basis der gezeigten Leistung die nächste Aufgabe auszuwählen. Gleichzeitig wird dadurch der Wissenszustand ermittelt. Damit können individuelle Lernpfade im theoretisch unterstellten Wissensraum abgebildet werden. Studien, die das theoretische Konzept der CbKST als Grundlage haben und anwenden, gibt es bislang im deutschsprachigen Raum allerdings eher wenig (z. B. Augustin et al. 2011; Kickmeier-Rust/Göbel/Albert 2008).

2.4 Empirische Befundlage

2.4.1 Befunde zum spielbasierten Lernen in digitalen Lernräume der beruflichen Weiterbildung

Der Nutzen von Serious Games als „Methode/Tool“ im Bereich der Bildung ist unbestritten, wie viele singuläre Studien und Meta-Analysen bekräftigen (z. B. El Mawas et al. 2019; De Freitas 2018; Khan/Ahmad/Malik 2017; Boyle et al. 2016). Weiter hat sich die Studienlage zur Erforschung der Effekte von Serious Games in bestimmten Anwendungsbereichen verdichtet. Beispiele hierfür sind Arbeiten von Malone/Lepper (1987), Mitchell/Savill-Smith (2004), Egenfeldt-Nielsen (2005), De Freitas/Oliver (2006), Law et al. (2008). Auch der Einfluss von Videospielen auf kognitive Strukturen gilt mittlerweile als fundiert untersucht und belegt (Palaus et al. 2017). Es werden zahlreiche Vorzüge von Games für Trainings angeführt: sie sind jederzeit verfügbar, oft ohne Zeitbeschränkung. Sie liefern Motivation und Anerkennung durch eine unmittelbare Bewertung und Rückmeldung zum eigenen Handeln, womit das Belohnungssystem angeregt wird (vgl. Roth/Ryba 2016). Sie bieten Herausforderung und ermöglichen Selbstwirksamkeitserfahrungen (vgl. Bergmann/Hüther 2006, Grüsser/Thalemann 2006). Zudem bleibt das Handeln im Spiel ohne reale Folgen und Auswirkungen, vielmehr können sie Zusammenhänge veranschaulichen, weshalb Spiele zum Ausprobieren, Entdecken und Wiederholen einladen (vgl. Schaumburg/Prasse 2019, 174). Eine spielerische Lernumgebung mit komplexen Lernszenarien bzw. das Einbetten von spielerischen Elementen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung könne das Lernen unterstützen und dabei helfen Lernbarrieren abzubauen oder negative Lernerfahrungen zu überwinden (Spies 2022, Gebel/Gurt/Wagner 2005). Daher sehen einer Umfrage des Verbands der deutschen Games-Branche (game; Puppe 2020) zufolge Personalverantwortliche im Bereich der beruflichen Weiterbildung großes Potenzial für Serious Games. Wirtschaftlich soll der Umsatz von Serious Games in der beruflichen Weiterbildung jährlich um 19% wachsen. Dennoch spielen Formate, wie Serious Games, bislang in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung eine eher untergeordnete Rolle (vgl. mmb 2017/2018). Dies lässt sich auf verschiedene Ursachen zurückführen (vgl. Göbel 2017, 2), u. a. darauf, dass die Kosten oft nicht in einem gewinnbringenden Verhältnis zum Nutzen gesehen werden, da ein Nachweis über die erzielbaren Effekte benötigt wird. Zudem ist meist nicht klar, welche Serious Games für den Weiterbildungsbereich zur Verfügung stehen und ob bzw. wie gut sie sich für individuelle Lehrveranstaltungen eignen. Dagegen sind die Hürden für die Selbsterstellung von qualitativ hochwertigen Spielen aufgrund der Komplexität der Spielgestaltung bzw. des erforderlichen interdisziplinären Wissens vergleichsweise hoch (vgl. Le/Weber/Ebner 2013). Auf Spielentwicklungsseite besteht nicht immer die Expertise über die Prozesse zur Entwicklung von qualitativ hochwertigen Serious Games. Dies hängt auch damit zusammen, dass ein Marktzugang für Serious Games fehlt bzw. die Spiele nur für einzelne Kunden im Business-to-Business-Markt und für vergleichsweise kleine Nutzer*innengruppen entwickelt werden, was im Vergleich zu marktfähigen Unterhaltungsspielen weniger lukrativ ist. Im Vergleich dazu entsprechen verfügbare Serious Games oft auch nicht den Erwartungen der Spielenden, da sie mit wesentlich geringen Entwicklungsbudgets entwickelt wurden und daher qualitative Einbußen bspw. bei Grafik, Sound, Gameplay, Story oder Spielspaß im Allgemeinen etc. aufweisen (vgl. Göbel 2017, 2). Zum Teil fehlt es auch an didaktischen und technischen Fähigkeiten beim Bildungspersonal (vgl. Gerholz/Neubauer 2021, 225).

2.4.2 Befunde zum KI-gestützten Serious Game Design

KI-basierte Konzepte und Algorithmen werden vor allem für die Personalisierung und Adaption eingesetzt werden. Dies betrifft insbesondere die KI-gestützte Ablaufsteuerung der Lernspiele. Aus theoretischer Perspektive wäre es notwendig, bzw. optimal, wenn das Lehr-Lerngeschehen an die Lernenden und ihre persönlichen Eigenschaften angepasst und individuell aufbereitet werden kann (vgl. Kickmeier-Rust/Göbel/Albert 2008; Klauer/Leutner 2012, 111). Von Entwicklungsseite her ist es allerdings praktisch unmöglich und zu aufwendig für alle Typen von Spielenden und Lernenden unterschiedlich ausgeprägte Situationen zu erstellen. Vielmehr werden Methoden und Konzepte gesucht, die möglichst automatisiert die Lerninhalte für diverse Lerngruppen generieren und auf die Bedürfnisse der Lernenden transformiert und personalisiert präsentieren. Techniken der Adaption und Individualisierung fokussieren im Wesentlichen adaptive Präsentation, adaptive Navigationsunterstützung und adaptives Problemlösen (Law et al. 2008, 22). Dadurch wird es möglich, zur Laufzeit des Spiels automatisiert zu analysieren, wie sich ein Lerner/eine Spielerin verhält, um dementsprechend ein nächstes Lernszenario auszuwählen, das hier jeweils am besten passt, um den Lernfortschritt zu unterstützen (Göbel et al. 2014, 550). Ziel ist es, die Schwierigkeit von spielerischen Lernsituationen an den Lernfortschritt der Lernenden anzupassen (Hunicke/Chapman 2004; Missura/Gärtner 2009).

Abbildung 2: Regelkreis für Adaptive Serious Games, angelehnt an den MAPE-Zyklus (Monitor-Analyze-Plan-Execute) (Göbel 2017, 11).Abbildung 2: Regelkreis für Adaptive Serious Games, angelehnt an den MAPE-Zyklus (Monitor-Analyze-Plan-Execute) (Göbel 2017, 11).

Abbildung 2 zeigt den von Göbel (2017, 11) erstellten Regelkreis zur Steuerung von adaptiven, personalisierten Serious Games. Hier wird als übergeordnetes Ziel angenommen, dass sowohl Spielspaß wie auch Effekte für das im characterizing goal definierte Ziel maximiert werden sollen. Dafür wird während des Spielens das Verhalten der Spielenden mittels Logging von gameplay per „Leistungsdaten“ erfasst. Die gesammelten Daten werden automatisch anhand von Modellen, Mustern, Algorithmen und allgemeinen Handlungsmustern analysiert und interpretiert, um den Spielverlauf darauf individuell anzupassen und fortzuführen.

Durch die für das Lernen eingesetzten spielerischen Elemente können zudem die Lernenden eine direkte Rückmeldung zu ihren Handlungen, bzw. zur eigenen Leistung erhalten. Damit soll der eigene Lernstand bzw. -fortschritt im Spielverlauf besser eingeschätzt, reflektiert und reguliert werden können. Dies kann als Unterstützung in einer überwiegend selbstgesteuerten Lernumgebung gesehen werden (vgl. Whitton/Moseley 2012).

3 Methodik

Im Fokus des Projekts „Serious Games für die Berufliche Bildung (SG4BB)“ steht die forschungs- und theoriebasierte Entwicklung eines digitalen Lernspielkonzepts, das als Prototyp umgesetzt werden soll. Das Vorhaben wird von einem interdisziplinären Team aus der Wissenschaft (Informatik, Berufspädagogik), Bildungspraxis und Spielentwicklung begleitet und durchgeführt. Die Projektlaufzeit beträgt 3 Jahre (von Mai 2021 bis April 2024). Das Forschungsdesign folgt dabei dem Design-Based Research- bzw. Educational Design Research-Ansatz (Design-Based Research Collective, 2003; McKenney und Reeves 2012) und soll in diesem Beitrag aus der Perspektive der wissenschaftlichen Begleitung erläutert werden.

3.1 Forschungsdesign und Zielgruppe

Das Forschungsdesign folgt den drei Kernphasen des Design-Based Research Paradigmas nach McKenney und Reeves (2012, 77), mit den Phasen: Analyse/Exploration, Design/Konstruktion (Entwicklung) und Evaluation/Reflexion.

Um ein digitales Lernspiel zielgruppenspezifisch, nachfrageorientiert und arbeitsbezogen zu entwickeln, wurde im Projekt SG4BB zu Beginn eine Voruntersuchung in Kooperation mit dem Bildungspraxispartner[7], der Praxis (Unternehmen) und der Spielentwicklung geplant und durchgeführt. Basierend auf den Ergebnissen wurde unter wissenschaftlicher Begleitung und in enger Abstimmung mit den Kooperationspartnern ein theoriegeleitetes Lernspielkonzept entwickelt. Das Spiel wird derzeit in iterativen Forschungs- und Entwicklungsprozessen prototypisch realisiert und soll in naher Zukunft getestet werden.

Bei dem Serious Game („Corrugated Service Game“, kurz: Corrugated) handelt es sich um ein digitales Lernspielangebot für die betriebliche Weiterbildung von Service Techniker*innen in der Wellpappbranche. Dabei teilt sich die Zielgruppe formal in mehrere Fachrichtungen auf: Inbetriebnahme, Instandhaltung/Wartung, Training und Upgrade. Zusätzlich wird zwischen Qualifikationen im mechanischen und elektrotechnischen Bereich unterschieden.

3.2 Ergebnisse der explorativen Bedarfsanalyse

Die Bedarfsanalyse (vgl. Abbildung 3) wurde aus der Perspektive berufliche Weiterbildungsanbietende bzw. Zielgruppe/Praxis durchgeführt, deren Ergebnisse in der Anforderungsspezifikation D2.1 (Ziegler et al. 2021) zusammengefasst wurden.

Abbildung 3: Ablauf der zielgruppenspezifischen Bedarfsanalyse (eigene Darstellung)Abbildung 3: Ablauf der zielgruppenspezifischen Bedarfsanalyse (eigene Darstellung)

Zum einen wurden die Anforderungen der Zielgruppe mittels Fokusgruppen untersucht. Die Fokusgruppe setzte sich zusammen aus Service Techniker*innen, Trainer*innen eines Unternehmens aus der Wellpappbranche sowie Trainer*innen des Weiterbildungspartners, Manager Trainer (zuständige Person für die Einarbeitung der Service Techniker*innen) und Field Service Coordinators (zuständige Personen für die Organisation und Koordination der Zielgruppe). Damit lieferte die Fokusgruppe sowohl die Perspektive der lernenden Personen als auch der lehrenden Personen. Coronabedingt wurden digitale Workshops und Interviews in Online-Terminen durchgeführt, im Beisein der Spiele-Designer*innen. Die Ergebnisse wurden schriftlich festgehalten und ein Dokument zum kollaborativen Sammeln von Anforderungen und Lerninhalten entwickeltAbbildung 3. Mittels Priorisierungsskala konnten die Anforderungen und Ideen gewichtet werden („must have“, „should have“, „nice to have“; vgl. Abbildung 4, Abbildung 3).

Abbildung 4: Screenshot (anonymisiert) des Dokuments zur kollaborativen Sammlung von Anforderungen und Lerninhalten (inkl. Priorisierungsskala) (eigene Darstellung).Abbildung 4: Screenshot (anonymisiert) des Dokuments zur kollaborativen Sammlung von Anforderungen und Lerninhalten (inkl. Priorisierungsskala) (eigene Darstellung).

Zum anderen wurde das aktuelle Bildungsangebot gesichtet und analysiert. Dies umfasste interne Curricula, Einarbeitungsplan/-programm sowie bestehendes Unterrichtsmaterial (digital und print). Hier wurde erörtert, welche Themen sich für die Entwicklung einer spielbasierten Lernumgebung eignen, welche vorhandenen Schulungsinhalte und (digitalisierten) Arbeitsprozesse sich in eine 3D Simulationsumgebung überführen und gut abbilden lassen, unter der Prämisse, dass durch die Konzeption des Lernangebots ein konkreter Mehrwert (Stichwort: Nutzer*innenakzeptanz und Wirtschaftlichkeit) entsteht. Die Erkenntnisse aus den Fokusgruppen und der Analyse der Unterlagen wurde zusammen mit den 14 konkreten Lehr-Lernziele in der Anforderungsspezifikation D2.1 zusammengefasst. Parallel dazu wurde aus der Perspektive von Wissenschaft und Entwicklung eine Analyse zu Serious Games durchgeführt und die Anforderungen aus einer eher technischen und Design-Sichtweise in der Anforderungsspezifikation D2.2 dokumentiert (Göbel et al. 2021).

Aus der Anforderungsspezifikation ging hervor, dass das Spiel als Teil eines Weiterbildungsprogramms in der Einarbeitungsphase der Zielgruppe (Service Techniker*innen der Wellpappenbranche) eingesetzt werden soll. Dazu muss es in das eigene Learning Management System integriert werden können. Hintergrund ist eine hohe Fluktuation in der Berufsgruppe, die zu häufigen Neueinstellungen führt, insbesondere durch ausgelernte Auszubildenden. Die Lernerfahrung und -motivation dieser jungen, technik- und gaming-affinen Altersgruppe soll mit Lernmethoden unterstützt werden, die über den klassischen Gamification-Ansatz hinausgehen. Diese Generationen sind bereits an einen gewissen technischen Standard im Bildungs- wie auch im Arbeitskontext gewohnt, woran alle betriebseigenen Weiterbildungsmaßnahmen gemessen werden. Gleichzeitig erfordert die Einarbeitung eine effiziente und standardisierte, zeit- und ortsunabhängige Durchführung, die einen Wissenstransfer ermöglicht. Gerade Hands-On Lernmethoden stellen in dieser Berufsgruppe eine Herausforderung für Onlineschulungen dar. Der Umgang mit Maschinen lässt sich aus der Perspektive der Lehrenden und Lernenden nur schwer durch Onlinekurse mit ausschließlicher Wissensvermittlung erlernen, sondern erfordert ein praxisnäheres arbeitsbezogenes Lernen. So soll das Wissen, das in vorangegangenen Schulungen des Einarbeitungsprogramms erworben wird, im Arbeitsprozess angewandt werden. Das Spiel kann damit als Zwischeninstanz zur Vorbereitung auf die Arbeit an der tatsächlichen Maschine dienen. Hierzu werden die didaktisch reduzierten, möglichst realitätsnahen Arbeitsprozesse im geschützten Rahmen einer virtuellen Lernumgebung simuliert, wo Fehler keine realen Negativfolgen für das Unternehmen haben können. Dabei sollen die Spielenden jederzeit selbst ihren individuellen Lernfortschritt verfolgen können. Ebenso sollen die verantwortlichen Lehr- bzw. Trainingspersonen, die das Lernangebot begleiten, den Lernfortschritt der Lernenden eingeschränkt einsehen und überprüfen können.

4 Ergebnisse und Diskussion

4.1 Konzeptionelle Überlegungen zur Entwicklung des Lernspielangebots

Die Konzeption des Lernspielangebots erfolgte auf Basis der Erkenntnisse aus den beiden Anforderungsspezifikationen D2.1 (Ziegler et al. 2021) und D2.2 (Göbel et al. 2021), sowie dem Einbezug der Ergebnisse aus Literaturrecherchen der wissenschaftlichen Begleitung. Zudem wurden in engen Abstimmungsprozessen zwischen Forschung, Entwicklung und (Bildungs-)Praxis die Anforderungen und Empfehlungen an das Spiel ausgetauscht und das Lernspielkonzept in einem Dokument konkretisiert. Hierdurch sollte sichergestellt werden, dass entsprechend des RAL-Gütezeichens für Serious Games die „Passung“ zwischen effektivem Lernen („serious part“) und unterhaltsame Spielen („game part“) bestmöglich erfolgt und die Qualitätskriterien berücksichtigt werden.

Mit dem Spiel soll der Übergang von der Lernsituation (Instruktion) in die Arbeitswelt (Anwendung) unterstützt, bzw. die Lernenden auf das Training in der Realsituation vorbereitet werden. Die Lehr-Lern-Prozesse sind dabei an konkrete anwendungsbezogene Situationen gebunden. Das übergeordnete Ziel besteht darin, häufige und gängige Probleme an einer Wellpappenanlage mit geeigneten Maßnahmen beheben zu können. Dazu müssen die Lernenden im Spiel aktiv handeln und mit Informationen und Teilen der Wellpappanlage interagieren. Dazu können sich die Lernenden relativ offen in der Lernumgebung bewegen, um bestimmte Informationen abzurufen. Zudem wurden die Entscheidungsspielräume der Lernenden im Spiel maximal gewählt. Eine Besonderheit des Spiels besteht darin, dass die Lernenden im Verlauf des Spiels alle 26 Szenarien durchlaufen sollen und es keine Narration gibt. Vielmehr soll ein Spielraum geschaffen werden, in dem das eigenständige Ausprobieren und Entdecken sowie individuelle Lernprozesse, wie das Lernen aus Fehlern, möglich wird, ohne den Betriebsablauf zu stören oder reale Negativfolgen erwarten zu müssen. Damit soll die Entwicklung der Handlungskompetenz angeregt werden, indem das hierfür erforderliche Wissen gefestigt und angewandt wird (vgl. Klauer/Leutner 2012, 28). Das eigene Handeln und der Lerntransfer können dann in den weiterführenden On-Site Trainings bei Außendiensteinsätzen in der Praxis stärker reflektiert und mit Erfahrungslernen ergänzt werden.

Auf Basis der konkret definierten Lehr-Lernziele wurde unter Einbezug des CbKST-Ansatzes in Kombination mit den Design- und Modellierungsansätzen des Evidence-Centered Designs (ECD; Mislevy/Steinberg/Almond 2003) und Stealth Assessments (Shute/Ventura 2013) ein theoretisches Modell (Domänenmodell) zur Strukturierung eines domänenspezifischen und kompetenzbasierten Wissensraums entwickelt. Da das übergeordnete Lehr-Lernziel in der Lösung von häufigen und gängigen Problemen an einer virtuellen Wellpappanlage mit geeigneten Maßnahmen besteht, wurde ein theoretisches Konstrukt des fachspezifischen Problemlösen zusammen mit dem notwendigen Domänenwissen aus dem Bereich Service Tätigkeit über Knoten und Voraussetzungsbeziehungen ( „prerequisite skills“) in einem Graph strukturiert und kategorisiert (Hasse-Diagramm; vgl. Abbildung 5a). Anschließend wurde die Kompetenzstruktur abgeleitet (vgl. Abbildung 5b). Dabei wurden Annahmen zu den Voraussetzungsbeziehungen zugrunde gelegt, die im Wesentlichen die Reihenfolge festlegen, in der die Kompetenzen vermittelt und erworben werden sollen. Hieraus können individuelle Lernpfade bzw. der individuelle Lernfortschritt visualisiert werden.

Abbildung 5: a) Strukturierung des Wissensraums in einem Hasse-Diagramm; b) die daraus abgeleitete Kompetenzstruktur (eigene Darstellung).Abbildung 5: a) Strukturierung des Wissensraums in einem Hasse-Diagramm; b) die daraus abgeleitete Kompetenzstruktur (eigene Darstellung).

Auf der Grundlage des Wissensraums wurde ein Aufgabenmodell entwickelt, indem prototypische Aufgaben für die Lernszenarien erstellt wurden. Diese orientieren sich an den Merkmalen der vollständigen Handlung (Dobischat/Düsseldorff 2010):

  • So erhalten die Lernenden zu Beginn des Szenarios einen Auftrag, ihre „Mission“. Dabei wird vorgegeben, was zu tun ist, um den Auftrag abzuarbeiten und was als Ergebnis erwartet wird.
  • Die Lernenden sollen dann das gezeigte/vorhandene Symptom des Problems analysieren und sich ihr Vorgehen überlegen.
  • Die im Szenario relevanten Informationen an der Anlage und beim Bedienpersonal müssen von den Lernenden gesucht und strukturiert werden. Dabei müssen wichtige Informationen von unwichtigen unterschieden werden.
  • Das Problemlösen besteht darin, das ursächlich Maschinenteil an der Anlage zu identifizieren, das Problem korrekt zu bestimmen und im nächsten Schritt die geeignete Maßnahme zur Behebung des Problems auszuwählen.
  • Der Schritt der Reflexion des Vorgehens ist schwierig umsetzbar, zumal er nicht direkt beobachtbar ist. Denkbar wäre es, erste Reflexionsprozesse über direktes Feedback anzuregen, das auf die Handlungen der Lernenden im Spiel reagieren und entsprechend an die gezeigte Leistung angepasst sein könnte.

Die Lernenden müssen zur Bearbeitung der Aufgaben das fachliche Vorwissen aus den vorangegangenen Schulungen aktivieren. Dennoch sind in der Lernumgebung Informationen enthalten, um dieses Wissen zu reaktivieren.

Im sogenannten Evidenzmodell (vgl. Mislevy/Almond/Lukas 2003, 8ff.) wurden dann die Aufgaben bzw. Aktivitäten (im Spiel beobachtbares Verhalten) mit den Kompetenzaspekten verknüpft, die aus der Ausführung der Handlung abgeleitet werden können. Es stellt ein Verfahren dar, mit dem eine verdeckte Bewertung der angenommenen Kompetenzen, die innerhalb eines Lernszenarios gezeigt werden, ermöglicht werden soll. Neben kognitiven Leistungen können mit dem Stealth-Assessment-Verfahren auch nicht kognitive Eigenschaften oder emotionale Zustände (z. B. Ausdauer oder Kreativität) eines Lernenden ermittelt werden (Shute/Ventura 2013). Dies soll genutzt werden, um ggf. Störfaktoren zu kontrollieren, wie z. B. Lesekompetenz, die aufgrund des hohen Anteils an Texten im Lernspiel einen Einfluss auf das gezeigte Verhalten von Personen haben könnte, die die deutsche oder englische Sprache nicht hinreichend beherrschen. Aus den prototypischen Aufgaben des Aufgabenmodells wurden dann in iterativen Abstimmungsschleifen 26 konkrete Spielszenarien entwickelt, unter Einbezug der Qualitätskriterien des RAL-Gütezeichens bei der gestalterischen Aufbereitung des Spiels (Game Design und Game Mechanik) sowie der fachlich und didaktischen zielgruppengerechten Methoden. Eine Personalisierung des Lernens soll mittels Sequencing erfolgen. Gemessen an den erfassten Daten über die gezeigten Leistungen einer lernenden Person in den vorangegangenen Szenarien sowie entsprechend dem aktuellen Fähig- und Fertigkeitsniveau sollen die Aufgaben, Herausforderungen und Schwierigkeitsgrade im Spiel angepasst und neue Spielerfahrungen bzw. Lernszenarien angeboten werden, um den Lernprozess zu unterstützen.

4.2 Zusammenfassung und Diskussion

Die Durchführung der Bedarfsanalyse zu Beginn des Projekts aus den unterschiedlichen Perspektiven (Bildungspraxis, Abnehmer*innen, Entwicklung, Wissenschaft und Forschung) kann als wichtige Voraussetzung gesehen werden. Dabei lässt sich herausstellen, dass insbesondere iterative und interaktive Abstimmungsprozesse im interdisziplinären Team eine Herausforderung darstellen. Da für die Entwicklung und Umsetzung des Spiels nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht und Fristen einzuhalten sind, laufen viele wichtige Prozesse parallel. So kann das Entwicklungsteam nicht abwarten, bis die Domänenexpert*innen und die wissenschaftliche Begleitung die theoretischen Grundlagen und konzeptionellen Vorarbeiten abgeschlossen haben, sondern fangen bereits ihrerseits mit der technischen Entwicklung des Spiels an. Daher wird eine funktionierende und konstruktive Zusammenarbeit und Kommunikation zum Erfolgskriterium. So gilt es in regelmäßig angesetzten Rückkopplungsgesprächen mit den Stakeholdern Unklarheiten oder Missverständnisse zeitnah auszuräumen bzw. zu korrigieren, Wissen auszutauschen und zentrale Entscheidungen sorgfältig abzusprechen und zu überprüfen, da diese zum Teil schwerwiegende Folgen bei der Realisierung des Prototyps nach sich ziehen können. So sind bspw. manche getroffenen Entscheidungen in der Spielmechanik nur durch zeitaufwendige und demnach kostspielige Korrekturen zu beheben, die es zu vermeiden gilt.

Ausschlaggebend für die Konzeption des Lernspielangebots war eine theoriebasierte, personalisierte und adaptive sowie realitätsnahe Gestaltung der virtuellen Lernszenarien im Spiel, um die Lernprozesse der Zielgruppe bestmöglich individuell zu fördern. Hier erwiesen sich die Passungskriterien des RAL-Gütezeichens für Serious Games als hilfreiche Orientierung, um parallel zum Spieldesign den didaktischen Rahmen zu entwickeln. Hierin sollte u. a. skizziert sein,

  • welche konkreten Handlungen, Fähigkeiten etc. bewertet werden sollen, um den Lernfortschritt verfolgen und prüfen zu können,
  • welche Lernansätze, Kompetenzmodelle und messbaren Variablen dafür zugrunde gelegt werden sollten,
  • welche Techniken und Methoden zur Messung eingesetzt werden und
  • an welcher Stelle welche instruktionale Unterstützung zur Förderung des Lernfortschritts benötigt wird.

Da es sich um ein laufendes Forschungsprojekt handelt, können noch keine aussagekräftigen Ergebnisse aus der Überprüfung der zugrunde gelegten, angenommenen Kompetenzstruktur und theoretischen Annahmen des Evidenzmodells präsentiert werden. Hier steht eine sorgfältige Überprüfung und Analyse anhand der im Spiel gesammelt Daten noch bevor. Dies gilt ebenso für die personalisierte Ablaufsteuerung in Form von automatischer Generierung von adaptiven, personalisierten Spiel-/Lerninhalten. Der Ansatz der Adaptivität wird bei der Aufgabenschwierigkeit angewendet. Hier soll sich das Schwierigkeitsniveau der Aufgaben an das Kompetenzniveau der Lernenden anpassen, um Lernen effektiv und effizient zu fördern. Gleichzeitig soll das (Spiel-)Verhalten der Lernenden und der individuelle Lernfortschritt erfasst und analysiert werden. Soweit möglich, erfolgt diese Analyse in Echtzeit zur Adaption des Spiels (Shute/Ventura 2013). In diesem Zusammenhang soll auch evaluiert werden, wie die dadurch eingeschränkte Wahlfreiheit, welche Inhalte/Szenarien/Schwierigkeitsgrade als nächstes bearbeitet werden sollen, von den Lernenden wahrgenommen wird und welche Wirkungen daraus erzielt werden, insbesondere im Hinblick auf die angenommene Lernförderlichkeit.

Was bisher im Spielkonzept noch wenig ausgearbeitet wurde, ist die Unterstützung der Lernenden und ihres individuellen Lernfortschritts durch umfassendes Feedback. Bisher erhalten die Lernenden vorzugsweise eine Rückmeldung in Situationen, die mit der eigenen Leistung bei der Aufgabenbewältigung zusammenhängen. Ergänzend dazu wäre zu evaluieren, wie gut das Bewertungsverfahren im Spiel mit den Aktivitäten der Lernenden verwoben ist, oder ob es als solches wahrgenommen wird. Zudem sollte dadurch weder der Lernprozess noch der Spielfluss oder die damit verbundenen spielbasierten Erfahrungen (wie Usability, Spielmechanik, Flow-Erleben, Storytelling, Engagement etc.) unterbrochen werden, um die Effektivität des Spiel- und Lernerlebnisses nicht einzuschränken. Die Erkenntnisse über das Verhalten der Spielenden und die ermittelten (Lern-)Effekte sollen im Entwicklungsprozess rückgekoppelt und dann im nächsten Iterationszyklus berücksichtigt werden (vgl. Göbel 2017).

Das Spiel hat kein definiertes Ende, dementsprechend gilt es, das instruktionale Problem zu diskutieren, wann das vorgegebene Lehr-Lern-Ziel erreicht ist. Die Grundidee besteht darin, dass die Lernenden alle gängigen und häufig auftretenden Probleme an einer Wellpappanlage bearbeiten müssen und das Spiel im fortgeschrittenen Spielverlauf die Szenarien kombiniert, um die Handlungssituationen komplexer zu gestalten.

5 Ausblick

Das Spiel wird derzeit prototypisch realisiert und soll dann systematisch getestet werden, um die Potenziale des spielbasierten Lernens im betrieblichen Weiterbildungskontext zu untersuchen. Die Evaluation soll einer iterativen Bewertungs- und Überarbeitungsstrategie folgen: sobald eine neue Version entworfen und implementiert ist, soll sie evaluiert werden. Hierzu gilt es, ein entsprechendes Evaluationskonzept zu planen und durchzuführen. Dies kann in Form von Pilotstudien oder Fokusgruppen erfolgen. Dabei sollen im Mixed-Method Design mit Hilfe von verschiedenen Instrumenten relevante Aspekte zum Spiel (u. a. Usability, Software-Schnittstellen, individuelle User-Experience, Spieldesign) und zum Lernen (bspw. Lerneffekte, Wirksamkeit, Motivation, Lernfortschritt, Feedback) untersucht werden. Darüber hinaus könnten mit der Thinking-Aloud Methode weitere Erkenntnisse zu nicht beobachtbaren Denkprozessen gesammelt werden, bspw. im Hinblick auf die Aufgabenbewältigung. Ein detailliertes Konzept wird derzeit erarbeitet und basiert auf einer umfassenden Recherche zu bestehenden Instrumenten und Methoden. Die Erkenntnisse aus den geplanten Evaluierungsschleifen sollen in die Überarbeitung und Optimierung der Spielebenen und der zugehörigen Lernhilfen einfließen. Abgesehen davon soll mit dem Vorhaben einerseits ein Beitrag für die Praxis zur Gestaltung von spielbasiertem Lernen in digitalen Lernräumen der beruflichen Weiterbildung gegeben werden. Und andererseits soll das Vorhaben einen Beitrag zur Erforschung der Effekte von Serious Games leisten.

Dazu gilt es, die theoretisch angenommene Kompetenzstruktur und Bewertungsverfahren einer praktischen Bewertung zu unterziehen, um die vermuteten Voraussetzungsbeziehungen zu überprüfen. Das Domänenmodell soll dabei anhand von Antwortdaten der Lernenden (Logfile Daten) evaluiert werden. Zudem muss festgelegt werden, welche Daten zum Lernfortschritt von den betreuenden Lehrpersonen eingesehen und ausgewertet werden dürfen.

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[1]    Förderkennzeichen: 21INVI07.

[2]    Im Beitrag ist nur dann explizit von „educational games“ bzw. Lernspielen die Rede, wenn es darum geht, den Einsatz von Spielen im Anwendungsbereich „Bildung“ herauszustellen und auf das characterizing goal z. B. „Lernen“ hinzuweisen. Im Beitrag wird generell der Begriff „Serious Games“ verwendet, bei dem Educational Games als Unterkategorie inbegriffen sind.

[3]    Der Wissensaspekt kann vertikal auf den Niveaustufen nach Bloom (1976) weiter ausdifferenziert werden, was insbesondere im Hinblick auf die Generierung von Aufgaben im Lernkontext von Bedeutung sein kann.

[4]    Hier besteht Uneinigkeit darüber, wie realitätsgetreu das Trainingssystem tatsächlich sein sollte, damit Lernen im Arbeitszusammenhang effektiv unterstützt wird (vgl. Kerres 2018, 388, de Jong 2011). Zumal je nach Anwendungskontext eine reale Nachbildung schwierig sein kann und oft mit hohen Kosten, Aufwand sowie Barrieren, wie Betriebs- und Unternehmensinterna, verbunden ist. Zudem läuft eine solche Modellierung Gefahr, dass sie mit dem Erfahrungswissen der Lernenden verglichen wird (vgl. Kerres 2018, 389).

[5]    Mit dem Begriff des Lernfortschritts ist dabei die Veränderung des aktuellen Stands der Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen einer lernenden Person im Laufe der Zeit gemeint.

[6]    Kritisch könnte hierbei aus einer bildungstheoretischen Perspektive angemerkt werden, dass eine integrative Erhebung von Wissen und Können (hier: Problemlösen) konzeptionell inkonsistent wäre, da Dispositionen (Kompetenzen) und Handlungen (Performanz) in einer gemeinsamen Kategorie zusammengebracht werden (vgl. Tenberg/Pittich/Bach 2019, 86).

[7]    Der Bildungspraxispartner organisiert die Aus- und Weiterbildung der Zielgruppe und führt sie durch. Dabei handelt es sich um ein Kompetenzzentrum für Produktionstechnologie, das regelmäßig seine Bildungsangebote für die Bedürfnisse der Industrie 4.0 anpasst. Im Rahmen von Präsenzveranstaltungen, aber auch vor allem in den Online-Programmen des eigenen Lernmanagement Systems werden die Lehr-Lernangebote zunehmend personalisiert, um der Diversität und den individuellen Bedürfnissen der Lernenden gerecht zu werden.

Zitieren des Beitrags

Rotter, E./Maier, A./Funken, F./Ziegler, B./Göbel, S. (2022): Potenziale von Serious Games als virtuelle Lernumgebung in der betrieblichen Weiterbildung. Konzeptuelle Überlegungen und empirische Erkenntnisse. In: bwp@ Berufs- und Wirtschafts­päda­gogik – online, Ausgabe 43, 1-23. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe43/rotter_etal_bwpat43.pdf (18.12.2022).