bwp@ 42 - Juni 2022

Soziale Ungleichheit und Bildungsgerechtigkeit in der Berufsbildung

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer, Marcus Eckelt & Franz Kaiser

Der Zwang zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss – Die Ausbildungsduldung als ambivalenter Rechtsstatus bei Geflüchteten in unsicheren Aufenthaltssituationen

Beitrag von Katharina Wehking
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Ausbildungsduldung, Geflüchtete, berufliche Bildung, Bildungsinklusion, soziale Ungleichheit

Dieser Beitrag untersucht das bisher kaum beforschte rechtliche Novum der Ausbildungsduldung vor dem Hintergrund seiner Wirkmächtigkeit auf die (Aus-)Bildungsverläufe junger Geflüchteter. Anhand von Interviews mit geflüchteten Auszubildenden in Niedersachsen und Bayern wird die Frage untersucht, inwiefern sich die Ausbildungsduldung, die alleine an die Absolvierung einer Berufsausbildung und damit an das erfolgreiche Erbringen von Integrationsleistungen gekoppelt wird, auf die Ausbildungsverläufe Geflüchteter auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass es für geflüchtete Auszubildende zahlreiche Belastungen und Stressoren gibt, die ihre Ausbildung erschweren. Geflüchtete mit einer (Ausbildungs-)Duldung unterliegen jedoch weiteren Einschränkungen, die sich aus ihrem eingeschränkten juridischen Kapital ergeben. Es lässt sich somit feststellen, dass die Wirkmächtigkeit des Duldungsstatus zahlreiche Ebenen des Ausbildungsverlaufs der Betroffenen direkt beeinflusst oder gar erschwert, sodass Geflüchtete mit einer Duldung eine Ausbildung unter ungleichen sozialen und rechtlichen Bedingungen absolvieren.

The Compulsion to Successfully Complete Training – The ‚Ausbildungsduldung‘ as an Ambivalent Legal Status for Refugees with Uncertain Residence Situations in Germany

English Abstract

This article examines the legal novelty of the so called “Ausbildungsduldung” (Temporary suspension of deportation for the purpose of training; training toleration). Since there is currently not much research on this topic, this article examines the impact of the training toleration on the training trajectories of young refugees.  Based on interviews with refugee trainees in Lower Saxony and Bavaria, the question is investigated to what extent the "Ausbildungsduldung", which is linked solely to the completion of vocational training and thus to the successful performance of integration achievements, has an impact on the educational trajectories of refugees. The results show that there are numerous burdens and stressors for refugee trainees that make their training more difficult, but refugees with an “Ausbildungsduldung” are subject to further restrictions resulting from their limited juridical capital. It can thus be concluded that the effectiveness of the tolerated status directly influences or even impedes numerous levels of the training process of those affected. Thus, refugees with a tolerated status complete their training under unequal social and legal conditions.

1 Einleitung

Die Überwindung nationalstaatlicher Grenzen spielt nicht nur zum eigentlichen Fluchtzeitpunkt eine Rolle, schließlich sind geflüchtete Menschen auch nach der Grenzüberschreitung mit sozialen Hürden in der Ankunftsgesellschaft konfrontiert (vgl. Duemmler 2019, 129). Die folgenreiche Unterscheidung zwischen Staatsangehörigen und Ausländer:innen im Rechts- und Politiksystem (vgl. Scherr/Breit 2020a, 84) führt dazu, dass Geflüchtete – je nachdem, auf welcher aufenthaltsrechtlichen Stufe sie eingeordnet werden – über ungleiche Zugänge zu Systemen von Bildung, sozialer Sicherung, zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt und zum Gesundheitswesen des Aufnahmelandes verfügen (vgl. ebd.; Bauer/Schreyer 2019, 119). Auf gesellschaftsstruktureller Ebene lassen sich Benachteiligungen bei der Erlangung eines rechtlichen Status festmachen, die in ungleicher Aufenthaltssicherheit resultieren (vgl. Bauer/Schreyer 2019, 119; Duemmler 2019, 129). So stellt die aufenthaltsrechtliche Hierarchie eine Ungleichheitsdimension dar, die für alle Menschen, die grenzüberschreitend wandern, relevant wird (vgl. Söhn 2011, 16).  Diese Hierarchisierung wird in der internationalen Forschung als „civic stratification“ (zu deutsch: staatsbürgerliche Stratifizierung (vgl. z. B. Söhn 2011, 17; Bauer/Schreyer 2019, 119)) bezeichnet und beschreibt ein graduell abgestuftes System von Rechten und Teilhabe unterschiedlicher Zuwanderungsgruppen mit inkludierenden und exkludierenden Folgen (vgl. Bauer/Schreyer 2019, 119; Mohr 2005). Während sog. „Denizens“ (z. B. EU Bürger:innen) zwar nicht über die Staatsbürgerschaft verfügen, aber über einen gesicherten Rechtsstatus sowie vollen Zugang zum Arbeitsmarkt, Bildungssystem und zu den sozialen Sicherungssystemen des Aufnahmelandes (vgl. Mohr 2005, 384; Bauer/Schreyer 2019, 120), werden sog. „Margizens“ in ihrem Zugang zu allen zentralen gesellschaftlichen Bereichen (Arbeitsmarkt, Bildung, Wohlfahrt) restringiert (vgl. Scherschel 2010, 240). Zu Letzteren zählen Personen mit ungesichertem Aufenthalt (z. B. Asylsuchende im Asylverfahren), aber auch Personen mit einem Duldungsstatus (vgl. Bauer/Schreyer 2019, 119f.), denn diese nehmen „[…] sowohl in Bezug auf ihre aufenthaltsrechtliche Stellung als auch in Hinblick auf soziale Sicherung eine marginalisierte Position“ (Mohr 2005, 388) ein. Die aufenthaltsrechtliche Stratifikation führt im Ankunftskontext auch zu einer Fremdbestimmung der (Aus-)Bildungschancen und ‑perspektiven junger Menschen mit Duldung (vgl. Bauer/Schreyer 2019, 136; ausführlich für verschiedene Zuwanderergruppen z. B. Söhn 2011; für Geflüchtete z. B. Wehking 2020a), sodass

[…] bei der Analyse der Ausbildungschancen von Menschen mit Duldung also die traditionellen Dimensionen sozialer Ungleichheit wie etwa Geschlecht oder soziale Herkunft um den Rechtsstatus beziehungsweise, allgemeiner, die Institution des Ausländerrechts erweitert werden [muss]“ (Bauer/Schreyer 2019, 120).

Zwar besteht in der (inter-)nationalen Forschung zur „civic stratification“ weitestgehend Konsens darüber, dass der Aufenthaltsstatus eine der zentralen Rollen bei der gesellschaftlichen und beruflichen Positionierung von Geflüchteten spielt. Der Aufenthaltsstatus als Dimension sozialer Ungleichheit wird jedoch durch die Ausbildungsduldung aktuell noch betont (vgl. Bauer/Schreyer 2019, 116). So ist es nach Gesetzesänderungen seit 2016 für Geflüchtete in unsicheren Aufenthaltsverhältnissen möglich, für die Dauer einer qualifizierten Berufsausbildung eine Ausbildungsduldung zu erhalten (§ 60c AufenthG) (vgl. ausführlich Kap. 2).

Mittlerweile liegen zahlreiche Forschungsbefunde vor, die aufzeigen, dass die aufenthaltsrechtliche Stratifizierung zu differentiellen Zugangschancen im Übergang zum Ausbildungsmarkt für junge Geflüchtete führt (vgl. z. B. Müller et al. 2014; Böhme/Mönkedieck 2016; Held/Hackl/Bröse 2018; Wehking 2020a). Die sich daran anschließende Ausbildungssituation von Geflüchteten wurde jedoch bislang nur teilweise in der Forschung aufgegriffen. So existieren zwar einige Untersuchungen zur Situation Geflüchteter (z. B. die IAB-BAMF-SOEP-Studie vgl. z. B. Brücker et al. 2017; die RISE-Studie der Universität Konstanz vgl. z. B. Maué/Schumann/Diehl 2018), hierbei werden andere thematische Schwerpunkte, Bildungsbereiche oder Altersgruppen betrachtet, jedoch nicht die Auswirkungen der aufenthaltsrechtlichen Stratifizierung und Marginalisierung Geflüchteter während der Ausbildung. Bislang wurde der Zusammenhang zwischen dem Rechtsstatus und dem Ausbildungsverlauf von Geflüchteten somit kaum behandelt. Der vorliegende Beitrag möchte hier anknüpfen und präsentiert Forschungsergebnisse eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes, in dem dieses Forschungsdesiderat bearbeitet wird. Das Projekt zielt darauf ab, das bisher kaum beforschte rechtliche Novum der Ausbildungsduldung vor dem Hintergrund seiner Wirkmächtigkeit auf die (Aus-)Bildungsverläufe junger Geflüchteter zu beleuchten. In diesem Beitrag wird anhand von Interviews mit geflüchteten Auszubildenden rekonstruiert, wie sich rechtliche Marginalisierungsprozesse auf die erfolgreiche (Aus-)Bildungsintegration und -situation geflüchteter Jugendlicher auswirken. Hierzu wird zunächst auf den Zugang zur Ausbildung für Geflüchtete und die Einführung der Ausbildungsduldung eingegangen (Kap. 2). Anschließend folgt die theoretische Rahmung, in der auf Theorien sozialer Ungleichheit Bezug genommen und diese auf die Situation Geflüchteter in der beruflichen Bildung übertragen werden. Dabei werden die Grenzen von Bourdieus Bildungsmarkt- und Kapitalsortentheorie hin zum „totalen Flüchtlingsraum“ nach Foucault und Goffman nachgezeichnet (Kap. 3). Im Anschluss werden im Forschungsstand relevante Erkenntnisse zu Geflüchteten in Ausbildung skizziert (Kap. 4). Nachdem im Kapitel 5 auf das methodische Vorgehen des Beitrages eingegangenen wurde, wird sich das Kapitel 6 den empirischen Befunden der Studie widmen. Hierbei wird die Ausbildung für Geflüchtete anhand der analysierten Schlüsselkategorie der „Multifaktoriellen Belastungssituation“ vorgestellt. Der Beitrag endet mit einer Diskussion der zentralen Ergebnisse und einem Ausblick.

2 Der Zugang zur Ausbildung für Geflüchtete und die Einführung der Ausbildungsduldung

Die Ausbildungsbeteiligung und -nachfrage von Personen mit Fluchterfahrung ist nach einem Rückgang während der Coronapandemie wieder deutlich gestiegen. Mit bundesweit knapp 51.720 Auszubildenden (Stand Januar 2022, vgl. Bundesagentur für Arbeit 2022) sind Geflüchtete die derzeit größte Zuwanderergruppe in der beruflichen Bildung (SVR-Forschungsbereich 2020a, 9). Während der Zugang zu betrieblicher Ausbildung für anerkannte Flüchtlinge weitestgehend uneingeschränkt erfolgen kann, ist er für andere Geflüchtete, z. B. aus sog. sicheren Herkunftsstaaten (§ 29a AsylG) vollständig verschlossen (vgl. Wehking 2020a, 98ff.). Auch Personen mit Duldung oder einem abgelehnten Asylantrag war es in der Vergangenheit kaum möglich, Zugang zum Ausbildungsmarkt zu erhalten. Diese Personengruppe steht daher gegenwärtig im Fokus der integrationspolitischen Debatte. Schließlich kann sie nach der Einführung der Ausbildungsduldung, die erstmalig im Integrationsgesetz von 2016 aufgenommen und mit dem am 1.1.2020 in Kraft getretenen Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung weitreichend verändert wurde, einen „Spurwechsel“ vom Asyl- ins Aufenthaltsrecht vollziehen und sich über eine Ausbildung einen längerfristigen Aufenthalt in Deutschland erarbeiten (vgl. SVR-Forschungsbereich 2020a: 5; Der Paritätische Gesamtverband 2020, 4). Mit der Einführung der Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG; sog. „3+2 Regelung“) besteht nun die Möglichkeit, für die im Ausbildungsvertrag bestimmte Dauer der Ausbildung eine Duldung zu erhalten, wenn eine qualifizierte Berufsausbildung aufgenommen wird. Eine qualifizierte Ausbildung liegt bei einer betrieblichen oder schulischen Ausbildung vor, die zu einem staatlich anerkannten oder vergleichbaren Abschluss führt und eine Dauer von mindestens zwei Jahren hat (§ 2 Abs. 12a AufenthG; vgl. Der Paritätische Gesamtverband 2020, 11). Mit dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung von 2020 werden in die Ausbildungsduldung nun auch kürzere staatlich anerkannte Assistenz- und Helfer:innenausbildungen einbezogen, soweit darauf eine qualifizierte Ausbildung in einem Beruf erfolgt, für den die Bundesagentur für Arbeit einen Engpass festgestellt hat (§ 60c AufenthG Abs. 1 S. 1 Nr. 1b). Ausgenommen von der Ausbildungsduldung sind folglich der Besuch allgemeinbildender Schulen und (Fach-)Hochschulen (es sei denn es handelt sich um ein duales Studium, das auch zu einem beruflichen Abschluss führt) (vgl. Der Paritätische Gesamtverband 2020, 11).

Derzeit leben 242.029 Personen mit einer Duldung in Deutschland (vgl. Deutscher Bundestag 2022). Die Zahl der geduldeten Personen ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen (vgl. Wolf 2022). Eine Duldung ist jedoch kein Aufenthaltstitel, sondern bedeutet, dass eine Person eigentlich ausreisepflichtig ist, die Abschiebung aber vorübergehend ausgesetzt ist (§ 60a AufenthG). Es gibt viele verschiedene Duldungsformen. So listet die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. derzeit elf Formen auf (vgl. Komitowski/Eichler 2020). Entsprechend unterschiedlich sind auch die Gründe zur Erteilung einer Duldung. Diese umfassen tatsächliche und rechtliche Gründe, wie z. B. Passlosigkeit oder Reiseunfähigkeit wegen Krankheit (§ 60a AufenthG). Ein weiterer Grund, warum eine Duldung erteilt werden kann, stellt eben seit 2016 die Absolvierung einer Ausbildung dar.

Die Zahl derjenigen, die in eine Ausbildungsduldung mündeten, liegt derzeit bei 8.200 Personen und stieg in den vergangenen Jahren deutlich an (2020: 2.400, 2021: 8.000; vgl. Wolf 2022). Personen mit Ausbildungsduldung, die ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, können unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Kap. 6.2.4) einen Aufenthaltstitel für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung nach § 19d erhalten (die sog. +2 Regelung). Derzeit betrifft dies rund 7.400 Personen (vgl. ebd.). Im Gegensatz zu der Gesamtzahl der Geduldeten in Deutschland zeigt sich somit, dass es bisher nur ein Bruchteil der betroffenen Personen in die Ausbildungsduldung und darüber hinaus in die anschließende rechtmäßige Aufenthaltserlaubnis schafft (vgl. ebd.). Allerdings stellt die Ausbildungsduldung für Menschen aus Ländern mit sog. „schlechter Bleibeperspektive“ oftmals die einzige Möglichkeit dar, in Deutschland bleiben zu können. Demnach waren es bisher vor allem Personen mit einer Ausbildungsduldung, die aus Afghanistan, dem Iran, Irak, Gambia oder Guinea stammten (vgl. ebd.). Für viele Geflüchtete ist eine Berufsausbildung somit nicht nur als Qualifizierung für den Arbeitsmarkt relevant, sondern wird durch die Koppelung an einen möglichen Duldungsstatus von existenzieller Bedeutung für die gesamte Lebenssituation und Zukunftsperspektive (vgl. Scherr/Breit 2020b, 187, 195). Auf die Bedeutung des juridischen Kapitals für die (Aus-)Bildungsintegration wird im nachfolgenden Kapitel mit dem theoretischen Bezugsrahmen konkreter eingegangen.

3 Theoretischer Rahmen

Als Teil eines Sonderforschungsbereichs haben Neumann et al. (2003) bereits in ihren Forschungsergebnissen zu „Flüchtlingsbiografien afrikanischer Jugendlicher“ konstatiert, dass sich die Bildungsverläufe der befragten Jugendlichen aufgrund einer ausgesprochen restriktiven Asyl-, Arbeits- und Bildungspolitik und unzureichender Versorgungs- und Betreuungsstrukturen nur unter sehr erschwerten Bedingungen entwickeln können (vgl. Pohl/Schroeder 2003, 191f.). In Anlehnung an Bourdieus Bildungsmarkt- und Kapitalsortentheorie konstatieren die Forschenden, dass die Jugendlichen aufgrund ihrer erschwerten Lebenslage zu kaum einer Kapitalsorte ungehinderten Zugang haben oder selbstbestimmt darüber verfügen können (vgl. Pohl/Schroeder 2003, 261; Niedrig/Schroeder 2003, 27). So stehe ihnen ein unzureichendes juridisches, ökonomisches und soziales Kapital zur Verfügung, um „in den Feldern der Bildung, Ausbildung und Arbeit ‚ertragreich’ agieren zu können“ (Pohl/Schroeder 2003, 262). Demnach sind junge Menschen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus oftmals

„[…] ausgrenzenden rechtlichen Spielregeln unterworfen und […] von vornherein gar nicht zum Feld der Bildung zugelassen, wo sie in einem vermeintlich freien und fairen Wettbewerb darum konkurrieren könnten, ihr Kapital gewinnbringend in die eigene soziale Positionierung einzubringen.“ (Niedrig/Schroeder 2003, 28).

Zwar sei Bourdieus kapitaltheoretischer Ansatz geeignet, um Formen der Ausgrenzung und sozialen Stratifizierung zu erklären, allerdings impliziere die Bourdieu’sche Metapher eines Bildungsmarktes, einen „‚freien Wettbewerb‘ um Positionen“ (ebd., 27). Trotz aller faktischen Zugangshürden und strukturellen Benachteiligungen deutet der Begriff des Marktes auf einen gewissen Spielraum für Handlungen und für den Einsatz des marktrelevanten Kapitals, den es jedoch für Geflüchtete in unsicheren Aufenthaltssituationen so nicht gebe (vgl. ebd., 28). Aus diesem Grunde erweitern die Forscher:innen ihre theoretische Perspektive um das Paradigma der totalen Institutionen von Erving Goffman und dem Modell stark regulierter Räume von Michel Foucault als Konzept des „totalen Raums“, das angemessener „die spezifischen Strukturen im sozialen Raum der Flüchtlinge“ (Niedrig/Schroeder 2003, 28) erfassen könne. Der „totale Raum“ (ebd., 25) kann beide gesellschaftstheoretischen Analyseperspektiven gewinnbringend miteinander kombinieren, nämlich Bourdieus Theorie des „sozialen Raums“ und Foucaults und Goffmans Theorie „totaler Institutionen“, um gesellschaftliche Kontrollmechanismen herauszuarbeiten (vgl. ebd.). Nach Foucault ist ein Grundzug moderner Gesellschaften, ihre Mitglieder zu kontrollieren, zu klassifizieren und zu kategorisieren – was für Geflüchtete eine extreme Form annehmen kann (vgl. ebd., 28). Da die Handlungsmöglichkeiten und Laufbahnchancen Geflüchteter nur teilweise von den individuellen Kapitalien abhängen und ihr sozialer Raum je nach aufenthaltsrechtlichen Status sehr verschiedene Gestalten annimmt, kann mithilfe der theoretischen Perspektive des „totalen Flüchtlingsraums“ treffender das eng geknüpfte „Netz der Macht und Kontrolle“ (ebd.) analysiert werden.

Das Konzept des „totalen Raums“ bietet eine zielführende theoretische Perspektive für die vorliegende Studie, da es die Aufmerksamkeit auf Dimensionen der maximalen Fremdbestimmung und Ausgrenzungspolitik lenkt (vgl. Neumann et al. 2003, 377). Als Beispiel für eine solch drastische Form der Überwachung und Kontrolle lässt sich die Bestrafung bei Ausbildungsabbruch von Geflüchteten mit Ausbildungsduldung heranziehen. Demnach ist die Bildungseinrichtung bei Abbruch oder Nichtbetreiben der Ausbildung verpflichtet, dies der Ausländerbehörde unverzüglich, d. h. innerhalb von zwei Wochen, schriftlich mitzuteilen (vgl. § 60c Abs. 5 AufenthG). Wird dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro bestraft werden kann (vgl. § 98 Abs. 2a i. V. m. § 98 Abs. 5 AufenthG; Der Paritätische Gesamtverband 2020, 50).

Vor diesem Hintergrund ist es folglich von großem Interesse, herauszufinden, inwiefern sich die Aufenthaltsperspektive der Ausbildungsduldung, die alleine an die erfolgreiche Absolvierung einer Berufsausbildung und damit an das erfolgreiche Erbringen von Integrationsleistungen gekoppelt wird, auf das Wohlbefinden junger Geflüchteter auswirkt. Bevor die empirischen Befunde der Erhebung diskutiert werden, werden jedoch zunächst ausgewählte bestehende Erkenntnisse zu den Ausbildungsverläufen, -erfolgen und -abbrüchen von Geflüchteten im nachfolgenden Forschungsstand präsentiert.

4 Forschungsstand: Ausbildungsverläufe, -erfolge und -abbrüche von geflüchteten Auszubildenden

Obgleich aktuell viele Geflüchtete in eine Berufsausbildung einmünden, sind ihre individuellen Ausbildungsverläufe, -erfolge oder potenziellen -abbrüche aufgrund eingeschränkter empirischer Erkenntnisse bisher schwer nachvollziehbar. Bestehende Forschungsergebnisse verweisen jedoch darauf, dass sich die Aufenthaltsperspektive der Ausbildungsduldung direkt auf die Berufswahl Geflüchteter auswirkt (vgl. Wehking 2020a, 255ff.). Demnach ist diese häufig eher von der Angst, abgeschoben zu werden, geleitet und weniger von ihren individuellen Neigungen, Interessen oder beruflichen Wünschen (vgl. Wehking 2020b, 173). Da die Perspektive bisheriger Forschungen primär auf dem Übergang Geflüchteter in die Ausbildung lag (vgl. z. B. Müller et al. 2014; Böhme/Mönkedieck 2016; Held/Hackl/Bröse 2018; Wehking 2020a), kann auf Basis des aktuellen Forschungsstandes bisher jedoch nicht beantwortet werden, wie sich diese heteronomen Einflüsse der Berufswahl auf die Ausbildungsverläufe der Auszubildenden auswirken.

Aus der Berufswahlforschung ist bereits bekannt, dass die Realisierung von Berufsvorstellungen, ‑wünschen oder zumindest berufswunschnahen Ersatzberufen für einen erfolgreichen Ausbildungsverlauf wichtig ist (z. B. Besener 2009, 24f.). Wenn Jugendliche irgendeine Berufsausbildung wählen, laufen sie Gefahr, die „Zone akzeptabler Berufsalternativen“ (Ratschinski 2009, 60) zu verlassen. Mittlerweile wurde von der Vorstellung persönlichkeitspsychologischer Berufswahltheorien, wie beispielsweise von Holland (1959), dahingehend abgerückt, dass es nur einen „Optimalberuf“ (Beck/Brater/Wegener 1979, 7) für einen Menschen gibt. Das Ausweichen auf einen eignungsverwandten Ersatzberuf bei fehlenden Realisationsoptionen sei daher vergleichsweise unproblematisch (vgl. ebd.). Allerdings konnten Beck, Brater und Wegener (1979, 101) aufzeigen, dass „man keineswegs von einer generellen Austauschbarkeit der Lehrberufe und davon sprechen kann, daß (sic) es letztlich gleichgültig ist, welchen Beruf einer bekommt“. Auch Kutscha, Besener und Debie (2009) haben in einer Studie zu den Belastungen und Problembereichen von Auszubildenden in der Eingangsphase der Berufsausbildung im Einzelhandel darauf hingewiesen, dass sich bei Berufswahlentscheidungen, die nicht mit den Berufsvorstellungen der Auszubildenden übereinstimmen, schon in der Eingangsphase erhebliche Belastungen ergeben, sodass sich ein nicht wunschgemäßer Übergang in eine Berufsausbildung als „berufsbiografischer Stolperstein“ (Besener/Debie 2009, 174) erweisen könnte. Schließlich folgt einem schweren Übergang eine schwierige Anfangsphase der Berufsausbildung (vgl. ebd.). In der Studie werden jedoch weitere fünf Problembereiche identifiziert, die zu Herausforderungen am Beginn der Ausbildung führen können. Demnach wird konstatiert, dass bei neuen Auszubildenden auch die Rollenfindung sowie die neue zeitliche Verpflichtung und entwertete bzw. fehlende Freizeit (vgl. ebd., 63f.) zu Belastungen in der Ausbildungseingangsphase führen können (vgl. Besener 2009, 56ff.). Darüber hinaus kann fehlendes Arbeitsprozesswissen dazu beitragen, dass Auszubildende zu Beginn ihrer Ausbildung Angst haben, Fehler zu machen. Im Zusammenhang mit den neuen betrieblichen Tätigkeiten können ferner Probleme mit der physischen Beanspruchung oder auch Probleme in der Berufsschule entstehen (vgl. Besener 2009, 26ff.; siehe Kapitel 6).

Empirische Befunde verweisen darauf, dass berufliche Fehlentscheidungen, die auf Fehlinformationen, Unwissen über Ausbildungsbedingungen oder nicht erfüllte Berufsvorstellungen beruhen, nicht zwangsläufig zu Problemen während der Ausbildung führen müssen, allerdings zeichnen sich Vertragslösungen in solchen Fällen häufiger ab (vgl. Tratt 2020, 37). Obgleich kaum gesicherte Erkenntnisse über Ausbildungsabbrüche von Geflüchteten vorliegen, lassen sich einige Faktoren identifizieren, die auf ein erhöhtes Risiko von Abbrüchen bei ihnen hinweisen (vgl. z. B. Tratt 2020). So sind beispielsweise die Vertragslösungen im Handwerk am höchsten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 113) – also einer Branche, in die Geflüchtete besonders häufig einmünden. Mit Abbruchquoten zwischen 35 % und 50 % verweisen die Statistiken der Handwerkskammern auf signifikant höhere Abbrüche bei Geflüchteten als bei autochthonen Auszubildenden (vgl. Tratt 2020, 4). Die höheren Vertragslösungen können einerseits damit zusammenhängen, dass die Jugendlichen häufiger auf weniger attraktive Ausbildungsberufe zurückgreifen müssen, die oftmals eine mangelnde Ausbildungsqualität aufweisen (vgl. Euler/Severing 2016, 25). So zeigen gerade die Berufe, die einem Mangel unterliegen und in die Geflüchtete vermehrt einmünden, häufig schlechtere Arbeitsbedingungen auf (vgl. Mulert 2019, 47). Mögliche Erklärungsansätze sind andererseits auch, dass sie häufiger in Berufen ausgebildet werden, die nicht ihrem Ausbildungswunsch entsprechen (vgl. Euler/Severing 2016, 25).

Wenngleich Ausbildungsabbrüche für Jugendliche generell ein biographisch krisenhaftes Lebensereignis darstellen können, nehmen sie für Geflüchtete einen existenzbedrohenden Stellenwert ein. Demnach könnte ein Abbruch zu einem Verlust des Aufenthaltsrechts führen, da die Duldung erlischt, sofern die Ausbildung abgebrochen wird (§ 60c Abs. 4 AufenthG). Sie erhalten dann zwar für ein halbes Jahr eine Duldung, um sich einen neuen Ausbildungsplatz suchen zu können (§ 60c Abs. 6 AufenthG), allerdings ist bisher nicht bekannt, wie die Jugendlichen eine derartige Umorientierung bewältigen und wie erfolgreich sie hierbei sind. Zudem wird darauf verwiesen, dass solche rechtlichen Regularien mit einem hohen Leistungsdruck und einer Gefahr von psychischen Erkrankungen einhergehen, da nur erfolgreiche Auszubildende eine Aufenthaltsperspektive erhalten (vgl. Böhme 2018, 64). Gewerkschaften und Forschende warnen vor einem erhöhten Risiko der Ausbeutung, Unsicherheiten auf Seiten der Auszubildenden und der Unternehmen sowie großer Zukunftsangst für die Betroffenen, wenn die Aufenthaltssicherheit alleine von einem Ausbildungsverhältnis abhängt (vgl. DGB 2019, 33; SVR-Forschungsbereich 2020b, 22). Neben der rechtlichen Marginalisierung deuten aktuelle Befunde auf weitere Faktoren hin, die einen Ausbildungserfolg Geflüchteter zusätzlich gefährden können. Demnach kann der Ausbildungserfolg gefährdet sein, wenn die Jugendlichen ohne ausreichende sprachliche oder fachliche Vorbereitung eine Ausbildungsaufnahme anstreben, da sie eine Ausbildungsduldung avisieren (vgl. SVR-Forschungsbereich 2020a, 5). So weisen viele Jugendliche einen hohen Sprachförderbedarf in Deutsch auf, da sie aufgrund des Zeit- und Handlungsdrucks oftmals zu schnell in eine Ausbildung einmünden (vgl. Wehking 2020a, 375). Riedl und Simml (vgl. 2018, 16) machen darauf aufmerksam, dass die sprachlichen Fähigkeiten zwar für den betrieblichen Ausbildungsteil ausreichend seien, Ausbilder:innen und Lehrkräfte jedoch Bedenken haben, ob die Jugendlichen dem regulären Berufsschulunterricht folgen (vgl. Simml/Riedl 2017, 12) oder bei Prüfungen bestehen könnten (vgl. Riedl/Simml 2018, 16). Der SVR-Forschungsbereich (2020a, 5) warnt davor, dass in der Folge selbst die Hochmotivierten ihre Ausbildung abbrechen könnten, weil sie die schulischen Anforderungen (noch) nicht erfüllen. Psychische Belastungen aufgrund von Erfahrungen vor, während und nach der Flucht (vgl. SVR-Forschungsbereich 2020b, 25), Stressoren aufgrund der erschwerten Lebenslage, z. B. die Wohnsituation in Gemeinschaftsunterkünften (vgl. ebd.) oder Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen in den Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben (vgl. Scherr/Breit 2020b; Huke 2020) werden für geflüchtete Auszubildende als zusätzliche ausbildungsgefährdende Faktoren diskutiert.

In Theorie und Empirie zeigt sich folglich, dass der Weg zu einem qualifizierten Berufsabschluss für Geflüchtete mit erheblichen sozialen und rechtlichen Hürden behaftet ist. Es stellt sich die Frage, inwiefern sich die permanente rechtliche Unsicherheit und die fragile Gesamtsituation auf die erfolgreiche (Aus‑)Bildungsintegration und -situation Geflüchteter auswirkt. Hieraus ergibt sich das zentrale Ziel der vorliegenden Studie, nämlich Aufschluss darüber zu erhalten, wie die individuellen Ausbildungskarrieren durch die rechtlichen Rahmenbedingungen geformt werden. Hierzu folgt die Studie einem qualitativen Forschungsdesign, das im nachfolgenden Kapitel skizziert wird.  

5 Method(olog)ischer Zugang und Struktur des Samples

Die vorliegende Studie ist im Rahmen eines von der DFG geförderten Projektes mit dem Titel „Auswirkungen der Ausbildungsduldung auf die Bildungsintegration geflüchteter Jugendlicher – Eine partizipative Längsschnittstudie“ entstanden (Laufzeit 09/2021 bis 10/2022). Hierbei wurde ein offener, sinnverstehender Zugang mittels qualitativer Verfahren zum empirischen Feld gewählt, um die Bedingungen der Ausbildungsintegration im Anschluss an die Sichtweisen junger Geflüchteter als auch berufliche Veränderungsprozesse, ihre Strategien sowie ihren Umgang mit Krisen oder Diskontinuitäten zu erfassen. Da gegenwärtig gesellschaftlich wie auch wissenschaftlich häufig über die berufliche Teilhabe Geflüchteter diskutiert wird, nicht aber mit ihnen (vgl. Held/Hackl/Bröse 2018, 10), wird in dieser Studie mit einem subjektorientierten Zugang eine authentische Erfassung ihrer Sichtweisen angestrebt. Die Studie folgt dem iterativ-zyklischen Prozesscharakter der Grounded Theory Methodologie, bei dem Datenerhebung, -analyse und Theoriebildung parallel erfolgt (vgl. Strübing 2014, 11). Das Analyseverfahren folgt dabei der pragmatistischen Variante nach Strauss (1998) bzw. Strauss und Corbin (1996).

Der Zugang zu den subjektiven Erfahrungen der Auszubildenden erfolgt primär mithilfe problemzentrierter Interviews (vgl. Witzel 2000). Um den längsschnittlichen und partizipativen Ansatz des Vorhabens zu betonen, wird das Erhebungsdesign um eine innovative Videovoice-Methode ergänzt (vgl. Haw/Hadfield 2011, 85ff.). Mithilfe einer videobasierten Erhebung ist es möglich, tiefere Einblicke in die Lebenswelt der Jugendlichen zu erhalten und sich den Ausbildungsalltag längsschnittlich aus ihrer Perspektive dokumentieren zu lassen. Die Jugendlichen erhalten nach den Interviews die Aufgabe, Szenen ihrer Ausbildung in Kurzvideos mit ihrem Smartphone aufzuzeichnen. Sie können somit ihre Geschichte selbst erzählen und nah am Forschungsprozess beteiligt werden. Für den vorliegenden Artikel werden jedoch ausschließlich die bisherigen Analyseergebnisse aus den problemzentrierten Interviews berichtet. Dieses Erhebungsverfahren bietet den Vorteil, dass es einerseits die Deutungen und Handlungen der Jugendlichen in ihren Ausbildungsverläufen erfassen, verstehen und erklären kann. Da sich ihre Sichtweisen und Orientierungen im Zeitverlauf jedoch ändern können, lassen sich mittels problemzentrierter Interviews andererseits auch ihre Erfahrungen in einem biografischen Zusammenhang betrachten.

Die Datenbasis für den vorliegenden Beitrag bilden 23 Interviews mit geflüchteten Auszubildenden aus Niedersachsen und Bayern. Diese beiden Bundesländer wurden ausgewählt, um eine gewisse Varianz über das Bundesgebiet zu realisieren, da sich Bildungszugänge und Rechtsauslegung bezüglich der Ausbildungsduldung (vgl. Bauer/Schreyer 2019, 113) zwischen den Bundesländern unterscheiden. Ferner wird mit der Berücksichtigung unterschiedlicher Bundesländer auch eine Varianz hinsichtlich der regionalen Ausbildungsmarktlage erzielt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 133). Wenngleich eine hohe Variation durch die biografischen und ausbildungsmarktrelevanten Faktoren angestrebt wird, erfolgt das Sampling primär entlang des vorliegenden Erkenntnisinteresses und berücksichtigt vor allem Personen mit Ausbildungsduldung („Margizens“). Um maximale Kontrastfälle aufzunehmen, werden auch „Denizens“ berücksichtigt – also Auszubildende mit anerkanntem Fluchtstatus. Sie können als Vergleichsfälle mit sonst ähnlichen biografischen und ausbildungsmarktrelevanten Ausgangsbedingungen als maximale Kontraste aufklären, inwiefern sich tatsächlich der Rechtsstatus auf die Ausbildungsverläufe auswirkt. Der Zugang zum Feld hat sich aufgrund der Coronapandemie sowie bestehender Skepsis auf Seiten der Betriebe und der geflüchteten Auszubildenden gegenüber wissenschaftlichen Befragungen als recht schwierig erwiesen. Die Kontaktaufnahme zu möglichen Befragten wurde daher sehr breit über Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, über Berufsschulen in Niedersachsen sowie über Vereine und Organisationen der Flüchtlingshilfe und Flüchtlingssozialarbeit realisiert.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich das Sample wie folgt: Von den 23 befragten Personen sind fünf Personen weiblich, 18 Befragte sind männlich. Die Herkunftsländer variieren zwischen Afghanistan (7), Syrien (3), Iran (3), Pakistan (2), Irak (2), Mali (2), Gambia (1), Somalia (1), Sudan (1) und Saudi-Arabien (1). Die Aufenthaltsdauer in Deutschland ist sehr unterschiedlich. Während zwei Personen bereits seit 2013 bzw. 2014 in Deutschland sind, sind die meisten Befragten in den Jahren 2015 (8) und 2016 (7) gekommen. Weitere Personen sind 2017 (3), 2018 (2) und 2019 (1) nach Deutschland geflüchtet. Das Alter der Befragten variiert ebenfalls deutlich: Während die jüngsten Befragten zwischen 18 und 22 Jahre (9) alt sind, sind die ältesten Befragten zwischen 31 und 36 (5) und eine Person sogar 40 Jahre (1) alt. Acht Befragte sind als unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Der Aufenthaltsstatus der Befragten, der im Fokus des analytischen Interesses steht, gliedert sich wie folgt auf: Elf Befragte sind gegenwärtig in einer Ausbildungsduldung (7), in einer anderen Duldungsform (2) oder waren in einer Ausbildungsduldung (2) und haben jetzt einen Aufenthaltstitel nach § 19d. Letztere können entsprechen retrospektiv über ihre Erfahrungen in der Ausbildung mit einer Ausbildungsduldung berichten. Zwei Personen haben gegenwärtig noch eine Aufenthaltsgestattung, die Personen während eines laufenden Asylverfahrens erhalten. Weitere sechs Personen haben einen Aufenthaltstitel nach § 25 AufenthG (aus humanitären Gründen) oder nach § 25a AufenthG (bei gut integrierten Jugendlichen). Weitere drei Personen haben eine nicht näher ausgeführte „Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre“ und eine Befragte hat eine Niederlassungserlaubnis.

Das Sampling erfolgte primär entlang der Auswahl nach Aufenthaltssituation und Wohnort, nicht entlang der Ausbildungsberufe oder -jahre. Entsprechend sind diese sehr divers im Sample vorzufinden. Die meisten Befragten sind im ersten Ausbildungsjahr (9), jeweils drei Personen sind im zweiten und dritten, und zwei Personen im vierten Ausbildungsjahr (einer davon aufgrund von Wiederholung). Fünf Befragte haben ihre Ausbildung bereits abgeschlossen. Eine weitere Person hat seine Ausbildung als Zahnmedizinischer Fachangestellter abgebrochen und befindet sich auf Ausbildungsstellensuche. Drei weibliche Befragte machen eine Ausbildung im sozialen Bereich als Sozialassistentin (2) und Erzieherin (1). Die anderen Befragten befinden oder befanden sich in unterschiedlichen Ausbildungsberufen als Elektroniker:in (5) (z. B. Informationstechnik und Energie- und Gebäudetechnik), in den Ausbildungsberufen als Koch (4), Landschaftsgärtner (2), Verkäufer (2) und Einzelhandelskaufmann (1), Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (1), Maler und Lackierer (1), Zahntechniker (1), Industriekaufmann (1) und Speditionskauffrau (1).

6 Empirische Befunde: Die Ausbildung bei Geflüchteten als „Multifaktorielle Belastungssituation“

Im Folgenden werden die Ergebnisse aus der Datenanalyse präsentiert. Dabei werden die empirischen Befunde um das zentrale Phänomen der Ausbildung als „Multifaktorielle Belastungssituation“ verdichtet. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisinteresses der Studie werden im nachfolgenden Kapitel die von den Befragten empfundenen Hürden und Barrieren im Ausbildungsverlauf vorgestellt. Zur Visualisierung der zentralen Analyseerkenntnisse dient die Abbildung 1, in der deutlich wird, dass sich die Ergebnisse für geduldete Auszubildende über drei Belastungsbereiche aufspannen lassen. Demnach erleben sie Belastungen als Auszubildende generell, als geflüchtete Auszubildende und Belastungen, die sich aufgrund ihres eingeschränkten juridischen Kapitals als Auszubildende mit einer (Ausbildungs-)Duldung ergeben.

Abbildung 1: Übersicht über die Analyseergebnisse: Die Ausbildung für Geflüchtete als multifaktorielle BelastungssituationAbbildung 1: Übersicht über die Analyseergebnisse: Die Ausbildung für Geflüchtete als multifaktorielle Belastungssituation

Demnach wurde in der Analyse der Daten deutlich, dass für Geflüchtete als neue Auszubildende zu Beginn einer Ausbildung Herausforderungen und Problembereiche auftreten können, die jedoch für Auszubildende generell berichtet werden. In Anlehnung an die Studie von Kutscha, Besener und Debie (2009) (siehe Kapitel 4) lassen sich auch für Geflüchtete die sechs identifizierten Problembereiche feststellen – nämlich, dass der Übergang in die Ausbildung nicht immer wunschgemäß erfolgte, fehlendes Arbeitsprozesswissen zu Angst vor Fehlern führen kann, hohe physische Beanspruchung im Zusammenhang mit den betrieblichen Tätigkeiten auftauchen können, die neue Rollenfindung und Anpassung an den Zeitrhythmus von den Auszubildenden als schwierig empfunden werden sowie Probleme in der Berufsschule feststellbar sind (siehe Abbildung 1). Gerade jene Herausforderungen, die neue Auszubildene in der Ausbildungseingangsphase generell erleben, werden exemplarisch im nachfolgenden Zitat sehr deutlich:

B2: „Dann habe ich Ausbildung begonnen. Ja ähm Berufsschule hat mir eigentlich die sehr Schwierigkeiten=Arbeit auch und Betrieb auch sehr viel Schwierigkeit gehabt, aber ja mit Geduld, Zeit und Motivation habe ich (lacht) zweites= zweites Jahr jetzt habe ich geschafft.“ (B2, Z. 40-43)

In der Analyse der Gespräche mit geflüchteten Auszubildenden wurde jedoch ersichtlich, dass für sie weitere Herausforderungen im Ausbildungsverlauf entstehen können, die im Zusammenhang mit ihrer Migrations- bzw. Fluchterfahrung stehen. Demnach erleben geflüchtete Auszubildende unabhängig ihres Aufenthaltsstatus nicht nur Belastungen, die für Auszubildende generell entstehen können, sondern weitere Hürden und Barrieren für Auszubildende mit einer Fluchterfahrung, wie der Befragte B21 resümiert.

B21: „Bei Elektroniker ist das so, habe ich gehört. Für Deutsche sogar es ist ein bisschen schwer. Für die Kollegen und die sind ja auch hier geboren und so. Für den auch schwer und für mich natürlich es ist doppelt.“ (B21, Z. 182-186)

Insgesamt wurden sechs weitere Belastungsbereiche identifiziert, die Auszubildende mit einem Fluchthintergrund auf dem Weg zu einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss zu überwinden haben (siehe Abbildung 1). Demnach werden die Ausbildungsentscheidungen oft pragmatisch getroffen, die Betroffenen berichten über Probleme im Zusammenhang mit ihren als eingeschränkt wahrgenommenen Deutschsprachkenntnissen und die Berufsschule und Theorie stellen oftmals eine Hürde für den erfolgreichen Ausbildungsverlauf dar. Es lassen sich ferner hohe zeitliche Belastungen identifizieren, die im Zusammenhang mit dem Besuch von Sprachkursen oder Nachhilfeunterricht entstehen. Zudem können weitere Stressoren analysiert werden, die sich aus der Fluchterfahrung oder im Zusammenhang mit der biografischen Vorgeschichte sowie Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen im Betrieb und Berufsschule ergeben. Insgesamt kann das Konglomerat der empfundenen Belastungen zu gesundheitlichen Einschränkungen bei den betroffenen Auszubildenden führen.

Darüber hinaus wird jedoch auch deutlich, dass Auszubildende mit einem Duldungsstatus weitere Belastungen während ihrer Ausbildung bewältigen müssen, sodass sie in vielerlei Hinsicht eine Ausbildung unter ungleichen Bedingungen absolvieren, wie der Befragte B9 treffend zusammenfasst: „Aber gerade mit den Duldung ist halt immer alles schwierig“ (B9, Z. 234; Hervorh. KW). Für die geflüchteten Auszubildenden mit einer (Ausbildungs-)Duldung wurden weitere fünf Belastungsbereiche analysiert (siehe Abbildung 1). Hierzu gehört, dass der Übergang in eine Berufsausbildung zur Überlebensstrategie wird, während des Ausbildungsverlaufs eine rechtliche Unsicherheit und Unkenntnis über die Aufenthaltsperspektive besteht und eine bürokratische Belastung (z. B. durch die Ausländerbehörde) empfunden wird. Ferner erleben die Befragten eine schwierige Wohnsituation und Einsamkeit, die durch das bestehende Reiseverbot für Geduldete zusätzlich verschärft wird.

Das nachfolgende Kapitel wird nach den analysierten Hauptkategorien strukturiert, die induktiv gebildet wurden. Zunächst werden zusammenfassend die Ergebnisse präsentiert, die alle geflüchteten Auszubildenden unabhängig ihres aufenthaltsrechtlichen Status betreffen (Kapitel 6.1). Anschließend werden die spezifischen Einschränkungen der Ausbildungsduldung thematisiert, die auf die Ausbildungsverläufe von Geflüchteten mit einem Duldungsstatus wirken und dazu führen, dass sie eine Ausbildung unter ungleichen sozialen und rechtlichen Bedingungen absolvieren (Kapitel 6.2).

6.1 Belastungen von geflüchteten Auszubildenden im Ausbildungsverlauf

Wie der aktuelle Berufsbildungsbericht verdeutlicht (vgl. BIBB 2022, 213), zeichnet sich bereits der Übergang in eine vollqualifizierende Ausbildung für Geflüchtete häufiger problembehaftet ab. Auch die Befragten im Sample berichten von wenig Zeit bei der Ausbildungsstellensuche und pragmatischen Berufswahlentscheidungen, die eher situativ (bspw. aus Praktika heraus), kurzfristig und spontan und weniger wunschgemäß getroffen werden. Damit decken sich diese Erkenntnisse mit den Ergebnissen zur Berufswahl von Geflüchteten, die Wehking (2020a) als Berufspragmatismus beschrieben hat.

B10: „Ja ich wollte was machen und ich hab nichts gefunden äh außer Koch und dann hab ich angefangen. Einfach. Weil ich wollte was machen und dann […] die [eine Flüchtlingshelferin] hat gesagt ‚ja da gibt ein Platz‘ und dann hab ich auch genehmigt fertig aus.“ (B10, Z. 130-133)

Allerdings kann sich ein nicht wunschgemäßer Ausbildungsberuf sehr deutlich als Stress- bzw. Belastungsfaktor für den Ausbildungsverlauf erweisen, wie im Zitat von B15 sehr aufgezeigt wird. Schließlich ist aus der Berufswahlforschung bekannt, dass die Realisation von Berufsvorstellungen für den Ausbildungserfolg relevant ist (vgl. Seifert 1989, 611) und schwierige Übergänge zu schwierigen Ausbildungsverläufen führen können (vgl. Besener/Debie 2009, 174) (siehe Kapitel 4).

B15: „Am Anfang wollte ich niemals ja Zahntechniker machen. Hatte ich gar keinen Spaß gehabt die Kollegen alle waren nett, aber […] ich habe immer gelogen. Mit meinem Chef oder den anderen: Das macht mir Spaß und so. Aber das war eine Stress eigentlich.“ (B15, Z. 187-190)

Als weiteren Belastungsfaktor für die Ausbildungsverläufe erweisen sich die von den Befragten als eingeschränkt wahrgenommenen Deutschsprachkenntnisse. Sie werden von allen Befragten im Sample als eine der größten Schwierigkeiten und eines der massivsten Probleme für den Ausbildungserfolg gesehen. Demnach werden Herausforderungen angesprochen, beispielsweise wenn es um den direkten Kund:innenkontakt im Betrieb oder am Telefon geht.

B1: „Was mir gar keinen Spaß macht? Ähm nur manchmal wenn ich Telefonate habe, wo ich dann denke, boah das verstehe ich gar nicht ne. Ich weiß ja gar nicht worum es geht. Ich kann dem Kunden nicht helfen […] Aber das ist halt so ein Punkt, wo ich manchmal denke so, ich hätte dem Kunden gerne jetzt selber geholfen ne.“ (B1, Z. 208-214)

Es wird deutlich, dass die Befragten ihre sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten sowie die Verwendung unterschiedlicher Sprachregister im Ausbildungskontext herausfordernd empfinden. Die sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten und die für die Ausbildung erforderlichen Sprachkompetenzen (vgl. z. B. Efing 2012) werden an dieser Stelle jedoch nicht weiter analysiert bzw. bewertet. Vielmehr soll herausgestellt werden, dass die Deutschsprachkompetenzen dann zu einem weiteren Belastungsfaktor werden können, wenn die Befragten hierdurch Schwierigkeiten empfinden, in der Berufsschule oder dem Theorieteil ihrer Ausbildung zu folgen sowie bei Prüfungen zu bestehen. An dieser Stelle decken sich die Ergebnisse mit den Erkenntnissen aus dem Forschungsstand (vgl. Riedl/Simml 2018; Simml/Riedl 2017), nach denen sprachliche Herausforderungen weniger im Betrieb als im Kontext der Berufsschule erlebt werden.

B6: „Ich hab Praxis geschafft, aber Theorie nicht. Ein bisschen Schwierigkeiten gehabt in Sprache.“ (B6, Z. 227-228)

B17: „Also für mich Thema Lernen und so schwer. Wenn ist Thema Kochen, ich kann. Wenn jetzt ich mach 20 praktische Prüfungen, ich glaube, ich bestehe alle. […] Aber wenn du sagst jetzt ‚Mach 20 schriftlich‘, ich glaube, ich bestehe keine. Ich bin jetzt dabei, zu lernen, zum Nachhilfe bekommen, Ja. Wir gucken nächstes Mal. Ich hab nur noch eine Chance und ich will das bestehen.“ (B17, Z. 387-392)

Einige Befragte berichten gar von Angst (B4: „Praktisch ich habe keine Angst, Schule ist ein bisschen schwer.“ (B4, Z. 628f.)) oder von ihrer Abneigung (B17: „Keinen Bock auf der Schule. Ich hasse Schule.“ (B17, Z. 483)) gegenüber der Berufsschule. Schließlich kumulieren sich in der Schule die Herausforderungen mit der deutschen Sprache und Schwierigkeiten mit bestimmten „Fächern“, wie beispielsweise Politik, Sozialkunde oder Wirtschaft.

B19: „Bei den Arbeit läuft alles gut, aber in die Schule da war ein bisschen schwierig mit den Sprache, mit dem Politik ich hab [weiß] gar nichts über den Politik hier ((lacht))“ (B19, Z. 212-216)

Die negativen Assoziationen, die die Befragten zum Teil mit der Berufsschule verbinden, sind auch darauf zurückzuführen, dass die Rolle der Lehrkräfte sehr ambivalent wahrgenommen wird. Zwar berichten einige Befragte auch von unterstützenden Lehrkräften (z. B. „Der Lehrer war auch sehr nett, haben uns immer unterstützt […] und erklärt und so.“ (B20, Z. 439f.)), allerdings werden schulische Probleme häufig auch mit den Lehrkräften verbunden oder auf diese zurückgeführt. Demnach sei es bei einigen Lehrkräften schwierig, dem Unterricht zu folgen oder die Aufgabenstellungen zu verstehen. Für den theoretischen Teil der Ausbildung sehen einige Befragte zudem nicht ausreichend Unterstützung durch die Schule und würden sich hier mehr Hilfe in bzw. durch die Schule wünschen.

B3: „Genau ähm, was ich für ein Problem habe ist in der Berufsschule. Weil die alle Schüler, entweder also hier geboren sind oder hier aufgewachsen also die alle sind Muttersprachler also von hier. Und die Lehrer äh Lehrer sprechen sooo undeutlich, sooo schnell sooo leise äh genau und ich kann kaum verstehen.“ (B3, Z. 204-208)

Die Erkenntnisse decken sich mit anderen Studien, in denen sich schlechte Erfahrungen in den (Berufs-)Schulen identifizieren lassen und vor allem im Zusammenhang mit Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen stehen (z. B. Calmbach/Edwards 2019, 64; El-Mafaalani/Kemper 2017, 204). Auch im vorliegenden Sample scheinen vor allem soziale Aspekte, nicht nur zwischen den Befragten und einigen Lehrkräften, sondern auch zwischen den Befragten und den Mitschüler:innen zu Antipathien gegenüber der Berufsschule zu führen. Demnach werden Erlebnisse von Ausgrenzung bei Teamarbeit, von Einsamkeit oder auch von dem Gefühl der Nichtakzeptanz in der Schule berichtet. Zudem werden Erfahrungen geteilt, bei denen Lehrkräfte eher Verhinderer als Unterstützer:innen für die Ausbildungswege von Geflüchteten waren, beispielsweise wenn Falschinformationen zu bestimmten Ausbildungen genannt werden.

B3: „Beispielsweise müssen wir manchmal […] Teamarbeit haben und 3 Jungen setzten neben mir und wir müssen miteinander diskutieren und über was sprechen, aber sie sie ignorieren mich […] die akzeptieren mich gar nicht […] deswegen bin ich immer im Unterricht alleine.“ (B3, Z. 220-248)

B17: „[…] Lehrer hat mir gesagt: ‚Das geht nicht und dass du musst Realschule haben und so oder Abitur.‘ Hab ich halt gesagt: ‚Abitur für eine Koch-Ausbildung? Ich glaube, das brauch ich nicht‘.“ (B17, Z. 201-204)

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich einige Befragte eher an ihre Kolleg:innen, Chef:innen oder Ausbilder:innen im Betrieb wenden, wenn sie Fragen zu Inhalten oder Aufgabenstellungen in der Schule haben. Zumal die Befragten ohnehin von außergewöhnlich großer Unterstützung durch ihre Arbeitgeber:innen beispielsweise beim Deutschspracherwerb oder der fachlichen Nachhilfe berichten, sodass das Engagement weit über das eigentliche Ausbilden reicht und den Ausbildungserfolg unterstützt.

B21: „Oh wenn ich irgendwas in der Schule habe, ich sage normalerweise mein Chef oder so. Das war schon bei Lernen. Wenn ich Nachhilfe brauche, habe ich im Betrieb hier gesagt (B21, Z. 297-299)

B15: „Und im letzten Lehrjahr der Chef hatte mich immer nach Hause eingeladen jedes Wochenende einen Tag von 10 bis ähm halb 5 sowas. Wir haben immer zusammen gelernt und gesprochen und alles. Ja, das im letzte Lehrjahr ungefähr sechs Monate haben wir zusammen gelernt und ich habe meine Ausbildung geschafft wegen meinem Chef.“ (B15, Z. 141-146)

Doch nicht nur aus dem schulischen Kontext, sondern auch aus dem Ausbildungsbetrieb werden durch die Befragten Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen geschildert. Diese Benachteiligungen oder Beleidigungen gehen entweder von Kolleg:innen, Chef:innen oder auch von den Kund:innen aus und führen bei den Betroffenen zu Wut und Traurigkeit. Wie bereits Huke (2020) in der Studie „Ganz unten in der Hierarchie“ deutlich gemacht hat, erschwert die Tatsache, dass ein Verlust des Ausbildungsplatzes unter Umständen das Aufenthaltsrecht bedroht, sich gegen Rassismus und Diskriminierung in der Schule oder im Betrieb zu wehren.

B8: „Leu= Leute manchmal= Leute diskriminieren auch. […] Ä:::h Beleidigung, Beleidigung und äh ja, Beleidigung. […] Ko::lle::gen auch ah. Ein paar Kunden, aber wenig Kunden. […] War sehr traurig. Ich bin geweint. (B8, Z. 189-223)

Neben den beschriebenen Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen ergeben sich weitere Stressoren im Ausbildungsverlauf geflüchteter Auszubildender, die im Zusammenhang mit ihrer Fluchterfahrung sowie biografischen Vorgeschichte stehen. Zudem erleben geflüchtete Auszubildende eine erhöhte zeitliche Belastung, wie sich im Weiteren zeigen wird. Aufgrund der beschriebenen eingeschränkten Deutschsprachkenntnisse und oftmals fehlenden Grundlagen in einigen Fächern berichten fast alle Befragten, dass sie Nachhilfeunterricht oder Deutschsprachkurse nach der Arbeits- oder Schulzeit oder am Wochenende in Anspruch nehmen. Viele der befragten Auszubildenden besuchen auch mehrere Nachhilfen gleichzeitig. Sie stellen eine hohe zusätzliche zeitliche Belastung neben der Ausbildung dar und führen dazu, dass die Auszubildenden weniger Regenerationszeit haben. Kurz vor der Prüfungszeit nimmt die zeitliche Beanspruchung noch einmal zu. Hier werden die Nachhilfen teilweise mehrmals in der Woche und am Wochenende besucht als auch zusätzlicher privat organisierter Nachhilfeunterricht mit Klassenkamerad:innen, den Chef:innen oder freiwilligen Flüchtlingshelfer:innen organisiert.

B4: „Das ist= Reicht. Ich kann nicht mehr. Immer Unterricht. […] Das ist reicht, ich glaube. Montag habe ich Schule und Donnerstag und äh Montag nach der Schule habe ich Nachhilfe in der Schule. Und äh wenn die Agentur für Arbeit bezahlt für den Kurs und ich hoffe so sein, aber wenn so passiert und ich gehe zwischendurch nach der Arbeit dahin. […] Da ist eine Stunde/eineinhalb Stunden.“ (B4, Z. 822-830)

Als Auswirkungen dieser erlebten Mehrfachbelastungen berichten die Befragten von gesundheitlichen Einschränkungen, die sich sowohl psychisch als auch physisch äußern. So erzählen sie von Kopfschmerzen von den langen Unterrichts- und Nachhilfezeiten oder den kontinuierlichen kognitiven Leistungen durch die ständig zu erbringenden Übersetzungen. Auch von Depressionen wird berichtet, die aus den zum Teil sehr traumatischen Fluchterfahrungen oder Erlebnissen im Herkunftsland resultieren.

B12: „Was man ähm man in die Schule lernt ist anspruchsvolles Deutsch. […] Und das braucht extrem viel Zeit, extrem viel Energie. […] Weil wenn man nicht versteht und weiterlernt, dann bekommt man dadurch Kopfschmerz= ich habe zumindest Kopfschmerzen bekommen. (B12, Z. 234-236)

B4: „Ich hatte richtig Depressionen. Ich hatte Angst vor Leuten […] Ich konnte nicht mit Leuten reden. Ich konnte nicht in der Schule fragen etwas. Wenn ich nicht verstehe und die Lehrerin fragt, verstehst du? Ich habe= Wenn ich nicht verstehe, ich sage ja ich habe es verstanden.“ (B4, Z. 836-839)

Gerade die biografische Vorgeschichte, die Fluchterfahrung oder auch die Unsicherheit über die oftmals in den Herkunftsländern zurückgebliebenen Familien können die Ausbildungsverläufe der geflüchteten Auszubildenden zusätzlich belasten (siehe Kapitel 6.2.3). So zeigen sich bei einigen Befragten Probleme im Betrieb oder in der Schule, wenn sie sich aufgrund von Sorge um die Eltern oder Familienangehörigen nicht konzentrieren können. Zudem werden im Ausbildungsbetrieb auch nicht immer alle Informationen zur biografischen oder familiären Vorgeschichte geteilt, was zu zusätzlichen Stress in der Ausbildung führen kann, weil einige bedeutende Aspekte des Lebens verheimlicht werden (müssen). Einerseits könnte dies darauf zurückzuführen sein, dass die Auszubildenden Angst vor der Reaktion ihrer Kolleg:innen haben (z. B. bei B3, deren Mutter im Gefängnis im Iran ist) oder dass die Kolleg:innen, wie der Befragte B4 erwartet, gar nicht verstehen können, was ein „schweres Leben“ bedeutet.

B3: „[…] das, was ich jetzt äh gleich euch sage ist Geheimnis keiner weiß hier [im Betrieb] […] meine Mutter ist leider im Gefängnis. Sie hat eine Animation produziert ähm gegen Politik und zwar im Iran ist nicht wie hier […] darf man nicht laut sagen ich bin gegen Politik“ (B3, Z. 66-68)

B4: „Alle wissen […] wenn ich bei der Arbeit bin, ich rede nicht viel. […] alle sagen [B4] warum redest du nicht? […] Und ich kann nicht auch über mein Leben vor allen=vor jedem erzählen, weil die manche verstehen und manche verstehen nicht. Wenn ich mein Leben erzähle, vielleicht er oder sie versteht gar nicht, weil der weiß gar nicht über schwere Leben.“ (B4, Z. 892-903)

Die Ergebnisse zeigen auf, dass es für geflüchtete Auszubildende zahlreiche Belastungen und Stressoren gibt, die ihren Ausbildungsverlauf erschweren. Im Folgenden werden die Ergebnisse vorgestellt, die sich auf die spezifische Situation von geduldeten Auszubildenden beziehen. Hierbei wird deutlich, dass Auszubildende mit einer (Ausbildungs-)Duldung weiteren Belastungen unterliegen, die sich aus ihrem eingeschränkten juridischen Kapital ergeben. Es lässt sich somit feststellen, dass die Wirkmächtigkeit des Duldungsstatus zahlreiche Ebenen des Ausbildungsverlaufs der Betroffenen direkt beeinflusst oder gar erschwert.

6.2 Die Wirkmächtigkeit der (Ausbildungs-)Duldung auf die Ausbildungsverläufe

Die Ergebnisse zu den Belastungen von geflüchteten Auszubildenden mit (Ausbildungs-) Duldung werden in vier Abschnitten vorgestellt. Hierbei wird auf den Übergang in Ausbildung als Überlebensstrategie, auf die rechtliche Unsicherheit der Befragten, auf die Einsamkeit und das bestehende Reiseverbot für Geduldete und schließlich auf ihre schwierige Wohnsituation eingegangen.

6.2.1 Der Übergang in die Berufsausbildung wird zur Überlebensstrategie

In Kapitel 6.1 wurde bereits ausgeführt, dass der Übergang in eine Ausbildung für Geflüchtete häufig pragmatisch erfolgt. Auch für Geflüchtete mit Duldungsstatus lässt sich feststellen, dass die Berufswahl oftmals nicht wunschgemäß verläuft. Während eine Berufsausbildung, die nicht wunschgemäß getroffen wurde, mit erheblichen Belastungen für die Auszubildenden einhergeht, kann sie für die Geflüchteten mit Duldungsstatus zu einer Extrembelastung führen. Schließlich ist eine Ausbildung für Geflüchtete mit Ausbildungsduldung existenziell: Ihr Aufenthalt und das weitere Leben in Deutschland hängen alleine von der Absolvierung ihrer Ausbildung ab. So berichtet beispielsweise der Befragte B12, dass er entgegen seiner Berufspräferenzen eine Ausbildung als zahnmedizinischer Fachangestellter begann, da er einen negativen Asylbescheid erhalten hatte. Um seinen Aufenthalt mithilfe einer Ausbildungsduldung sichern zu können, musste er folglich schnell eine Berufswahlentscheidung treffen. Obgleich er versucht hat, seine Ausbildung weiterzuführen, hat er sie schließlich abgebrochen, weil diese einfach nicht passend für ihn war.

B12: „Ich hab den Ausbildung angefangen, damit ich in Deutschland bleiben kann. Das war nicht eine ähh Beruf wo ich gerne gearbeitet hab […] Es war so ich hatte Ablehnung und von andererseits ich war in Afghanistan sehr bedroht. […] Ich hab einfach irgendwas angefangen das war zahnmedizinischer Bereich […] Ich habe auch versucht, diese Ausbildung abzuschließen. Ging's nicht, weil war einfach nicht meins. Dann habe ich auch abgebrochen vor kurzem.“ (B12, Z. 123-131)

Auch wenn die nicht passende bzw. nicht wunschgemäße Berufsausbildung bei B12 zu einem Ausbildungsabbruch führte, kommt dieser nicht bei allen Befragten infrage, da die Ausbildung eine solch existenzielle Bedeutung einnimmt. Vielmehr wird bei den Befragten mit einer Ausbildungsduldung das Weiterbetreiben der Ausbildung bzw. ein Durchhalten der Ausbildung beschrieben. Eine Ausbildung ist bei ihnen alternativlos, da die Angst einer Abschiebung bei den Betroffenen besteht. Wie in Kapitel 2 beschrieben, bedeutet ein Duldungsstatus schließlich lediglich, dass eine Abschiebung ausgesetzt wird. Eine Duldung ist folglich kein Aufenthaltstitel und verschafft den betroffenen Personen keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland. Auch wenn die Ausbildung als schwierig oder als nicht wunschgemäß beschrieben wird, wird die Ausbildung – wie B12 drastisch verdeutlicht – zu einer Überlebensstrategie, bei der versucht wird, der extremen Belastung standzuhalten.

B12: „Das war schwierig, ich musste einfach das durchziehen. Ich mein Ausbildung, Arbeiten ich hatte mir so vorgestellt: Okay ich arbeite, um zu überleben“ (B12, Z. 358-360).

B4: „Egal, das gefällt mir nicht, aber muss ich machen, wenn ich in Deutschland bleiben will, dann muss ich es machen. […] Ich versuche so weitermachen meine Ausbildung fertig jetzt.“ (B4, Z. 367-373)

An dieser Stelle wird in Rückbindung an das in Kapitel 3 aufgestellte theoretische Konstrukt des totalen Flüchtlingsraums das engmaschige Netz aus Macht und Kontrolle deutlich, das sich für Geflüchtete mit Ausbildungsduldung aufgrund ihrer prekären aufenthaltsrechtlichen Position ergibt und sowohl im Übergang zu als auch im Verlauf der Ausbildung zu einer Marginalisierung und eingeschränkten beruflichen Handlungsfähigkeit führt. Demnach findet sich der totale Flüchtlingsraum ganz deutlich inhaltlich und sprachlich („Arbeiten, um zu überleben“; „muss ich machen“) in den Interviews wieder. Hierbei wird eben auch die Fremdbestimmung erkennbar, die sich aufgrund der marginalisierten aufenthaltsrechtlichen Stratifizierung ergibt. Demnach ist den Betroffenen sehr bewusst, was sie machen müssen, um in Deutschland bleiben zu dürfen. So ist es Geflüchteten aufgrund ihrer unsicheren Aufenthaltssituation oftmals gar nicht möglich, alternative Qualifikationswege – wie bspw. ein Studium oder einen weiteren Schulbesuch zu verfolgen. Schließlich sieht es der Gesetzgeber für Menschen in unsicheren Aufenthaltssituationen mit der Ausbildungsduldung vor, eine Teilhabe an Berufsausbildung und nicht etwa in weiterführenden Schulen oder im Studium zu ermöglichen. Anhand des nachfolgenden Zitats von B21 lässt sich auch hier exemplarisch verdeutlichen, wie eng die Grenzen des totalen Flüchtlingsraums gesetzt werden („hat man mir auch nicht erlaubt“), sodass nachvollziehbar wird, dass Geflüchtete mit Ausbildungsduldung nicht ohne weiteres ihr marktrelevantes Kapital einsetzen oder aufbauen können, um in den Feldern der Ausbildung und Arbeit wunschgemäß und ertragreich agieren zu können (vgl. Pohl/Schroeder 2003, 191f.).

B21: „Weil sogar Ausbildung hat sehr lange gedauert mit der Genehmigung und ich wollte eigentlich bevor ich Ausbildung mache, ich wollte irgendwie Realschulabschluss machen, aber hat mir auch nicht erlaubt. Genau. Deswegen also Ausbildung war letzte äh, was ich machen kann.“ (B21, Z. 119-122; Hervorh. KW)

6.2.2 Rechtliche Unsicherheit und Unkenntnis als Belastung im Ausbildungsverlauf

Die meisten Befragten im Sample mit einer Duldung haben eine Ausbildungsduldung für die Dauer ihrer Berufsausbildung. Zwei Befragte haben eine andere Form der Duldung, die sogar jeden Monat, alle drei Monate oder alle sechs Monate verlängert werden muss (B3: „Ähm, ich muss jede 6 Monate meinen Ausweis verlängern.“ (B3, Z. 578) und B9: „Ich hab einfach ne normale= also ne Duldung, die halt jeden Monat oder jede drei Monate halt erneut wird.“ (B9, Z. 155-157)). Die betroffenen Befragten sind sich sehr bewusst darüber, dass die Duldung kein Aufenthaltstitel ist und lediglich eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung bedeutet. Die Angst einer potenziellen Abschiebung schwebt somit auch während der Ausbildung wie ein Damoklesschwert über die Betroffenen. Dies kann selbstverständlich zu einem erhöhten Leistungsdruck führen, die Ausbildung schaffen zu müssen. Demnach zeigt sich der totale Flüchtlingsraum nicht nur sprachlich und inhaltlich in den Gesprächen, sondern auch emotional bei den Befragten, die von einer andauernden Angst berichten, die aus der latenten Gefahr der Abschiebung resultiert. 

B10: „Ne Ne ich hab ich hab immer Angst gehabt. Weil vielleicht irgendwann sie schieben mich ab und ich hab immer Angst gehabt so ich war nicht sicher, weil ich hatte keinen Aufenthalt […].“ (B10, Z. 213-215)

Bereits die Zeit vor dem Ausbildungsbeginn ist mit sehr viel Stress und Unsicherheiten verbunden. Nicht nur die eigentliche Ausbildungssuche, sondern die sich daran anschließende bürokratische Hürde, eine Ausbildungsduldung zu erhalten, belastet einige der Befragten sehr. Da der Erhalt einer Ausbildungsduldung von der Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung abhängig ist, werden oftmals damit verbundene Schwierigkeiten berichtet, die als sehr belastend empfunden werden. Schließlich ist die Passbeschaffung aus einigen Ländern (fast) unmöglich, wie B14 konstatiert:

B14: „[…] dann musste ich hier erstmal eine Ausbildung zu anfangen undso= Also danach musste ich eine Pass holen von Afghanistan!“ (B14, Z. 202)

Demnach zeigen sich die Anforderungen der Ausländerbehörde nicht nur als bürokratische Belastung, sondern auch als zeitlicher Ballast, der den Auszubildenden oftmals während der bereits begonnenen Ausbildungszeit zusätzlich auferlegt ist, wie B14 weiter ausführt.

B14: „Und immer wieder die [Ausländerbehörde] wollen was Neues. […] Ich geh da hin und da= Ich lasse meinen lern= also ich muss auch natürlich lernen fürn= für Berufsschule und ich muss auch arbeiten.“ (B14, Z. 348-352)

Die zusätzlichen bürokratischen Anforderungen und der damit verbundene zeitliche Aufwand führen bei den Befragten zu einem hohen Stresslevel, wie der Befragte B15 über seine Erfahrungen mit der Ausländerbehörde und dem Warten auf eine Arbeitserlaubnis resümiert:

B15: „[…] ich hatte zweimal […] geschrieben […] zur Ausländerbehörde, dass ich eine Erlaubnis habe. […] Und ich warte seit vier oder fünf Monaten auf Erlaubnis. […] Ja muss ich ehrlich sagen, es ist überall Stress, immer.“ (B15, Z. 307-315)

Problematisch ist jedoch auch, dass nicht nur die bürokratischen Anforderungen sehr hoch sind, sondern das gesamte rechtliche System und die damit verbundenen Strukturen sehr komplex und dynamisch und für die betroffenen Befragten nur schwer zu verstehen sind. Es zeigt sich in den Gesprächen wiederkehrend, dass eine große rechtliche Unwissenheit bei den Befragten besteht. Dies führt auch dazu, dass die Befragten ihre eigenen Rechte, aber auch ihre weitere Bleibeperspektive in Deutschland oftmals zu wenig kennen.

B4: „Wieder habe ich einen Brief von der Ausländerbehörde bekommen und ja steht, du musst Deutschland verlassen. Ich habe gesagt, ich versuche hierzubleiben. Was soll ich machen? Ich verstehe nicht, was soll ich machen?“ (B4, Z. 345-350)

6.2.3 Einsamkeit und Reiseverbot als Belastung im Ausbildungsverlauf

Geflüchtete Jugendliche sind oftmals dazu gezwungen, alleine zu migrieren, sodass sich ihre Bedürfnisse oftmals von anderen Migrant:innengruppen unterscheiden (vgl. Reinke/Kärner/Ringeisen 2022). Auch im Sample sind die Befragten – bis auf fünf Befragte – alleine und ohne ihre Familien in Deutschland. Sie berichten, dass sie ihre Familien und ihre Eltern schmerzlich vermissen und sich wünschten, sie wiedersehen zu können. Gerade die Einsamkeit macht viele Befragte unglücklich und stellt bei ihnen einen hohen Belastungsfaktor während der Ausbildung dar.

B4: „[…] Ich sage immer, hier auch zu meinen Kollegen, scheiße alleine ist es scheiße. Ich mag nicht allein. Ich kann nicht mehr, ehrlich. […] Alleine ist sehr schwer. Und ich will meine Mutter sehen und meine Familie sehen.“ (B4, Z. 519-528)

B15: „Ähm muss ich ehrlich sagen, im Grunde bin ich nicht glücklich.“ (B15, Z. 286)

Obgleich viele Befragte ihre Familien gerne wiedersehen würden, ist eine Reise zu ihnen nicht ohne weiteres möglich. Schließlich sind Auslandsreisen für Menschen mit einer Duldung als auch mit einer Aufenthaltsgestattung nicht gestattet. Würden die Befragten mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung Deutschland verlassen, würden sie ihre Aufenthaltsgestattung oder Duldung verlieren und dürften nicht wieder nach Deutschland einreisen (§60a Abs. 5 AufenthG). Somit findet sich der totale Flüchtlingsraum nicht nur inhaltlich, sprachlich und emotional in den Gesprächen wieder, sondern de facto und de jure durch eine konkrete räumliche Begrenzung (siehe auch nachfolgenden Abschnitt zum Umzug). Diese räumliche Einschränkung hat direkte Auswirkungen auf die Ausbildungsverläufe, die sich in einem doppelten Leistungsdruck manifestieren. Demnach wird für die Befragten mit einer Ausbildungsduldung die Ausbildung nicht nur zur Überlebensstrategie in Deutschland bleiben zu können, sondern eine erfolgreich absolvierte Ausbildung wird auch zur – auf den ersten Blick paradox erscheinenden – Strategie, Deutschland wieder verlassen zu können. Dadurch dass einige der Befragten ihre Familien und Eltern so schmerzlich vermissen, wird das Ende der Ausbildung bereits entgegengesehnt, um anschließend einen Aufenthaltstitel zu erhalten (die sog. +2 Regelung). Wurde die Ausbildung erfolgreich absolviert, liegt ein Arbeitsvertrag vor und werden weitere Anforderungen (z. B. Passvorlage, Lebensunterhalt sichern) erfüllt, erhalten Menschen mit Ausbildungsduldung anschließend i. d. R. einen Aufenthaltstitel nach § 19d und damit auch die Möglichkeit, reisen zu können. Der Druck, die Ausbildung erfolgreich zu bestehen, wird damit für die Betroffenen noch einmal erhöht, weil hieran unmittelbar ihre persönlichen Hoffnungen, Zielsetzungen und Wünsche gekoppelt sind. Ein Scheitern in der Ausbildung würde bedeuten, dass das Wiedersehen mit ihren Familien erneut nach hinten rückt.

B19: „Ja ja hab ich großes Angst [die Ausbildung nicht zu bestehen] […] Die Zeugnis bedeutet zu mir nicht nur Zeugnis, das ich arbeite oder bin ich Koch. Das bedeutet mir alles das. Bedeutet, dass ich kann endlich meine Familie sehen, ich kann endlich Deutschland verlassen, ich kann endlich reisen, mach ich, was ich möchte oder mach ich, was ich liebe ((lautes ein- und ausatmen) so ja. Ich hatte großes Angst eigentlich, großes Angst.“ (B19, Z. 412-419)

6.2.4 Schwierige Wohnsituation als zusätzliche Belastung während der Ausbildung

Als letzter Aspekt im Rahmen der Vorstellung der Datenanalyse folgt noch die schwierige Wohnsituation, in der sich die Befragten zum Teil befinden und die sich negativ auf die Ausbildungsverläufe auswirken kann. Die Befragten berichten, dass es für sie als ausländische Person eine Schwierigkeit darstellt, überhaupt eine eigene Wohnung zu finden und es für die Befragten in München zusätzlich problematisch ist, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Für die Personen mit einer Ausbildungsduldung ist es jedoch nach der Ausbildung essentiell, über ausreichenden Wohnraum zu verfügen (vgl. § 19d Abs. 1 S. 2 AufenthG), da dies eine der Voraussetzungen ist, einen Aufenthaltstitel nach § 19d (die sog. +2 Regel) im Anschluss an die Ausbildungsduldung zu erhalten.

B8: „[…] Wohnung bekommen und Ausländer-Leute ist auch schwer. Wenn Beispiel ich, ich sehe äh ä::h Anzeige äh oder ich höre ähm jemanden gibt’s Wohnung frei, dann ich ruf= ich hatte Schwierigkeiten mit. Jetzt auch äh. Ich kann nicht sprechen wie ein Deutscher oder ein aufgewachsen hier.“ (B8, Z. 126-130)

Insgesamt stellt der Duldungsstatus auch hier wieder einen erschwerenden Faktor dar. Schließlich kann eine Wohnsitzauflage für die Betroffenen bestehen. Bei einer Wohnsitzauflage wird die Person verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (§ 61 Abs. 1d AufenthG). Das ist i. d. R. der Wohnort, an dem die Person zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag der jeweiligen Person ändern (vgl. ebd.). Für die Befragten kann die Wohnsitzauflage einen negativen Einfluss auf den Ausbildungsverlauf haben, beispielsweise wenn der Ausbildungsbetrieb weit entfernt oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwierig zu erreichen ist. Möchten die Befragten für ihre Ausbildung umziehen, zeigen sich auch hier wieder zusätzliche Belastungen, die sich für sie aufgrund ihrer Rechtssituation ergeben. Einige Befragte berichten, dass ihren Anträgen auf Umzug nicht stattgegeben wurde oder dass sie sehr lange auf die Genehmigung der Ausländerbehörde für ihren Umzug warten mussten. Wenn die Auszubildenden eine Wohnung gefunden haben, kann es schließlich vorkommen, dass sie ihre Zusage wieder verlieren, wenn sie zu lange auf eine Genehmigung der Ausländerbehörde warten müssen, was erneut zusätzliche Belastung und Stress im Ausbildungsverlauf verursacht.

B15: „[…] dann nach zwei Monaten habe ich Ausbildungserlaubnis bekommen und bin ich immer jeden Tag zweieinhalb Stunden habe ich immer gefahren – von einer Seite! […] Das ungefähr fünf Stunden am Tag gewesen, ja? Dann habe ich zwei dreimal habe ich […] eine Brief geschrieben zur Ausländerbehörde, […] Wollte ich hier umziehen. Die haben das auch nicht gemacht. Die haben mich nach [Ort] geschickt. Bin ich dort gewohnt und das war auch ungefähr eine eineinhalb Stunden Dauer unterwegs von einer Seite. Genau das war auch schwierig. Und dann habe ich meine Ausbildung von dort fertig abgeschlossen. […].“ (B15, Z. 267-277)

Auch an dieser Stelle wird die Wirksamkeit des theoretischen Konstrukts des totalen Flüchtlingsraums deutlich. Es ist offenkundig, dass die Betroffenen hinsichtlich der Möglichkeiten des Umzugs räumlichen Beschränkungen unterliegen. Was jedoch ebenfalls deutlich wird, ist die Tatsache, dass die geduldeten Auszubildenden der ständigen Kontrolle der Ausländerbehörde unterliegen. Die in Kapitel 3 beschriebene foucaultsche Kontrolle der Mitglieder einer modernen Gesellschaft nimmt für geduldete Auszubildende demnach eine sehr extreme Form an. Ihr aufenthaltsrechtlicher Status – so wird es im obigen Zitat sehr deutlich – hat durch die räumliche Beschränkung und die kontinuierliche Kontrolle und Klassifikation durch die Ausländerbehörde an dieser Stelle ganz unmittelbare negative Auswirkungen auf das erfolgreiche Betreiben der Ausbildung.

7 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

Ein Ausbildungsbeginn ist für viele junge Menschen mit Problemen verbunden, schließlich müssen sich neue Auszubildende mit Kompromissen zu ihrem Wunschberuf, Angst vor Fehlern, einer neuen Rollenfindung oder der Anpassung an einen neuen Zeitrhythmus arrangieren (vgl. Kutscha/Besener/Debie 2009). Für Geflüchtete – so wurde aufgezeigt – kommen einige Hürden, Stressoren und Belastungsfaktoren hinzu, die in ihren Ausbildungsverläufen zu überwinden sind. In der Analyse wurde auch deutlich, dass Geflüchtete mit einem Duldungsstatus nicht nur eben jene Probleme von Auszubildenden generell sowie die Belastungsfaktoren, die sich im Zusammenhang der Fluchterfahrung ergeben, während ihrer Ausbildung zu bewältigen haben. Bei ihnen kommen aufgrund des eingeschränkten juridischen Kapitals weitere Belastungsfaktoren hinzu. Da ihr Duldungsstatus bedeutet, dass die Abschiebung lediglich ausgesetzt ist, schwebt die Angst, Deutschland wieder verlassen zu müssen, wie ein Damoklesschwert über ihre Ausbildungsverläufe. Es zeigt sich, dass ein doppelter Leistungsdruck besteht, die Ausbildung schaffen zu müssen. So wird die Ausbildung zu einer Überlebensstrategie, den Aufenthalt in Deutschland sichern zu können und es besteht der Zwang zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss, um im Anschluss an die Ausbildung einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Eben jene meritokratische Verknüpfung, die Einzug in die deutsche Flüchtlingspolitik erhalten hat und die Aufenthaltssicherheit mit Ausbildungs- und Arbeitsmarkterfolg verbindet, wird gegenwärtig kritisch diskutiert (vgl. Schamann 2019; Schreyer/Bauer/Lakew 2022). Schließlich können trotz des großzügigen Engagements durch die Arbeitgeber:innen (siehe Kapitel 6.1) starke Abhängigkeiten während der Ausbildung entstehen, die sich negativ auf die berufliche Handlungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Auszubildenden auswirken können (vgl. Schreyer/Bauer/Lakew 2022). Vor diesem Hintergrund lässt sich bspw. erklären, dass Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen im Betrieb und in der Berufsschule eher ertragen werden, da ein Verlust des Ausbildungsplatzes unter Umständen das Aufenthaltsrecht bedrohen würde (vgl. Huke 2020; siehe Kapitel 6.1).

Im Beitrag wurde deutlich, dass die Ausbildungsduldung sicherlich für viele Menschen ein geeignetes Instrument darstellt, nach langen Bildungsunterbrechungen oder zum Teil jahrelangen Fluchtrouten wieder an Bildung partizipieren zu können. So sehen auch die Befragten im Sample die Vorteile, die eine absolvierte Berufsausbildung in Deutschland mit sich bringt. Allerdings zeigt sich auch, dass der Weg bis zu einem erfolgreichen Abschluss durch die dargestellten prekären Bedingungen sehr mühsam ist. So können sich geflüchtete, vor allem aber geduldete Auszubildende nicht alleine auf ihre Ausbildung konzentrieren, da sie rechtlichen und sozialen Ungleichheiten unterliegen, die ihre Ausbildungsverläufe negativ beeinflussen können. Somit lässt sich resümieren, dass die Ausbildungsduldung ein ambivalentes Rechtsinstrument bei Geflüchteten in unsicheren Aufenthaltssituationen darstellt. Da Menschen mit einer (Ausbildungs-)Duldung in der rechtlichen Hierarchie (civic stratification) eine sehr marginalisierte Position einnehmen (vgl. Mohr 2005, 388), sind die beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten im Übergang zur und während der Berufsausbildung sehr begrenzt. Mithilfe des theoretischen Konstrukts des totalen Flüchtlingsraums wurde in diesem Beitrag sehr deutlich, wie eng geknüpft das „Netz der Macht und Kontrolle“ (Niedrig/Schroeder 2003, 28) und wie hoch die Dimension der Fremdbestimmung (hier v.a. durch die Ausländerbehörde) für geduldete Menschen ausfallen. So wurde der totale Flüchtlingsraum auf unterschiedlichen Ebenen sprachlich (Ausbildung machen müssen), inhaltlich (Ausbildung zum Überleben) und emotional (Angst haben), aber auch ganz deutlich in den beschränkten juridischen und damit örtlichen Begrenzungen (z. B. kein Umzug, Reiseverbot) in den Gesprächen sichtbar (siehe ausführlich Kap. 6.2).

Vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl an Menschen mit einer Duldung in Deutschland auf der einen und des Fachkräftebedarfs auf der anderen Seite sollte der Gesetzgeber die prekären Aufenthaltsbedingungen, die sich negativ auf die Ausbildungs- und Beschäftigungsverläufe von geduldeten Menschen auswirken können, dringend verbessern. Mit der Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts wurde hier bereits ein erster Schritt durch die Ampelregierung getan, auch wenn hiervon nicht alle geduldeten Menschen in Deutschland profitieren werden. Auch die Ausbildungsduldung soll überarbeitet werden, sodass anstelle einer Duldung künftig bereits während der Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (vgl. z. B. Schreyer 2022). Für die jungen Menschen in Ausbildung wäre dies ein wichtiger Schritt, um Rechtssicherheit zu erlangen und ihre Ausbildungssituation zumindest in rechtlicher Hinsicht zu verbessern. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse bedarf es jedoch noch weiterer Verbesserungen, um auch die sozialen Bedingungen während der Ausbildungsverläufe zu optimieren. So brauche es einer verstärkten Aufklärung in den Betrieben und Berufsschulen, um auf die Mehrfachbelastungen, denen geflüchtete Auszubildende unterliegen, aufmerksam zu machen. Gerade der zusätzliche zeitliche Bedarf durch Bürokratie, Nachhilfe oder Sprachkurse, der auch zu Abstinenz in Betrieb und Schule führen kann, sollte hier stärker thematisiert werden. Zudem könnte das Modell der gestreckten Ausbildung in Erwägung gezogen werden, um Geflüchtete während ihrer Ausbildung zeitlich zu entlasten. Insgesamt bedarf es in diesem Zusammenhang jedoch noch weiterer Forschung. Einerseits wären aus empirischer Perspektive längsschnittliche Daten wünschenswert, die geduldete Auszubildende über eine längere Zeitspanne begleiten. Eine solche Erfassung ist zwar im vorliegenden Projekt vorgesehen, aber für diesen Beitrag noch nicht in die Analyse eingeflossen. Andererseits könnte weitere Forschung über die hier vorliegende Subjektperspektive weitere relevante Akteur:innen einbeziehen. Vor allem die Rolle der Lehrkräfte, der Ausbilder:innen und Arbeitgeber:innen sowie weiterer Institutionen und Organisationen (z. B die Ausländerbehörden) könnten im Sinne einer Multiakteursperspektive zukünftig stärker berücksichtigt werden. Eine weitere Limitation des vorliegenden Beitrages stellt die thematische Engführung auf die Probleme und Stressoren im Ausbildungsverlauf Geflüchteter dar. Hierbei soll Erwähnung finden, dass es selbstverständlich auch Gelingensfaktoren und Beispiele guter Praxis gibt, die zu erfolgreichen Ausbildungsverläufen führen und keinesfalls eine ausschließlich defizitorientierte Interpretation der Daten erfolgt. Dabei möchte ich an dieser Stelle auch herausstellen, dass Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Flucht- und Migrationserfahrung in diesem Beitrag berichtet wurden, nicht als Defizitzuschreibung gegenüber den geflüchteten Auszubildenden zu verstehen sind. Schließlich hat sich gezeigt, dass nicht der Fluchthintergrund der erklärende Sachverhalt für schwierige Übergänge und Ausbildungsverläufe darstellt, sondern die gegebenen rechtlichen und sozialen Bedingungen schwierige Rahmenbedingungen für die jungen Menschen evozieren. Am Ende dieses Beitrages soll daher darauf hingewiesen werden, dass die befragten jungen Menschen trotz dieser Gegebenheiten nicht in Fatalismus verfallen, sondern trotz der eingeschränkten Bedingungen im totalen Flüchtlingsraum ihre Möglichkeiten zum selbstbestimmten Handeln suchen und wahrnehmen und eine ausgeprägte resiliente Haltung entwickeln, wie der Befragte B12 über seine Zukunft trefflich zusammenfasst: „Den Kampf werde ich zuletzt aufgeben“ (B12, Z. 465).

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Zitieren des Beitrags

Wehking, K. (2022): Der Zwang zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss – Die Ausbildungsduldung als ambivalenter Rechtsstatus bei Geflüchteten in unsicheren Aufenthaltssituationen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschafts­päda­gogik – online, Ausgabe 42, 1-28. Online: https://www.bwpat.de/ausgabe42/wehking_bwpat42.pdf (16.10.2022).