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bwp@ Ausgabe Nr. 19 | Dezember 2010
Berufliche Weiterbildung
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 19 sind Karin Büchter, Rita Meyer & Franz Gramlinger

FuTEx – ein arbeitsprozessorientiertes Qualifizierungskonzept für Arbeitssuchende im Rahmen des IT-Weiterbildungssystems

Beitrag von Thomas SCHRÖDER, Melanie BERNHARDT & Wolfgang TÖPFER (Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg & BITKOM)

Abstract

Die arbeitsprozessorientierte Qualifizierung des IT-Weiterbildungssystems nach APO-IT steht in der Kritik, weil Arbeitssuchende nicht an einer Qualifizierung teilnehmen können. Eine zentrale Voraussetzung nach APO-IT ist das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes sowie betrieblicher Qualifizierungsprojekte, die didaktisch-methodisch angereichert werden. Im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative IT50plus des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) und der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) werden Möglichkeiten der Qualifizierung von Arbeitssuchenden zu IT-Spezialisten nach der arbeitsprozessorientierten Methode (APO-IT) des IT-Weiterbildungssystems entwickelt und erprobt. Im nachfolgenden Aufsatz wird gezeigt, wie eine Qualifizierung Arbeitssuchender nach APO-IT gestaltet wird. Zunächst werden die konstituierenden Elemente des Lernens im Prozess der Arbeit sowie die weiterentwickelte Fassung des IT-Weiterbildungssystems aufgezeigt, die zusammen die Grundlegung und den formalen Rahmen für die Neuentwicklung Future Technologies for Expertise Development (FuTEx) bilden. FuTEx ist ein virtuelles Unternehmen, in dem Arbeitssuchende eine Qualifizierung zum IT-Spezialisten entsprechend des IT-Weiterbildungssystems (APO-IT) absolvieren können, wie das nachfolgende Video zeigt: http://www.youtube.com/watch?v=s_pOW8I0Rdc


FuTEx – a working process oriented qualification concept for job seekers in the context of the IT further education and training system

The working process oriented qualification of the IT further education and training system according to APO-IT is being criticized because job seekers cannot take part in a qualification programme. A key pre-requisite according to APO-IT is the presence of a company-based employment post as well as in-company qualification projects which are enhanced in terms of didactics and method. In the context of the community initiative IT 50 plus of the Federal Association for Information, Telecommunications and New Media (BITKOM) and IG Metall, the metalworkers’ union, possibilities for qualifying job seekers as IT specialists using the working process oriented method (APO-IT) of the IT further education and training sector are being developed and tested. This paper shows how a qualification for job seekers according to APO-IT is designed. First, the constituent elements of the learning in the process of work, as well as the up-dated version of the IT system of further education and training are indicated which together form the foundation and the formal framework for the new development of Future Technologies for Expertise Development (FuTEx). FuTEx is a virtual company in which job seekers can complete a qualification as IT specialists according to the IT further education and training system (APO-IT), as shown in the following video: http://www.youtube.com/watch?v=s_pOW8I0Rdc

 Arbeitsprozessorientierte Qualifizierung im virtuellen Raum für Arbeitssuchende

Die Gemeinschaftsinitiative IT50plus wird gefördert aus den Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Europäischen Sozialfonds (ESF). Die Ziele der Initiative IT50plus sind,

·         die Beschäftigung und Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer zu verbessern,

·         die Wiedereingliederung von IT-Fachkräften nach Phasen der Arbeitslosigkeit zu erleichtern,

·         die beschäftigungsorientierte Kompetenzentwicklung dieser Zielgruppen praxisnah und nachhaltig zu gestalten und

·         das IT-Weiterbildungssystem so weiter zu entwickeln, dass auch Arbeitslose anerkannte Abschlüsse und Qualifikationsnachweise erlangen können.

Future Technologies for Expertise Development (FuTEx) wurde unter der Federführung des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) entwickelt. FuTEx ist ein virtuelles Unternehmen, in dem IT-Fachkräfte in der Einheit von Arbeiten und Lernen eine Qualifizierung zum IT-Spezialisten entsprechend des IT-Weiterbildungssystems (APO-IT) absolvieren können. Das Angebot richtet sich vor allem an Weiterbildungsteilnehmer, die eine solche Maßnahme nicht an einem oder an ihrem Arbeitsplatz realisieren können.

Die momentan stattfindende FuTEx-Pilotierung wird in Kooperation mit den Bildungsträgern DEKRA Akademie GmbH, IT Akademie Bayern im Bildungswerk der Bayrischen Wirtschaft und eXirius GmbH durchgeführt, die auch an der konzeptionellen Entwicklung beteiligt waren. Eine umfassende Evaluation der ersten Qualifizierungsdurchgänge wird gerade durchgeführt.

Die FuTEx-Konzeption will im Kern einer zentralen Kritik an der Spezialistenqualifizierung des IT-Weiterbildungssystems begegnen und Arbeitssuchenden, die keinen betrieblichen Arbeitsplatz vorzuweisen haben, eine gleichwertige Qualifizierung nach APO-IT ermöglichen.

Der  konzeptionellen Entwicklungsarbeit lag die leitende Fragestellung zugrunde, welche zusätzlichen Voraussetzungen berücksichtigt werden müssen, damit eine arbeitsprozessorientierte Qualifizierung im virtuellen Raum stattfinden kann.

Nachfolgend wird zunächst auf die konstituierenden Elemente des Lernens im Prozess der Arbeit und die formalen Rahmenbedingungen des IT-Weiterbildungssystems eingegangen, die für die nachfolgende FuTEx-Konzeption grundlegend sind.

2 Lernen im Prozess der Arbeit – Kompetenzentwicklung am Lernort Arbeitsplatz

Das Lernen im Prozess der Arbeit hat in den vergangenen Jahrzehnten einen Bedeutungszuwachs erlangt. Veränderte Arbeitsorganisationsformen,  die Durchdringung aller Branchen durch die ITK-Technologie und der demografische Wandel ermöglichen und machen Lernen am Arbeitsplatz in zunehmendem Maße erforderlich. Das 2002 in Kraft getretene IT-Weiterbildungssystem ist ein Beleg für diesen Trend.

In Folge der Entwicklungen haben sich die Kompetenzentwicklung und der Erwerb einer beruflichen Handlungskompetenz gegenüber dem Qualifikationsbegriff durchgesetzt und sind seit der 1990er Jahre allgemein anerkanntes Leitziel der Berufsbildung und Weiterbildung (vgl. DEHNBOSTEL 2001, 77; DEHNBOSTEL/ HARDER/ MEYER 2004, 159). Dabei kann die Entwicklung der Kompetenzen als ein lebenslanger und lebensbegleitender Prozess, der sich grundsätzlich am Subjekt orientiert und sich individuell ausgeprägt und entwickelt, betrachtet werden (vgl. ERPENBECK/ ROSENSTIEL 2003, XI; GILLEN 2006, 71). Kompetenz  betrachtet jeweils das Ergebnis der Kompetenzentwicklung des individuellen Lerners und diese sollen in die Befähigung münden, dass private, berufliche, soziale und gesellschaftliche Situationen durch eigenverantwortliches und reflektiertes Handeln geprägt sind (vgl. DEHNBOSTEL 2010, 16).

Die Herausbildung und Entwicklung der Kompetenzen vollzieht sich individuell verschieden über unterschiedliche Formen und Arten des Lernens. In der beruflichen Bildung haben zum einen das arbeitsgebundene, das selbstgesteuerte und zum anderen das informell und erfahrungsbezogene Lernen eine vorrangige Stellung eingenommen (vgl. DEHNBOSTEL 2007, 49). Durch formelle Lern- und Weiterbildungsprozesse wird nur ein Teil der beruflichen Handlungskompetenz erworben, denn zumeist wird ein Großteil des tatsächlichen Berufs- und Arbeitswissens durch informelles Lernen in der Arbeit erworben (vgl. DEHNBOSTEL 2005, 148).

Informelles Lernen kann als Lernen über Erfahrungen und auch als inzidentelles Lernen oder beiläufiges Lernen bezeichnet werden. Die Lernergebnisse, die im Rahmen von informellen Lernprozessen erworben werden, sind auf die Bewältigung von Problemen im Rahmen von Arbeitsaufgaben zurückzuführen. Bei der Bearbeitung und Bewältigung von Arbeitsaufgaben wird fortwährend gelernt – bewusst und unbewusst. Informelles Lernen findet unmittelbar im Prozess der Arbeit statt. Der Arbeitsplatz wird somit zu einem Ort des Lernens, der in seiner Gesamtheit eine Vielzahl an Vorzügen aufweist. Durch die unmittelbare Verbindung von Lernen und Arbeiten werden neben individuellen Kompetenzentwicklungsprozessen auch die Arbeitsorganisation und die Arbeitsprodukte verbessert und an die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens und an ein modernes betriebliches Wissensmanagement angeschlossen (vgl. DEHNBOSTEL 2010, 58).

Moderne arbeitsprozessorientierte Aus- und Weiterbildungskonzepte werden so angelegt, dass sie individuelle und betriebliche Interessen berücksichtigen und Arbeitsplätze entsprechend lern– und kompetenzförderlich gestalten (vgl. KOHL/ MOLZBERGER 2005, 8). Handlungsleitende Dimensionen zur Verbesserung der Lernförderlichkeit der Arbeitsplätze, die als „wichtige Bedingungen für die Kompetenzentwicklung und die Herausbildung strategischer Handlungspotentiale“ (FRANKE 1999, 61) gelten können, kommen aus der Arbeits- und Organisationspsychologie (vgl. u.a. BERGMANN 1996;  FRANKE u.a. 1987, 48ff.). Für arbeitsprozessorientierte Bildungsprozesse sind die folgenden Dimensionen bedeutsam: vollständige Handlung/Projektorientierung; Handlungsspielraum; Problem- und Komplexitätserfahrung; soziale Unterstützung/Kollektivität; individuelle Entwicklung; Entwicklung von Professionalität und Reflexivität (vgl. u.a. DEHNBOSTEL 2007, 67f ; SCHRÖDER 2009, 55ff.). Diese Dimensionen entfalten ihre Wirkung in Abhängigkeit von betrieblichen Rahmenbedingungen wie Arbeitsaufgaben, Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur (vgl. DEHNBOSTEL 2007, 69).

Konstitutiv für die Organisation arbeitsprozessorientierter Qualifizierungsmaßnahmen sind arbeitsgebundene Lernformen, die unmittelbar in den betrieblichen Arbeitsprozess gebunden sind, und die formelles Lernen mit dem informellen Erfahrungslernen verbinden.  Durch diese Lernformen werden zielgerichtete Kompetenzentwicklungsprozesse am Lernort Arbeitsplatz vollzogen (vgl. SCHRÖDER 2009, 53)Arbeitsgebundene Lernformen können in die vorhandenen Strukturen der Unternehmen integriert werden- somit bleibt die betriebliche Arbeitsinfrastruktur durch die Implementierung arbeitsgebundener Lernformen unberührt. Die arbeitsprozessorientierte Lerninfrastruktur wird behutsam mit der Arbeitsinfrastruktur zusammengeführt (vgl. DEHNBOSTEL 2007, 77). Zu den neuen Lernformen, die in die Arbeit eingeführt wurden, zählen unter anderem: Lerninsel, Lernstation, Coaching, Communities of Practice, Arbeits- und Lernaufgaben etc. (vgl. DEHNBOSTEL 2007, 71). Arbeits- und Lernaufgaben verbinden Arbeiten und Lernen über die didaktische Erweiterung realer betrieblicher Arbeitsaufgaben (vgl. SCHRÖDER 2009, 82). Die Bearbeitung der Aufgaben ist mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung verbunden und dient der Selbststeuerung des Lernenden.

Arbeitsprozessorientierte Qualifizierungen beinhalten Beratungs- und Begleitungskonzepte. Im Rahmen arbeitsprozessorientierter Konzepte des IT-Weiterbildungssystems wurde das Konzept der Lernprozessbegleitung entwickelt, das Aspekte des Coaching und der Lernberatung verbindet (vgl. ROHS/ KÄPPLINGER 2004). Die Lernprozessbegleitung hat zum Ziel, die individuellen Kompetenzentwicklungsprozesse, die betriebliche Lernorganisation und das informelle und formelle Lernen zu unterstützen (vgl. DEHNBOSTEL 2010, 105; DEHNBOSTEL 2007, 135).

Insbesondere der IT-Sektor ist aufgrund der Arbeitsorganisation und –struktur besonders geeignet für arbeitsprozessorientierte Qualifizierungskonzepte. Das IT-Weiterbildungssystem basiert deshalb auf dem Konzept der Arbeitsprozessorientierung.

3 Die Weiterentwicklung des IT-Weiterbildungssystems

Das IT-Weiterbildungssystem wurde von den Sozialpartnern unter der Federführung des  Bundesministeriums für Bildung und Forschung (vgl. BMBF 2002) entwickelt.

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Abb. 1:    Aufbau und Struktur des IT-Weiterbildungssystems (SCHRÖDER 2009a, 8)

Seit der Einführung des IT-Weiterbildungssystems wurde in einer Vielzahl von konzeptionell-praktischen Entwicklungen der arbeitsprozessorientierte Ansatz (APO-IT[1]) unter verschiedenen Rahmenbedingungen erprobt und weiterentwickelt (vgl. MOLZBERGER et al. 2008). Das IT-Weiterbildungssystem ist in didaktisch-methodischer Hinsicht einzigartig innovativ, weil der betriebliche Arbeitsplatz als Lernort und die betriebliche Arbeitsaufgabe als Lerngegenstand erschlossen und genutzt werden. Das informelle Lernen im Prozess der Arbeit und die damit verbundene Entwicklung der beruflichen Handlungsfähigkeit stehen im Fokus der abschließenden Zertifizierungsprüfung. Die Personenzertifizierung erfolgt nach der Norm ISO 17024 und ist hersteller- und produktunabhängig.

Die Einführung des IT-Weiterbildungssystems wurde auch von Kritik begleitet. Die zentrale Kritik bestand darin, dass diese Form der Weiterbildung, Arbeitssuchenden verschlossen bleibt (vgl. FRACKMANN/ FRACKMANN/ TÄRRE 2004, 6). Außerdem wurde bemängelt, dass sich die Anzahl der 29 IT-Spezialistenprofile in sechs Profilgruppen den Bildungsanbietern, den Betrieben und den Weiterbildungsteilnehmern als sehr unüberschaubar darstelle. Das Gleiche galt für die Anzahl der profileigenen IT-Arbeitsprozesse. Auch die zertifizierungsrelevante Dokumentation der Arbeitsprozesse durch die Teilnehmer als Voraussetzung für die Prüfungszulassung war Gegenstand der Kritik. Sie war zu umfangreich, musste vom Lernprozessbegleiter und Fachberater gegengezeichnet werden und erwies sich für die Weiterbildungsteilnehmer als das größte Hindernis auf dem Weg zur Prüfung (vgl. MEYER 2006, 140).

Die Kritik hat zu Veränderungen geführt. Zum 01.03.2009 hat das IT-Weiterbildungssystem eine weitreichende Neustrukturierung erfahren. Die internationalen Bestrebungen zur Harmonisierung der beruflichen Bildung über eine gegenseitige Anerkennung von Berufsbildungsabschlüssen durch die Berücksichtigung des Europäischen Qualifikationsrahmens (European Qualifications Framework), dem European e-Competence Framework und der ITIL (IT Infrastructure Library) für das IT-Service-Management wurden bei der Neustrukturierung berücksichtigt. Die Anzahl der IT-Spezialisten wurde auf 14 Spezialistenprofile in fünf Profilgruppen reduziert. Die profiltypischen Arbeitsprozesse der Spezialistenprofile wurden der technologischen Entwicklung angepasst und teilweise zusammengefasst. Die Kompetenzdarstellung der Spezialistenprofile erfolgte in Anlehnung an das Instrument KODE (vgl. ERPENBECK 2007, 489ff.; HEYSE 2007, 504ff.).

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Abb. 2:   Die aktuellen IT-Spezialistenprofile des IT-Weiterbildungssystems

Um zum Zertifizierungsverfahren zugelassen zu werden, müssen IT-Spezialisten folgende Voraussetzungen erfüllen (CERT-IT 2009, 134): Sie müssen über

·         einen berufsqualifizierenden Bildungsabschluss in einem IT-Ausbildungsberuf oder

·         einen berufsqualifizierenden Bildungsabschluss in einem sonstigen Beruf und danach eine mindestens einjährige Berufspraxis im IT-Bereich oder

·         eine mindestens vierjährige Berufspraxis im IT-Bereich verfügen. Auf die geforderte Berufserfahrung kann mit max. 12 Monaten der Besuch einer SGB III geförderten Maßnahme angerechnet werden.

Im Rahmen der FuTEx-Qualifizierung von Arbeitssuchenden auf der IT-Spezialistenebene sind die Voraussetzungen zur Zertifizierung und die Inhalte und Arbeitsprozesse der Spezialistenprofile konzeptionell zu berücksichtigen. Für eine arbeitsprozessorientierte Qualifizierung im virtuellen Raum ist außerdem zu prüfen, welche IT-Spezialistenprofile geeignet sind.

4 Future Technologies for Expertise Development

FuTEx ermöglicht im virtuellen Raum Spezialistenqualifizierungen nach der arbeitsprozessorientierten Methode (APO-IT) des IT-Weiterbildungssystems für Arbeitssuchende und Beschäftigte. Die Weiterbildungsteilnehmer bearbeiten als Team dezentral im Home Office geeignete reale Softwareentwicklungsprojekte, hinter denen auch reale Kundenaufträge stehen. Der virtuelle Raum übernimmt die Funktion der „on distance“ -Arbeitsinfrastruktur elektronisch vernetzter Projektteams.

Die Zielgruppe der Qualifizierung sind vorrangig arbeitsuchende, aber auch beschäftigte Fachkräfte, die das 40. Lebensjahr bereits vollendet haben. Aus den Qualifizierungszielen und dem Umstand, dass FuTEx sich in der Erprobungsphase befindet, leiten sich folgende Ansprüche an die Weiterbildungsteilnehmer ab:

·         eine IT-geprägte Ausbildung und/oder berufliche Entwicklung als Basis,

·         keine ausreichend aktuelle IT-Qualifikation, jedoch mit Erfahrungen aus Softwareentwicklungsprojekten,

·         hohe Lernbereitschaft, Teamfähigkeit und Bereitschaft zur Arbeit in Netzwerken und zum Austausch von Best-Practice-Erfahrungen,

·         Bereitschaft zum Lernen mit neuen Medien im Home Office und

·         Bereitschaft zur Zertifizierung nach ISO 17024 .

Die Arbeitssuchenden und Beschäftigten werden entsprechend ihren Tätigkeiten im Softwareentwicklungsprojekt zu  Softwareentwicklern, IT-Testern, IT-Projektkoordinatoren, IT-Lösungsentwicklern und bei komplexen Projektaufgaben auch zu IT-Qualitätsmanagement Koordinatoren weitergebildet. Die angebotenen Profile entsprechen den revidierten IT-Spezialistenprofilen des IT-Weiterbildungssystems (vgl. GRUNWALD/ KURPIELA 2009), sodass eine abschließende Personenzertifizierung nach ISO 17024 erfolgt.

4.1 Spezifika des virtuellen Lernens im Prozess der Arbeit

Die FuTEx-Qualifizierung findet in einer virtuellen Lern- und Arbeitsinfrastruktur statt, die ein dezentrales Arbeiten und Lernen der Weiterbildungsteilnehmer an einem gemeinsamen Softwareentwicklungsprojekt ermöglicht. Die Teilnehmer arbeiten entsprechend ihrem Spezialistenprofil gleichberechtigt in Qualifizierungsgruppen über eine webbasierte Lern- und Arbeitsplattform.

Die personelle Unterstützung der Qualifizierungsgruppen im Arbeits- und Lernprozess erfolgt durch ein Betreuerteam, das sich aus dem Lernprozessbegleiter, dem Projektleiter bzw. Projektmanagement-Qualifizierungscoach und dem Fachberater Softwareentwicklung und Qualitätsmanagement zusammensetzt.

·         Die Lernprozessbegleitung im Medium Internet muss den Anspruch erfüllen, sensibel und aus der Distanz pädagogisch zu betreuen. Diese Betreuung umfasst die individuelle Beratung und Lernbegleitung der Teilnehmer sowie das Erfassen der gruppendynamischen Arbeits- und Lernprozesse und -fortschritte. Neben wenigen gruppenbezogenen Präsenztagen stehen dem Lernprozessbegleiter Medien wie Online-Lernplattform, Telefon, Video-Konferenz, virtueller Klassenraum etc. zur Verfügung.

·         Der Projektleiter bzw. Projektmanagement-Qualifizierungscoach ist Projektmanagement-Fachberater und Lernprozessbegleiter für den sich qualifizierenden IT-Projektkoordinator. Er überwacht und steuert gemeinsam mit dem Fachberater die Projekte inhaltlich.

·         Die zusätzlichen Fachberater werden in Analogie zur Funktion des Fachberaters in einer herkömmlichen APO-IT Qualifizierung in Abhängigkeit von den inhaltlichen Erfordernissen des  Qualifizierungsprojektes ausgewählt.

Aufgrund der Komplexität der Qualifizierung und der diversen Stakeholder wurde in der Erprobungsphase zusätzlich ein „Steering Board“ eingerichtet, das sich zur Projektsteuerung und -fortschrittskontrolle regelmäßig im virtuellen Raum getroffen hat. Das Steering Board setzte sich aus folgenden Mitarbeitern des Bildungsträger zusammen: Vertreter aus dem Management, Projektmanagement-Qualifizierungs-Coach, Lernprozessbegleiter, IT Fachberater und im Bedarfsfall ein Experte aus dem Projektauftraggeber-Unternehmen.

Der Weiterbildungsteilnehmer arbeitet und lernt im Homeoffice, das über lernförderliche Arbeitsbedingungen verfügen muss. Hinsichtlich der Arbeitsinfrastruktur sind ein Arbeitsraum und ein PC mit der erforderlichen Software, ein DSL-Anschluss und eine Arbeits- und Lernplattform mit integriertem virtuellem Klassenraum  im Netz erforderlich. Der Lernprozessbegleiter berät den Weiterbildungsteilnehmer hinsichtlich der Lernförderlichkeit seines Arbeitsplatzes.

Die für den Qualifizierungsverlauf verantwortlichen Bildungsträger müssen die Qualifizierungsmaßnahme als AZWV[2]-Maßnahme zertifizieren lassen, damit diese von den Arbeitsagenturen als eine geeignete Qualifizierung für Arbeitssuchende anerkannt und entsprechend finanziell gefördert wird. Die Arbeitsagenturen unterstützen die Bildungsträger in der Verbreitung der Informationsmaterialen zur Qualifizierungsmaßnahme und in der gezielten Teilnehmerakquisition. Der Bildungsträger muss außerdem prüfen, inwieweit bei Einsatz der FuTEx-Qualifizierung eine Zulassung durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) erforderlich ist. Die virtuelle Lern- und Arbeitsinfrastruktur sollte von der Bildungsagentur vorgehalten werden. Verschiedene virtuelle Arbeits- und Lernplattformen wurden erprobt und erwiesen sich alle als geeignet. Die Plattformen haben grundsätzlich folgende Anforderungen zu erfüllen:

·         Arbeits- und Lernorganisation: einfache Handhabbarkeit, Wirtschaftlichkeit, multivalente Nutzbarkeit, anforderungsorientierte technische Ergänzungsfähigkeit.

·         Kommunikation und Kooperation: Telefonkonferenz, Chat, Foren, Mailfunktion, Wer ist Online?-Funktion, Whiteboard, Virtueller Meetingroom mit Videoconferencing, Organizer-Funktion,  „Gemeindokumente“-Funktion und Virtueller Klassenraum.

·         Content/Speicherfunktion: Texte, Curricula, Lernmodule, Tools mit methodisch-didaktisch programmierten Inhalten (E-Learning-Tools), Web-Links, selbstgefertigte Dokumente und Lernerfolgskontrollen,

·         Datenbank: Administration, Teilnehmerverwaltung, Sicherheit, Zugangsberechtigungen, Ablage und Zugriff für selbst erstellte Dokumente, Berichte, Arbeitsergebnisse, Fotos, Lerntagebuch etc. und

·         Software für die Arbeit.

4.2 Akquisition geeigneter „Nice-to-have-Projekte” als arbeitsgebundene Lernform

Im Zentrum der Qualifizierung stehen  Softwareentwicklungsprojekte realer Auftraggeber. In der Praxis zeigt sich, dass Unternehmen bereit sind, unternehmenseigene Projekte für die Qualifizierung von Arbeitssuchenden zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich in der Regel um sogenannte „Nice-to-have-Projekte“, die im Unternehmen eine niedrige Priorität haben und ggf. Gefahr laufen, außerhalb einer Qualifizierung niemals realisiert zu werden.

Die Bildungsträger selbst sind gefordert, die Projekte zu akquirieren und die Unternehmen als den Kunden zur Kooperation im Projektverlauf zu bewegen. Die Projekte müssen

·         in ihrem Schwierigkeits- und Komplexitätsgrad der sechsmonatigen Qualifizierungsdauer und der Größe der Qualifizierungsgruppe entsprechen, 

·         in Art, Inhalt und Ausrichtung den Qualifizierungszielen und angestrebten IT-Spezialistenprofilen entsprechen und

·         bezüglich der Datensicherheit, Konzernsicherheit und Geheimhaltungsstufe geeignet sein, sodass der Projektauftraggebers die Informationen, Daten, Fakten, die bezogen auf das Projektergebnis und seine künftige Implementierung im Anwenderunternehmen von Bedeutung sind, liefern kann. 

Der Projektauftraggeber sollte punktuell während der Projektarbeit als Kunde agieren, wie beispielsweise bei der Auftragserteilung und der Abnahme des Arbeitsergebnisses, und zu Konsultationen zwischen dem Projektleiter im Projektteam und dem verantwortlichen Fachberater beim Bildungsträger zur Verfügung stehen. In der Praxis zeigt sich, dass von einer projektbezogenen Kooperation zwischen dem Projekt gebenden Unternehmen und dem Bildungsträger alle Beteiligten, also auch die Weiterbildungsteilnehmer, profitieren.

4.3 Der FuTEx-Qualifizierungsverlauf

Die Bildungsträger organisieren und steuern die Qualifizierung und kooperieren im Verlauf der Qualifizierung mit den Arbeitsagenturen und den Projekt gebenden Unternehmen. Die Lernenden werden in der Qualifizierung von Lernprozessbegleitern und ihren Fachberatern betreut und kooperieren in ihren Gruppen mit anderen Weiterbildungsteilnehmern in der Bearbeitung der realen Projektaufgabe. Die entscheidende Frage in der FuTEx-Erprobung ist, ob sich auch durch die Verwendung einer virtuellen Arbeits- und Lerninfrastruktur eine berufliche Handlungskompetenz entwickeln kann, die auch am Arbeitsmarkt nachgefragt wird.

Im Rahmen der FuTEx-Maßnahme wurde für die Entwicklungs- und Erprobungsphase ein Qualifizierungsverlauf entwickelt, der im Anschluss an den ersten Qualifizierungsdurchgang einer umfassenden Evaluation unterzogen wird.

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Abb. 3:   Zeitliche Abfolge der FuTEx-Maßnahme und Qualifizierungsverlauf (vgl. IT 50plus 2009)

1) Die Bildungsträger führen die Teilnehmerakquisition durch und nehmen dabei drei Zielgruppen in den Fokus:

·         Arbeitssuchende mit und ohne Bildungsgutschein (§ 77 Absatz 2 SGB III),

·         Beschäftigte, die ihre Kompetenzen auffrischen oder ein Zertifikat erwerben wollen und

·         IT-Spezialisten in Kurzarbeit (§ 216 SGB III, § 169 SGB III, § 175 SGB III) oder im Programm WeGebAU (§ 235c SGB III).

Die Agenturen für Arbeit unterstützen die Bildungsagenturen bei der Akquisition der Teilnehmer. Es ist dabei notwendig, die  Vermittler der Agenturen für Arbeit umfassend über die FuTEx-Qualifizierung zu informieren, um sie in die Lage zu versetzen, nach den „richtigen“ Teilnehmern zu suchen. Neben den mediengebundenen Informationsmaßnahmen können die Qualifizierungsangebote  vom betreffenden Bildungsträger im KursNet der BA veröffentlicht werden (vgl. BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2010). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, geplante Maßnahmen in der Jobbörse der BA Zentrale zu bewerben (vgl. BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2010a).

2) Die Bildungsträger führen vor, zu Beginn, während und zum Abschluss der Qualifizierung verschiedene Formen der Kompetenzfeststellung durch. In Anlehnung an die Klassifizierung nach DRUCKREY (vgl. 2007) werden biografie- und testorientierte Verfahren eingesetzt.

Eignungsfeststellung: Die potenziellen Teilnehmer bewerben sich zur Teilnahme an der Qualifizierung mit den üblichen Bewerbungsunterlagen wie Bewerbungsschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse, Beurteilungen, Referenzen und Weiterbildungszertifikaten. Der Bildungsträger ermittelt, ob der Bewerber den Anforderungen der Qualifizierung gerecht werden kann, und trifft eine Auswahl.

Feststellung der Eingangskompetenz: Eine multimethodisch angelegte Kompetenzfeststellung zu Beginn der Qualifizierung dient der Lernbedarfsanalyse der einzelnen Teilnehmer und der Gruppe und mündet in die didaktisch-curriculare Bildungsplanung. Außerdem dienen die Ergebnisse einer individuellen Qualifizierungsberatung und der Vereinbarung von Qualifizierungszielen.

360°-Feedback: Während und zum Abschluss der Qualifizierung werden mittels eines standardisierten Fragebogens unter Einbeziehung aller am Qualifizierungsprozess Beteiligten  (Teilnehmer, Betreuer, Kunde bzw. Projektauftraggeber, Lernpartner) 360°-Feedbacks durchgeführt. 

Diese umfassende Form der Kompetenzfeststellung dient dem Zweck, dem Weiterbildungsteilnehmer ein regelmäßiges Feedback und eine damit verbundene Beratung zu seiner individuellen Kompetenzentwicklung zu geben.

3) Die FuTEx-Qualifizierung beginnt mit einer Kick Off-Veranstaltung, in der sich die Teilnehmer und das Betreuungsteam begegnen, kennenlernen und ein Vertrauensverhältnis zueinander herstellen. Für die weitere organisatorische Umsetzung der Qualifikation werden  die Teams zusammengestellt und Lerntandems gebildet. Mit dem Kick Off werden folgende weitere Ziele verfolgt:

·         Vermittlung des FuTEx-Konzeptansatzes im Rahmen des IT-Weiterbildungssystems, insbesondere des arbeitsprozessorientierten Lernens im Prozess der Arbeit.

·         Abschluss einer Qualifizierungsvereinbarung und Arbeitsvereinbarung mit den Teilnehmern.

·         Erarbeiten und Vereinbaren von Regeln der Zusammenarbeit im virtuellen Raum.

·         Besprechung des Qualifizierungsprojekts und Ermittlung des projektspezifischen individuellen und gruppenbezogenen Lernbedarfs.

·         Rollenfestlegung innerhalb des lernenden Projektteams in Analogie zu den IT-Spezialistenprofilen.

·         Lerntandems für das Lernen im Netz bilden und die Rollen sowie die Regeln erläutern.

·         Erarbeitung und Abschluss individueller Lernvereinbarungen zwischen den einzelnen Teilnehmern und dem Lernprozessbegleiter, ggf. unter Einbeziehung des Tandempartners.

·         Vertraut machen mit dem APO-IT Weiterbildungssystem und den Zertifizierungsbedingungen.

·         Anregungen zur lernförderlichen Gestaltung des Arbeitsplatzes der Teilnehmer.

·         Einführung in die Arbeit in und mit der Arbeits- und Lernplattform (LMS) inklusive integriertem virtuellen Klassenraum.

Die methodische Umsetzung der Kick- Off Veranstaltung, die je nach Bildungsträger 2-5 Tage in Anspruch nimmt, ist daran orientiert, dass die Teammitglieder und die Lerntandems im Kick Off möglichst viele Inhalte gemeinsam erarbeiten und so eine Basis für das gemeinsame Arbeiten und Lernen im virtuellen Raum schaffen können.

Da FuTEx eine Blended Learning Struktur aufweist, sind neben den Distanzphasen (90-95 Prozent) auch Präsenzphasen (5-10 Prozent) vorgesehen. Das FuTEx-Konzept schreibt keine feste Anzahl von Präsenztagen vor. Aus der Art der Projektarbeit ergibt sich, wann Präsenztreffen stattfinden sollten. Von Beginn an fest eingeplant sind Treffen zum Projektauftakt, zur Projektabnahme und zum Abschluss der Projektphase. Weitere Treffen der Lern- und Projektteams werden bedarfsorientiert anberaumt.

4) Eine Besonderheit des FuTEx-Konzeptes ist die Lernphase als „Eintrittskarte“ in die Projektarbeit.  Die Charakteristik von APO-IT in der eigentlichen Auslegung sieht eine sofortige Bearbeitung des Projektes vor, wobei zu Tage tretender individueller Lernbedarf durch informelle oder formelle Lernprozesse, zeitlich mit der Projektarbeit verzahnt, abgedeckt wird.

Die Spezifika der Verlagerung von APO-IT in die virtuelle Arbeitswelt sprechen dafür, die Teilnehmer mit anfänglich überdurchschnittlich hohem und später abnehmendem Betreuungsaufwand auf die Projektarbeit vorzubereiten. Die Teilnehmer erhalten in dieser Qualifizierungsphase die Möglichkeit, sich intensiv mit den Funktionalitäten der Lernplattform im Netz mit dem integrierten Klassenraum vertraut zu machen, um diese Medien zu Beginn des Projektstadiums, die ihre Arbeitsmittel darstellen, sicher zu beherrschen. In dieser Lernphase treffen sich die Teilnehmer mindestens einmal am Tag im virtuellen Raum zum Lernen, Arbeiten, Üben und erhalten individuelle und gruppenbezogene Lernaufgaben. Dieses Vorgehen trägt dazu bei, einen festen Arbeitsrhythmus und Regeln der Zusammenarbeit zu verstetigen und als Lern- und Arbeitsteam zusammenzuwachsen. Zentrale Inhalte dieser Lernphase leiten sich aus der Art des Projektes ab und sind im Fall einer Softwareentwicklung u. a. IT-Grundlagen, Projektmanagement und Marketing/Vertrieb.

Auch die Dauer einer Lernphase steht in Abhängigkeit vom Lernbedarf der Gruppe und der Einzelnen sowie von der Art und dem Inhalt des Qualifizierungsprojektes. Sie kann nach den Erfahrungen aus der Erprobung je nach Bedarf zwischen ein und zwei Monaten lang sein. Es zeigt sich in der Pilotierung, dass ein flexibles Vorgehen der Bildungsträger erforderlich ist, die sich kurzfristig auf neue, veränderte Lern- und Arbeitsanforderungen einstellen müssen.

5) Die strukturelle Basis der Projektphase und die Verbindung des Arbeitens und informellen Lernens im virtuellen Raum basiert auf der Abfolge „Planung – Durchführung – Erfahrung –Reflexion“ als Resultat der Übertragung des Arbeits- und Lernaufgabenkonzeptes in den virtuellen Raum (vgl. SCHRÖDER 2009). Organisation des Arbeitens und des aus der Arbeit resultierenden informellen Kompetenzerwerbs während der Projektphase ist aus der Art und der Komplexität der Projektaufgabe abzuleiten. In der Pilotierung hat sich eine Größe der Lern- und Projektteams von fünf bis sechs Personen als zweckmäßig erwiesen.

Da aus der Sicht der Bildungsträger ab einer Maßnahmengröße von 18 Teilnehmern wirtschaftlich gearbeitet werden kann, wurden in der Pilotierung unterschiedliche Projektteamvarianten erprobt.

In der Variante 1 bearbeiten mehrere Projektteams von fünf bis sechs Teilnehmern die gleiche Projektaufgabe. Sie stehen dabei im Wettbewerb zueinander. Die Variante ist besonders für Projekte mit geringer Komplexität geeignet, die arbeitsteilig nicht auf drei Teams aufgeteilt werden können. In der Praxis zeigt sich, dass diese Form des kollegialen Wettbewerbs der Qualität des Arbeitens und Lernens zuträglich ist, da ein Anreiz existiert, die beste Projektlösung vorzuweisen. Trotz des Wettbewerbs findet dennoch insbesondere beim Lernen eine  Kooperation zwischen den Gruppen statt.

Diese Variante 1 der getrennten Teams kann auch zur Bearbeitung verschiedener kleiner Qualifizierungsprojekte Anwendung finden. Auch bei unterschiedlichen Projektaufgaben haben sich in den Pilotmaßnahmen Lernpartnerschaften und Kooperationsbeziehungen zwischen den drei Teams entwickelt und bewährt.

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Abb. 4:   Variante 1 – Kleine Teams bearbeiten gleiche Kleinprojekte im Wettbewerb oder verschiedene Projekte bei gleicher Betreuungsstruktur (vgl. IT 50plus 2009)

Variante 2 basiert auf Projektaufträgen mit hohem Komplexitätsgrad, die arbeitsteilig auf  alle drei Projektteams aufgeteilt werden. Diese Variante ist durch einen erhöhten Schwierigkeitsgrad gekennzeichnet, der durch einen zusätzlichen Aufwand an Koordination und Abstimmung entsteht.

Die Projektteams bearbeiten die komplexe Projektaufgabe kooperativ, d. h. in ständigem Austausch, indem von jedem Team ein Teil der Aufgabe bearbeitet und gelöst wird. Die Einzelergebnisse werden zu einem gemeinsamen Gesamtergebnis zusammengesetzt. Diese Form der Zusammenarbeit stellt höhere Anforderungen an die IT-Projektkoordinatoren, die ein höheres Maß an Koordination und Abstimmung zu bewältigen haben. Es zeigt sich, dass in dieser Variante zwei zusätzliche IT-Profile entwickelt werden können: IT-Lösungsentwickler und/oder IT-Qualitätsmanager.

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Abb. 5:   Variante 2 – Arbeitsteilige Bearbeitung einer komplexen Projektaufgabe durch 3 Teams (vgl. IT 50plus 2009)

Eine zentrale Erkenntnis aus der Pilotierung ist, dass die Teilnehmer zur Erarbeitung der zertifizierungsrelevanten Projektdokumentation während der Projektarbeit angehalten werden müssen. In vielen Gruppen wurde die Dokumentation erst nach Abschluss der Projektarbeit und Abnahme des Projektergebnisses erstellt, was im Vergleich zu den Gruppen, die ihre Dokumentation Prozess begleitend erstellten, zu einem zeitlichen Mehraufwand führte.

6) Qualifizierungsmaßnahmen nach dem FuTEx-Konzept schließen mit einer Personenzertifizierung und dem Erhalt eines international gültigen Zertifikates nach der ISO Norm 17024 ab. Die Zertifizierungsprüfung wird von einer unabhängigen und akkreditierten Zertifizierungsstelle durchgeführt. Die Zertifizierungsstelle prüft die Voraussetzungen der Kandidaten und deren Dokumentation. Die Prüfung besteht aus einer halbstündigen Präsentation und einem halbstündigen Fachgespräch, das die Funktion hat, die Projektdokumentation zu hinterfragen.   

5 Zusammenfassung und Ausblick

Das FuTEx-Qualifizierungskonzept löst seinen Anspruch an eine arbeitsprozessorientierte Qualifizierung nach APO-IT ein. Arbeitssuchende können unter Bedingungen, die in der Projektphase einer realen betrieblichen Arbeitsinfrastruktur in der IT-Branche entsprechen, ihre Qualifizierungsprojekte so bearbeiten, dass sie in der Lage sind, die Zertifizierungsprüfung nach ISO 17024 zu bestehen. Alle 11 Teilnehmer der ersten FuTEx-Qualifizierung haben die Prüfung Mitte September 2010 erfolgreich bestanden (vgl. CERT-IT 2010a; FUTEX 2010). Die Prüfer brachten zum Ausdruck, dass sich die individuelle Kompetenzentwicklung der FuTEx-Weiterbildungsteilnehmer nicht von Teilnehmern an herkömmlichen APO-IT Qualifizierungen am realen betrieblichen Arbeitsplatz unterscheidet.

Zentral für die Qualität der Qualifizierung ist das Vorhandensein sogenannter betrieblicher „Nice-to-have-Projekte“, die den verschiedenen Qualifizierungsvarianten (vgl. Abschnitt 4.2) zugrunde liegen. Diese betrieblichen „Nice-to-have-Projekte“ entsprechen den Anforderungen an arbeitsgebundene Lernformen, die für arbeitsprozessorientierte Qualifizierungen konstitutiv sind. Sie können auch die Basis für die Qualifizierung Arbeitssuchender am betrieblichen Arbeitsplatz bilden. Ein weiteres Erfolgskriterium ist das Einbinden eines realen Kunden mit seinen qualitäts- und ergebnisbezogenen Ansprüchen. Der zeitliche Rahmen und somit auch der Zeitdruck werden durch die maximale Förderdauer der Arbeitsagenturen gesetzt, der die Bearbeitungszeit begrenzt.

Aufgrund des Entwicklungs- und Erprobungsstadiums der FuTEx-Qualifizierung muss untersucht werden, inwiefern die relative umfassende personelle Unterstützung und die Lernphase im Regelbetrieb der Bildungsträger in personeller wie in wirtschaftlicher Hinsicht darstellbar ist. In den weiteren Pilotierungen ist auch zu prüfen, welche zusätzlichen IT-Spezialistenprofile für eine arbeitsprozessorientierte Qualifizierung im virtuellen Raum geeignet sind. Die dezentrale Struktur ermöglicht den Weiterbildungsteilnehmern eine flexible Einteilung ihrer Arbeits- und Lernleistung. Vielen Weiterbildungsinteressierten kommt diese Flexibilität entgegen.

Neben der zusätzlichen Adaption weiterer IT-Spezialistenprofile bildet die Fundierung und Erfassung der besonderen Rolle der Lernprozessbegleitung in arbeitsprozessorientierten Qualifizierungen nach APO-IT im virtuellen Raum ein wichtiges Desiderat. In der Pilotierung zeigt sich, dass  die Anforderungen an die Wahrnehmung und die Empathie der Lernprozessbegleiter gegenüber dem Handeln ihrer Weiterbildungsteilnehmer im virtuellen Raum einen veränderten Charakter aufweisen.

Die FuTEx-Konzeption einer arbeitsprozessorientierten Qualifizierung weist, die herausragenden Ergebnisse in den Zertifizierungsprüfungen dienen als Beleg, vollkommen neue Perspektiven und Erweiterungen für die beruflich-betriebliche Weiterbildung auf. 



[1]   APO-IT steht für arbeitsprozessorientierte IT-Weiterbildung (Lernen im Prozess der Arbeit). Die Methode wurde vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) unter Beteiligung der Sozialpartner, Verbände und Unternehmen (ver.di, IG Metall, BITKOM und ZVEI, Deutsche Telekom u.a.) im Auftrag des BMBF (vgl. BMBF 2002) entwickelt.

 

[2]  Anerkennungs- und Zulassungverordnung

 


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(13-12-2010).

 

Zitieren dieses Beitrages

SCHRÖDER, T./ BERNHARDT, M./ TÖPFER, W. (2010): FuTEx – ein arbeitsprozessorientiertes Qualifizierungskonzept für Arbeitssuchende im Rahmen des IT-Weiterbildungssystems. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 19, 1-17. Online:  http://www.bwpat.de/ausgabe19/schroeder_etal_bwpat19.pdf (20-12-2010).

 

Änderungen: Jan-15-2011 


bwp@-Format:

 


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