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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT03 - Bau, Holz, Farbe und Raumgestaltung
Herausgeber: Sabine Baabe-Meijer, Werner Kuhlmeier & Johannes Meyser

Titel:
Übergänge gestalten – Konzepte, Erfahrungen und Perspektiven in den Fachrichtungen Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung


Eignungspraktikum für angehende Auszubildende

Beitrag von Roland FALK (Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade Rutesheim)

Abstract

Was sollen angehende Azubis wissen, bevor sie sich für ein bestimmtes Berufsbild entscheiden? Was müssen ausbildungsbereite Betriebe über potenzielle Azubis wissen, bevor sie sich für einen bestimmten Bewerber entscheiden? Was können und müssen überbetriebliche Ausbildungsmeister in Erfahrung bringen, bevor sie eine praktikumsbezogene Eignungsempfehlung aussprechen? Antworten darauf werden in diesem Beitrag eingehend beschrieben und plausibel vorgetragen. Eignungspraktika, die sich am vorgestellten Leitfaden orientieren, sind bestens geeignet, um einfach, klar umrissen und selbstverständlich die bestmögliche Grundlage für gewissenhafte Entscheidungen für alle Beteiligten zu sein.

1 Hintergrund und Zielsetzung

Das Eignungspraktikum ist eine Dienstleistung der überbetrieblichen Ausbildungszentren an die Unternehmen ihres Verbandes.

1.1 Ausgangssituation und Ziel

Handwerksbetrieben, die nicht regelmäßig ausbilden, fehlt es häufig an der notwendigen Erfahrung, um sicher entscheiden zu können, welcher Bewerber für die ausgeschriebene Ausbildungsstelle der Richtige ist.

Eine Erleichterung für die Vergabe betrieblicher Ausbildungsstellen ist vor allem durch eine Komplettierung der Entscheidungsgrundlage zu erreichen. Neben den eigenen Eindrücken des potentiellen Ausbildungsunternehmens aus dem persönlichem Bewerbungsgespräch sowie den Empfehlungen eventuell verfügbarer Mentoren wie Eltern, Schullehrer, beteiligte Vertreter von Berufsberatung und von Unternehmen früherer Schülerpraktika ist das Eignungspraktikum ein wesentliches Instrument zur Absicherung der Einstellungsentscheidung. Erfahrene überbetriebliche Ausbilder beurteilen die Ausbildungseignung der Praktikanten und geben damit den Handwerksunternehmen eine fundierte Basis für ihre Einstellungsentscheidung.

Die Herstellung von größtmöglicher Entscheidungssicherheit erfolgt durch bestmögliche Darstellung der Ausbildungsrealität im Ausbildungszentrum unter Berücksichtigung von ratio- und emotio-strukturellen Voraussetzungen bei den Teilnehmern.

Weiterhin bewirkt der Einsatz des Eignungspraktikums eine Reduzierung von Dissens-Potenzial sowie des Risikos einer vorzeitigen Trennung während der Ausbildung und dient der Wahrung von Berufsstandsinteressen.

Doch bei aller Kompetenz und Erfahrung auf Seiten der überbetrieblichen Ausbilder bleibt die Verantwortung für die Einstellungsentscheidung immer beim einstellenden Unternehmen. Es kann von den überbetrieblichen Ausbildern nicht erwartet werden, den Unternehmen diese Entscheidung abzunehmen.

1.2 Ablauf des Eignungspraktikums

Wie läuft nun das Eignungspraktikum ab? Das Praktikum geht über fünf Tage.

Tag 1: Zunächst werden die Praktikanten durch den Ausbildungsleiter begrüßt und in einem ausführlichen Gespräch mit dem Ausbildungszentrum vertraut gemacht. Die Schülerinnen und Schüler werden in die Klassen eingeführt und vom Ausbilder übernommen. Er betreut die Praktikanten und stellt ihnen erste praktische Aufgaben.

Tag 2 bis 4: Vom zweiten bis vierten Tag führen die Praktikanten dann verschiedene praktische Aufgaben aus dem Berufsbild des Stuckateurs aus.

Tag 5: Am fünften Tag endet der Praxisteil. In einer schriftlichen Dokumentation werden die bearbeiteten Aufträge festgehalten, dazu gehört u.a. die Prüfung des zeichnerischen Darstellungsvermögens. Die schriftliche Bearbeitung der Tests dient der weitergehenden Bewertung der Sprachbeherrschung, der mathematischen Grundkenntnisse und der Allgemeinbildung. Abschließend beurteilt der Ausbilder den Praktikanten und führt ein Feedbackgespräch mit ihm durch. Die Unterlagen werden an das potenzielle Ausbildungsunternehmen weitergegeben.

1.3 Erste Erfahrungen und Anforderungen an die Beteiligten

Im Ausbildungszentrum für Stuckateure in Leonberg wurden in den vergangenen sieben Jahren etwa 430 Eignungspraktikanten betreut. Sie wurden für den Zeitraum von jeweils einer Woche in eine der fünf vorhandenen Klassen des ersten bis dritten Lehrjahres integriert, wobei möglichst nie mehr als zwei Praktikanten zeitgleich in einer Klasse anwesend waren.

Im Eignungspraktikum werden vielfältige Anforderungen an die überbetrieblichen Ausbildungsmeister gestellt, wie zum Beispiel die Gestaltungsdynamik bei der Abbildung der Ausbildungsrealität, die Offensivdynamik im Umgang mit den Praktikanten und das Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich der möglichen Auswirkungen der ausgesprochenen Empfehlung für alle Beteiligten und bezüglich des Einsatzes des eigenen Erfahrungs- und Erkenntnisschatzes. Außerdem ist auf eine Unvoreingenommenheit bei der Prüfung der Praktikanten hinsichtlich deren persönlicher Herkunft und Vorbildung, der Gegebenheiten im potenziellen Ausbildungsbetrieb und der eigenen aktuellen Belastungssituation zu achten. Vom Ausbildungsmeister wird eine Einsicht in die Notwendigkeit menschlicher, kommunikativer, pädagogischer, fachlicher und struktureller Klarheit erwartet. Selbstverständlich sind die Eignungspraktikanten gefordert, sich bestmöglich zu präsentieren. Dazu zählen beispielsweise ein nutzenorientiertes Engagement, Aufgeschlossenheit gegenüber Unbekanntem und ein angemessenes Realitätsbewusstsein, Integrationspotenzial, Reaktionsrepertoire und Augenmaß in der Beurteilung. Die Praktikanten vermögen sich verständlich auszudrücken und besitzen die Fähigkeit, geordnet, vollständig, sachlich, konstruktiv, wahrheitsgetreu und respektvoll zu formulieren.

2 Ausbilder-Qualifizierung zur Durchführung von Eignungspraktika

Die Inhalte zum Eignungspraktikum sind unproblematisch im Rahmen eines eintägigen Seminars vermittelbar. Die zwei wesentlichen Schwerpunkte des Seminars sind die inhaltliche und zeitliche Gestaltung der fünf Praktikumstage und die Beurteilung der Eignungspraktikanten, was jeweils etwa einen halben Tag in Anspruch nimmt. Die Kernpunkte des Seminars stellen folgende Themen dar:

  • der Sinn und der Zweck des Eignungspraktikums,
  • die Anforderungen an die Ausbilder und die Auszubildenden,
  • die Verantwortung der Ausbilder gegenüber den Unternehmen,
  • der Ablauf des Praktikums, die Auswahl der für einen Praktikanten geeigneten Tätigkeiten,
  • die Inhalte der schriftlichen Tests,
  • der Aufbau und die Anwendung des Beurteilungsbogens einschließlich angegliederter Textbausteine und
  • die richtige Vorgehensweise bei der Erstellung einer Beurteilung.

Beispielhaft soll aufgezeigt werden, wie das Seminar für die Qualifizierung der Ausbilder, die die Eignungspraktika durchführen, abläuft.

 

Tabelle 1:  Exemplarischer Seminarablauf für die Ausbilder-Qualifizierung zur Durchführung von Eignungspraktika

 

Zeit

Inhalte

Methodik

Teilnehmer

aktiv

Medien, Material, Unterlagen

Anmerkungen

8.30-9.00

Begrüßung Teilnehmer / Vorstellung Dozent

Besprechung Organisatorisches

 

Vorstellung Teilnehmer

Vortrag des Dozenten

 

 

Partnerinterview Teilnehmer

oder

Vortrag Teilnehmer

10%

 

 

90%

 

90%

Folien o. Flipchart

 

 

ohne

 

Flipchart

 

Interaktion mit Nachbarn + Gedächtnisübung

 

Steckbrief zur eigenen Person, max. 5 Punkte

9.00-10.00

Ablauf der Praktikumswoche

 

Sinn und Zweck des Eignungspraktikums

Verantwortung der Ausbildungsunternehmen

Dienstleistungsfunktion der ÜBA

 

Anforderungen an die Beteiligten

Vortrag des Dozenten

 

moderierte Diskussion

 

 

 

Gruppenarbeit Teilnehmer

+ Präsentation Teilnehmer

10%

 

50%

 

 

 

90%

Folien

 

Flipchart

 

 

 

Kärtchen + Pinnwand

 

 

Visualisierung der Rollen der Beteiligten Personen

 

 

Teilnehmer-Gruppe 1: Ausbildungsmeister der ÜBA

Teilnehmer-Gruppe 2: Eignungspraktikanten

10.00-10.20

Kaffeepause

 

 

 

 

10.20-12.00

Praktische Arbeiten: Themengebiete

Praktische Arbeiten  zumutbare Anforderungen

 

Schriftliche Aufgaben:  Themengebiete

Schriftliche Aufgaben: Inhalte

Vortrag Dozent

moderierte Diskussion

 

Vortrag Dozent

Teilnehmer-Selbsttest

10%

50%

 

10%

90%

Folien u. Film

ohne

Testmuster in Papierform

Tests Mathematik und Allgemeinbildung in Papierform

 

 

 

 

Umfang der Bearbeitung richtet sich nach zur Verfügung stehender Zeit

12.00-13.00

Mittagspause

 

 

 

 

13.00-14.25

Aufbau Beurteilungsbogen + Systematik Textbausteine

Inhaltliche Erarbeitung aller Beurteilungskriterien

Vortrag Dozent

moderierte Diskussion

10%

50%

Folien

Folien

 

14.25-14.45

Kaffeepause

 

 

 

 

14.45-15.45

Vorgehensweise bei der Erstellung einer Beurteilung und typische Beurteilungsfehler

Gruppenarbeit Teilnehmer

+ Präsentation Teilnehmer

90%

Kärtchen + Pinnwand

in Kleingruppen à 2-3 Teilnehmer

15.45-16.00

Abschlussrunde

offene Gesprächsrunde

50%

keine

 

 

3 Nutzen für den Betrieb

Gute Mitarbeiter sind der Schlüssel für den betrieblichen Erfolg, vor allem in einem Bereich mit hohem Personaleinsatz wie im Stuckateurhandwerk. Die Suche nach Fachkräften wird immer schwieriger, so dass es für die Fachunternehmen immer wichtiger wird, ihren eigenen Facharbeiter-Nachwuchs selbst auszubilden. Doch wie finden sie die Mitarbeiter, die auch für den Beruf geeignet sind?

3.1 Bildungspartnerschaften mit Schulen

Der Fachbetrieb soll im Rahmen der Bildungspartnerschaft einen direkten Kontakt zur allgemeinbildenden Schule halten. Dies können Haupt-, Real- oder Werkrealschulen sein. Das besondere an den Bildungspartnerschaften sind verbindliche und verlässliche Zusagen vom Unternehmen aber auch von Seiten der Schule. Folgende Vorteile bietet eine Bildungspartnerschaft:

  • die Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf,
  • das Kennenlernen der verschiedenen Anforderungen in den unterschiedlichen Handwerksberufen,
  • die Förderung einer praxisorientierten Ausbildungskultur,
  • das Kennenlernen von Ausbildungsbetrieben,
  • die Förderung und Sicherheit des zukünftigen Fachkräftenachwuchses,
  • die Bereitstellung von Praktikumsplätzen sowie
  • die Förderung des Kontakts zwischen Auszubildenden und Schülern.

Neben kleinen Unterrichtsbausteinen soll der Betrieb auch Betriebspraktika anbieten. Erst wenn der Schüler bereits erste Erfahrungen im Betrieb mit dem Beruf gemacht hat, kann das Eignungspraktikum in der Überbetrieblichen Ausbildung besucht werden.

3.2 Eignungspraktikum an der überbetrieblichen Ausbildungsstätte

Das Eignungspraktikum stellt eine Art Eingangsprüfung dar, welche die Qualität der Auszubildenden und vor allem auch das Image des Berufes verbessert.

Der Betrieb erhält nach dem Eignungspraktikum einen Beurteilungsbericht (Praktikumsmappe) über die Leistungen des Praktikanten. Hier geht es nicht nur um die handwerklichen Fertigkeiten, sondern auch um schulische Kenntnisse und die persönliche Eignung.

 

Tabelle 2:  Beurteilungskriterien für den Ausbildungsbewerber

Initiates file download

3.3 Podcast über Eignungspraktikum

Über das Eignungspraktikum wurde ein kurzer Film gedreht, der den Ablauf gut darstellt und den Nutzen dem Betrieb verdeutlicht.

Der Film ist zu finden unter www.stuck-komzet.de/podcast.

Weitere Informationen auch zur Dozentenqualifizierung erhalten Sie beim

Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade
Siemensstr. 8
71277 Rutesheim
info(at)stuck-komzet.de
Tel.: 07152 / 905071


Zitieren dieses Beitrages

FALK, R. (2011): Eignungspraktikum für angehende Auszubildende. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 03, hrsg. v. BAABE-MEIJER, S./ KUHLMEIER, W./ MEYSER, J., 1-6. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft03/falk_ft03-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

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