Beitrag von Claudia BALL (freiberufliche Wissenschaftlerin)
Herstellerunternehmen sind laut der CVTS 2 mit 16% der extern durchgeführten Weiterbildungsstunden der drittgrößte Anbieter betrieblicher Weiterbildung in deutschen Unternehmen (private Trainingsinstitute 36%, Organisationen der Wirtschaft 21%). Betrachtet man kleine Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, so steigt dieser Anteil auf bis zu 30%. Somit leisten Herstellerunternehmen einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der beruflichen Weiterbildung von Erwerbstätigen, der zum jetzigen Zeitpunkt jedoch weitgehend unbeforscht ist. Der vorliegende Beitrag gibt einen Einblick in die Schulungsarbeit von zwei Herstellerunternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt hierbei darauf, dass die untersuchten Herstellerschulungen sich mit ihrer Fokussierung auf Bedienungs- und Wartungspersonal zu einer Weiterbildungsform entwickelt haben, die zunehmend Geringqualifizierte in Betrieben adressiert und somit eine Lücke im Weiterbildungssystem anspricht, die darüber hinaus durch betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen nur selten adressiert wird. Dieser Schritt in die Durchführung von Bildungsangeboten stellt jedoch eine große Herausforderung für klassische Hersteller von Sachgütern dar. Der Beitrag zeigt auf, wie die beiden untersuchten Herstellerunternehmen mit dieser Herausforderung umgehen und welche Chancen als auch Risiken daraus für die berufliche Weiterbildung entstehen. Der Beitrag basiert auf einer Magisterarbeit, die 2007 im Lehrgebiet Weiterbildung/ Erwachsenenbildung der Universität Erfurt erstellt wurde und deren Daten für den vorliegenden Beitrag teilweise neu ausgewertet wurden.
Training courses in manufacturing– a product-accompanying service as a form of professional further training
According to CVTS 2 manufacturing companies are the third largest provider of in-company further training in German companies, at 16% (private training institutes 36%, economic organisations 21%). If one looks at small companies with fewer than 50 employees, then this proportion rises to 30%. In this way manufacturing companies provide a not inconsiderable proportion of professional further training of employees, but at the current time this is largely unresearched. This paper offers an insight into the training work of two manufacturing companies in engineering and plant construction. The focus of the observation lies on the fact that the training work under investigation has developed to a form of further training which increasingly addresses those with lower qualifications, with its focus on service and maintenance personnel, and thereby addresses a gap in the further training system, which is only rarely addressed through in-company further training measures beyond this. This step in the implementation of educational provision represents, however, a major challenge for classical producers of material goods. This paper shows how both of the examined manufacturing companies deal with this challenge and which opportunities and risks emerge from this for vocational further training. The paper is based on a Master’s dissertation which was written in 2007 in the department for further and adult education at the University of Erfurt. The data were, in part, analysed again for this paper.
Kunden-/Herstellerschulungen sind eine in der Berufsbildungsforschung kaum betrachtete Form der beruflichen Weiterbildung, die aufgrund verstärkten Wettbewerbs, verkürzter Innovationszyklen und schnell alterndem Wissen zunehmend an Bedeutung für die Industrie gewonnen hat (vgl. u. a. KORFLÜR 2007; LAY 1998a; LAY 1998b; LAY et al. 2007; MICKELER 2005; RAINFURTH 2003).
Im Hinblick auf den Stellenwert von Herstellerschulungen für die betriebliche Weiterbildung gibt die Continuous Vocational Training Survey (CVTS) 2 (EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT 2002) die Auskunft, dass sechzehn Prozent der betrieblichen Weiterbildungsstunden 1999 in externen Lehrveranstaltungen (diese entsprechen 37 % aller Weiterbildungsstunden in Betrieben) von Herstellerunternehmen durchgeführt wurden, womit Herstellerunternehmen den drittgrößten Anbieter (im Bezug auf das erbrachte Stundenvolumen) von betrieblicher externer Weiterbildung (private Trainingsinstitute 36 %, Organisationen der Wirtschaft und ihre Bildungseinrichtungen 21 %) in deutschen Unternehmen darstellen. Betrachtet man besonders kleine Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, so steigt dieser Anteil sogar auf bis zu 30 % (STATISTISCHES BUNDESAMT 2008). Hierbei kann davon ausgegangen werden, dass der tatsächliche Anteil der durch Hersteller erbrachten Weiterbildungsstunden jedoch weitaus höher liegt, da ausgehend von der betrieblichen Praxis ein großer Teil dieser Maßnahmen nicht als Weiterbildung erfasst wird (vgl. BÜCHTER/ GOLZ 2001) bzw. auch durch diese spezielle Erhebung nicht erfasst wurde.
Dabei sind Kundenschulungen als produktbegleitende Dienstleistungen für die Industrie längst kein Novum mehr. Im Gegenteil – sie zählen in vielen Branchen bereits zu den tradierten Serviceleistungen, die Hersteller für ihre Kunden zusätzlich zum eigentlich Produkt erbringen (vgl. LAY 1998a) und auf die Kundenunternehmen bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter maßgeblich bauen (vgl. BMBF 2002; GOLTZ 2004; KAILER 1998). Derzeit bieten ca. 60 % der Unternehmen der Industrie Kundenschulungen als produktbegleitendes Dienstleistungsangebot an, wobei jedoch auch bei diesem tradierten Dienstleistungsangebot von Herstellerunternehmen, ein Aufwärts- und Innovationstrend zu verzeichnen ist (vgl. LAY et al. 2007; LAY 1998b), der sich besonders in zusätzlichen Angeboten und Maßnahmen zur Erhöhung der Schulungsqualität äußert, wie z. B. Weiterbildungsberatung für das Kundenunternehmen, auf den Kundenbedarf maßgeschneiderte Schulungskonzepte, über die Produktbedienung weit hinausgehende Schulungsangebote, computerbasierten Lernformen alleinstehend oder zur Unterstützung von Präsenzlernen oder auch die Unterhaltung von Schulungsgebäuden mit modernster technischer Ausstattung und obligatorische pädagogisch-didaktische Weiterbildungen für das eigene Schulungspersonal (vgl. BALL 2007). Auf diese Weise wird deutlich, dass das Klischee der Herstellerschulung als Erweiterung einer Einweisung bzw. Einarbeitung in eine neue Maschine im Kundenunternehmen bzw. als verkaufsfördernde Maßnahme mit Schulungselementen längst überholt ist und im Hinblick auf rasant fortschreitende technologische Innovation und dem sich am Markt abzeichnenden Trend des Herstellers zum umfassenden Problemlöser (vgl. VOLZ 1997), auch noch weitere Entwicklungsschritte zu erwarten sind.
Unterstützt wird diese Entwicklung darüber hinaus durch eine starke Nachfrage nach Qualifizierungsangeboten von Herstellern durch die Kundenunternehmen. Wie bereits dargelegt sind speziell KMUs im Bezug auf die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter nahezu abhängig von Weiterbildungsangeboten durch Herstellerunternehmen (vgl. KAILER 1998) und besonders im Handwerk werden Herstellerweiterbildungsangebote als sehr problemgerecht und praxisnah eingeschätzt, wodurch sie einen unverzichtbaren Teil der notwendigen beruflichen Weiterbildung ausmachen (vgl. BMBF 2002). GOLZ (2004) verweist branchen- und betriebsgrößenübergreifend auf eine große Relevanz von Herstellern und Lieferanten bei der innerbetrieblichen Qualifizierung, wobei der Trend hierbei zu arbeitsplatzfernen Schulungsformen, die jedoch in der Nähe der Arbeitsstätte stattfinden, geht, um ein ungestörtes Lernen zu ermöglichen. Große Bedeutung haben Herstellerweiterbildungsangebote generell bei der Einführung neuer Technologie, bei der sie oftmals bereits gemeinsam mit dem Produkt eingekauft werden, ohne dass eine separate Rechnungslegung für die Schulung erfolgt (vgl. HEGER 1996).
Konträr zum Finanzvolumen von ca. 27 Mrd. Euro (LENSKE/ WERNER 2009), das allein 2008 von deutschen Unternehmen in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investiert wurde, ist der Bestand empirischer Forschungsarbeiten zur betrieblichen Bildungsarbeit aus der Berufs- und Wirtschaftspädagogik heraus eher gering (DIETTRICH/ VONKEN 2009). Dieses Ungleichgewicht zwischen Forschungsstand und betrieblicher Praxis wird ungleich stärker, wenn man einzelne Teilbereiche der betrieblichen Weiterbildungsarbeit betrachtet. So auch die hier zu untersuchenden Weiterbildungsangebote durch Herstellerunternehmen, denn der Hersteller von Sachgütern ist als Weiterbildungsanbieter bisher weitgehend unbeforscht ebenso wie die Relevanz derartiger Weiterbildungsmaßnahmen für Unternehmen und Beschäftige. Nur vereinzelt finden sich Studien und andere Publikationen, die Herstellerweiterbildungsangebote mit berücksichtigen oder gar zum Untersuchungsgegenstand machen. Die wenigen Beiträge aus der Berufsbildungsforschung beschränken sich hierbei meist auf didaktischen Aspekte von Herstellerschulungen so z. B. HAHNE (2000), HERTER (1991) und LIEBERT (1998) und auf Fragen der Qualifikationsforschung wie bei BAAKEN und SIMON (1987) oder SONNTAG (1985). Darüber hinaus wird in der einschlägigen Literatur z. B. bei GOLTZ (2004) und KAILER (1998) verstärkt auf die hohe Relevanz von Herstellern als Weiterbildungsanbieter für die Qualifizierungsarbeit in KMUs und bei der Einführung neuer Technologien hingewiesen.
Stärker beforscht ist dieser Forschungsgegenstand von Seiten der Betriebswirtschaftslehre. Auch hier bezieht sich die Forschung primär auf die Seite der Hersteller aufgrund der aktuelle Diskussion zum Wandel vom Sachguthersteller zum umfassenden Problemlöser und die damit verbundene Diskussion um produktbegleitende Dienst-/ Serviceleistungen wie z. B. bei LAY (1998a und 1998b), LAY, KÖRNER und JÄGER (2007), RAINFURTH (2003), MICKELER (2005) oder VOLZ (1997). Darüber hinaus sind diese Weiterbildungsmaßnahmen Gegenstand des Marketings wie z. B. bei BAAKEN und SIMON (1987) oder CHRISTEN (2002). In der einschlägigen Personalentwicklungsliteratur wird, wie auch in der Berufsbildungsforschung primär auf die Möglichkeit und die Notwendigkeit der Integration von Herstellerweiterbildungsmaßnahmen in die betriebliche Weiterbildungsarbeit hingewiesen.
Ausgehend von der dargestellten Problemstellung, die in einer großen Bedeutung von produktbegleitenden Dienstleistungen für die (deutsche) Industrie generell und von Kundenschulungen für die berufliche Weiterbildung speziell auf der einen Seite und einem ebenso großes Defizit in Praxis wie Theorie auf der anderen Seite zum Ausdruck kommt, bestand das Anliegen der Untersuchung darin, einen Zugang der Forschung in die Praxis der Kundenschulungen auf Seiten der Hersteller herzustellen.
Im Rahmen der diesem Beitrag zugrunde liegenden Untersuchung (vgl. BALL 2007) wurde ein exploratives Vorgehen gewählt, das der zentralen Fragestellung „Wie bewältigen die Hersteller im Maschinen- und Anlagenbau die aus Weiterbildungsperspektive mit der Durchführung von Schulungen verbundenen Anforderungen?“ nachging.
Ausgehend von dieser zentralen Fragestellung wurden zur stärkeren Fokussierung der Untersuchung und zur Orientierung im Gegenstandsfeld folgende Leitfragen für die durchgeführte Untersuchung formuliert:
Auf weitere Ausführungen zu den Forschungsfragen der diesem Beitrag zugrunde liegenden Untersuchung wird an dieser Stelle verzichtet, da im vorliegenden Beitrag der inhaltliche Schwerpunkt auf folgende Teilaspekte gelegt wurde:
Für die Erörterung dieser Teilaspekte wurden die bereits vorliegenden Auswertungsergebnisse der zugrunde liegenden Untersuchung mit Ergebnissen aus einer erneuten Sichtung der Rohdaten erweitert und neu strukturiert.
Aufgrund dessen, dass das Gebiet der Hersteller-/Kundenschulung ein nur sehr rudimentär untersuchtes Forschungsfeld darstellt, wurde ein exploratives Vorgehen, das nicht der Hypothesenüberprüfung sondern der Orientierung innerhalb des Gebietes und ggf. dem Generieren von Hypothesen dient, gewählt.
Traditionell werden explorative Forschungsvorhaben hauptsächlich mit qualitativen Methoden in Verbindung gebracht (vgl. BORTZ/ DÖRING 2002), was jedoch keine zwingende Koppelung darstellt, wie u. a. YIN (1988) deutlich macht. Aufbauend auf YINs (1988) Erörterungen wurde das Erstellen von Fallstudien im hier dargelegten Kontext und im Hinblick auf die Forschungsfragen als angemessene Untersuchungsmethode ausgewählt, da es sich hierbei um einen ganzheitlichen Ansatz handelt, der ein möglichst umfassende Untersuchung der Schulungsarbeit ermöglicht und dessen „unique strength is its ability to deal with a full variety of evidence – documents, artefacts, interviews, and observations” (YIN 1988, 20).
In der Untersuchung wurden zwei Fälle betrachtet. Hierbei stand nicht primär das Replizieren und somit die Steigerung der externen Validität (vgl. YIN 1988) im Vordergrund. Stattdessen wurden die Fälle mit dem Anliegen einer „theoretical replication“ ausgewählt (vgl. YIN 1988) bei der – im Hinblick auf die formulierten Forschungsfragen - die Frage danach, ob und wie sich die Charakteristika von sehr unterschiedliche Produkten des Maschinen- und Anlagenbaus (Fertigungsanlagen und Baumaschinen) und ihren entsprechend unterschiedlichen Einsatzbereichen auf die Struktur des Schulungsangebotes auswirken, im Mittelpunkt stand. Bei der Auswahl der Unternehmen wurden daher gezielt zwei Unternehmen gesucht, die sehr unterschiedliche Produkte herstellen. Ein Hersteller sollte primär Anlagen herstellen, die speziell auf Kundenwunsch zusammengestellt und konfiguriert werden (Individuallösungen) und ein zweiter Hersteller mit einer Produktpalette, aus der in der Regel das für das Kundenproblem passende Produkt herausgesucht wird (Serienfertigung).
Da bisher keine Daten zum Verhältnis zwischen Unternehmensgröße und Ausbau des Schulungsangebotes vorliegen - RAINFURTH (2003) stellt lediglich einen Zusammenhang zwischen dem generellen Angebot von Schulungen durch den Hersteller und der Unternehmensgröße fest -, wurde keine Eingrenzung der kontaktierten Unternehmen nach Unternehmensgröße vorgenommen. Die beiden ausgewählten Unternehmen werden anhand ihres Standortes, der Mitarbeiterzahl, des Jahresumsatzes und des hergestellten Produktes kurz in Tabelle 1 dargestellt.
Tabelle 1: Unternehmensprofile
Für das Erstellen der Fallstudien wurden primär zwei Informationsquellen herangezogen. Es wurden Interviews mit den Kundenschulungsleitern der Unternehmen durchgeführt und es wurden Dokumente, die von den Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden, ausgewertet. Die Interviews wurden als halbstrukturierte Interviews/ Leitfadeninterviews durchgeführt. Als ergänzende und unterstützende Quelle wurden verschiedene Dokumente von den Herstellerunternehmen in das Erstellen der Fallstudie einbezogen. Hierbei handelt es sich primär um Materialien, die in bzw. für die Kundenschulungen eingesetzt werden als auch um Schulungsmanuskripte, -programme, verschiedene Arten von Berichten und statistischen Daten.
Bei der Auswertung und Integration unterschiedlicher Quellen zur Erarbeitung einer Fallstudie konnte nur sehr begrenzt auf Auswertungsvorschläge zurückgegriffen werden, die sich direkt auf Fallstudien beziehen. Aus diesem Grund wurde an dieser Stelle ein Auswertungsverfahren gewählt, das sich an einen Vorschlag zur Interviewauswertung von SCHMIDT (2000) anlehnt. Die Ergebnisse wurden in Form von narrativen Fallstudien dokumentiert und den Unternehmen jeweils zum Review vorgelegt. Die vollständigen Fallstudien stehen auf Anfrage zur Verfügung (siehe BALL 200
Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung im Kontext der in Abschnitt 3.1 spezifizierten Fokusaspekte beispielhaft vorgestellt.
In beiden untersuchten Fällen ist die adressierte Zielgruppe auf Bedienpersonal und ggf. Wartungspersonal der jeweils angebotenen Maschinen beschränkt und es werden ausschließlich Mitarbeiter von Kundenunternehmen geschult (dass Hersteller darüber hinaus auch Mitarbeiter von nicht belieferten Unternehmen schulen zeigen z. B. die Fälle bei RAINFURTH (2003)), Darüber hinausgehende Zielgruppen – Personen, die nicht in Kundenunternehmen beschäftigt sind und Personen, die nicht Bediener oder Techniker an einer der gelieferten Maschinen sind - werden nur in Ausnahmefällen geschult und in beiden Fällen wird deutlich gemacht, dass z. B. die Schulung von Personal in Managementfunktion nicht ins Spektrum des Verständnisses von Kundenschulung fällt. Zusätzlich bietet z. B. Unternehmen A Schulungen für Berufsschullehrer an und Unternehmen B schult z. B. Verkaufspersonal von Vertriebspartnern. Beide Unternehmen haben internationale Vertriebsstrukturen und bieten die angebotenen Schulungen weltweit an. Standardsprachen sind hierbei Deutsch und Englisch, in denen alle Schulungen durch die Kundenschulungstrainer durchgeführt werden können.
Dieser internationale Charakter des Teilnehmerfeldes in den untersuchten Unternehmen hat maßgeblichen Einfluss auf die Voraussetzungen, die die Teilnehmer mitbringen. Beide Kundenschulungsleiter weisen im Gespräch darauf hin, dass aufgrund dessen die Vorkenntnisse der Teilnehmer sehr heterogen sind und vom sehr gut ausgebildeten Facharbeiter, der tatsächlich nur noch im Hinblick auf die Maschinencharakteristika geschult werden muss, bis hin zum Ungelernten ohne Berufserfahrung und Vorkenntnisse im Tätigkeitsfeld reichen. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen finden sich sowohl bei Teilnehmern aus dem Ausland als auch aus Deutschland. Es können entsprechend nur beschränkt Rückschlüsse auf die Vorkenntnisse ausgehend vom Heimatland getroffen werden. Teilweise beobachtet werden derartige Zusammenhänge für einen der Kundenschulungsleiter jedoch im Hinblick auf die Art der entsendenden Unternehmen.
Entsprechend niedrige grundlegende Voraussetzungen werden durch beide Unternehmen für die Teilnahme an Kundenschulungen definiert. So werden in beiden Fällen keinerlei formale Abschlüsse vorausgesetzt –aufgrund des hohen Anteils an Teilnehmern aus dem weltweiten Ausland und aufgrund der Heterogenität der Qualifikation der Mitarbeiter in den Kundenunternehmen - und auch darüber hinaus sind die Einstiegsschwellen sehr gering definiert. So werden bei Unternehmen B gar keine Vorkenntnisse erwartet und in Unternehmen A werden CNC-Grundkenntnisse, PC-Kenntnisse (ECDL – European Computer Driving License Modul 1 und 2) und Verfahrenskenntnisse in der Werkstoffverarbeitung als Vorkenntnisse definiert, die anhand von Selbsttests überprüft werden können. Für Aufbaumodule z. B. zum Thema Fehlersuche werden zusätzlich praktische Erfahrung an der betreffenden Maschine definiert und der Besuch des dazugehörigen Maschinentrainings. In allen Fällen handelt es sich jedoch lediglich um Empfehlungen mit dem Hinweis, dass diese Voraussetzungen für das Erreichen des Lernziels notwendig sind, es liegt jedoch bei den Kundenunternehmen inwiefern tatsächlich auf diese Voraussetzungen bei der Auswahl der teilnehmenden Mitarbeiter eingegangenen wird. Unternehmen A weißt in den Schulungsbeschreibungen auf mögliche Einstufungstests hin, was aus der Erfahrung des Kundenschulungsleiters dazu führt, dass spätestens die benannten Teilnehmer sich intensiv mit den Voraussetzungen auseinandersetzen und sich ggf. gezielt auf die Schulung vorbereiten, um die definierten Voraussetzungen zu erfüllen.
Darüber hinaus wird im Fall A bereits beim Angebot der Schulungen durch die Vertriebsmitarbeiter auf die Notwendigkeit von überfachlichen Kompetenzen der Teilnehmer hingewiesen und empfohlen, diese bei der Auswahl der Teilnehmer zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich z. B. um die Fähigkeit, das neue Wissen im Anschluss an Kollegen weiterzugeben bzw. die Lernkompetenz der Teilnehmer an den Schulungen.
Nicht explizit vorausgesetzt aber dennoch im Hinblick auf die beiden Unternehmen von Relevanz sind interkulturelle Kompetenzen der Teilnehmer als auch Sprachkenntnisse bzw. die Fähigkeit über einen Dolmetscher zu kommunizieren. Alle Schulungen der beiden untersuchten Unternehmen können auf Deutsch und Englisch angeboten werden und besonders in Unternehmen B werden Schulungen auch in mehrsprachigen Gruppen durchgeführt. Beide Unternehmen bieten den Einsatz von Dolmetschern an. Wenn Schulungen in Englisch als Fremdsprache für die Teilnehmer durchgeführt werden (sollen), haben die beiden untersuchten Unternehmen unterschiedliche Strategien im Umgang mit (möglichen) sprachlichen Defiziten der Teilnehmer. Während bei Unternehmen A bereits bei der Buchung einer entsprechenden englisch- oder auch deutschsprachigen Schulung durch die Mitarbeiter des Herstellers mit einigen Kontrollfragen geklärt wird, ob nicht doch ein Dolmetscher eingesetzt werden sollte, setzt Unternehmen B auf den verstärkten Einsatz von stark visuell geprägten Schulungen und Lernmaterialien/Animationen, die über entsprechende sprachliche Defizite hinweghelfen sollen. Beide untersuchte Unternehmen sehen in den Sprachunterschieden kein unüberwindliches Hindernis bei der Umsetzung ihrer Schulungen.
Beide untersuchten Unternehmen gehen bei der Konzeption und Umsetzung ihrer Kundenschulungen gezielt auf die Charakteristika ihrer Zielgruppen generell und der Teilnehmer speziell ein, sie nutzen hierbei jedoch sehr unterschiedliche Herangehensweisen bzw. basieren ihre Überlegungen auf unterschiedliche Merkmale.
So geht Unternehmen A gezielt darauf ein, dass bei einem großen Teil der Teilnehmer die letzte Bildungserfahrung in einer konkrete Schulungssituation meist 20 Jahre oder länger zurückliegt und eine derartige Schulungssituation für die Teilnehmer entsprechend oftmals ungewohnt und teilweise emotional negativ belegt ist, was oftmals zu Unsicherheit und Hemmnissen auf Seiten der Teilnehmer führt. Um dem entgegen zu wirken, erhalten die Teilnehmer bereits frühzeitig umfassendes Material, dass ihnen einen Einblick in den Schulungsablauf speziell aus organisatorischer Sicht gewährt. Hierzu zählen z. B. Eindrücke (Fotos und Beschreibungen) aus den Schulungsräumen und aus konkreten Schulungssituationen an den Trainingsmaschinen, Erläuterungen zum konkreten Ablauf der Maßnahmen mit Themen, Methoden, Pausenzeiten usw. aber auch Informationen zum Trainer, mit dem sie die gesamte Schulung über arbeiten werden und der sie am ersten Tag auch bereits bei der Anmeldung an der Rezeption in Empfang nimmt. Als von besonderer Bedeutung in diesem Kontext stellt der Kundenschulungsleiter von Unternehmen A weiterhin heraus, dass die Schulungsräume direkt von den eigenen Produktionsanlagen umgeben sind und nur durch die Produktionsanlagen erreicht werden können. Bevor überhaupt ein Schulungsraum durch die Teilnehmer betreten werden kann, führt der Weg durch den Schulungsbereich, in dem die Schulungselemente, die direkt an den Maschinen durchgeführt werden, stattfinden. Diese Nähe zum eigenen Produktionsbetrieb und somit eine für die Teilnehmer vertraute Umgebung soll den Teilnehmern in der ungewohnten Schulungssituation bereits vor ihrem Beginn Sicherheit zurückgegeben und Hemmnisse abbauen. Die Nähe zum eigenen Werksgelände nutzt auch Unternehmen B in sehr ähnlicher Weise. Ergänzend werden hier jedoch soziale Elemente in den Schulungsablauf in Form von Exkursionen auf Baustellen mit zusätzlichen Erlebniselementen am Abend integriert, um den Schulungen einen zusätzlichen Eventcharakter zu geben, um Unsicherheiten und Vorurteile gegenüber Schulungssituationen abzubauen. Dies fehlt bei Unternehmen A vollständig und ist auch nicht angestrebt. Darüber hinaus wird besonders bei Unternehmen A großer Wert auf fall- und problembasierte Lehrmethoden gelegt, in denen anhand von konkreten Fertigungsstücken die Schulungsinhalte vermittelt werden, was nicht nur den Lerntransfer unterstützen sondern auch gezielt das Lernen bzw. den Umgang mit der ungewohnten Lernsituation für die Teilnehmer der Schulungen erleichtern soll.
Auf die unterschiedlichen Vorkenntnisse der Teilnehmer gehen beide Unternehmen unterschiedlich ein. Unternehmen A arbeitet ausschließlich mit sehr kleinen Teilnehmergruppen (1-8 Teilnehmer, M=3,4), die meist nur aus Teilnehmern aus einem Unternehmen bestehen. Es ist dadurch möglich die Schulung nach einer kurzen Kennenlernphase, in der der Trainer nicht nur die Teilnehmer sondern auch die vorhandenen Vorkenntnisse erfragt, gezielt auf die Bedürfnisse der Teilnehmer auszurichten und dabei, auf die individuellen Vorkenntnisse einzugehen. Dabei werden bei sehr geringen Vorkenntnissen die vorgesehenen Schulungseinheiten zu Grundlagenkenntnissen um z. B. einen Tag ausgedehnt bzw. bei sehr guten Vorkenntnissen um einen Tag verkürzt, um anschließend länger auf die Maschinencharakteristika eingehen zu können. Die zu erwartenden Lernergebnisse werden entsprechend jeweils angepasst je nach dem, ob definierte Vorkenntnisse nachgeholt werden müssen bzw. welche darüber hinausgehenden Vorkenntnisse vorhanden sind. Ein derart individuelles Eingehen auf die Vorkenntnisse der Teilnehmer ist bei Unternehmen B nicht in diesem Umfang möglich, da mit größeren Teilnehmergruppen (3-100 Teilnehmer, M=17) gearbeitet wird, die sich aus Teilnehmern aus mehreren Unternehmen zusammensetzen und die teilweise auch aus unterschiedlichen Ländern kommen. Unternehmen B gibt den Teilnehmern jedoch die Möglichkeit, vor Teilnahme an der Schulung thematische Wünsche und Anregungen für die Schulung zu äußern, die dann in der konkreten Schulungsplanung mit berücksichtigt werden, und legt darüber hinaus großen Wert auf die Bereitstellung von Lernmaterialien, mit denen die Teilnehmer auch nach Besuch der Schulung die Kenntnisse vertiefen und individuell weiterlernen können.
Auf die unterschiedlichen sprachlichen Hintergründe der Teilnehmergruppen und den Umgang hiermit wurde bereits im vorangegangen Abschnitt eingegangen.
Da der Fokus der Untersuchung auf der Seite des Herstellerunternehmens lag und nicht auf der des Kundenunternehmens bzw. des Teilnehmers können hier nur sehr eingeschränkt Angaben im Hinblick auf die untersuchten Fälle gemacht werden. Deutlich wurde anhand der Vorbetrachtungen und der beiden untersuchten Fälle jedoch, dass Hersteller-/ Kundenschulungen sowohl für das Kundenunternehmen als auch für die teilnehmenden Mitarbeiter des Kundenunternehmens eine wichtige Rolle in deren Weiterbildungsarbeit spielen. So wird durch die Kundenschulungsleiter z. B. darauf hingewiesen, dass sich die Teilnahme an den Herstellerschulung oftmals positiv auf den sozialen Stand der Teilnehmer innerhalb der Belegschaft des jeweiligen Kundenunternehmens auswirkt und, dass die damit erworbenen Zertifikate teilweise erst zum Bedienen bzw. Warten einer Maschine berechtigen (siehe hierzu auch RAINFURTH 2003). Dadurch wird die Teilnahme an diesen Schulungen auch bei einem Unternehmenswechsel zu einer wertvollen Weiterqualifizierungen für die Teilnehmer, der teilweise – aufgrund der damit verbundenen Berechtigungen und der Aktualität der vermittelten Inhalte – von Arbeitgebern ein höherer Stellenwert beigemessen wird als staatlich anerkannten Qualifikationsnachweisen.
Unternehmen B bieten darüber hinaus einen personengebundenen Qualifikationsausweis an, in dem neben den persönlichen Daten der Teilnehmer, die Unternehmen, in denen er/sie beschäftigt war/ist, die Maschinen, mit denen Erfahrungen gesammelt wurden und besuchte Schulungen bei Hersteller B als auch anderen Schulungsanbietern aufgeführt werden. Darüber hinaus hat Unternehmen B im Rahmen ihrer Kunden-/Herstellerschulungen und in Zusammenarbeit mit der dazugehörigen Berufsgenossenschaft mehrstufige Einstiegs- als auch Weiterbildungsangebote für ein Tätigkeitsprofil mitentwickelt und in der Kundenbranche mitetabliert, das einem Anlernberuf entspricht, jedoch durch dieses zugehörige strukturierte Schulungsangebot diese Tätigkeit aufwertet und den sich kontinuierlich erhöhenden Qualifikationsanforderungen in diesem Tätigkeitsfeld Rechnung trägt.
Wie bereits in den vorangegangenen Ausführung deutlich wurde, orientieren sich beide untersuchte Unternehmen im Hinblick auf ihr Schulungsangebot kaum bzw. gar nicht am öffentlichen Berufsbildungssystem. Dies wird in beiden Fällen darauf zurückgeführt, dass eine derartige Orientierung aufgrund des internationalen Kunden- und damit Teilnehmerkreises nicht möglich ist, wird aber darüber hinaus auch damit begründet, dass die entsprechenden staatlichen Bildungsmöglichkeiten entweder nicht vorhanden sind oder den Qualifikationsbedarf von Beschäftigten, die an den vertriebenen Maschinen arbeiten, nicht ausreichend abdecken. In beiden Fällen versuchen die Hersteller die Qualifikationslücke zwischen im Kundenunternehmen vorhandenen Kenntnissen und den zur Bedienung notwendigen Kenntnissen durch eigene Schulungen zu schließen und tragen damit dazu bei die Beschäftigten der Kundenunternehmen für technische Innovationen zu qualifizieren.
Beide Unternehmen orientieren sich hierbei primär an den von ihnen angebotenen Produkten und den im Arbeitsprozess zu erwartenden Arbeitsschritten. Sie legen jedoch Wert darauf, dass in den Schulungen nicht nur maschinenspezifisches Bedienungswissen vermittelt wird, sondern darüber hinaus auch das notwendige Grundlagenwissen, das z. B. bei der Fehlersuche oder aber zur Wahrung eines flexiblen Maschineneinsatzes in der Praxis notwendig wird. Beide Unternehmen sind darauf bedacht, ihre Schulungsangebote zu standardisieren, statt z. B. im Fall von Unternehmen A, kunden- und somit maschinenabstimmungsspezifische Schulungen durchzuführen.
Beide Unternehmen sind darum bemüht, mit staatlichen Institutionen zusammenzuarbeiten, um entsprechende Synergien herzustellen. So bietet Unternehmen A z. B. kostenfreie Schulungen für Berufsschullehrer an, die auf deren spezifischen Bedarf abgestimmt sind. Dieses Angebot wird jedoch weitaus geringer genutzt als vom Herstellerunternehmen erhofft. Unternehmen B hat mit einer Berufsgenossenschaft zusammengearbeitet, um ein festes Lehrgangsangebot für einen Anlernberuf zu entwickeln.
Ausgehend von den vorliegenden Recherche- und Untersuchungsergebnissen lässt sich sagen, dass Kundenschulungen für die berufliche Weiterbildung gleichzeitig eine Chance als auch eine Herausforderungen darstellen. Einerseits leisten sie einen wichtigen Beitrag bei der Anpassung von Erwerbstätigen an den technischen Fortschritt, andererseits besteht die ständige Gefahr, dass in Kundenschulungen vermitteltes Wissen so eng an der Bedienung eines spezifischen Produktes orientiert ist, dass die Übertragung des Wissens nur schwer möglich ist und dadurch die Mobilität der durch Kundenschulungen weitergebildeten Mitarbeiter eingeschränkt wird.
Der schnelle technische Fortschritt stellt die berufliche Bildung verstärkt vor die Problematik, dass die in berufsbildenden Schulen und anderen Bildungsinstitutionen vermittelten (fachlichen) Lehr-/Lerninhalte ein schnell alterndes Wissen darstellen. (vgl. KLIER 1999) OPPENLÄNDER sagt in diesem Kontext, dass Arbeitslosigkeit aufgrund „...der verzögerten Anpassung der Arbeitskräfte an durch neue Technologien veränderte Gegebenheiten in der Arbeitswelt, nämlich Qualifikationsengpässe, die bei der Einführung neuer Technologien auftreten....“ (OPPENLÄNDER 1991, 318 nach KLIER 1999, 68) entsteht und LÜHE (1987) gibt zu bedenken, „dass in vielen Bereichen der Einsatz bestimmter neuer Technologien mangels Fachpersonal nicht möglich ist“ (LÜHE 1987, 141). Die aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt (Fachkräftemangel einerseits und verstärkte Arbeitslosigkeit bei Geringqualifizierten andererseits) unterstützt diese Aussagen.
Gleichzeitig verbirgt sich hinter dieser Entwicklung auch die Begründung für die Notwendigkeit von Kundenschulungen bei den beiden untersuchten Unternehmen, denn beide Unternehmen sehen sich vor der Herausforderung, dass weder in Deutschland noch in den anderen Ländern, mit denen sie zusammenarbeiten, entsprechende Fachkräfte vorhanden sind, die aufgrund einer Grundausbildung sofort und ohne intensive Schulung durch den Hersteller mit der Technik arbeiten könnten. Dass diese Entwicklung jedoch nicht nur auf die beiden hier vorgestellten Unternehmen beschränkt ist, zeigen entsprechende Untersuchungen, anhand derer deutlich wird, dass immer mehr Unternehmen Kundenschulungen anbieten und die wachsende Bedeutung von Kundenschulung durch die Industrie erkannt wurde, um Qualifikationsdefizite aufgrund des schnellen technologischen Fortschrittes zu überbrücken (vgl. u. a. RAINFURTH 2003). Wie anhand der beiden untersuchten Fälle jedoch deutlich wird, orientieren sich Kundenschulungen ausgesprochen stark an der Technik und den fachlichen Qualifikationsanforderungen, während Schlüsselqualifikationen unberücksichtigt bleiben bzw. vorausgesetzt werde. Gerade Anforderungen im Bereich der Schlüsselqualifikationen sind es aber, die bei dieser Art des Lernens über die Lebensspanne von besonderer Bedeutung sind. So ist eine erfolgreiche Teilnahme an den hier vorgestellten Kundenschulungen und an Kundenschulung generell kaum denkbar, wenn die Teilnehmer nicht in der Lage sind, Inhalte zu abstrahieren und in ihren individuellen Kontext zu übertragen, Lernwiderstände aufgrund der oft ungewohnten Lernumgebung zu überwinden, sich komplexe Sachverhalte individuell oder in der Gruppe zu erarbeiten oder sich z. B. in einer Fremdsprache zu verständigen, wenn Schulungen über Ländergrenzen hinaus besucht bzw. angeboten werden, was in beiden vorgestellten Fällen regelmäßig der Fall ist.
KLIER (1999) schlägt im Zusammenhang mit schnell alternden Wissensbeständen und der durch rasche Zunahme der Wissensinhalte erhöhten Verweildauer in Bildungsinstitutionen vor, dass Erstausbildung in Zukunft primär der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen dienen sollte und die Weiterbildung primär der Vermittlung fachlichen Wissens. Beide Vorschläge kommen den beschriebenen Entwicklungen im Bezug auf den aktuellen Trend in der Gestaltung von Kundenschulungen sehr entgegen und könnten zu einer Symbiose zwischen Erstausbildung und betrieblich getragener Weiterbildung führen. Fraglich ist jedoch, ob die Unternehmen gewillt sind, diese Aufgabe im hierfür notwendigen Maße und den daraus resultierenden Konsequenzen zu übernehmen.
Dass dieser Vorschlag ungeachtet der Unterstützung durch die Unternehmen nicht kritiklos betrachtet werden kann, zeigen DOBISCHAT und LIPSMEIER (1991), die darauf hinweisen, dass „fehlende Transferierbarkeit der erworbenen Qualifikationen […] eine überbetriebliche Mobilität nachhaltig“ (DOBISCHAT/ LIPSMEIER 1991, 1) behindert, was am Beispiel Japans mit einem großen Anteil betriebs- bzw. arbeitsplatzspezifischer Weiterbildung deutlich wird (vgl. GESELLSCHAFT FÜR ARBEIT UND LERNEN 2005). Fehlende Transferierbarkeit ist es entsprechend, was Kundenschulung als Weiterbildungsinstrument schwierig gestaltet, denn die angebotenen Schulungen werden unweigerlich mit zunehmender Individualisierung der Maschinen auch immer maschinen- und herstellerspezifischer. Auch wenn beide untersuchte Unternehmen sich bemühen, schon allein aus Rationalitätsgründen die Schulungen stärker zu standardisieren, ist die Technik besonders bei den Individualanfertigungen bereits so speziell, dass eine Übertragbarkeit bei einem Arbeitsplatzwechsel des Bedieners nur noch schwer möglich ist, wenn die Maschine eines anderen Herstellers verwendet wird. Bei einer Nutzung von Kundenschulungsinitiativen von Herstellerunternehmen als Weiterbildungsträger, sind entsprechend solchen Tendenzen besondere Beachtung zu schenken.
Gleichzeitig stellen Kundenschulungen jedoch eine Chance für die Weiterbildung dar, denn mit Kundenschulung werden, wie die beiden untersuchten Fälle zeigen, nicht die generell stark an Weiterbildung beteiligten Mitarbeitergruppen mit hohen formalen Qualifikation (vgl. u. a. KLIER 1999) angesprochen, sondern primär Mitarbeiter mit geringerer formaler Qualifikation bzw. an- und ungelernte Mitarbeiter. Dieser starke Einbezug von Geringqualifizierten resultiert bei den untersuchten Unternehmen vor allem aus der Globalisierung der Märkte, wodurch bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen aus anderen Kulturkreisen aufgrund verschiedener Bildungssysteme nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine berufliche Basisqualifikation vorliegt. Entsprechend liegt es im Interesse der Herstellerunternehmen, ihre Kundenschulungen am Kenntnisstand und den individuellen Bedürfnissen von Geringqualifizierten auszurichten und ggf. an die Vorkenntnisse der Teilnehmer anzupassen.
Kunden-/Herstellerschulungen und besonders ihr tatsächliches Potenzial im Hinblick auf die Qualifizierung von An- und Ungelernten und auf das Schließen von Qualifikationslücken, die sich durch den schnellen technischen Fortschritt und damit verbundene kurze Innovationszyklen ergeben, können im Rahmen dieses Beitrages und der zugrunde liegenden Forschungsarbeit nur in Ansätzen erörtert werden. Nichtsdestotrotz ergeben sich hierdurch verschiedene Forschungsansätze, die es zu verfolgen gilt, um zu Erörtern, welchen Beitrag Kunden-/Herstellerschulungen zur beruflichen Weiterbildung tatsächlich leisten und leisten können.
Aufgrund des Charakters der durchgeführten Untersuchung sollte ein nahe liegender Forschungsschwerpunkt für weitere Forschung in diesem Gebiet der tatsächliche Stand der Entwicklung von Kundenschulungen in der Praxis sein, da sich die Untersuchung, auf die in diesem Beitrag Bezug genommen wird, auf den Maschinen- und Anlagenbau beschränkt und ausschließlich bereits sehr gut ausgebaute Kundenschulungsangebote betrachtet wurden, die nicht als der tatsächliche Entwicklungsstand von Kunden-/Herstellerschulungen angesehen werden dürfen. Hierbei sind ähnliche Arbeiten wie die hier vorliegende denkbar jedoch auch quantitative Erhebungen, um ein weiter gefächertes Bild von der tatsächlichen Entwicklung von Kundenschulungen in der Praxis zu erhalten.
Von besonderem Interesse sollte jedoch die Bedeutung von Kunden-/Herstellerschulungen für die Weiterbildung von Geringqualifizierten in Betrieben sein, als auch die inhaltlichen Schwerpunkte im Bezug auf das Aufgreifen von Grundlagen- und Zusammenhangswissen in Kundenschulungen. Eng mit dieser Thematik verbunden ist auch die Frage der Lernunterstützung und -förderung von Geringqualifizierten, die für die Praxis der Kundenschulung von essenzieller Bedeutung ist, um diese Zielgruppe zu erreichen. In solche Überlegungen einbezogen werden sollten weiterhin Anforderungen, die unter diesem Gesichtspunkt an Hersteller als Weiterbildungsträger gestellt werden müssen, denn mit einer verstärkten Forderung von Kundenschulung durch die Kundenunternehmen verbunden ist auch eine Verminderung der Freiwilligkeit bzw. des Zusatzcharakters dieses Angebotes, wodurch über kurz oder lang eine Differenzierung über die Qualität der Schulungen zu erwarten ist.
Im Bezug auf die beiden untersuchten Fälle zeigen sich besonders Weiterentwicklungsmöglichkeiten im methodisch-didaktischen Bereich als auch im Bereich der Qualifizierungsberatung, wo in Zukunft eine Zusammenarbeit von Forschung und Praxis wünschenswert ist, um Grenzen und Möglichkeiten zu ergründen. Nur auf diese Weise können sich produktbegleitende Dienstleistungen generell und Kundenschulung speziell in Zukunft nicht nur als einer der Hoffnungsträger für die (deutsche) Industrie als Differenzierungsmöglichkeit am Markt sondern auch zu einer Chance für die berufliche Weiterbildung entwickeln.
BAAKEN, T./ SIMON, D. (1987): Abnehmerqualifizierung als Instrument des Technologie-Marketing: Personalentwicklung beim Kunden - eine Herausforderung für Anbieter innovativer Technologien. Berlin.
BALL, C. (2007): Herstellerschulungen als produktbegleitende Dienstleistung aus Sicht der beruflichen Weiterbildung: Am Beispiel des Maschinen- und Anlagenbaus. unveröffentlichte Magisterarbeit. Erfurt.
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