bwp@ Spezial PH-AT2 - April 2023

Diversität in der Berufsbildung in Österreich, Deutschland und der Schweiz – Perspektiven aus Forschung, Entwicklung und Bildungspraxis

Hrsg.: Sabine Albert, Karin Heinrichs, Ingrid Hotarek & Sabine Zenz

Kulturspezifische Anforderungen an Lehrende in beruflichen Ausbildungsprozessen. Interkulturelle Kompetenz als Element der pflegepädagogischen Kompetenz

Beitrag von Marcus Mittenzwei
Schlüsselwörter: Interkulturelle Kompetenz, Chancengleichheit, Pflegeberufliche Bildung, Lehrendenbildung

Die kulturelle Heterogenität von Menschen kann auch im beruflichen Bildungssystem zu einer Benachteiligung führen. Eine interkulturelle Kompetenz von Lehrenden im beruflichen Bildungssystem kann hierbei als zentrale Schlüsselkompetenz erkannt werden, um Chancengleichheit zu ermöglichen. Die vorliegende qualitative Analyse generiert unterschiedliche Elemente einer interkulturellen Kompetenz für Lehrende der pflegeberuflichen Bildung in Deutschland. Neben expliziten Elementen dieser interkulturellen pflegepädagogischen Kompetenz werden auch interkulturelle Implikationen in den Bereich der Lehrendenbildung ermöglicht (vgl. Mittenzwei 2020). Der Beitrag verdeutlicht die große Bedeutung eines flexiblen und offenen Kulturbegriffs, die mögliche Generierung von Heterogenität durch Lehrende selbst, aber auch die Unterstützung der Diversity Education für die pflegepädagogische Profession. Eine spezifische interkulturelle Kommunikations- und Reflexionskompetenz fördern als wesentliche Querschnittskompetenzen die Realisierung der Chancengleichheit in pflegeberuflichen Bildungsprozessen.

Culture-specific requirements for teachers in vocational training processes. Intercultural competence as an element of nursing pedagogical competence

English Abstract

The cultural heterogeneity of individuals can also lead to disadvantages in the vocational education system. Intercultural competence of teachers in the vocational education system can be recognized as a central key competence to enable equal opportunities. The present qualitative analysis generates different elements of intercultural competence for teachers of nursing vocational education in Germany. Besides explicit elements of this intercultural nursing pedagogical competence, intercultural implications in the field of teacher education are enabled (cf. Mittenzwei 2020). The paper illustrates the great importance of a flexible and open concept of culture, the possible generation of heterogeneity by teachers and the support of diversity education for the nursing pedagogical profession. A specific intercultural communication and reflection competence promotes as essential cross-sectional competencies the realization of equal opportunities within the nursing vocational education process.

1 Einleitung

Der Fokus des berufspädagogischen Personals liegt auf unterschiedlichen dynamischen Wandlungsprozessen in der Arbeitswelt. Diesen muss durch spezifische Konzepte und erforderliche Strukturen begegnet werden. Zu diesen Wandlungsimpulsen gehört auch die kulturelle Heterogenität der Lernenden in beruflichen Bildungsprozessen. Lehrende sind in ihrer Praxis zunehmend mit kultureller Vielfalt konfrontiert (vgl. Müller 2009, 92). Gleichzeitig bleibt das Professionswissen der Lehrenden in diesem Handlungsfeld diffus. Ebenso ist zu wenig über die Entwicklung des spezifischen kultursensiblen Professionswissens bekannt (vgl. Strasser 2016, 27ff.). Als Folge dieser unzureichenden Auseinandersetzung mit kulturell heterogenen Lernenden ist zu erkennen, dass Lehrende nicht im erforderlichen Maße reagieren bzw. Aneignungsprozesse nicht professionell begleiten können. Dabei sind interkulturelle Handlungen der Lehrenden zu beobachten, die einen kompensatorischen Charakter aufweisen (Ergänzungsangebote oder Aufgliederung der beruflichen Bildung) und die Gefahr der Ausgrenzung in sich tragen (vgl. Lanfranchi 2010, 233). Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, pädagogische Handlungssituationen hinsichtlich des Umgangs mit kultureller Differenz zu analysieren und Klarheit über die subjektiven Auffassungen von kultureller Heterogenität der Lehrenden zu ermöglichen (vgl. Settelmeyer 2013, 67f.). Dadurch kann das Konstrukt der interkulturellen Kompetenz fassbarer werden, um Lehrenden eine professionelle Handlungsfähigkeit zu ermöglichen (vgl. Abdallah-Pretceille 2006, 176f.). In diesem Kontext fokussiert die vorliegende Analyse die Darstellung von unterschiedlichen Elementen im Sinne von Teilkompetenzen der pflegepädagogischen interkulturellen Kompetenz. Dabei verweisen diese als Beitrag zur Professionsentwicklung auch auf sich verändernde pflegepädagogische Anforderungen. Diese basieren sowohl auf der bestehenden und steigenden kulturellen Heterogenität im pflegerischen Tätigkeitsfeld selbst (vgl. Friebe 2003, 147) als auch auf der kulturellen Heterogenität der Lernenden (vgl. Statistisches Bundesamt 2021, o. S.), oder den kulturspezifischen Ausbildungsinhalten der Pflegeausbildung in Deutschland (§ 5 Abs. 1 PflBG), die eine Modifizierung und Neukonzeption bestehender Ausbildungsstrukturen erforderlich machen. Dabei tritt auch eine interkulturelle Kompetenz der Lehrenden in diesem Bereich der beruflichen Bildung in den Vordergrund (vgl. Schmidt 2003, 13), die jedoch bisher zu gering beachtet wurde (vgl. Mecheril 2013, 33). Die Bedeutung dieser Kompetenz begründet sich doppelseitig dadurch, dass eine kultursensible Haltung von Lernenden in der Pflegeausbildung nur durch eine entsprechende interkulturelle Kompetenz der Lehrenden aufgebaut werden kann (vgl. Kollak 2003, 56). Somit erscheint die interkulturelle Kompetenz der Lehrenden in der pflegeberuflichen Ausbildung als pflegepädagogisches Professionsmerkmal (vgl. Friebe 2003, 149), welches sich jedoch hinsichtlich der Domänenspezifika weitgehend unkonkret darstellt.

Vor diesem unklaren Hintergrund der pflegepädagogischen interkulturellen Kompetenz stellt der Kulturbegriff einen zentralen Ausgangspunkt einer domänenspezifischen Analyse dar. Bei der Annäherung an diesen Begriff wird deutlich, dass dieser durch unterschiedliche Blickrichtungen beeinflusst wird. Diverse Definitionen stellen Kultur als Konstrukt aus vielseitigen perspektivenabhängigen Kulturdimensionen dar, welche sich aber in materiellen oder mentalen Dimensionen konkretisieren (vgl. Wagner 2017, 17ff.). Dabei verweisen diese Dimensionen auf eine gewisse Orientierungsfunktion von Kultur, welche individuell ausgeprägt ist (vgl. Donnerstag 2007, 161). Diese Orientierungsfunktion konkretisiert sich bei spezifischer Betrachtung in Faktoren wie Traditionen, Werte, Rituale oder Verhaltensweisen, welche gleichzeitig Anhaltspunkte für die Beschreibung einer individuellen Verbundenheit bzw. Orientierung darstellen (vgl. Radtke 2017, 64). Durch die Fokussierung dieser individuellen kulturellen Aspekte und damit individuellen kulturellen Deutungen, stellt sich der Kulturbegriff als in einem kontinuierlichen Kreationsprozess befindlich dar und ist dadurch als flexibles und individuelles Konstrukt zu verstehen. Da die empirischen Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der subjektiven Kulturvorstellungen der Lehrenden und deren Einfluss auf eine interkulturelle Kompetenz als unzureichend bezeichnet werden können (vgl. Rose 2012, 39), stellt dieser flexible Kulturbegriff den zentralen Ausgangspunkt für die vorliegenden Analyse dar. Dies vor allem, da für die pädagogische Sozialisation eine Verbindung von pädagogischem Handeln, Kulturvorstellungen, Autoritätsneigungen und selbst erfahrener sozialer Unterstützung bekannt ist (vgl. Wagner/Dick/Petzel/Auernheimer 2001, 38), die sich auf die Entwicklung einer interkulturellen pflegepädagogischen Kompetenz auswirkt.

Damit ist die Verbindung zum Begriff der interkulturellen Kompetenz hergestellt, welche auf einem allgemeinen Verständnis der Lehrendenkompetenz basiert, die sich als eine der meistdiskutierten Begriffe in den Human- und Sozialwissenschaften erweist (vgl. Oser/Düggeli/Heinzer 2010, 134; Terhart 2007, 45). Durch das Kompetenzverständnis nach Weinert wird verdeutlicht, dass zentrale Aspekte einer kompetent agierenden Person subjektiv verborgen sind und sich nur bedingt beobachten lassen (vgl. Weinert 2001, 27). Wird diese Erkenntnis in den pädagogischen Bereich transferiert, kann auch hier eine bestehende Unschärfe des pädagogischen Kompetenzbegriffs erkannt werden, die auch aus einer zu geringen Analyse aus der Anforderungsperspektive herrührt (vgl. Schaper/Hochholdinger 2006, 216). Darüber hinaus folgen Definitionen der Lehrendenkompetenz oft einem allgemeinen, hierarchisch-sequenziellen Handlungsmodell und scheinen auch deshalb den spezifischen Kompetenzanforderungen an Lehrende nicht gerecht werden zu können (vgl. Terhart 2007, 45). Als eine Schnittmenge der unterschiedlichen Definitionsversuche der Lehrendenkompetenz wird die Verbindung von äußeren (objektiv) und inneren (subjektiv) Fähigkeitsstrukturen erkennbar, die in bestimmten Bereichen (Domäne) oder Kontexten (Handlungssituationen) bzw. in spezifischen Anforderungssituationen realisiert werden (vgl. Terhart 2007, 45). Pädagogische Kompetenz kann somit als Kompetenzbündel erkannt werden, welches situative Handlungsabfolgen oder das Verbinden von professionellen Handlungen ermöglicht (vgl. Oser/Düggeli/Heinzer 2010, 134f.).

Andreas Frey erweiterte diese Sichtweise auf die Lehrendenkompetenz vor dem Hintergrund, dass sich berufliche Kompetenzen nicht als klar abgrenzbare inhaltliche oder methodische Klassen darstellen, sondern stets vernetzt sind. Kompetentes Handeln von Lehrenden wird nach Frey erkennbar, wenn persönliche Fähigkeiten der Lehrenden mit situationsspezifischen Erfordernissen zusammentreffen. Dabei verweist die erfolgreiche Situationsbewältigung auf tatsächlich vorhandene Kompetenzen (vgl. Frey 2006, 31). Vor diesem Hintergrund ist für die interkulturelle Kompetenz nicht zu vernachlässigen, dass auch unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale wie Haltungen, Werte, Überzeugungen und selbstregulative Fähigkeiten zentrale Bestandteile dieser Kompetenz darstellen (vgl. Lankes 2008, 41). Dabei liegen zentrale Kompetenzanforderungen in der Überwindung der eigenen Kulturbilder, der Aneignung von sprachlichem sowie kulturellem Wissen und Können. Dieses ist von Bedeutung, um interkulturell kompetent handeln zu können und die Chance auf eine professionelle Interaktion mit den Lernenden zu erhöhen (vgl. Allemann-Ghionda 2007, 44). Somit wird eine interkulturelle pädagogische Kompetenz durch die Beherrschung von unterschiedlichen interkulturellen Herausforderungen sichtbar (vgl. Eppenstein 2015, 35). Diese interkulturelle Handlungskompetenz kann in vier Teilbereiche aufgegliedert werden, wobei die Wahrnehmungskompetenz eine Sensitivität für sich selbst, andere Personen und Situationen ermöglicht, um auf kulturspezifische Handlungssituationen aufmerksam zu werden. Durch die Erkennens- und Erkenntniskompetenz wird es möglich, die Bedeutung dieser interkulturellen Situationen zu erkennen und einzuschätzen. Die Verständnis- und Interpretationskompetenz ermöglicht die Interpretation dieser Situationen. Reflexionskompetenz unterstützt das Über- und Durchdenken des eigenen Verhaltens in interkulturellen Situationen, um dieses zu hinterfragen und zu modifizieren (vgl. Wagner 2017, 81). Dieser Entwurf der interkulturellen Kompetenz stellt eine Zusammenfassung der zentralen Aspekte diverser Definitionen der interkulturellen Kompetenz dar (vgl. Erll/Gymnich 2007; Bolten 2007; Thomas 2006; Eppenstein 2015) und verweist dabei auf die Bedeutung von Kommunikation und Reflexion als wesentliche Elemente einer interkulturellen pädagogischen Kompetenz. Diese Erkenntnis verstärken auch die durch Nicole Kimmelmann generierten Kompetenzdimensionen, die eine erfolgreiche Bewältigung der interkulturellen Handlungssituationen im Bereich der Berufspädagogik fokussieren (vgl. Kimmelmann 2010, 209ff.). Dieses Modell des interkulturell professionellen pädagogischen Handelns unterstreicht aber auch die Relevanz der Identität von Lehrenden in interkulturellen Situationen (vgl. Kimmelmann 2010, 498ff.).

An dieser Stelle wird deutlich, dass die interkulturelle pädagogische Kompetenz einen breiten Diskurs darüber erlebt, wie diese zu verstehen ist und welche Elemente diese aufweist. Vor dem Hintergrund der dargestellten Aspekte zum Kulturbegriff und der interkulturellen pädagogischen Kompetenz wird für das vorliegende Erkenntnisinteresse zugrunde gelegt, dass die interkulturelle Kompetenz ein Bündel unterschiedlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten darstellt, welches ein erfolgreiches Handeln in kulturellen Überschneidungssituationen ermöglicht (vgl. Bender-Szymanski 2013, 201; Griese 2010, 167; Krüger-Potratz 2006, 174). Das dargestellte Erkenntnisinteresse mündet vor diesem theoretischen Hintergrund in die zentrale Fragestellung: Welche Elemente kennzeichnen die spezifische interkulturelle pflegepädagogische Kompetenz? Dabei besteht die Zielstellung der Analyse in der Ausdifferenzierung (Kompetenzelemente) eines interkulturellen Kompetenzprofils, welches pflegepädagogische Anforderungen verdeutlicht und gleichzeitig Erkenntnisse für den professionellen Umgang mit der kulturellen Heterogenität der Lernenden in der pflegeberuflichen Ausbildung liefert.

2 Methodik

Für die Analyse spezifischer interkultureller Kompetenzelemente wurde die Anforderungsperspektive der Lehrenden im Bereich der Pflegeausbildung gewählt. Dies mit dem Bestreben, vor allem die subjektiven Sichtweisen der Lehrenden zu fokussieren, damit umfassende Beschreibungen und Begründungen von Handlungsstrategien sowie notwendig erscheinenden Kompetenzen fokussiert werden konnten. Das daraus resultierende qualitative Forschungsdesign ermöglichte eine induktive Kategorienbildung entlang dieser subjektiven Realitätsbeschreibungen der Lehrenden als Einzelfälle und deren vergleichende Analyse im späteren Analyseverlauf (vgl. Reinders/Ditton 2015, 50). Innerhalb der Datenerhebung erhielten die anvisierten subjektiven Sichtweisen auf die pflegepädagogischen Handlungsstrategien besondere Beachtung. Dies vollzog sich, indem der jeweilige subjektive Sinn, die konkrete Deskription des Handelns sowie deren Begründungen besonders perspektiviert wurden, um auf deutungs- und handlungsgenerierende Tiefenstrukturen aufmerksam zu werden (vgl. Flick 2011, 21ff.). Somit gelang es, die Elemente der interkulturellen pflegepädagogischen Kompetenz im Sinne einer subjektiven Wirklichkeitskonzeption der einzelnen Lehrenden in den Mittelpunkt des methodischen Vorgehens zu rücken. Dabei wurde vor allem erkennbar, dass nur durch die Interpretation der Lehrenden selbst die Bedeutung der subjektiv-individuellen Vorgehensweisen nachvollziehbar wurde (vgl. Clement/Piotrowski 2008, 14). Dies fundierte auch, dass sich die Datenerhebung und Datenauswertung stark an den subjektiven Fallbeschreibungen der Lehrenden orientierte (vgl. Kuckartz 2016, 24). Dieser Fokus konnte durch unterschiedliche Implikationen der Deutungsmusteranalyse vertieft werden. Dabei stellen Deutungsmuster sozial geteilte Routinen der Deutung dar, um Handlungssituationen zu vereinfachen (vgl. Bögelein/Vetter 2019, 23). Deutungsmuster weisen die Funktion auf, die individuell wahrgenommene soziale Umwelt zu reduzieren bzw. zu strukturieren und ermöglichen damit für die einzelne Person, unterschiedliche Aspekte dieser Umwelt als sinnstiftend wahrzunehmen. Dabei haben Deutungsmuster eine Orientierungsfunktion für die individuellen Handlungen und Situationsbewertungen, die eine Situationsbewältigung, auch von herausfordernden Situationen ermöglichen. Im Zentrum der Analyse solcher Deutungsmuster stehen Derivate bzw. Derivationen in Form von individuellen Meinungen, Vorstellungen, Beschreibungen, Erklärungen oder Begründungen im Kontext der sozialen Umwelt und daraus resultierenden Handlungsanforderungen. Dieser Fokus wurde für die vorliegende Analyse auf die Handlungsanforderungen der Lehrenden in der pflegeberuflichen Ausbildung übertragen. Somit bildeten Deutungsmuster aus den Derivationen, die einen Kontext mit der kulturellen Heterogenität der Lernenden aufwiesen, den analytischen Mittelpunkt. Dabei wurden subjektive Deutungen, die keine Übereinstimmung mit bereits analysierten Derivationen aufwiesen, kontinuierlich als weitere Konkretisierung der Deutungsmuster aufgenommen. Dadurch konnte ein iterativer Analyseprozesse im Sinne einer ständigen Ausdifferenzierung umgesetzt werden (vgl. Bögelein/Vetter 2019, 24f.).

Unter einem anderen Blickwinkel stellen Deutungsmuster eine Form des kollektiven Wissens dar, welches zugleich individuelle Ausprägungen aufweist. Hierbei ermöglichen Deutungsmuster eine individuelle Handlungsorientierung, erscheinen aber zugleich in Form von kollektiven Phänomenen, Einstellungen, Erwartungen sowie Vorstellungen. Demzufolge können Deutungsmuster als eine Ausprägung der sozialen Wirklichkeit verstanden werden, die eine gewisse Eigenständigkeit und eine starke Situationsunabhängigkeit aufweisen (vgl. Bögelein/Vetter 2019, 12ff.).

Eine weitere Besonderheit der Deutungsmuster stellt deren Verortung zwischen Handlungen und Struktur dar, indem diese als gesellschaftlicher Wissenskanon stellenweise unbewusst und unreflektiert in den Bereich der individuellen Deutungen einer Situation oder einer Handlung übernommen werden. An dieser Stelle wird deutlich, dass es von zentraler Bedeutung ist, subjektive Meinungen von Deutungsmustern zu unterscheiden. Dabei befinden sich Meinungen stärker in einem oberflächlichen Bereich, wobei Deutungsmuster die konzeptionelle Grundlage von Meinungen darstellen. Vertiefend symbolisieren subjektive Deutungen alle Interpretationen, Lösungen oder Perspektiven im Kontext einer spezifischen Situation, die ein Handeln erforderlich machen. Dabei verbleiben Deutungen stets auf der individuellen Ebene und ermöglichen Handlungen in Anbetracht eines Bezugsproblems. Deutungsmuster stellen im Gegensatz zur individuellen Handlungsebene eine abstrahierte generalisierte Bearbeitung eines Bezugsproblems dar und lassen dadurch einen strukturellen und generalisierten Umgang mit einem spezifischen Bezugsproblem erkennen.

Deutungsmuster können somit als abstrahierte und analytische Deutungsverdichtungen individueller Deutungen im Kontext eines konkreten Bezugsproblems verstanden werden (vgl. Hoffmann 2019, 215). Dabei konkretisiert sich das gemeinsame Bezugsproblem der vorliegenden Analyse in der kulturellen Heterogenität der Lernenden und den darauf bezogenen Handlungsstrategien der Lehrenden. Die im Fokus stehenden Deutungsmuster werden zwischen diesem Bezugsproblem und den subjektiven Deutungen verortet (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Kontextmodell des Deutungsmusteransatzes (eigene Darstellung)Abbildung 1: Kontextmodell des Deutungsmusteransatzes (eigene Darstellung)

Indem die dargestellten Ansätze der Deutungsmusteranalyse genutzt wurden, um die individuellen sozialen Bilder und Interpretationen in Form von Einstellungen und Erwartungen der Lehrenden zu analysieren, konnte das standardisierte Verfahren der qualitativen Datenauswertung ausdifferenziert werden. Es wurde ermöglicht, dass die Erhebung und Auswertung der vorliegenden Daten über die rein beschreibende Form von interkulturellen Handlungsstrategien und Kompetenzelementen hinausführte (vgl. Bögelein/Vetter 2019, 16).

Somit konnte mittels der Deutungsmusteranalyse die vorliegende qualitative, rekonstruktive Forschungslogik verstärkt werden. Dies hatte zur Folge, dass die unterschiedlichen Elemente der Deutungsmuster im Kontext der kulturellen Heterogenität nicht vorab festgelegt, sondern iterativ aus dem Analysematerial generiert wurden. Hierbei wurde auch die Besonderheit beachtet, dass Lehrende über mehrere Deutungsmuster verfügen (Ähnlichkeitsbeziehung), die sich stellenweise auch widersprechen können. Dies führte zur analytischen Besonderheit, dass unterschiedliche Deutungsmuster sowie Handlungen zu gleichen Situationen als relevant und bedeutungsvoll beschrieben wurden (vgl. Hoffmann 2019, 207f.).

2.1 Leitfadeninterviews als Erhebungsmethode

Für den Prozess der Datenerhebung wurde die mündliche Befragung durch leitfadengestützte Interviews gewählt, da diese es ermöglicht, den beschriebenen Fokus auf die Innenansichten und Erfahrungen der Lehrenden zu verfolgen. Die Nutzung von leitfadengestützten Interviews als Erhebungsmethode birgt den Vorteil, dass die Antworten der Interviewpartner*innen nicht vorgegebenen Antwortmustern folgen mussten, sondern offene Antworten ermöglicht wurden. Dadurch konnten im Verlauf der Interviews die zentralen Phänomene (interkulturelle Handlungsstrategien bzw. Kompetenzelemente) hervortreten und nachvollziehbar gemacht werden (vgl. Lüdders 2016, 36f.). Trotz der beschriebenen Offenheit diente der Interviewleitfaden als Orientierungslinie, hierfür wurden diverse Themenkomplexe aus den zentralen Handlungsfeldern der Standards der Lehrerbildung (vgl. KMK 2019, 4) abgeleitet. Der Leitfaden umfasste u. a. folgende Themenkomplexe:

Aneignungsprozesse

In diesem Komplex wurden verschiedene Aneignungssituationen in der Pflegeausbildung fokussiert. Dies ermöglichte es, das Unterrichten als zentrale Kernaufgabe von Lehrenden in das Zentrum des Interviewverlaufs zu rücken.

Pflegepädagogische Handlungssituationen

Als Gegensatz zu den Aneignungssituationen des ersten Themenkomplexes, wurde in diesem Komplex der Interviewfokus vom Aspekt des Unterrichtens weggelenkt. Somit konnten auch andere pflegepädagogische Handlungssituationen mit interkulturellem Bezug in den Interviewverlauf aufgenommen werden.

Berufliche Aus- und Fortbildung

Dieser Themenkomplex richtete die Perspektive auf den Bereich des Erwerbs der interkulturellen Kompetenz von Lehrenden in deren eigenen Aus- und Fortbildungen.

Rahmenbedingungen

Bei diesem Themenkomplex wurden unterschiedliche hemmende bzw. fördernde Faktoren im tagtäglichen Handeln der Lehrenden fokussiert, welche die interkulturelle pflegepädagogische Kompetenz bedingen bzw. fördern.

Kompetenzbeschreibungen

Der Themenkomplex der Kompetenzbeschreibungen ermöglichte es, dass unterschiedliche Fähigkeiten, Tätigkeiten, Eigenschaften oder Einstellungen der Lehrenden perspektiviert wurden, da all diese Aspekte einen Bezug zum Kompetenzbegriff aufweisen.

Der eigentlichen Interviewdurchführung ging ein Pretest voraus. Dieser ermöglichte es, dass die Fragenbogenkonstruktion hinsichtlich der Aspekte Brauchbarkeit, Fragenkonstruktion und Anordnung der Themenkomplexe evaluiert und ggf. verändert werden konnte (vgl. Lüdders 2016, 99ff.). Um die Unbedenklichkeit des Forschungsvorhabens unter der ethischen Perspektive professionell prüfen zu lassen, wurde dieses durch die Ethikkommission der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V. begutachtet. Das ethische Clearing erfolgte im Juli 2018. Daraufhin erfolgte die Durchführung von 27 Interviews mit Lehrenden der pflegeberuflichen Bildung in Deutschland.

2.2 Das Sampling

Für eine Kompetenzanalyse eignen sich Personen, die eine spezifische Tätigkeit regelmäßig durchführen (vgl. Clement/Piotrowski 2008, 84). Somit erschienen vor allem Lehrende mit Kursleitungsaufgabe als Interviewpartner*innen geeignet. Durch die Kursleitungsfunktion stehen diese Lehrenden intensiv im regelmäßigen persönlichen Kontakt mit den Lernenden in den unterschiedlichen Aneignungsprozessen, aber auch außerhalb dieser Prozesse, beispielsweise in persönlichen Beratungsgesprächen. Das Sampling der vorliegenden Analyse verfolgte die Zielstellung, ein reduziertes Abbild der interkulturellen Kompetenz zu vermeiden und stärker die Pluralität der unterschiedlichen Erscheinungsformen dieser speziellen Kompetenz und der daraus resultierenden Handlungsstrategien zu analysieren (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 177ff.). Diese angestrebte konzeptionelle Repräsentativität durch die Analyse aller Eigenschaften des interessierenden Phänomens, bedingte die Generierung spezifischer Kriterien, um eine breite Darstellung der interkulturellen Handlungsstrategien bzw. Kompetenzbeschreibungen zu erhalten. Somit erfolgte eine Antizipierung diverser Eigenschaften der Interviewpartner*innen (vgl. Mayer 2013, 39), indem die folgenden Samplingkriterien festgelegt wurden:

  • Interviewpartner*innen von Bildungseinrichtungen aus unterschiedlichen Bundesländern Deutschlands mit den höchsten bzw. niedrigsten Prozentsätzen an Menschen mit Migrationshintergrund;
  • gleichmäßige Verteilung des Geschlechts der Interviewpartner*innen;
  • gleichmäßige Verteilung von Interviewpartner*innen aus Bildungseinrichtungen der Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege und der Altenpflege sowie
  • unterschiedliche Tendenzbetriebe (konfessionell, weltanschaulich, kommunal, privat, Wohlfahrt).

2.3 Die Datenauswertung

Das Gütekriterium der Nachvollziehbarkeit wurde gesichert, indem der Prozess der Transkripterstellung über ein standardisiertes Vorgehen mit festgelegten Transkriptionsregeln erfolgte. Dabei wurden die Transkriptionsregeln nach Dresing und Pehl (2010) angewendet. Da sich diese im Detaillierungsgrad eine Ebene über dem Erkenntnisinteresse befinden, konnte ein besseres Sinnverstehen im Prozess der Datenanalyse gesichert werden (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 167). Es erfolgte eine vollständige Transkription aller Interviews, um die Gefahr auszuschließen, dass bisher unbekannte Facetten des Erkenntnisinteresses nur aufgrund der theoretischen Vorannahmen nicht analysiert werden (vgl. Dresing/Pehl 2010, 724). Als Ergebnis dieses Vorgehens wurde eine umfassende Analysegrundlage generiert, welche die objektive Erschließung des Sinns und damit verbunden das Verstehen der interkulturellen Handlungen der Lehrenden sowie Rückschlüsse auf interkulturelle Kompetenzelemente verstärkte (vgl. Süßmann 2016, 119ff.). Die Datenanalyse erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (vgl. Mayring, 2010). Dieses Vorgehen ermöglichte, dass die interessierenden Kommunikationsinhalte der Interviewpartner*innen analytisch aufgebrochen werden konnten und gleichzeitig eine notwendige Offenheit für eine empirische Kategorienbildung gegeben war (vgl. Rosenthal 2014, 213).

Die Kategorienbildung vollzog sich induktiv durch das methodische Vorgehen der qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Mayring, 2010), welche ermöglichte, dass ein unverzerrtes und gegenstandnahes Bild der Handlungsstrategien von Lehrenden deutlich wurde (vgl. Kelle/Kluge 2010, 70). Durch die bewusste Kombination der induktiven Kategorienbildung und der parallelen analytischen Offenheit im Sinne eines zergliederten Vorgehens, konnte eine verbesserte Sinnrekonstruktion realisiert werden (vgl. Schmidt 2010, 477). Dadurch konnte vor allem das anfängliche Kategoriensystem mit einem geringen empirischen Gehalt, welches aber das gesamte Spektrum der relevanten Phänomene abbildete, zunehmend mittels Unterkategorien angereichert werden. Hierbei wurden diese Unterkategorien kontinuierlich thematisch und fallübergreifend verglichen (vgl. Kelle/Kluge 2010, 73ff.). Dabei wurde stets nach maximalen Unterschieden gesucht, um eine maximale empirische Repräsentativität der Kategorien zu unterstützen (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 181f.). Im Zuge der Datenanalyse stellte sich eine Datensättigung ab dem 16. Interview ein. Daraufhin wurde das gesamte Kategoriensystem einer Revision unterzogen und ein abschließender Kodierleitfaden erstellt. Dieser wurde verwendet, um in einem erneuten Durchgang alle Interviews zu analysieren. Durch diese abschließende Analyse des gesamten Materials konnte die Aussagefähigkeit des Kategoriensystems umfassend gesichert werden (vgl. Mayring 2008, 44ff.).

3 Ergebnisse

Das dargestellte methodische Vorgehen ermöglichte die Generierung unterschiedlicher interkultureller pflegepädagogischer Kompetenzelemente, welche die interkulturelle pflegepädagogische Kompetenz konkretisieren (vgl. Abb. 2). Im Folgenden werden diese Kompetenzelemente detailliert beschrieben und durch Interviewbeispiele veranschaulicht.

Abbildung 2: Kompetenzelemente der interkulturellen pflegepädagogischen Kompetenz (eigene Darstellung)Abbildung 2: Kompetenzelemente der interkulturellen pflegepädagogischen Kompetenz (eigene Darstellung)

Ein zentrales Kompetenzelement stellt das Kulturelle Fachwissen dar, indem es als Basis zu verstehen ist, welches das professionelle Handeln im Bezug zu kulturell heterogenen Lernenden gewährleistet. Dieses vollzieht sich vor allem dadurch, dass die Deutungen der Lehrenden durch das Faktenwissen über verschiedene Kulturen fundiert werden. Dabei rührt dieses Wissen aus unterschiedlichen Quellen her, es generiert sich aber auch durch die persönlichen Begegnungen mit den Lernenden. Der Aspekt der persönlichen Begegnung verweist darauf, dass das kulturelle Fachwissen vor allem durch diesen persönlichen Austausch mit den Lernenden kontinuierlich erweitert und modifiziert wird. Dabei wird die Relevanz eines flexiblen Kulturverständnisses bzw. Kulturbegriffs für pflegepädagogische Handlungen erkennbar, indem dieses Verständnis die Grundlage dafür darstellt, dass kulturelles Fachwissen kontinuierlich modifiziert wird. Ebenso fungiert kulturelles Fachwissen als Grundlage, um themenspezifisches, methodisch-didaktisches sowie personenspezifisches Vorgehen zu begründen.

Interviewbeispiel:

„Und für mich ist immer wichtig, was die mir erzählen, ja, dass ich das für mich als Wissen behalten, ja, zu wissen, was ist der Unterschied zwischen Aleviten und was weiß ich, was es alles gibt, ja. Was macht es, was haben die auch für Frauenbilder, was dürfen die? Oder auch zu wissen, Sowjetunion, die sind anders sozialisiert, also Russland oder ehemalige Sowjetunion. Oder auch Eritrea, die Somalia, was verbirgt sich dahinter, wie ist das Schulsystem.“ (D: #00:27:10-8#)

In enger Verbindung zum kulturellen Fachwissen steht das Kompetenzelement Kultursensibler Unterricht. Im Kontext dieses Elements wird das kulturelle Fachwissen in einen Kontext mit der Bedingungsanalyse gesetzt, damit Aneignungsprozesse auch unter dem Fokus der kulturellen Heterogenität konzipiert werden können. Dabei tritt die Relevanz einer umfassenden Bedingungsanalyse angesichts der kulturellen Heterogenität der Lernenden in den Vordergrund. Diese Analyse der Lehrenden dient als fundierendes Konzept, um eine konkrete Orientierung für die relevanten kulturellen Besonderheiten und Voraussetzungen der Lernenden zu erhalten. Eine solche Bedingungsanalyse bietet die Möglichkeit, dass kulturelle Aspekte bewusster werden, welche vor allem in den Aneignungssituationen berücksichtigt werden müssen. Da sich solch eine kultursensible Bedingungsanalyse im Kontext der jeweiligen Thematik stets neu darstellt, ist eine hohe Flexibilität der Lehrenden erforderlich, weil sich die antizipierten Vorannahmen hinsichtlich der Lernendengruppe themenspezifisch und situationsabhängig verändern können. Somit müssen Lehrende kontinuierlich prüfen, ob die einmal generierte Bedingungsanalyse themen- und situationsspezifisch auch wirklich den subjektiven Kulturbildern und kulturellen Verhaltensweisen der Lernenden entspricht. Dafür ist ebenso Sensibilität gefordert, um die Bilder, Deutungen oder Verhaltensweisen der Lernenden zu erfassen und in die Aneignungssituationen aufzunehmen.

Interviewbeispiel:

„Eine Kollegin bat mich neulich, ähm, da der Kurs sehr groß ist, mich zu unterstützen. Sie wollte praktische Übungen machen zu, äh, Lerneinheit sich bewegen. Und da war ich ganz in der Pflegerrolle, und ich habe gar nicht großartig in die Runde gefragt, ob ich berühren darf. Da habe ich gleich an die Hüfte, und zack-zack-zack. Und so mobilisieren Sie an die Bett-kante. Gar nicht gefragt: ‚Darf ich Sie, mal eben an die Bettkante?‘ Nein. Da brach der Pfleger durch. Ich habe mich halt vor der ganzen Gruppe entschuldigt […].“ (BB: #00:27:01-3#-#00:27:22-5#)

Das Kompetenzelement Individuelles kulturspezifisches Vorgehen versetzt Lehrende in die Lage, die subjektive kulturelle Lebenswelt der Lernenden zu verstehen, indem diese das Verhalten, die Signale oder die Äußerungen der Lernenden bewusst wahrzunehmen versuchen. Darauf basierend entwickeln Lehrende ihre Handlungsstrategien vor dem Hintergrund einer wertfreien und offenen Grundhaltung bzw. Sensibilität. Den erforderlichen Lebensweltnachvollzug erreichen Lehrende aber auch durch eine bewusste Auseinandersetzung mit der Biografie der Lernenden. Dabei wird eine entsprechende Reflexionskompetenz der Lehrenden deutlich, um die subjektiven kulturellen Einstellungen, Werte, Verhaltensweisen, aber auch die eigene kulturelle Sozialisation reflexiv zu hinterfragen. Das individuelle kulturspezifische Vorgehen umfasst ebenfalls die Notwendigkeit einer spezifischen Beziehungsgestaltung, die vor allem durch den gegenseitigen kommunikativen Austausch auf die kulturellen Besonderheiten der Lernenden eingeht und diese zu ergründen versucht. Eine ausgeprägte kultursensible Kommunikationsfähigkeit der Lehrenden stellt somit einen wesentlichen Gelingensfaktor für das individuelle kulturspezifische Vorgehen dar. Gleichzeitig ist eine Interdependenz zum Kompetenzelement Kulturelles Fachwissen zu erkennen, da auch unter diesem Element die Erweiterung der eigenen Kulturbilder kommunikativ erfolgt.

Interviewbeispiel:

„Wir hatten am Montag ein Bewerbungsgespräch, eine Frau aus [Ort] und die ist in der, in der ähm Hauptstadt geboren worden, ähm, deren Namen ich jetzt schon wieder vergessen habe. Aber dieser Name heißt übersetzt ‚zweiter Tag nach Samstag‘. So heißt der, ist irgendwie aus dem [Ort] dort, zweiter Tag nach Samstag. So (...) ist die, ist der Name der Hauptstadt, weil, an dem zweiten Tag nach Samstag war immer an, in dieser Stadt, an diesem Ort ein großer Wochenmarkt. Und als ich ihr das im Bewerbungsgespräch gesagt habe, dass ich das rausgefunden habe, hätten Sie mal die Augen sehen sollen […].“ (O: #00:39:15-8#-#00:40:19-0#)

Unter dem Kompetenzelement der Kulturellen Transferfähigkeit werden spezifische Fähigkeiten der Lehrenden deutlich, die es ermöglichen, einen Brückenschlag zwischen den Lernenden und den unterschiedlichen Ausbildungsbeteiligten (Pflegeeinrichtungen, Klient*innen, aber auch andere Lernende) zu realisieren. Hierbei erweist sich der Lebensweltbezug als zentraler Gelingensfaktor für das Verständnis der Lernenden, welcher durch eine situative kulturspezifische Kommunikationsfähigkeit der Lehrenden verstärkt wird. Besonders durch den kultursensiblen kommunikativen Austausch in Krisensituationen kann ein Verständnis für die kulturspezifischen Handlungen und Deutungen aller Beteiligten erzielt werden. Beispielsweise können sich Lernende aus anderen Kulturen zunächst kommunikativ mit vorherrschenden Pflegepraktiken auseinandersetzen, bevor diese umgesetzt werden. Kulturelle Transferfähigkeit verdeutlicht eine umfangreiche erforderliche Flexibilität der Lehrenden. Diese zeigt sich beispielsweise in der Suche nach ausbildungsspezifischen Wegen und Alternativen für Lernende aus anderen Kulturkreisen (alternative Praktika, Möglichkeiten der Religionsausübung, aber auch methodische Alternativen). Bei der Suche nach solchen Ausbildungswegen verdeutlicht sich eine grundlegende Orientierung der Lehrenden an einem vermeintlich einheitlichen Pflegeverständnis. Diese normative Orientierung drückt sich beispielsweise in der notwendigen Bereitschaft einer Pflegekraft aus, die Intimpflege bei allen Geschlechtern durchzuführen oder in der generellen Bereitschaft andere Menschen zu berühren.

Interviewbeispiel:

„,Sie können nicht Ihre Gebete, weiß ich nicht, fünfmal in der Schicht im Frühdienst machen, dann können Sie nicht mehr arbeiten.’ Und gleichzeitig aber auch ähm sie zu schützen, oder dem Team deutlich zu machen, was sie für'n Hintergrund hat, und was eben aggressives, lautes Auftreten auch von Frauen, mit ihr ausmacht so. Zu sagen: ‚Das ist Ihre Lebenswelt, Ihre Veränderung, und das ist die pflegerische Lebenswelt: ‚das geht, das geht nicht.‘ Und dann auch Verständnis zu erzeugen in alle Richtungen.“ (G: #00:30:49-0#-#00:31:17-0#)

Im Kontext des Kompetenzelementes Diversitynutzung beschreiben Lehrende der pflegeberuflichen Bildung, dass durch den bewussten Einbezug der kulturellen Vielfalt in die Aneignungsprozesse das Potenzial vieler Lernender sichtbar wird. Ebenso lässt sich durch eine besondere Betonung der kulturellen Unterschiedlichkeit eine intensive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen kulturspezifischen Ansichten oder Rollenzuweisungen ermöglichen. Dadurch begünstigt der aktive Einbezug der kulturellen Vielfältigkeit in die Aneignungssituationen auch eine individuelle Persönlichkeitsentwicklung, indem vor allem ein Verständnis zwischen Lehrenden und Lernenden, aber auch unter den Lernenden angestrebt wird. Dahinter verbirgt sich die Zielstellung, die erreichte verständnisvolle Haltung gegenüber Personen aus anderen Kulturen in den Pflegeberuf (Kolleg*innen oder Klient*innen) transferieren zu können.

Interviewbeispiel:

„Und dann, ähm, gab es mal so eine, ja, so eine knifflige Situation in einem Unterricht, wo, ähm, gesagt wurde: ‚Na ja, Brasilianisch gibt es ja gar nicht, das ist ja Portugiesisch.‘ Da habe ich gesagt: ‚Hm. Hm. Hm. Ich sage, das würde ich mal so nicht sagen, ne?‘ Und habe dann eben, äh, Bilder noch auf meinem Rechner gehabt von diesem Duschkopf. Also einmal von vorne und dann von der Seite, wo man eben Elektrokabel und Wasserleitung. Und dann eben das Schild. Ich sage: ‚Herr Sowieso, jetzt tun Sie mir mal bitte den Gefallen, weil ich es so gerne gehört habe in Brasilien, lesen Sie es einmal in der Landessprache vor und übersetzen uns das dann sinngemäß.‘ Und er hat es dann vorgelesen, musste dabei schon lachen. Und hat es dann für alle übersetzt. Und dann war er der Burner. Er kam nach dem Unterricht zu mir hier ins Büro. Und hat sich bedankt.“ (BB: #00:18:23-4#)

Das Kompetenzelement Professionelle Identität beschreibt unterschiedliche Persönlichkeitsanforderungen an Lehrende in der pflegeberuflichen Bildung. Deutlich wird besonders, dass Offenheit, Authentizität, die Beachtung des Gleichheitsprinzips und die Vermeidung von Pauschalisierungen zentrale Identitätsmerkmale von Lehrenden darstellen, um kultureller Heterogenität professionell zu begegnen. Eine besondere Bedeutung weist das Identitätsmerkmal der Offenheit auf, weil vor allem dadurch professionelle Handlungsstrategien entwickelt werden können, indem kulturelle Diversität wahrgenommen und akzeptiert wird. Weiterführend ermöglicht die Kombination von Offenheit, Flexibilität und kommunikativer Kompetenz, dass Lehrende den kulturellen Besonderheiten der Lernenden situationsspezifisch gerecht werden können. Dabei tritt der Aspekt der Haltung als Ausdruck der professionellen Identität der Lehrenden besonders in den Vordergrund, da diese den Lernenden als Orientierungspunkt in kulturellen Diskursen dient.

Professionelle Identität im Kontext der kulturellen Heterogenität basiert aber auch auf einem kollegialen Austausch, um die subjektiven Deutungen der Lehrenden abzugleichen und professionelle Handlungen zu fundieren. Auch hierbei ist eine interkulturelle Reflexionsfähigkeit erforderlich, die es ermöglicht, unterschiedliche interkulturelle Handlungssituationen der Lehrenden hinsichtlich deren Verhaltensweisen und Deutungen zu analysieren und daraus zukünftiges professionelles Handeln zu generieren.

Interviewbeispiel:

„Ähm, ich hatte jetzt eine Schülerin, die hat zwischen dem FSJ und der Ausbildung sich dafür entschieden, Kopftuch zu tragen. Sie war total damit beschäftigt, weil ihre Eltern wollten das nicht, aber sie wollte das und das war so ihr Thema. Und ich sage mal, das lernt man oder habe ich tatsächlich erst im, Lehrersein gelernt, mit so Situationen auch umzugehen.“ (Z: #00:35:07-0#-#00:35:25-0#)

Das Kompetenzelement Sprachsensibilität scheint sich zuerst nur bedingt in das Kompetenzkonstrukt der interkulturellen Kompetenz einzufügen. Die weitreichende Bedeutung der Sprachsensibilität wird jedoch im Bezug zur Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas auch für den Kontext der interkulturellen Kompetenz deutlich. Habermas beschreibt dabei den Verständlichkeitsanspruch als grundlegende Anforderung. Dieser Verständlichkeitsanspruch stellt die Grundlage dar, um in einem Diskurs divergierende Geltungsansprüche darzustellen und diese auszutauschen. Ohne diese gemeinsame sprachliche Basis können alle weiteren Geltungsansprüche (Wahrheitsanspruch, Wahrhaftigkeitsanspruch und Richtigkeitsanspruch) nicht realisiert werden (vgl. Habermas 2019, 183). Dieser Aspekt der Theorie des kommunikativen Handelns ermöglicht einen Transfer in den Bereich des generierten Kompetenzelementes der Sprachsensibilität, da eine vorhandene Sprachbarriere bei den Lernenden als zentrale Problemstellung und Hindernis für viele Handlungen der Lehrenden dargestellt wird. Die Analyse ergab unterschiedliche und sich teils widersprechende Handlungsstrategien im Bezug zur Sprachbarriere. Dabei wurde deutlich, dass die analysierte Vielzahl der Strategien weniger fundierte Möglichkeiten an professionellen Handlungen darstellt, sondern eher eine gewisse Überforderung der Lehrenden erkennen lässt. Dies wird beispielsweise daran deutlich, dass auch innerhalb der gleichen Bildungseinrichtung vielfältige Handlungsstrategien und deren Begründungen vorherrschen (Zeitzuschlag, Materialmodifikation etc.), die sich teilweise widersprechen. Diese unterschiedlichen Handlungsstrategien fundieren dabei stets auf einem vermeintlich einheitlichen pflegepädagogischen Bildungsverständnis und dem damit antizipierten erforderlichen Sprachniveau.

Interviewbeispiel:

„Also das ist auch was, was ich dem Herrn [Person] aber gleich gesagt habe, hier wird nur Deutsch gesprochen, weil, wir hatten schon sehr viele Konflikte, weil die türkisch untereinander reden oder arabisch und dann denken die anderen wieder, die reden über sie, was sie ja auch tatsächlich tun, ja.“ (D: #00:16:11-2#)

4 Limitationen

Das methodische Vorgehen erwies sich als geeignet, um interkulturelle Kompetenzelemente und Handlungsstrategien von Lehrenden in der pflegeberuflichen Ausbildung zu ermitteln. Besonders durch das iterative Vorgehen im Prozess der Datenerhebung und Datenauswertung konnte gewährleistet werden, dass generierte Elemente einer interkulturellen pflegepädagogischen Kompetenz im Sinne einer kommunikativen Validation rückgekoppelt werden konnten (vgl. Kuckartz 2016, 218). Dadurch entwickelten sich anfängliche Annahmen zunehmend als belastbare Grundlage der unterschiedlichen Kompetenzelemente. Ebenso konnte während der unterschiedlichen Analyse- und Reduktionsschritte eine kontinuierliche Orientierung am zentralen Erkenntnisinteresse umgesetzt werden. Dieser Prozess wurde darüber hinaus durch die hermeneutische Basis und die damit verbundenen bewussten Reflexionsschleifen unterstützt (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2014, 29f.).

Die angestrebte Explikation spezifischer bedeutungserzeugender Regeln, welche den Handlungsstrategien zugrunde liegen, konnte jedoch nicht realisiert werden. Ebenso konnten nur unzureichende Erkenntnisse über berufliche Sozialisationsmomente der Lehrenden, in denen Wissen routiniert in Handlungen umgesetzt wird, gewonnen werden. Dadurch können durch die vorliegende Analyse keine Rückschlüsse auf bedeutungserzeugende Regeln gezogen werden. Allerdings konnte die Relevanz von Motiven, Werthaltungen und Sinnzuschreibungen gefiltert werden, die hauptsächlich in das Kompetenzelement Professionelle Identität aufgenommen wurden.

Für das Sampling konnte eine gleichmäßige Verteilung der angestrebten Kriterien realisiert werden. Mit 27 durchgeführten Interviews wurde eine ausreichende Interviewanzahl erreicht, um eine umfassende Kontrastierung durchzuführen. Einschränkend ist anzumerken, dass sich für die Interviews Lehrende bereit erklärten, die sich selbst als interkulturell kompetent erlebten. Diese Einschränkung wird auch in der Datenauswertung erkennbar, indem nur an wenigen Stellen von misslungenen Handlungsstrategien berichtet wurde. Ebenso wurde zu keinem Zeitpunkt eine grundlegend negative Einstellung gegenüber kulturell heterogenen Lernenden dargestellt, was als eine Tendenz zur sozialen Erwünschtheit zu bewerten ist. Hierdurch ist von einer gewissen positiven Verzerrung der Datenanalyse auszugehen. Diese hatte auch zur Folge, dass die angestrebte maximale Kontrastierung der Kompetenzmerkmale nicht durchgehend erfolgen konnte.

Eine methodische Triangulation bietet die Möglichkeit, dass die Auswirkungen der dargestellten Verzerrungen abgeschwächt werden können, indem die Kontrastierung der Fälle intensiviert und die Auswertungsgüte hinsichtlich der Validität erhöht werden kann (vgl. Kalthoff 2019, 266). Für die erfolgte Analyse könnten beispielsweise durch eine Triangulation unterschiedlicher Datensorten (Begriffsexplikationen, Argumentationen oder Narrativa) (vgl. Flick 2011, 21ff.) sich widersprechende Handlungsstrategien besser verdeutlicht und untersucht werden. Aber auch die Auswertungstriangulation stellt eine Möglichkeit dar, die Validität zu erhöhen, indem die gleichen Datensorten von mehreren Auswertungspersonen analysiert werden (vgl. Kalthoff 2019, 26). Ein erweiterter Blickwinkel auf die Elemente der interkulturellen Kompetenz von Lehrenden ist durch die Befragung der Lernenden möglich. Ebenso erscheint eine konkrete Analyse von förderlichen bzw. hemmenden Bedingungen der Bildungseinrichtungen lohnenswert.

5 Diskussion

Die dargestellten Kompetenzelemente verdeutlichen vielfältige und subjektive Deutungsmuster der Lehrenden, die besonders hinsichtlich der Begründungen und Ziele der kultursensiblen Handlungen erkennbar werden. Jedoch werden ein pflegepädagogisches Bildungs- und Pflegeverständnis immer als fundierende und vermeintlich einheitliche Orientierungspunkte der handelnden Lehrenden beschrieben. Aber diese stellen sich, teilweise auch innerhalb eines Lehrendenteams, als unterschiedlich und subjektiv dar, was als eine mögliche Ursache für unterschiedliche und teils widersprüchliche Handlungsstrategien dieses Personenkreises angesehen werden kann.

Das generierte Kompetenzmodell verweist auf die Querschnittskompetenzen der interkulturellen Reflexionskompetenz und interkulturellen Kommunikationskompetenz. Dabei weist die interkulturelle Reflexionskompetenz eine hohe Relevanz im Kontext der Planung, Realisierung und Evaluation von Aneignungssituationen auf. Hierbei ermöglicht diese Kompetenz vor allem den pädagogischen Fokus auf die kulturellen Aspekte der Lernenden zu richten, die auf der inhaltlichen Ebene beachtet werden müssen. Somit unterstützt diese Kompetenz dabei, didaktische und methodische Handlungen der Lehrenden kultursensibel zu gestalten. Aber auch in unterschiedlichen kommunikativen Handlungssituationen der Lehrenden (z. B. bei Bewertungs- oder Konfliktgesprächen) erweist die interkulturelle Reflexionskompetenz ihre Relevanz. Besonders im persönlichen Kontakt mit den Lernenden ermöglicht diese Kompetenz die ständige kritische Überprüfung der subjektiven Werte und Kulturbilder sowie deren Einfluss auf die Lehrendenhandlungen. Dadurch wird eine erforderliche flexible Handlungsgrundlage für den professionellen kulturellen Austausch mit den Lernenden generiert. Ebenso können die Lehrenden mittels interkultureller Reflexionskompetenz die eigenen kulturellen Aspekte (kulturelle Bilder, Erfahrungen und Emotionen) kritisch hinterfragen und dadurch eine kulturelle Perspektivübernahme vollziehen, um pflegepädagogische Handlungen an der Lebenswelt der Lernenden zu orientieren.

Die interkulturelle Reflexionskompetenz verdeutlicht, dass die kulturellen Aspekte der Lernenden durch die Lehrenden kommuniziert werden müssen. Dies lässt eine direkte Verbindung zur interkulturellen Kommunikationskompetenz als weitere Querschnittskompetenz erkennen. Interkulturelle Kommunikation konkretisiert das pflegepädagogische kommunikative Handeln, indem die Bedeutung des gegenseitigen Austauschs und der interkulturellen Verständigung besonders hervorgehoben wird. Dabei können unterschiedliche und teilweise divergierende Geltungsansprüche, wie beispielsweise die Ansichten der ausbildungsbeteiligten Interessengruppen (Lernende, Lehrende, praktische Lernorte) ausgetauscht werden, um professionelle Handlungen der Lehrenden zu ermöglichen. Dadurch erweist sich die interkulturelle Kommunikationskompetenz als grundlegend für den Diskurs über subjektive Kulturvorstellungen und kulturelle Spezifika wie beispielsweise Wertvorstellungen oder Rollenbilder. Die grundlegende Notwendigkeit der interkulturellen Kommunikationskompetenz von Lehrenden wird aber ebenso im Kontext der erforderlich erscheinenden kollegialen Austauschprozesse deutlich, da auch hier beispielsweise unterschiedliche Wahrnehmungen von kulturellen Verhaltensweisen unter den Lehrenden diskutiert werden müssen, um ein professionelles Handeln zu erleichtern.

Da die Analyseergebnisse auch spezifische Anforderungen an die pflegepädagogische Lehrendenbildung ergaben, lassen sich darauf basierend Erkenntnisse für die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich ableiten. Die generierten Kompetenzelemente verdeutlichen die Orientierung der Lehrenden an einem vermeintlich einheitlichen Pflegeverständnis, um interkulturelle Handlungen zu begründen. Dabei erscheint dieses Pflegeverständnis vor allem durch subjektive Erfahrungen und die eigene kulturelle Sozialisation der Lehrenden geformt. Dies lässt eine weiterführende empirische Analyse eines pflegepädagogischen Pflegeverständnisses erforderlich werden. Dabei scheint die detaillierte Untersuchung der unterschiedlichen Studiengangsinhalte geeignet, um zu eruieren, in welcher Form und mit welchen konkreten Inhalten die Auseinandersetzung mit dem professionellen Pflegeverständnis forciert wird.

Neben der Orientierung am dargestellten einheitlichen Pflegeverständnis konnte ebenso eine Ausrichtung der interkulturellen Handlungen an einer vermeintlich einheitlichen Auffassung von Pflegebildung bzw. an den Erfordernissen der Pflegeausbildung erkannt werden. Auch hier lässt sich ein weiterer Forschungsbedarf erkennen, indem genauer untersucht werden muss, welche Aspekte des pflegepädagogischen Bildungsverständnisses eher allgemeine Anteile des Bildungsbegriffs beinhalten und inwiefern das pflegepädagogische Bildungsverständnis Domänenspezifika aufweist. Da im Kontext des berufsbiografischen Bestimmungsansatzes vor allem das Studium die Grundlage für pädagogische Professionalität darstellt, erscheint auch unter dem Fokus des pflegepädagogischen Bildungsverständnisses eine Analyse der pflegepädagogischen Studieninhalte notwendig. Hierbei ist beispielsweise zu untersuchen, in welcher Art und Weise das Bildungsverständnis diskutiert wird und wie eine bewusste Auseinandersetzung mit einem subjektiven Bildungsverständnis der Studierenden erfolgt (vgl. Lankes 2008, 41). Für ein pflegepädagogisches Bildungsverständnis ermöglicht die vorliegende Analyse erste Erkenntnisse, indem Kommunikation und Reflexion sowie ein gleichberechtigter Diskurs zentrale Bestandteile eines solchen Bildungsverständnisses darstellen. Ebenso sollte der pflegepädagogische Bildungsbegriff, besonders im Kontext der dargestellten Diversität von Lernenden aber auch der Lehrenden, subjektive oder objektive Ganzheiten (im Sinne von Homogenisierungstendenzen) ausschließen und individuelle Lebensmöglichkeiten sowie das kontinuierliche Spannungsverhältnis von Eigenem und Fremdem bzw. von Gewohntem und Neuem einbeziehen (vgl. Frost 2007, 68). Vor diesem Hintergrund erscheint eine intensive Auseinandersetzung mit dem kritisch-emanzipatorischen beruflichen Bildungsbegriff (vgl. Büchter 2019) besonders naheliegend.

Ebenso verdeutlichen die unterschiedlichen Kompetenzelemente, dass der Kulturbegriff einen wesentlichen und zugleich höchst vielseitigen Ausgangspunkt für pflegepädagogische Handlungen darstellt. Deshalb erscheint es im Kontext der Lehrendenbildung erforderlich, den Kulturbegriff als Konstrukt, welches über perspektivenabhängige Kulturdimensionen verfügt (vgl. Wagner 2017, 17ff.), besonders zu berücksichtigen. Hierbei sollte eine differenzierte Auseinandersetzung mit den vielfältigen Dimensionen und Funktionen des Kulturbegriffs verfolgt werden, da sich diese stets subjektiv konkretisieren und somit immer eine individuell ausgeprägte Orientierungsfunktion aufweisen (vgl. Donnerstag 2007, 161). Nur die Sensibilisierung der Lehrenden für einen sich stets in der Kreation befindlichen Kulturbegriff kann die Sensibilisierung auf unterschiedliche Kulturdimensionen und deren Orientierungsfunktion für die Lernenden ermöglichen. Dabei kann ein möglicher Zugang zu den subjektiven Kulturbildern der Lernenden durch den Diskurs über Traditionen, Werte, Rituale oder Verhaltensweisen erfolgen. Dadurch können Lehrende Anhaltspunkte für die individuelle kulturelle Verbundenheit und die Orientierungsfunktion von Kultur erhalten (vgl. Radtke 2017, 64). Durch einen solchen gemeinsamen Austausch kann es gelingen, dass eine Orientierung an starren Faktoren, die Kultur darstellen können vermieden und ein offener Fokus auf das individuelle Kulturverständnis ermöglicht wird (vgl. Auernheimer 2007, 14f.).

Durch die dargestellten Analyseergebnisse wird der Nutzen von interkultureller Kompetenz für die Pflegepädagogik deutlich. Interkulturelle pflegepädagogische Kompetenz ermöglicht die kulturspezifische Auseinandersetzung zwischen Ich und Welt in pflegeberuflichen Bildungsprozessen und somit eine Veränderung des Verhältnisses zum Selbst und zu anderen. Dadurch können Lehrende der pflegeberuflichen Bildung ein aktiver Teil von Chancengleichheit werden. Vor dem Hintergrund der kulturellen Heterogenität kann diese Chancengleichheit gefördert werden, indem kontinuierlich und diskursiv kulturelles Wissen erneuert wird und die kulturelle Heterogenität der Lebenswelten in pflegeberuflichen Bildungsprozessen Beachtung findet. Die interkulturelle pflegepädagogische Kompetenz stellt eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Relevanz von Kultur im erziehungswissenschaftlichen Kontext dar, denn Kultur konkretisiert den zentralen Fokus der berufspädagogischen Arbeit – die Lernenden.

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Zitieren des Beitrags

Mittenzwei, M. (2023): Kulturspezifische Anforderungen an Lehrende in beruflichen Ausbildungsprozessen. Interkulturelle Kompetenz als Element der pflegepädagogischen Kompetenz. In: bwp@ Spezial PH-AT2: Diversität in der Berufsbildung in Österreich, Deutschland und der Schweiz – Perspektiven aus Forschung, Entwicklung und Bildungspraxis, hrsg. v. Albert, S./Heinrichs, K./Hotarek, I./Zenz, S., 1-22. Online: https://www.bwpat.de/spezial-ph-at2/mittenzwei_bwpat-ph-at2.pdf (19.04.2023).