Titel:
Übergänge gestalten – Konzepte, Erfahrungen und Perspektiven in den Fachrichtungen Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung
Beitrag von Roland FALK (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade Rutesheim)
Was sollen angehende Azubis wissen, bevor sie sich für ein bestimmtes Berufsbild entscheiden? Was müssen ausbildungsbereite Betriebe über potenzielle Azubis wissen, bevor sie sich für einen bestimmten Bewerber entscheiden? Was können und müssen überbetriebliche Ausbildungsmeister in Erfahrung bringen, bevor sie eine praktikumsbezogene Eignungsempfehlung aussprechen? Antworten darauf werden in diesem Beitrag eingehend beschrieben und plausibel vorgetragen. Eignungspraktika, die sich am vorgestellten Leitfaden orientieren, sind bestens geeignet, um einfach, klar umrissen und selbstverständlich die bestmögliche Grundlage für gewissenhafte Entscheidungen für alle Beteiligten zu sein.
Das Eignungspraktikum ist eine Dienstleistung der überbetrieblichen Ausbildungszentren an die Unternehmen ihres Verbandes.
Handwerksbetrieben, die nicht regelmäßig ausbilden, fehlt es häufig an der notwendigen Erfahrung, um sicher entscheiden zu können, welcher Bewerber für die ausgeschriebene Ausbildungsstelle der Richtige ist.
Eine Erleichterung für die Vergabe betrieblicher Ausbildungsstellen ist vor allem durch eine Komplettierung der Entscheidungsgrundlage zu erreichen. Neben den eigenen Eindrücken des potentiellen Ausbildungsunternehmens aus dem persönlichem Bewerbungsgespräch sowie den Empfehlungen eventuell verfügbarer Mentoren wie Eltern, Schullehrer, beteiligte Vertreter von Berufsberatung und von Unternehmen früherer Schülerpraktika ist das Eignungspraktikum ein wesentliches Instrument zur Absicherung der Einstellungsentscheidung. Erfahrene überbetriebliche Ausbilder beurteilen die Ausbildungseignung der Praktikanten und geben damit den Handwerksunternehmen eine fundierte Basis für ihre Einstellungsentscheidung.
Die Herstellung von größtmöglicher Entscheidungssicherheit erfolgt durch bestmögliche Darstellung der Ausbildungsrealität im Ausbildungszentrum unter Berücksichtigung von ratio- und emotio-strukturellen Voraussetzungen bei den Teilnehmern.
Weiterhin bewirkt der Einsatz des Eignungspraktikums eine Reduzierung von Dissens-Potenzial sowie des Risikos einer vorzeitigen Trennung während der Ausbildung und dient der Wahrung von Berufsstandsinteressen.
Doch bei aller Kompetenz und Erfahrung auf Seiten der überbetrieblichen Ausbilder bleibt die Verantwortung für die Einstellungsentscheidung immer beim einstellenden Unternehmen. Es kann von den überbetrieblichen Ausbildern nicht erwartet werden, den Unternehmen diese Entscheidung abzunehmen.
Wie läuft nun das Eignungspraktikum ab? Das Praktikum geht über fünf Tage.
Tag 1: Zunächst werden die Praktikanten durch den Ausbildungsleiter begrüßt und in einem ausführlichen Gespräch mit dem Ausbildungszentrum vertraut gemacht. Die Schülerinnen und Schüler werden in die Klassen eingeführt und vom Ausbilder übernommen. Er betreut die Praktikanten und stellt ihnen erste praktische Aufgaben.
Tag 2 bis 4: Vom zweiten bis vierten Tag führen die Praktikanten dann verschiedene praktische Aufgaben aus dem Berufsbild des Stuckateurs aus.
Tag 5: Am fünften Tag endet der Praxisteil. In einer schriftlichen Dokumentation werden die bearbeiteten Aufträge festgehalten, dazu gehört u.a. die Prüfung des zeichnerischen Darstellungsvermögens. Die schriftliche Bearbeitung der Tests dient der weitergehenden Bewertung der Sprachbeherrschung, der mathematischen Grundkenntnisse und der Allgemeinbildung. Abschließend beurteilt der Ausbilder den Praktikanten und führt ein Feedbackgespräch mit ihm durch. Die Unterlagen werden an das potenzielle Ausbildungsunternehmen weitergegeben.
Im Ausbildungszentrum für Stuckateure in Leonberg wurden in den vergangenen sieben Jahren etwa 430 Eignungspraktikanten betreut. Sie wurden für den Zeitraum von jeweils einer Woche in eine der fünf vorhandenen Klassen des ersten bis dritten Lehrjahres integriert, wobei möglichst nie mehr als zwei Praktikanten zeitgleich in einer Klasse anwesend waren.
Im Eignungspraktikum werden vielfältige Anforderungen an die überbetrieblichen Ausbildungsmeister gestellt, wie zum Beispiel die Gestaltungsdynamik bei der Abbildung der Ausbildungsrealität, die Offensivdynamik im Umgang mit den Praktikanten und das Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der möglichen Auswirkungen der ausgesprochenen Empfehlung für alle Beteiligten und bezüglich des Einsatzes des eigenen Erfahrungs- und Erkenntnisschatzes. Außerdem ist auf eine Unvoreingenommenheit bei der Prüfung der Praktikanten hinsichtlich deren persönlicher Herkunft und Vorbildung, der Gegebenheiten im potenziellen Ausbildungsbetrieb und der eigenen aktuellen Belastungssituation zu achten. Vom Ausbildungsmeister wird eine Einsicht in die Notwendigkeit menschlicher, kommunikativer, pädagogischer, fachlicher und struktureller Klarheit erwartet. Selbstverständlich sind die Eignungspraktikanten gefordert, sich bestmöglich zu präsentieren. Dazu zählen beispielsweise ein nutzenorientiertes Engagement, Aufgeschlossenheit gegenüber Unbekanntem und ein angemessenes Realitätsbewusstsein, Integrationspotenzial, Reaktionsrepertoire und Augenmaß in der Beurteilung. Die Praktikanten vermögen sich verständlich auszudrücken und besitzen die Fähigkeit, geordnet, vollständig, sachlich, konstruktiv, wahrheitsgetreu und respektvoll zu formulieren.
Die Inhalte zum Eignungspraktikum sind unproblematisch im Rahmen eines eintägigen Seminars vermittelbar. Die zwei wesentlichen Schwerpunkte des Seminars sind die inhaltliche und zeitliche Gestaltung der fünf Praktikumstage und die Beurteilung der Eignungspraktikanten, was jeweils etwa einen halben Tag in Anspruch nimmt. Die Kernpunkte des Seminars stellen folgende Themen dar:
Beispielhaft soll aufgezeigt werden, wie das Seminar für die Qualifizierung der Ausbilder, die die Eignungspraktika durchführen, abläuft.
Tabelle 1: Exemplarischer Seminarablauf für die Ausbilder-Qualifizierung zur Durchführung von Eignungspraktika
Zeit | Inhalte | Methodik | Teilnehmer aktiv | Medien, Material, Unterlagen | Anmerkungen |
8.30-9.00 | Begrüßung Teilnehmer / Vorstellung Dozent Besprechung Organisatorisches
Vorstellung Teilnehmer | Vortrag des Dozenten
Partnerinterview Teilnehmer oder Vortrag Teilnehmer | 10%
90%
90% | Folien o. Flipchart
ohne
Flipchart |
Interaktion mit Nachbarn + Gedächtnisübung
Steckbrief zur eigenen Person, max. 5 Punkte |
9.00-10.00 | Ablauf der Praktikumswoche
Sinn und Zweck des Eignungspraktikums Verantwortung der Ausbildungsunternehmen Dienstleistungsfunktion der ÜBA
Anforderungen an die Beteiligten | Vortrag des Dozenten
moderierte Diskussion
Gruppenarbeit Teilnehmer + Präsentation Teilnehmer | 10%
50%
90% | Folien
Flipchart
Kärtchen + Pinnwand |
Visualisierung der Rollen der Beteiligten Personen
Teilnehmer-Gruppe 1: Ausbildungsmeister der ÜBA Teilnehmer-Gruppe 2: Eignungspraktikanten |
10.00-10.20 | Kaffeepause |
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10.20-12.00 | Praktische Arbeiten: Themengebiete Praktische Arbeiten zumutbare Anforderungen
Schriftliche Aufgaben: Themengebiete Schriftliche Aufgaben: Inhalte | Vortrag Dozent moderierte Diskussion
Vortrag Dozent Teilnehmer-Selbsttest | 10% 50%
10% 90% | Folien u. Film ohne Testmuster in Papierform Tests Mathematik und Allgemeinbildung in Papierform |
Umfang der Bearbeitung richtet sich nach zur Verfügung stehender Zeit |
12.00-13.00 | Mittagspause |
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13.00-14.25 | Aufbau Beurteilungsbogen + Systematik Textbausteine Inhaltliche Erarbeitung aller Beurteilungskriterien | Vortrag Dozent moderierte Diskussion | 10% 50% | Folien Folien |
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14.25-14.45 | Kaffeepause |
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14.45-15.45 | Vorgehensweise bei der Erstellung einer Beurteilung und typische Beurteilungsfehler | Gruppenarbeit Teilnehmer + Präsentation Teilnehmer | 90% | Kärtchen + Pinnwand | in Kleingruppen à 2-3 Teilnehmer |
15.45-16.00 | Abschlussrunde | offene Gesprächsrunde | 50% | keine |
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Gute Mitarbeiter sind der Schlüssel für den betrieblichen Erfolg, vor allem in einem Bereich mit hohem Personaleinsatz wie im Stuckateurhandwerk. Die Suche nach Fachkräften wird immer schwieriger, so dass es für die Fachunternehmen immer wichtiger wird, ihren eigenen Facharbeiter-Nachwuchs selbst auszubilden. Doch wie finden sie die Mitarbeiter, die auch für den Beruf geeignet sind?
Der Fachbetrieb soll im Rahmen der Bildungspartnerschaft einen direkten Kontakt zur allgemeinbildenden Schule halten. Dies können Haupt-, Real- oder Werkrealschulen sein. Das besondere an den Bildungspartnerschaften sind verbindliche und verlässliche Zusagen vom Unternehmen aber auch von Seiten der Schule. Folgende Vorteile bietet eine Bildungspartnerschaft:
Neben kleinen Unterrichtsbausteinen soll der Betrieb auch Betriebspraktika anbieten. Erst wenn der Schüler bereits erste Erfahrungen im Betrieb mit dem Beruf gemacht hat, kann das Eignungspraktikum in der Überbetrieblichen Ausbildung besucht werden.
Das Eignungspraktikum stellt eine Art Eingangsprüfung dar, welche die Qualität der Auszubildenden und vor allem auch das Image des Berufes verbessert.
Der Betrieb erhält nach dem Eignungspraktikum einen Beurteilungsbericht (Praktikumsmappe) über die Leistungen des Praktikanten. Hier geht es nicht nur um die handwerklichen Fertigkeiten, sondern auch um schulische Kenntnisse und die persönliche Eignung.
Tabelle 2: Beurteilungskriterien für den Ausbildungsbewerber
Über das Eignungspraktikum wurde ein kurzer Film gedreht, der den Ablauf gut darstellt und den Nutzen dem Betrieb verdeutlicht.
Der Film ist zu finden unter www.stuck-komzet.de/podcast.
Weitere Informationen auch zur Dozentenqualifizierung erhalten Sie beim
Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade
Siemensstr. 8
71277 Rutesheim
info(at)stuck-komzet.de
Tel.: 07152 / 905071
FALK, R. (2011): Eignungspraktikum für angehende Auszubildende. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 03, hrsg. v. BAABE-MEIJER, S./ KUHLMEIER, W./ MEYSER, J., 1-6. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft03/falk_ft03-ht2011.pdf (26-09-2011).