bwp@ 42 - Juni 2022

Soziale Ungleichheit und Bildungsgerechtigkeit in der Berufsbildung

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer, Marcus Eckelt & Franz Kaiser

Soziale Ungleichheit und institutionelle Diskriminierung im postkolonialen Raum. Überlegungen für die berufliche Bildung und (berufs-)pädagogische Professionsverständnisse.

Beitrag von Eva-Maria Klinkisch
bwp@-Format: Diskussionsbeiträge
Schlüsselwörter: Institutionelle Diskriminierung, Soziale Ungleichheit, Externalisierungsgesellschaft, Postkoloniale Theorie, Hidden Curriculum

Untersuchungen zu institutioneller Diskriminierung haben aufgezeigt, wie strukturelle Ausschlüsse, institutionelle Mechanismen und organisational abgesicherte Routinen und Praktiken Bildungsteilhabe und Bildungs(un)gerechtigkeit in erheblichem Maße beeinflussen. Sie machen deutlich, wie dadurch – meist implizit und „unsichtbar“ – Bildungsungleichheit fortgeschrieben und nicht selten legitimiert wird, und Veränderungen aller politischer und auch pädagogischer Bemühungen zum Trotz immer wieder scheitern. Es zeigt sich, dass institutionelle Strukturen und Mechanismen ihrerseits mit Gerechtigkeits- und Verteilungsproblemen verschränkt sind, die ihren Ursprung auch in weltgesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnissen haben. Anhand des Befundes der Externalisierungsgesellschaft, die Stephan Lessenich zur Diskussion stellt auf der einen Seite, der Kritik postkolonialer Theoretiker*innen auf der anderen Seite wird dies exemplarisch herausgearbeitet. Ziel dieses Beitrags ist es, den Diskurs um Bildungsungleichheit durch institutionelle Diskriminierung unter einer kritischen weltgesellschaftlichen Perspektive zu erweitern und Impulse für (berufs-)pädagogische Professionsverständnisse abzuleiten.

Social inequality and institutional discrimination the postcolonial space. Implications for vocational education and professional identity in (vocational) pedagogy.

English Abstract

Studies on institutional discrimination make evident how structural exclusions, institutional mechanisms, organizational routines, and practices affect educational participation and educational (in)equality. They show that educational inequality is perpetuated and often legitimized indirect and silent. Mitigating measures repeatedly fail despite all political and pedagogical efforts. It turns out that institutional structures and mechanisms are intertwined with problems of justice and inequality in terms of world society and postcoloniality. In order to shed light on this issue, the article elaborates Stephan Lessenichs “externalization society” on the one hand, the critique of postcolonial studies on the other hand. The aim of this contribution is to broaden the discourse on educational inequality through institutional discrimination bringing in global and postcolonial perspectives and to discuss impulses for (vocational) pedagogy and its professional identity.  

1 Problemstellung

Untersuchungen zu institutioneller Diskriminierung haben aufgezeigt, wie strukturelle Ausschlüsse, institutionelle Mechanismen und organisational abgesicherte Routinen und Praktiken Bildungsteilhabe und Bildungs(un)gerechtigkeit in erheblichem Maße beeinflussen. Anders als etwa bei Ansätzen, die Bildungsungleichheit auf individuelle Entscheidungen oder Dispositionen zurückführen gerät hier also das Bildungssystem selbst und die darin tätigen Professionen ins Zentrum der Betrachtung (vgl. Hasse/Schmidt 2012, 890).

Wenn über Diskriminierung gesprochen wird geht es ganz allgemein darum, dass Personen oder soziale Gruppen in unterschiedlicher Weise aufgrund bestimmter - zugeschriebener oder angenommener - Eigenschaften (z.B. Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Identität, Religion, Alter, etc.) benachteiligt, ausgegrenzt, beleidigt, herabgesetzt oder nicht anerkannt werden. Dabei ist wesentlich, Diskriminierung nicht nur auf Stereotype oder individuelle Vorurteile zurückzuführen, sondern als historisch gewordenes, komplexes soziales Phänomen mit vielfältigen Interdependenzen zu betrachten (vgl. Scherr/El-Mafaalani/Yüksel 2017; Scherr 2017). Zum Gerechtigkeitsproblem wird Diskriminierung – z.B. im Gegensatz zu vormodernen Gesellschaftsordnungen – aber erst dann, wenn auf der Werteebene politische und rechtliche Gleichbehandlung und Gleichberechtigung als normative Zielvorstellung (in) einer Gesellschaftsordnung gelten (vgl. Scherr 2011), wie sie etwa im Völkerrecht, den Allgemeinen Menschenrechten und UN-Konventionen oder auch im Grundgesetz oder dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zum Ausdruck kommen. Dieser Gleichheitsanspruch aller Menschen steht in einem Spannungsverhältnis zu grundlegenden ökonomischen Prinzipien individualistisch-konkurrenzförmiger Marktökonomien der Moderne (vgl. Scherr 2011). Nicht umsonst hat die Idee der Chancengleichheit wesentliche Bedeutung erlangt: Ungleichbehandlung wird gemeinhin dann nur legitim, wenn „auf individuelle Leistungsmerkmale und -potenziale in Form von Begabung und Einsatzbereitschaft“ (Hasse/Schmidt 2012, 885) verwiesen werden kann. Das Bildungssystem hat dabei besondere Bedeutung, da hier nicht nur originär soziale Teilhabechancen vergeben (oder verwehrt) werden, sondern auch der Übergang in Hochschul- und Ausbildungssektor sowie Arbeitsmarkt (mit)bestimmt und damit Unterschiede im sozialen Status, in Erwerbsbiografien, Einkommenshöhen, Absicherung, etc. über die Lebensspanne maßgeblich beeinflusst werden. Dem Ideal fairer Chancenverteilung stehen vielfache empirische Befunde entgegen, die belegen, dass je nach Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen die Chancen und Risiken, im Bildungssystem (nicht) zu reüssieren, höchst ungleich verteilt sind (vgl. Hasse/Schmidt 2012, z.B. auch Miethe et al 2021, Becker/Lauterbach 2016, Siebholz et al 2013, Berger/Kahlert 2005). Dabei wird auch auf die Bedeutung überindividueller Momente an der Reproduktion sozialer Ungleichheit verwiesen, wie sie Untersuchungen zu institutioneller Diskriminierung aufgezeigt haben (als eine der ersten im deutschsprachigen bildungswissenschaftlichen Bereich Gomolla/Radtke 2002). Sie machen deutlich, wie dadurch – meist implizit und „unsichtbar“ – Bildungsungleichheit fortgeschrieben, nicht selten sogar legitimiert wird, und Veränderungen vieler politischer und pädagogischer Bemühungen zum Trotz immer wieder scheitern. Vielmehr sind institutionelle Strukturen und Mechanismen ihrerseits mit Gerechtigkeits- und Verteilungsproblemen verschränkt, die bis tief in die pädagogische Handlungspraxis und das Professionsverständnis hineinwirken.

Institutionelle Diskriminierung in ihren verschiedenen Facetten und Ursachen zu bearbeiten, gilt als komplex (vgl. Hasse/Schmidt 2012, 883). Während Effekte institutioneller Diskriminierung in vielen gesellschaftlichen Sphären nachgewiesen wurden und umfassend belegt sind (z.B. Wohnungs- und Arbeitsmarkt, Polizei und Strafverfolgung, Medien, Politik u.v.a. und in äußerst wirkmächtiger Weise auch in Schule und Ausbildung, vgl. für einen Überblick z.B. Gomolla 2017, 134f.) „gelten die Mechanismen institutioneller Diskriminierung als bisher erst wenig verstandener Aspekt gesellschaftlicher Macht- und Ungleichheitsverhältnisse“ (Gomolla 2017, 135, H.i.O.). Auch die Frage, welche Rolle Organisations- und Berufskulturen bei der Einübung und Aufrechterhaltung – und ggf. Veränderung – spielen, steht zur Diskussion (vgl. Gomolla 2017, 143; auch Weitkämper 2019, 37ff.).

Hieran knüpft der vorliegende Beitrag an. Dabei, so die Überlegung, bedarf es einer Betrachtung, die institutionelle Diskriminierung (2) weltgesellschaftlich verortet, was im Folgenden exemplarisch anhand von zwei Positionen aufgezeigt werden soll: dem Befund der Externalisierungsgesellschaft, die der Soziologe Stephan Lessenich in den Diskurs um weltgesellschaftliche soziale Ungleichheit eingebracht hat (3), und die Kritik postkolonialer Theoretiker*innen, die seit langem auf die bedeutsame Rolle fortwirkender kolonialer Strukturen und Praktiken für und durch Bildungsungleichheit hinweisen (4). 

Beide Perspektiven zeigen die Bedeutung – und den Bedarf – auf, soziale Ungleichheit auf der einen, pädagogisches Professionswissen auf der anderen Seite relational im Kontext globaler[1], ineinander verschränkter Institutionen- und Machtordnungen zu diskutieren und lassen den Schluss zu, dass dieser Gesichtspunkt noch weitaus deutlicher als bislang erfolgt in (berufs-)pädagogischen Diskursen Berücksichtigung finden sollte. Ziel dieses Diskussionsbeitrags ist es, den Diskurs um Bildungsungleichheit durch institutionelle Diskriminierung unter einer kritischen weltgesellschaftlichen Perspektive zu erweitern und Impulse für (berufs-)pädagogische Professionsverständnisse abzuleiten.

2 Institutionelle Diskriminierung in Bildungsorganisationen

Institutionelle Diskriminierung kennzeichnet eine systematische und dauerhafte Benachteiligung sozialer Gruppen aufgrund von sozialen Normen, Regeln und Routinen, die auf kollektiven Legitimationsnarrativen basieren; institutionelle Diskriminierung gründet also nicht in individuellen Vorurteilen, Stereotypen oder gezielten Diskriminierungsabsichten, sondern in Praktiken, die insbesondere in Organisationen und durch darin wirkende Professionen zum Tragen kommen (vgl. Hasse/Schmidt 2012) – auch dann, wenn Akteure wohlmeinend handeln (vgl. Gomolla 2017, 134). Damit rücken überindividuelle Mechanismen in den Blick, die als eigenständiges gesellschaftliches Strukturierungsprinzip betrachtet werden können (vgl. Scherr 2017, 50). Institutionelle Diskriminierung wirkt oft subtil und indirekt, weil z.B. bestimmte Regeln und Praktiken als „normal“ und selbstverständlich erscheinen bzw. als solche diskursiviert werden und für die daran Beteiligten daher meist schwer durchschaubar sind (vgl. Gomolla 2017, 144). Der Konstruktion von Differenzkategorien kommt eine besondere Relevanz zu, da hierdurch Abgrenzungen, Machtasymmetrien, sozio-ökonomische Ungleichheit und ungleiche Anerkennungschancen produziert, begründet und legitimiert werden können (vgl. Scherr 2017, 42). Dies gilt in besonderem Maße für Institutionen und Organisationen – so auch Schule und Betriebe –, die durch Zugangsregulierungen auf der einen, Positionszuweisungen auf der anderen Seite gekennzeichnet sind (vgl. Scherr 2017, 52).

Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit institutionellen Diskriminierungsphänomenen bilden die Debatten um institutionellen Rassismus. Diese entstanden mit dem Aufkommen der US-Bürgerrechtsbewegung, der Black Power Movements in den 1960-er Jahren und in der Folge der Critical Race Theory sowie neuer sozialer Bewegungen, die sich gegen die Diskriminierung von Frauen-, Behinderten- oder Homosexuellen wandten. Unter dem Begriff des institutionellen bzw. strukturellen Rassismus wurden erstmals die große Bedeutung diskriminierender Effekte von Organisationen und Institutionen für Minderheiten herausgearbeitet und auf gesellschaftspolitischer und rechtlicher Ebene sowie in sozialwissenschaftlichen Forschungsbemühungen rezipiert (vgl. Gomolla 2017, 135ff.; Hasse/Schmidt 2012, 886f.). Diese wirken äußerst effizient, weil sie „auf informellen und unausgesprochenen Wegen durch ihre Routinen und täglichen Verfahren als ein unzerstörbarer Teil des institutionellen Habitus weitergegeben [werden]. Diese Art von Rassismus wird Routine, gewohnt, selbstverständlich.“ (Hall 2001, 165). Institutionelle Diskriminierung wird als Erklärungsansatz für soziale Ungleichheit und Bildungsungleichheit in Großbritannien bereits seit Ende der 1990er Jahre rezipiert. Im deutschsprachigen Raum gewann dieser Diskurs in den letzten zwei Jahrzehnten ebenfalls an Bedeutung (vgl. Hasse/Schmidt 2012; Scherr 2017).

In der Literatur finden sich zwei idealtypischen Varianten institutioneller Diskriminierung (vgl. Gomolla 2017, 145 im Anschluss an Feagin/Feagin 1986):

Direkte institutionelle Diskriminierung bezeichnet wiederkehrende und intentionale Handlungen, die auf Regeln, Vorschriften und Gesetzen (in) einer Organisation beruhen oder durch informelle Routinen und Praktiken innerhalb der Organisationskultur legitim und angezeigt erscheinen (vgl. Gomolla 2017, 145ff.). Mit Blick auf Schule und (Aus)Bildung sind Segregationsgründe wie z.B. Aufenthaltsstatus eines Kindes mit Migrationsgeschichte oder die (Nicht-)Anerkennung von Bildungsabschlüssen sowohl hinsichtlich schulischer als auch beruflicher Qualifikationen zu nennen. Insbesondere im beruflichen Bildungssystem der dualen Ausbildung wirkt hier nicht nur Schule als institutioneller Raum, sondern in auch die Institution „Markt“, über die Ausbildungsplätze und Ausbildungssuchende wesentlich vermittelt werden (sollen). Institutionelle Diskriminierung im Berufsbildungssystem bedarf daher einer Betrachtung beider Eigenlogiken: institutionellen Diskriminierungsmechanismen im Kontext Schule und Mechanismen der Marktvermittlung und -regulation, die zusammenwirken. Dazu treten regionale und lokale Disparitäten sowie branchenspezifische Praktiken und die Konjunkturabhängigkeit (als konstitutives Element aller marktförmig orientierten Wirtschaftsformen) hinzu. Mehrere Studien (vgl. z.B. Imdorf 2017; Scherr et al 2015; Scherr 2015; Ulrich 2012; Ulrich 2015) weisen auf die Benachteiligung minorisierter Gruppen durch institutionalisierte Mechanismen bei der Ausbildungsplatzvergabe und in anderen Bereichen beruflicher Bildung hin, wobei z.B. Bildungserwartungen und -aspirationen und die große Bandbreite schulischer und beruflicher Abschlüsse von Menschen mit Fluchterfahrung differenziert zu betrachten sind (vgl. z.B. Granato 2018; Boos-Nünning 2011). Diese direkten Diskriminierungspraktiken beziehen sich aber meist nicht nur auf eine Differenzkategorie wie z.B. Herkunft oder Geschlecht, sondern weisen ein vielfältiges Zusammenspiel und Ineinandergreifen unterschiedlicher Kategorien sozialer Ungleichheit auf, die berücksichtigt werden müssen (vgl. Gomolla 2017, 145). Dabei sind intersektionale Interaktionseffekte von direkter Diskriminierung mit in anderen Sektoren neutralen Praktiken zu beachten sowie eine Sedimentierung diskriminierender Praktiken aus der Vergangenheit, die sich fortsetzen (vgl. Gomolla 2017, 146).

Indirekte institutionelle Diskriminierung verweist auf vielfältige institutionelle Vorkehrungen, Regeln, Praktiken und Routinen, die Angehörige minorisierter Gruppen benachteiligen, ohne dass dies seitens einer Organisation und darin tätiger Akteure beabsichtigt wäre (vgl. Gomolla 2017, 146f.). Aus mikrosoziologischer und sozialisationstheoretischer Perspektive wurde unter dem Stichwort des „heimlichen Lehrplans“ auf die große Wirkmacht impliziter Regeln, Werte und Normen im Schulalltag hingewiesen (vgl. Bernfeld 2006; Zinnecker 1975). Weitere institutionelle Diskriminierungserfahrungen resultieren daraus, dass Personen, die z.B. einer Minderheit angehören oder bestimmte Merkmalseigenschaften (nicht) erfüllen, schlechtere Chancen haben oder einen erheblichen Mehraufwand betreiben müssen, um – vermeintlich neutrale – Regeln und Normen, die in einer Organisation gelten, zu erfüllen (vgl. Gomolla 2017, 146f.). In besonderer Weise ist das System schulischer Leistungsdifferenzierung mit der Institutionalisierung indirekter Diskriminierung verbunden. Leistungsdifferenzierung erscheint auf den ersten Blick insofern neutral, als alle Schüler*innen an denselben Maßstäben – die in der „Währung“ von Schulnoten in Bildungsabschlüsse konvertiert werden – gemessen werden. In diesem Zusammenhang wird auf die Rolle von Handlungen und Entscheidungen der Lehrkräfte hingewiesen, z.B. über Förderbedarf oder Schulempfehlung (vgl. auch Ditton 2016; vgl. z.B. differenziert nach Kompetenzerwerb, Leistungsbeurteilung und Übergängen Diehl/Fick 2016). Unter Rekurs auf ihr pädagogisches Handlungswissen sind Lehrkräfte an der Konstruktion von Kategorien wie „hochbegabt“, „Risiko-Kind“, „benachteiligt“, etc. beteiligt (vgl. Gomolla 2017, 147), anhand derer wiederum professionelles Handeln ausgerichtet und legitimiert wird. Damit reicht alleine die Orientierung der Lehrkräfte an geltenden, auch durch Professionswissen abgesicherten Strukturen und Regeln aus, um soziale Ungleichheit mit zu reproduzieren.

In einer noch grundsätzlicheren Hinsicht ist das Leistungsprinzip selbst bzw. eine Ausrichtung pädagogischen Handelns an Leistungsdifferenzierung nicht neutral:[2] Es ragt tief in eben jene institutionalisierten Routinen und Legitimationsnarrative hinein, die gesellschaftliche Machtverhältnisse absichern und eine ungleiche Verteilung von sozio-ökonomischem Status, auch global, angemessen erscheinen lassen. Für die Selbstbeschreibung der westlichen Moderne mit den darin organisierten Marktökonomien ist die Idee von „Leistung“ als individuell-kompetitiv erworbene Eigenschaft zentral und erscheint gleichzeitig als neutrale und universelle Norm. Diskriminierende institutionelle Mechanismen, die darauf beruhen, geraten zuweilen aus dem Blick: nicht nur auf der Ebene sozialen Handelns, sondern ebenfalls auf epistemischer Ebene. Berufliche Bildung befindet sich hier in einem besonderen Spannungsverhältnis, was sich auch in der ideengeschichtlichen Betrachtung (vgl. z.B. Blankertz 2011) von beruflicher und allgemeiner Bildung zeigt (vgl. z.B. Backes-Haase/Klinkisch 2015). Leistung und Konkurrenz etwa sind konstitutive Elemente der institutionellen (Anerkennnungs-)sphäre „Wirtschaft/Markt“ (vgl. dazu z.B. auch Honneth 2011), in der ein sehr großer Anteil beruflicher Bildung und Teilhabe sich vollzieht - und die Affirmation dieser Prinzipien damit „neutral“ und angezeigt erscheinen. Gleichzeitig zielt berufliche Bildung und Teilhabe eben nicht nur auf Marktinklusion, sondern gerade auch auf persönliche Entwicklung, gesellschaftliche Verantwortung und Mündigkeit (vgl. z.B. Jungkunz 1995) und ist, insb. im Anschluss an kritische Gesellschaftstheorien, versehen mit einem emanzipatorisch-kritischen Anspruch (vgl. Kaiser 2019). Dies erfordert, in erweiterter Weise die Mechanismen und Kategorien (und deren Wandel) „mit denen soziale Gruppen als Objekte von Diskriminierung markiert werden“ (Scherr 2011, 34) in den Blick zu nehmen, und gleichzeitig nach Möglichkeiten für Kritik und Veränderung zu fragen.

3 Bildung in der Externalisierungsgesellschaft

In den Diskurs um globale soziale Ungleichheit und (Un-)Gerechtigkeit hat der Soziologe Stephan Lessenich die (struktur-)analytische Kategorie der Externalisierungsgesellschaft eingebracht. Mit der Externalisierungsgesellschaft beabsichtigt Lessenich keine Zeitdiagnose oder gesellschaftliche Totalanalyse vorzunehmen, sondern formuliert einen „Gattungsbegriff“, der erlaubt, eine zentrale Dimension weltgesellschaftlicher Ungleichheitsmuster zu benennen und bestimmte gesellschaftliche Strukturmechanismen und Praktiken zu beschreiben, zu erklären und einer begründeten Kritik zuzuführen (vgl. Lessenich 2016a, 26ff.).

Ausgangspunkt von Lessenichs Überlegungen ist die Feststellung, dass global betrachtet eine nie da gewesene Ungleichverteilung von Wohlstand und Lebenschancen besteht (vgl. Lessenich 2016a, Lessenich 2016b): Die Folgen und Kosten einer exzessiven Wirtschafts- und Lebensweise der sog. Industrienationen des Globalen Nordens auf Kosten anderer, insbesondere ärmerer Länder im Globalen Süden, sind bekannt und werden umfassend thematisiert. Gleichwohl besteht trotz vielfältiger Absichtserklärungen politischer, ökonomischer und zivilgesellschaftlicher Art auf der Handlungsebene eine eigentümliche Leerstelle, in ernsthafter Form diese Verhältnisse zu transformieren. Eine Erklärung dafür besteht für Lessenich in dem, was er als Externalisierungsgesellschaft beschreibt. Damit überträgt er die zunächst aus dem Ökonomischen und Psychologischen stammende Idee der Externalisierung auf gesamtgesellschaftliche Prozesse und Strukturen (globaler) sozialer Ungleichheit und deren (Re-)Produktion.

Als Externalisierung bezeichnet Lessenich „einen spezifischen Vergesellschaftungsmodus, einen historisch situierten und räumlich umschriebenen Strukturmechanismus gesellschaftlicher Reproduktion“ (Lessenich 2020, 119), der sich in den Gesellschaften des Globalen Nordens seit Beginn der Industrialisierung etablierte und in erheblichem Maße dazu beiträgt, weltgesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse bis heute zu stabilisieren. Darin zum Ausdruck kommende Machtbeziehungen werden durch eine Reihe institutionalisierter Mechanismen abgesichert sowie durch einen spezifischen Externalisierungshabitus stabilisiert und legitimiert. Damit wirken Macht (verstanden als Chance, die Kosten der eigenen Lebensführung auszulagern), Ausbeutung und Habitus zusammen, was sich auf Strukturebene, Prozessebene und in Handlungspraktiken widerspiegelt (vgl. Lessenich 2016a, 62). Machtasymmetrien verlaufen dabei multidimensional und bedürfen einer relationalen Betrachtung: Die Lebens- Arbeits- und Konsumbedingungen an einem Ort hängen mit einem gesamten Bündel von Lebenschancen „anderenorts“ zusammen: „Wir leben gut, weil andere schlechter leben. Wir leben gut, weil wir von anderen leben – von dem, was andere leisten und erleiden, tun und erdulden, tragen und ertragen müssen.“ (Lessenich 2016a, 25, H.i.O.). Diese relationale Perspektive erlaubt, unterschiedliche Lebenswelten zueinander in ein Verhältnis zu setzen und dadurch Positionen und Konstellationen sichtbar zu machen (vgl. Lessenich 2016a, 50; 54ff.). Es kommen Folgewirkungen des westlichen Industriekapitalismus, der (zumindest: auch) auf dem vielfältigen Fortwirken kolonialer Strukturen im Ökonomischen und Epistemischen beruht, in den Blick (vgl. Lessenich 2016a, 55ff.).

Mit dem analytischen Instrumentarium der Externalisierungsgesellschaft können deren „uneingestandene[n] Voraussetzungen, Begleiterscheinungen und Folgewirkungen“ (Lessenich 2020, 119) in den Blick genommen werden. Zentral ist dabei für Lessenich die Erkenntnis, dass sich sozialer Zusammenhalt und Wohlstand in den Zentren des Globalen Nordens nicht zufällig und nicht einfach so entwickelt haben, sondern dies in erheblichem Maße nur zulasten Dritter möglich war und ist: „Wir leben nicht über unsere Verhältnisse. Wir leben über die Verhältnisse anderer. Genau genommen gilt zunächst: Wir leben über den Verhältnissen anderer […] wir leben vor allen Dingen auch über die Verhältnisse anderer.“ (Lessenich 2016b, 91f., H.i.O.). Grund dafür ist jedoch kein individuelles Versagen oder böse Absicht, sondern funktionale Mechanismen einer spezifischen Gesellschaftsordnung, die –intendiert oder unbewusst – für die Aufrechterhaltung notwendig sind und subjektiv in Kauf genommen werden (vgl. Lessenich 2020, 119; Lessenich 2016, 51).

Lessenich identifiziert mehrere Externalisierungsdimensionen, die einzeln und zusammengenommen über die soziale Praxis der Akteure wirkmächtig werden. Damit kommen spezifische, institutionalisierte Mechanismen von Benachteiligung, Abwertung, Ausbeutung und Schlechterstellung – kurz: institutioneller Diskriminierung in den Blick (vgl. Lessenich 2020, 120ff.):

Auf eine Aneignung produktionsrelevanter Güter und Ressourcen, namentlich lebendige Arbeit und Natur, folgt die damit relative unmittelbar zusammenhängende Ausbeutung dieser Güter und Ressourcen. Ausbeutung meint, dass in sozialen Beziehungen die machtvollere Seite über eine Ressource verfügt bzw. in der Lage ist, die verletzbare Position „zur Produktion eines Mehrwertes zu bringen, von dessen Genuss die Produzierenden selbst wiederum ganz oder teilweise ausgeschlossen bleiben“ (Lessenich 2016a, 58). Dies reicht von der Etablierung gewaltsamer kolonialer Herrschafts- und Unterwerfungsregime und extraktivistischer Ökonomien in den Peripherien über die Institutionalisierung und rechtliche Absicherung ungleicher Tausch- und Handelsbeziehungen bis hin zu epistemischer Gewalt in Form von Sprache, Wissen, etc. (vgl. Lessenich 2020, 123; Lessenich 2016a, 58f.). Die folgende materielle und symbolische Abwertung eben jener ausgebeuteten Ressourcen und Güter „in anderen, als extern definierten gesellschaftlichen Räumen“ (Lessenich 2020, 120) ermöglicht, dass der Zugriff auf z.B. Natur oder billige Arbeitskraft als legitim und angemessen diskursiviert werden kann. Stabilisierend wirkt dabei die Auslagerung externer (materieller, sozialer, rechtlicher, politischer und ökologischer) Kosten in die Peripherien, also das Externalisierungsgeschehen im engeren (ökonomischen) Sinne (vgl. auch Lessenich 2016a, 44ff.). Um dieses offensichtlich fragile Gleichgewicht stabil zu halten, schließen die Externalisierungsgesellschaften der Wohlstandszentren im Globalen Norden den eigenen Wirtschafts- und Sozialraum selektiv ab (Abschließung), d.h. diejenigen, die im „Außen“ leben, haben nicht oder nur höchst eingeschränkt, oft zeitlich begrenzt und selten als voll anerkannte Mitglieder der Gesellschaft Zugang zu Wohlstand und Sicherheit. Damit einher gehen soziale Schließungsprozesse und eine Monopolisierung von Lebenschancen, nicht nur ökonomischer, sondern auch sozialer Art. Der Konstruktionscharakter dieses gesellschaftlichen Außens ist hier entscheidend: Er speist sich aus ökonomischen und politischen Machtasymmetrien, die in erheblicher Weise in kolonialen Denkmustern und Praktiken ihren Ursprung haben und fortwirken, gestützt durch wissenschaftliche Diskurse und Sprache (vgl. z.B. auch Said 2017; Hall 2001). Mit Ausblendung verweist Lessenich auf ein zweites Verständnis von Externalisierung, nämlich psychologischer Art. Damit gemeint ist eine Art „Nicht-Wissen-Wollen“, ein individuelles und kollektives Vergessen, Abspalten bzw. Umlenken, durch das negative Folgen und Kosten des eigenen Handelns ins Außen („weit weg“) verschoben und zugleich verdrängt werden (vgl. Lessenich 2016a, 63ff.; Lessenich 2020, 121). Diejenigen, die unter den negativen externen Effekten zu leiden haben (etwa durch Umweltverschmutzung, Krieg oder Armut) werden gleichzeitig mit Ausgrenzungs- oder Abwertungsmechanismen sanktioniert oder in einer Art „Täter-Opfer-Umkehr“ sogar selbst für die Folgen verantwortlich gemacht: So findet sich etwa in der sog. Entwicklungshilfe das Narrativ, dass „Misserfolge“ bei den „Hilfeempfängern“ selbst lägen, häufig begründet durch ein ganzes Bündel an Zuschreibungen wie etwa andere „Mentalitäten“, mangelndes Können und Wollen (vgl. Lessenich 2016a, 125ff.) oder auch Vorstellungen von Fortschritt (vgl. auch Ziai 2010). Bei einem solchen „Schleier des Nicht-Wissen-Wollens“ (Lessenich 2016a, 63) handelt es sich also nicht in erster Linie um fehlendes Wissen, sondern um eine Mischung aus „Bequemlichkeit und Unwohlsein, Sorglosigkeit und Überforderung, Gleichgültigkeit und Angst“ (Lessenich 2016a, 111). All dies wird schließlich durch eine Aufschiebung der – auch in den Wohlstandszentren zunehmend spürbaren – Folgen externalisierenden Handelns in die Zukunft gestützt. Damit findet bei Ausblendung und Aufschiebung eine Art Externalisierung zweiter Ordnung statt, also das Wissen um die Folgen und die Folgen selbst werden ausgelagert, nicht zuletzt, indem für deren Bearbeitung spezialisierte Akteure adressiert werden (wie z.B. NGOs, Kirchen, Ehrenamt) (vgl. Lessenich 2020, 121f.; Lessenich 2016a, 68ff.).

Auf der Handlungsebene können die beschriebenen „A“-Mechanismen in sehr entscheidender Weise Wirkung entfalten, weil sich ein Externalisierungshabitus etabliert (hat). Dieser erlaubt, bestimmte Handlungen und Praktiken als Normalität und Selbstverständlichkeit erscheinen zu lassen. Der Externalisierungshabitus ist ein „spezifische[r] Habitus […], der das externalisierende Handeln individuell wie kollektiv als angezeigt, selbstverständlich und legitim erscheinen lässt.“ (Lessenich 2016b, 93). Im Anschluss an Pierre Bourdieus Habituskonzept ist auch der Externalisierungshabitus eine Art praktischer Sinn, der – inkorporiert und kaum explizierbar – ein System an Einstellungen und Handlungsorientierungen umfasst (vgl. Lessenich 2016b, 100). Im Habitus kommen implizit wirkende Regeln zum Tragen, als „akkumulierte Geschichte“ (Bourdieu 1997, 49) spiegelt sich ein spezifischer kollektiver Erfahrungshorizont wider – der von Lessenich nun weltgesellschaftlich verortet wird. Mit Blick auf Externalisierung meint dies eine „habituell vollzogen[e] Praxis der Auslagerung der Kosten ihrer Lebensweise auf Dritte und der gleichzeitigen Ausblendung dieses Strukturzusammenhangs aus ihrer alltäglichen Lebensführung“ (Lessenich 2016b, 101, H.i.O.). Darin sedimentiert sich unbewusst, so Lessenich, ein Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen mit stabilisierender Kraft. Die Infragestellung habitualisierter Praxis löst Abwehr aus, was beispielsweise im Diskurs um „Flüchtlingskrisen“ hervortritt (vgl. Lessenich 2016a, 69ff.; 137ff.).

Zusammengefasst ergibt sich daraus für Externalisierungsgesellschaften „eine selbstverstärkende Dynamik: Die globalen Machtstrukturen ermöglichen einen Habitus der Auslagerung, Verschiebung und Verdrängung der sozialen Kosten des Wohlstands der Zentren in die Peripherien, und dieser Habitus trägt wiederum maßgeblich dazu bei, die gesellschaftliche Ausbeutungsbeziehung zu Lasten Letzterer dauerhaft zu zementieren“ (Lessenich 2016a, 63).

Eine nähere Betrachtung ist mit Blick auf Bildung und soziale Ungleichheit auch deswegen interessant, weil sich anhand der Externalisierungsgesellschaft eine bestimmte Form der Sozialität – verstanden als „komplexes Ensemble sich wechselseitig stützender sozialer Praktiken, Subjektivitätsformen und Normativitäten“ (Lessenich 2020, 122) – beschreiben lässt, die zu einer Persistenz sozialer Ungleichheit führt. Diese ragt tief in pädagogische Handlungszusammenhänge hinein und es stellt sich die Frage, wie bzw. inwiefern sie überhaupt pädagogisch bearbeitbar sind, selbst wenn emanzipatorische Ziele im Bildungsgeschehen verfolgt werden:   

Zu diesem „komplexen Ensemble“ gehören erstens bestimmte Selbstverständlichkeiten, das bedeutet Formen der Lebensführung und Alltagsbewältigung, die für die Menschen in den Externalisierungsgesellschaften in weiten Teilen gleichsam als normal gelten, etwa Mobilität, Konsum, Sicherheit, etc. (vgl. Lessenich 2020, 122). Ein zweiter Aspekt sind Selbstverständnisse, also Vorstellungen und Entwürfe über eine angemessene Lebensführung und entsprechenden sozialen Status. Im „westlichen Wohlfahrtskapitalismus“, so Lessenich, sind die Motivationen und Handlungsorientierungen von großen Bevölkerungsteilen in ganz erheblicher Weise mit stark individualistisch geprägten Ideen von Privatbesitz, Leistung, Selbstverwirklichung, Nutzen von Potenzialen, etc. verknüpft. Schließlich bedarf es einer permanenten – expliziten und impliziten – gesellschaftlichen Selbstverständigung der Menschen in diesen Gesellschaften, d.h. einer Affirmation eben jener gesellschaftlichen Verhältnisse, die diese Selbstverständlichkeiten und Selbstverständnisse legitimieren, ja wünschenswert erscheinen lassen. (vgl. Lessenich 2020, 122)

Mit der Externalisierungsgesellschaft weist Lessenich auf sozialisatorische Effekte hin, die nicht nur individuelle Handlungsorientierungen beeinflussen, sondern auch kollektive Deutungsmuster und institutionelle Ordnungen stützen, die ins institutionelle Diskriminierungsgeschehen verwickelt sind. Hieraus kann der*die Einzelne nicht aus bloßer Willensentscheidung ausbrechen, im „Zustand teilnehmender Zwangsintegration“ (Lessenich 2020, 122) lassen sich Lebensstandard, sozialer Status, Selbstverständnisse etc. in den Wohlstandszentren nur durch eine permanente Reproduktion von Externalisierungslogiken aufrechterhalten, selbst wenn diese zur Kritik stehen. In der Externalisierungsgesellschaft zu leben heißt, stets „Beherrschte und Herrschende zugleich“ zu sein (vgl. Lessenich 2020, 123) – was alle miteinschließt: Selbst diejenigen, die binnengesellschaftlich gesehen höchst prekär leben (müssen), haben materiell und symbolisch noch Teil an den „Externalisierungsdivenden“ (vgl. Lessenich 2020, 123). Eine Verbesserung oder auch nur das Halten ihrer – jeder – gesellschaftlichen Position erfolgt nach der Logik weltgesellschaftlicher Externalisierungszusammenhänge systematisch dadurch, dass Dritte im Außen geschädigt werden: „Es gibt kein richtiges Leben in der Externalisierungsgesellschaft“ (Lessenich 2020, 123). Die „kulturelle Signatur“ (Lessenich 2020, 115) der Externalisierungsgesellschaft besteht in einer Doppelmoral, die auf der einen Seite die bestehende Ordnung und darin aufgehobene Fortschritte (wie etwa Wohlstand, Bildung, soziale Grundsicherung, Eigentum, Freiheit, etc.) bejaht, gleichzeitig aber sowohl deren Grundlegung im Externalisierungsmodus verschleiert als auch die innere Brüchigkeit und Erosion ausblendet.

Die Idee der Externalisierungsgesellschaft erlaubt eine Thematisierung fundamentaler Widersprüche westlicher, „wohlfahrtskapitalistischer“ Gesellschaftsordnungen und -institutionen – und zielt auf deren immanente Kritik (vgl. Lessenich 2020, 123, 126ff.). Für die Frage von Bildung und sozialer Ungleichheit im Kontext institutioneller Diskriminierung sind diese Befunde folgenreich: Einerseits legt Lessenichs Analyse nahe, dass auch im Bildungsbereich explizit komplexe weltgesellschaftliche Zusammenhänge kritisch hinterfragt werden müssen. Gleichzeitig reichen Wissen und Kenntnisse alleine unter der Annahme eines „Schleier des Nicht-Wissen-Wollens“ nicht aus; vielmehr bedarf es zusätzlich einer kritischen Reflexion globaler Machtstrukturen sowie der eigenen Position und Involviertheit darin, mithin den damit verbundenen Widersprüchen und Handlungs(un)möglichkeiten. Nicht nur, aber besonders im berufsbildenden Bereich legt Lessenichs Externalisierungsanalyse darüber hinaus nahe, gängige, oft nicht hinterfragte ökonomische Handlungsmodelle und Selbstverständlichkeiten einer kritischen Revision zuzuführen, mindestens aber eine Kontextualisierung ihres weltgesellschaftlichen Gewordenseins und der gegenwärtigen Folgen (und Nebenfolgen) vorzunehmen. Dies würde die Lehrer*innenbildung ganz entscheidend mit adressieren. Schließlich wäre die Beteiligung des Bildungssystems selbst am Externalisierungsgeschehen zu thematisieren: Was die Ausbildung von jungen Menschen für Tätigkeiten in der Externalisierungsgesellschaft betrifft, was institutionalisierte Reproduktionsmodi sozialer Ungleichheit durch professionelles Handeln im Schulbereich betrifft (Stichwort: Externalisierungshabitus), und nicht zuletzt, inwiefern Beschreibungen „guter“ Aus-Bildung sich ihrerseits auf Externalisierungslogiken berufen, indem sie z.B. spezifisch europäische Vorstellungen von Kultur, Fortschritt, Wohlstand, Wachstum, Selbstverwirklichung, Freiheit, etc. als universell setzen und deren Konstruktionscharakter ebenso wie damit einhergehende diskriminierende Effekte ausblenden.

4 Soziale Ungleichheit – postkolonial

Wenn Stephan Lessenich den Befund der Externalisierungsgesellschaft auch in Relation zu und mit Hinweis auf das Fortwirken kolonialer Strukturen versieht, so verweist er auf das, was seit langem und in vielfältiger Weise Denker*innen und Aktivist*innen der Postcolonial Studies vorbringen.

Die im Folgenden dargebotene Skizze dieses komplexen Feldes kann nur eine grundsätzliche Idee, einen ungefähren Standpunkt ausweisen; sie möchte aufzeigen, wie eine Auseinandersetzung mit postkolonialen Perspektiven für den Diskurs um bildungsbezogene institutionelle Diskriminierung und soziale Ungleichheit fruchtbar sein könnte.

Postkoloniale Theorien haben den Prozess und Mechanismen der Kolonisierung, der Dekolonisierung und andauernden Rekolonisierung zum Gegenstand – nicht nur hinsichtlich physischer Gewalt, wie militärische Besetzung geographischer Territorien, Ausplünderung, Verschleppung, etc, sondern auch der sehr vielfältigen, oft subtil wirkenden Formen kolonialer Praktiken und Denkmuster, auch über die Produktion epistemischer Gewalt. Dies schließt eine Infragestellung gängiger westlicher bzw. eurozentrischer Sichtweisen der Welt (wie z.B. die Linearität der Geschichtsschreibung, Vorstellungen von Rationalität, Wissen, Moderne, etc.) mit ein. In den Blick kommen Komplexitäten, Verwobenheiten, Widersprüche und Brüche, die die Vielfältigkeit sozialer Wirklichkeit(en) sowie von Widerstandsformen und -strategien und Handlungsoptionen herausstellen. (vgl. Castro Varela/Dhawan 2015; Kerner 2013)

Trotz aller Versuche einer Präzisierung und Eingrenzung bleibt der Begriff postkolonial unscharf und umstritten (vgl. Castro Varela/Dhawan 2015, 15). Festzustellen ist, dass mit Postkolonialer Theorie keine einheitliche Theorieschule gemeint ist (vgl. Reuter/Villa 2010, 16). Postkoloniale Theorien stellen ein inter- bzw. transdisziplinäres Beschäftigungsfeld und wissenschaftspolitisches Projekt gleichermaßen dar (vgl. Kerner 2013, 14f.). Sie erheben „den Anspruch [...], auf gesellschaftliche Missstände einschließlich ihrer Ursachen und Wirkungen aufmerksam zu machen und dadurch dazu beizutragen, diese Missstände zu beheben“ (Kerner 2013, 12) – und sind in diesem Sinne kritische Theorien (vgl. auch Reuter/Villa 2010, 16ff.). Entstanden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zunächst vor allem in Literatur- und Kulturwissenschaften situiert, handelt es sich bei den Postcolonial Studies um ein relativ weites, offenes und heterogenes Feld der Analyse und (auch außer-)akademischen Intervention (vgl. Kerner 2013). Seit ungefähr Mitte der 1980-er Jahre sind postkoloniale Positionen, oft mit feministischen oder queertheoretischen, poststrukturalistischen und marxistischen Verbindungslinien im (westlichen) Wissenschaftssystem zunehmend etabliert. Diese Institutionalisierung selbst sehen postkoloniale Theoretiker*innen zum Teil kritisch, da zugleich eine Entleerung der gesellschaftskritischen Schärfe und instrumentelle Indienstnahme postkolonialer Zugänge für die Karrierebeförderung vor allem westlicher Akademiker*innen beobachtet wird (vgl. Castro Varela/Dhawan 2010, 305).  

Das Präfix „post“ der Postcolonial Studies ist nicht misszuverstehen als eine vergangene Praxis, eine Abfolge oder gar Polarität (vgl. Reuter/Villa 2010, 17). Im Gegenteil, es verweist auf bis heute wirkmächtige Langzeiteffekte des Kolonialismus , die für ein Verständnis postkolonialer Gegenwart und deren Probleme notwendig ist. Solche Probleme meinen nicht nur z.B. Armut oder Autoritarismus in ehemaligen Kolonialgebieten; adressiert wird die anhaltende Reproduktion und Legitimation ineinander verschränkter (globaler) Macht- und Ausbeutungsverhältnisse in den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft – von Kunst und Literatur über Medien, Politik, Ökonomie bis hin zu Bildung und Wissenschaft – die wesentlich durch Rassismus und eurozentrische Denkmuster bedingt sind und bewahrt werden (vgl. Kerner 2013, 9; 20ff.).

Bei aller Verschiedenheit der analytischen und theoretischen Bezüge ist das methodische Vorgehen der Dekonstruktion wesentlich. Ziel ist, Essenzialismen aufzudecken und – auch erkenntnistheoretisch – westliche Modernitäts- und Fortschrittserzählungen einer Kritik zuzuführen (vgl. Reuter/Villa 2010, 16ff.). Dekonstuktion verweist im Anschluss an Jaques Derrida darauf, dass Kategorien weder natürlich gegeben noch selbstverständlich sind und damit getroffene Unterscheidungen und Grenzziehungen (wie z.B. Orient-Okzident, entwickelt-unterentwickelt, rational-exotisch, u.v.m.) inkl. deren Sprachgebrauch in Alltag, Schule und auch im Wissenschaftssystem kritisch hinterfragt werden müssen (vgl. Reuter/Villa 2010, 12). Vorstellungen (vermeintlich) stabiler sozio-kultureller Identitäten und Zugehörigkeiten etwa werden damit in komplexer Weise einer Kritik zugeführt. Damit ist der methodologische Zugang zu sozialen Problemlagen skizziert: Diese existieren stets nur in Relation zu Macht-Wissens-Regimen, in die die Akteure verstrickt sind, selbst wenn sie gegenhegemonialen Widerstand leisten (vgl. Reuter/Villa 2010, 17).

Was hinsichtlich der zurückhaltenden Rezeption postkolonialer Theorien im deutschsprachigen Raum im Allgemeinen gilt (vgl. Castro Varela/Dhawan 2010), trifft für Erziehungswissenschaft und Pädagogik im Besonderen zu. Baquero Torres (2012) und Castro Varela (2016) stellen ein nur spärliches Aufgreifen postkolonialer Zugänge fest (vgl Baquero-Torres 2012, 316; Castro Varela 2016, 163f.), die vor allem in Subdisziplinen wie der interkulturellen Pädagogik und Migrationspädagogik stattfand bzw. in Arbeiten um Geschlecht, Ethnizität, Migration oder auch Rassismus aufgegriffen wurden (vgl. Baquero Torres 2012, 315). Gleichzeitig finden postkoloniale Perspektiven im informellen Bildungsbereich, beispielsweise in der entwicklungsbezogenen Bildungsarbeit, im Bereich Globales Lernen oder rassismuskritischer Bildung seit einiger Zeit Resonanz, mit einer ganzen Reihe an Bildungsmaterialien, Handreichungen und Schulungsangeboten (vgl. nur exemplarisch glokal e.V.). Auch der Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung erinnert zumindest grundsätzlich an die Notwendigkeit, globale Perspektiven in der Schule verstärkt kritisch einzubeziehen und buchstabiert dies für verschiedene Bereiche, u.a. berufliche Bildung, aus (vgl. KMK/BMZ 2016).

Die Zurückhaltung im akademischen Bereich ist bemerkenswert, tangieren doch zentrale Punkte postkolonialer Wissen(schaft)skritik in erheblicher Weise grundlegende Fragen (in) der Erziehungswissenschaft ebenso wie pädagogisches Handlungswissen (vgl. Baquero Torres 2012). Castro Varela weist darauf hin, wie sehr koloniale Pädagogik nicht nur an der Aufrechterhaltung von Gewaltherrschaft in den ehemaligen Kolonialgebieten beteiligt war, sondern „Hand in Hand mit der Ausformulierung pädagogischer Prinzipien in Europa ging, die heute noch leitend sind“ (Castro Varela 2016, 152). Obwohl zunehmend Interesse an postkolonialen Perspektiven im erziehungswissenschaftlichen Fachdiskurs beobachtet werden kann, besteht nach wie vor erheblicher Bedarf, diese noch viel umfassender in Pädagogik und Erziehungswissenschaft – gerade in ihrem gesellschaftskritischen Gehalt – zu berücksichtigen (vgl. Castro Varela 2016, 153).

Aus dem Diskurs um postkoloniale Bildung werden im Folgenden exemplarisch drei Aspekte herausgegriffen, um Verbindungslinien zu institutioneller Diskriminierung und pädagogischem Professionsverständnis zu verdeutlichen.

(1) Postkoloniale Perspektiven legen nahe, binäre Logiken eines „Entweder-Oder“, von Inklusion und Exklusion, die institutionelle Diskriminierung ganz wesentlich mit bedingen, in ihrem weltgesellschaftlichen Gewordensein ins Bewusstsein zu bringen. Im Anschluss an migrationspädagogische Befunde (z.B. Mecheril 2010, Mecheril/Broden 2014, Dogmus et al 2016, Mecheril 2016, Mai et al. 2018) gilt es, homogenisierende Identitätskonstruktionen sowohl mit Blick auf pädagogisches Handeln als auch im erziehungswissenschaftlichen Diskurs kritisch zu hinterfragen. Im Gegenzug werden multiple Zugehörigkeitsverhältnisse und hybride Identitäten stark gemacht. Wesentlich ist hier der Hinweis, Differenzdimensionen weder durch ein additives Verständnis zu reproduzieren noch darin (auch) zum Ausdruck kommende Macht- und Ungleichheitsverhältnisse, mithin ihr geschichtliches Gewordensein im postkolonialen Raum, auszublenden oder zu reifizieren. Dies gilt auch für Ansätze, die Diversität, Heterogenität oder Differenz grundsätzlich bejahen (vgl. Baquero Torres 2012, 321ff.). Damit lenken postkoloniale Perspektiven den Blick auf Differenzkategorien und deren Konstruktion, die wie erwähnt für institutionelle Diskriminierung zentral sind, in Relation zu postkolonialen Macht- und Wissensordnungen.

(2) Ein weiterer Punkt betrifft eine Kontextualisierung der Produktion und Vermittlung auch erziehungswissenschaftlichen und pädagogischen Wissens, indem eurozentrische Wissensordnungen und universalistische Vorstellungen, etwa von Bildung, Lernen, Wissen, Wissenschaft, Arbeit, Beruf etc. kritisch hinterfragt und im postkolonialen Raum verortet werden (vgl. Baquero Torres 2012, 321). Daran schließt an, Inhalte wie sie etwa in Curricula oder Bildungsplänen zum Ausdruck kommen in den Blick zu nehmen. Welche Themen werden behandelt, welche Autor*innen gelesen? Was gilt als „wertvoller“ Lernstoff, was wird thematisiert – und was nicht? Es betrifft weiterhin die Praxis der Lehr-Lern-Kontexte: Wer spricht wie über wen? Welche Sprecher*innenpositionen kommen nicht vor? Welche subjektiven Theorien bringen etwa angehende Lehrkräfte mit und wie sind diese im postkolonialen Raum verortet? Was gilt in schulischen Institutionen als Selbstverständlichkeit, welche „heimlichen Lehrpläne“ bestehen? Dies setzt sich fort auch auf Ebene akademischer Wissensproduktion und universitärer Lehre: Bendix et al (2020) machen deutlich, wie wichtig eine Auseinandersetzung und Kritik akademischer Handlungspraxis ist. Sie identifizieren im Hinblick auf akademische Wissensproduktion drei Ebenen, in denen koloniale Kontinuitäten fortwirken: (a) Die Ebene der Wissensordnungen (Epistemologie, Ontologie), (b) die Ebene der Forschungsmethodologie sowie (c) die Ebene der Institutionen wie Hochschulen, in denen über Curricula ebenso wie über die Einübung eines (berufsspezifischen) Habitus Machtasymmetrien im postkolonialen Raum reproduziert werden (vgl. Bendix et al 2020). Paulin Hountondji formuliert dies so: „Unsere wissenschaftliche Aktivität ist nach Außen gerichtet, sie bezweckt, die theoretischen Bedürfnisse unserer westlichen Gegenüber zu befriedigen und die Fragen zu beantworten, die sie stellen. Die exklusive Verwendung europäischer Sprachen als Medium des wissenschaftlichen Ausdrucks verstärkt diese Entfremdung.“ (Hountondji zit.n. Mbembe 2017, 209). Es wird deutlich, wie tief in die Praxis – vermeintlich – „objektiver“ Wissenschaft hinein postkoloniale Machtverhältnisse in institutionalisierter Weise wirken.

(3) Dies leitet zum dritten Punkt über, der Bedeutung von Sprache, genauer: der asymmetrischen Machtbeziehungen zwischen Sprachen als Ausweise weltgesellschaftlicher Verhältnisse, die ihrerseits mit der Reproduktion sozialer Ungleichheit verwoben sind. Hierauf weist etwa der Kenianische Literaturwissenschaftlicher Ngũgĩ wa Thiong’o hin (Ngũgĩ wa Thiong’o 2017a, Ngũgĩ wa Thiong’o 2017b, 48ff.): Über die offensichtliche Funktion als Kommunikations- und Verständigungsmedium hinaus enthalten Sprachen spezifische Vorstellungen von Identität und Sozialität, die aus den jeweiligen Lebenswirklichkeiten entspringen und oft nicht in einer Fremd-Sprache denkbar und ausdrückbar sind (vgl. Ngũgĩ wa Thiong’o 2017a). Die Dominanz europäischer Sprachen in internationalen Institutionen wie z.B. der UN erscheint nur auf den ersten Blick neutral; im sprachlich Ausdrückbaren repräsentieren sie mindestens zu einem Teil europäische Vorstellungen, Denkweisen und Lebenswirklichkeiten, die als normal und – mit dem Attribut der „Weltsprachen“ versehen – universell erscheinen. Somit gehen im wahrsten Sinne des Wortes lautlos Ausschlüsse einher, die die Dimension von Sprache als Kommunikationsmedium übersteigen. Diese Asymmetrie der Sprachen ist darüber hinaus mit der Geschichte auch sprachlicher Unterdrückung in ehemaligen Kolonien verbunden, in denen die Implementierung der Sprachen der Kolonialmächte in Bildungssystem und Verwaltung mit dem Verbot bzw. einer systematischen Abwertung einheimischer Sprachen, darin verfasster Literatur und ausgedrückten Lebensentwürfen Hand in Hand ging (vgl. Ngũgĩ wa Thiong’o 2017a). Die Nicht-Neutralität von Sprache als wirkungsvoller Mechanismus institutioneller Diskriminierung bricht sich hinunter bis in schulischen Fremdsprachenunterricht: „Fremdsprache ist nicht gleich Fremdsprache. Bilingual ist nicht gleich bilingual. Wenn Sie an Bilingualität denken, welche Sprachen fallen Ihnen ein? Deutsch und Französisch? Deutsch und Englisch? Deutsch und Chinesisch? Sprachen, die sich gut machen im Lebenslauf, in der Wirtschaftswelt, im Arbeitsleben. Sprachen mit Prestige. Dachten Sie auch an Deutsch und Türkisch? Deutsch und Arabisch? Deutsch und Rumänisch? Deutsch und Polnisch? Deutsch und Swahili? Deutsch und Kurdisch? [...] Türkisch lernt man nicht, Türkisch verlernt man“ (Gümüsay 2020, 35f., 37, H.i.O). „Prestige“ jedoch ist nicht zufällig, sondern verweist auf weltgesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse und Differenzkategorien, die Ein- und Ausschlüsse erzeugen. Sprachen sind also auch in Schulen, Universitäten, Verwaltungen etc. Teil institutionalisierter Machtordnungen und Diskriminierungsmechanismen.

5 Schlussbetrachtung

Untersuchungen zu institutioneller Diskriminierung haben die große Bedeutung institutionalisierter Regeln, Routinen, Strukturen und Praktiken bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit auch im Bildungsbereich aufgezeigt. Sie sind nicht nur auf einzelne, abgeschlossen erscheinende Organisationen bzw. Bereiche zu beziehen, da oft vielfache Wechselwirkungen mit anderen gesellschaftlichen Teilbereichen und individuellen Diskriminierungspraktiken bestehen (vgl. Gomolla 2017, 139ff.). In diesem Sinne geht es nicht um ein Entweder – Oder, sondern darum, institutionell abgesicherte Praktiken, Regeln und Routinen in ihrer Selbstverständlichkeit und vermeintlichen „Natürlichkeit“ zu dekonstruieren und diese als eine Form von Diskriminierung (neben anderen, ggf. zeitgleich oder zeitversetzt wirkenden Formen) in ihren Ursachen, Mechanismen und Wirkungen zu untersuchen - auch in und durch Bildung. Unter Rekurs auf die Externalisierungsgesellschaft einerseits, postkoloniale Perspektiven andererseits wurde versucht Mechanismen aufzuzeigen, die unter einer weltgesellschaftlichen Betrachtung Machträume und Ordnungen als normal erscheinen lassen und systematisch absichern. So wesentlich die Opposition gegen diskriminierende Strukturen auf individueller und organisationaler Ebene ist, so begrenzt muss sie bleiben, solange diese Dimensionen nicht mitgedacht werden. Damit bewegen sich Forschungsbeiträge zu institutioneller Diskriminierung nicht nur auf einer rein deskriptiven Ebene, sondern formulieren damit und darüber hinaus auch Gesellschaftskritik (vgl. Hasse/Schmidt 2012, 886).

Die Externalisierungsgesellschaft weist darauf hin, dass Ungleichheits- und Gerechtigkeitsprobleme relational und aufs engste verknüpft mit weltgesellschaftlichen Ungleichheits- und Machtverhältnissen gedacht werden müssen und beschreibt institutionelle Mechanismen, die dafür eine wesentliche Rolle spielen. Das Instrumentarium der Externalisierungsgesellschaft zielt, nicht zuletzt, auch darauf ab, den normativ aufgeladenen, oft moralisierenden Gerechtigkeitsdiskursen eine strukturanalytische Betrachtung entgegenzustellen und Möglichkeiten für immanente Kritik auszuloten. Bildungssysteme stecken möglicherweise in einem besonderen Dilemma, da sie einerseits junge Menschen für ein (Über-)Leben und Arbeiten in der Externalisierungsgesellschaft ausbilden, und gleichzeitig damit an der Reproduktion globaler sozialer Ungleichheit mitwirken. Andererseits trägt Bildung seit jeher die Transformationshoffnung für gesellschaftliche Veränderung in sich. Die spezifische Verfasstheit von Berufsbildungssystemen (und ihrer Erforschung) zwischen Marktförmigkeit und Bildungsauftrag sind hier in ein besonderes Spannungsverhältnis eingelassen. Es erscheint hochinteressant, dem vor dem Hintergrund der Externalisierungsgesellschaft vertieft nachzugehen, da einerseits systemimmanente Reproduktionslogiken in den Blick kommen, andererseits die Frage nach Veränderungsmöglichkeiten (und deren gesellschaftliche Begrenztheit) durch Bildung und Ausbildung zur Diskussion stehen.

Postkoloniale Positionen heben hervor, wie Diskriminierung und Bildungsungleichheit mit globalen Ungleichheitsverhältnissen und Machtstrukturen und dem Fortwirken kolonialer Strukturen und Praktiken in und durch Bildungssysteme(n), zusammengedacht werden können. Pädagogische Handlungspraxis gilt es kritisch zu überprüfen, etwa mit Blick auf Sprache, Curricula und Wissensbestände – aber auch in der Lehrer*innenbildung. Hier finden sich neuere Diskurse (vgl. z.B. Ivanova-Chessex et al i.E.), mit besonderem Augenmerk auf die berufliche Lehrer*innen könnten weitere fruchtbare Anschlüsse denkbar sein (vgl. z.B. Kalisch/Kaiser 2019). So kommen von einer weiteren Seite aus Fragen von Professionsverständnissen und Wissensordnungen in den Blick, die pädagogisches Denken, Handeln und Forschen irritieren. Sie sensibilisieren dafür, eine relationale Perspektive einzuüben und kritisch zu hinterfragen, inwiefern Normen, Regeln, Routinen, Strukturen und Praktiken, durch die institutionelle Diskriminierung sich vollzieht, auch in kolonialen Denkmustern und Legitimationsnarrativen gründen. Diese aktualisieren sich nicht nur mit Blick auf Differenzkategorien, sondern sind auch im Professionswissen der Lehrkräfte verankert.

Beide Perspektiven legen nahe, weltgesellschaftliche Zusammenhänge im Diskurs um institutionalisierte Mechanismen sozialer Ungleichheit im (berufs-)bildenden Bereich stärker zu berücksichtigen, etwa, was die – durchaus unfreiwillige – Beteiligung am Externalisierungsgeschehen auch durch Bildung und Ausbildung betrifft. Es wäre beispielsweise interessant, Auswahlinstrumente oder Rekrutierungspraktiken in der betrieblichen Ausbildung dahingehend zu untersuchen, oder auch die Rolle betrieblicher Ausbilder*innen und Anleiter*innen und deren (implizite) Annahmen, Vorstellungen und Praktiken oder auch Schulungsmaterialien. Gefragt werden könnte zudem, inwiefern vergleichende Berufsbildungsforschung direkt oder indirekt an Kategorienbildungen (z.B. „Entwicklung“, „Kompetenzniveau“, „Leistungsfähigkeit“, etc.) mitwirkt. Auch geraten „heimliche Lehrpläne“ und offizielle Curricula, pädagogisches Handlungswissen und Vorstellungen, Selbstverständnisse und habitualisierte Praktiken in den Blick – auch ganz konkret, was die Gestaltung von Unterricht, Materialien und Stoffauswahl sowie die eigene Rolle, Denkweisen und Selbst-Bilder als Lehrer*in betrifft (vgl. Klinkisch/Rieger-Ladich i.E.). Die Förderung eines selbstreflexiven, kritischen Bewusstseins ist auch und besonders für berufliche Bildungskontexte relevant (vgl. Kaiser 2019), umso mehr, als sie unmittelbar auf das Erlernen von Tätigkeiten in global verfassten Externalisierungsgesellschaften zielen. Lehrende und Lernende, die in Bildungseinrichtungen aller Art aufeinandertreffen, sind aufgefordert, die eigene Positionierung in Relation zum weltgesellschaftlichen Kontext zu reflektieren – aus dem sie nicht ausbrechen, vielleicht aber „involvierte Kritik“ (Messerschmidt 2014, 39) und ein Denken in Konstellationen (ein)üben können, das den gesellschaftlichen Widersprüchlichkeiten auf Struktur- und Handlungsebene Rechnung trägt.   

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[1]    Wenn im Folgenden Begriffe wie „global“ und „weltgesellschaftlich“ verwendet werden, so möchten sie den Fokus in kritischer Absicht auf die vielfältigen Verwobenheiten und Relationen lenken, die vermeintlich klare Grenzen von Organisationen und Institutionen unterlaufen. Gleichzeitig sind diese Begriffe selbst Teil dessen, was zur Kritik steht – auch Vorstellungen und das Sprechen von „der Welt“ oder „dem Globalen“ erfolgen von einem bestimmten Standpunkt (bzw.: Standort) aus, sie haben einen Kontext. Das betrifft auch meine, die Sprecherinnenposition der Autorin. 

[2]    Dies zeigt sich auch in einer Kontroverse um Christian Nerowskis Artikel zu „Leistung als Kriterium von Bildungsgerechtigkeit“ in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (vgl. Nerowski 2018, Repliken von N.Berkemeyer und H.-E.Tenorth in der ZfE 23/2 2020; zu einer interessanten und lesenswerten gesellschaftskritischen und gerechtigkeitstheoretischen Kommentierung Stojanov 2021).

Zitieren des Beitrags

Klinkisch, E.-M. (2022): Soziale Ungleichheit und institutionelle Diskriminierung im postkolonialen Raum. Überlegungen für die berufliche Bildung und (berufs-)pädagogische Professionsverständnisse. In: bwp@ Berufs- und Wirtschafts­päda­gogik – online, Ausgabe 42, 1-20. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe42/klinkisch_bwpat42.pdf (30.06.2022).