Titel:
Übergänge gestalten – Konzepte, Erfahrungen und Perspektiven in den Fachrichtungen Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung
Beitrag von Thomas SCHRÖDER (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg)
Als Folge der Europäisierung der beruflichen Bildung kann die Bedeutung informell und non-formal erworbener Kompetenzen eine Aufwertung erfahren. Die Validierung dieser Kompetenzen sowie deren Anerkennung und Anrechnung auf berufliche Aus- und Weiterbildungsgänge eröffnet neue Bildungsmöglichkeiten und Perspektiven für bildungsferne Zielgruppen. Entsprechende konzeptionelle Ansätze nehmen insbesondere Ausbildungsmarktbenachteiligte und die berufliche Weiterbildung im mittleren Berufsbildungssegment als Zielgruppen in den Fokus. Im Zentrum der konzeptionellen Ansätze steht die Erfassung der Lernergebnisse im Sinn einer beruflichen Handlungsfähigkeit, die auch durch die Lernfeldorientierung in der Berufsausbildung angestrebt wird. Im Beitrag werden die theoretischen Grundlagen und praxisrelevante Konzepte zur Erfassung informell und non-formal erworbener Kompetenzen angesprochen. Zudem werden aus dieser Entwicklung resultierende Perspektiven für die formale Berufsbildung im Bausektor, Probleme der praktischen Umsetzung sowie Forschungsdesiderate thematisiert.
Die bildungspolitische Forderung der Förderung des lebenslangen Lernens - auch und vielleicht gerade im Sinne einer Ermöglichung - kann über eine Erweiterung der formalen beruflichen Aus- und Weiterbildungsangebote eingelöst werden. Diese Erweiterung ist auf eine konzeptionelle Einbindung der Erfassung informell und non-formal erworbener Kompetenzen und einer Erschließung des Arbeitsplatzes als Lernort zu beziehen. Die Validierung informell und non-formal erworbener Kompetenzen sowie deren Anerkennung und Anrechnung auf berufliche Aus- und Weiterbildungsgänge eröffnet gesellschaftlich neue Bildungsmöglichkeiten, dem formalen Berufsbildungssystem neue Handlungsfelder und bildungsfernen Zielgruppen realisierbare Bildungsperspektiven.
Zielgruppen für neu zu entwickelnde konzeptionelle Ansätze stellen im Bereich der beruflichen Bildung insbesondere Ausbildungsmarktbenachteiligte und weiterbildungswillige Facharbeiter dar, für die entweder ein Verdienstausfall über einen längeren Zeitraum nicht darstellbar ist oder die aufgrund des Facharbeitermangels infolge des demografischen Wandels am Arbeitsplatz nicht ersetzt werden können. Im Zentrum entsprechender Leitprinzipien zur Validierung informell und non-formal entwickelter Kompetenzen und bereits entwickelter konzeptioneller Ansätze steht die Erfassung der Lernergebnisse (learning outcome) im Sinn einer beruflichen Handlungsfähigkeit, wie sie auch in der Lernfeldorientierung angelegt ist. Die Instrumente der Validierung können demnach gleichermaßen für die Erfassung formal, non-formal und informell erworbener Kompetenzen verwendet werden.
Im vorliegenden Beitrag, der auf einer von der Freien und Hansestadt Hamburg in Auftrag gegebenen Studie basiert (vgl. SCHRÖDER 2011), werden die Bedeutung der Europäischen Bildungspolitik für die Berücksichtigung informell und non-formal erworbener Kompetenzen und die theoretischen Bezüge für deren Erfassung angesprochen sowie praxisrelevante Konzepte vorgestellt. Abschließend werden aus dieser Entwicklung resultierende Perspektiven für die formale Berufsbildung, Probleme der praktischen Umsetzung sowie Entwicklungs- und Forschungsdesiderate thematisiert.
Die Europäische Union (EU) hat zwar nicht die Hoheit über eine gemeinsame Bildungspolitik, aber sie versucht die Berufsbildungspolitik der Mitgliedsstaaten über die offene Methode der Koordinierung (OMK) zu harmonisieren. Die OMK wird von der EU in Politikfeldern angewandt, die außerhalb ihrer Gesetzgebungskompetenzen liegen, wie es in der Berufsbildung der Fall ist. In einem strukturierten Vorgehen im Berufsbildungsbereich wird ein entscheidender Beitrag gesehen, die Bürger auf zukünftige Anforderungen vorzubereiten und die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft zu fördern, um die EU zum stärksten und mobilsten wissensbasierten Wirtschaftsraum weltweit zu gestalten (vgl. DUNKEL/ JONES 2006, 43). In den vergangenen 10 Jahren hat die EU einen ganzen Strauß verschiedener Instrumente und Leitlinien entwickelt, die sich zunehmend auf die Gestaltung der beruflichen Bildung in den Mitgliedsstaaten auswirkt. Bei diesen Instrumenten und Leitlinien handelt es sich um
Aus der Zusammenschau der Instrumente der europäischen Berufsbildungspolitik wird ersichtlich, dass das lebenslange Lernen und die damit verbundene Durchlässigkeit auch über eine gleichwertige Anerkennung formaler, informeller und nonformaler Lernleistungen angestrebt werden. Dem learning outcome und der Deutung dieses Begriffs kommt für die gleichwertige Wertung und Anerkennung formal erworbener Kompetenzen einerseits und informell und non-formal erworbenen Kompetenzen andererseits eine zentrale Bedeutung zu.
Die Bedeutungszunahme informell und nonformal erworbener Kompetenzen und die bildungspolitische Zielsetzung der Anerkennung und Anrechnung auf formale berufliche Bildungsgänge machen die Entwicklung und den Einsatz geeigneter Kompetenzfeststellungsverfahren auf der Basis eines weitgehend einheitlichen Kompetenzmodells erforderlich.
Der Kompetenzbegriff ist in den vergangenen Jahren Gegenstand erziehungswissenschaftlicher Teildisziplinen und der Psychologie geworden, ohne dass eine einheitliche, allgemeingültige Begriffsbestimmung und eine theoretische Verortung vorgenommen werden konnte. Die Relevanz dieses Forschungsgegenstandes lässt sich an der Vielzahl der entwickelten Kompetenzkonzepte festmachen (vgl. ERPENBECK/ V. ROSENSTIEL 2007; INBAS 2008; BYLINSKI 2008).
Der Kompetenzbegriff aus psychologischer Perspektive geht auf kognitionspsychologische Modelle zurück. Den kognitionspsychologischen Verfahren der Kompetenzmessung liegen häufig psychometrische Testverfahren der quantitativen Sozialforschung zugrunde, deren Ziel es ist, „…quantifizierende und klassifizierende Aussagen über die interessierenden Merkmalsausprägungen von Individuen zu erhalten“ (SEEBER et al. 2010, 4).
Aus berufs- und wirtschaftspädagogischer Perspektive ist die Orientierung am Subjekt und seine individuelle Entwicklung ein wesentliches Merkmal der verschiedenen Kompetenzmodelle, was eine entscheidende Weiterentwicklung gegenüber dem zuvor verwendeten Qualifikationsbegriff bedeutet (vgl. GILLEN 2006, 71). Der Kompetenzbegriff folgt maßgeblich dem in den 1970er Jahren geprägten Leitbild der beruflichen Handlungsfähigkeit, die an Ganzheitlichkeit orientiert ist. Der Anspruch an die Ganzheitlichkeit lässt sich auf ROTH (1971) zurückführen, der eine Erziehung zur Handlungsfähigkeit über die Entwicklung von Sach-, Sozial- und Methodenkompetenz anstrebte. Seine Ausführungen zur pädagogisch-anthropologischen Theorie der Persönlichkeitsentwicklung bilden die Fundierung für die definitorische Abgrenzung des Kompetenzbegriffs vom Qualifikationsbegriff durch den DEUTSCHEN BILDUNGSRAT (1974, 65). Basierend auf der Position des Bildungsrats wurde zunächst in der beruflichen Erstausbildung, aber auch in der beruflichen Weiterbildung die Entwicklung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz als Leitziel durchgesetzt. Sie stellt sich als Einheit aus den Hauptdimensionen – Fach-, Sozial- und Personalkompetenz – dar, die wiederum als Voraussetzung für die Entfaltung von Methoden- und Lernkompetenz gelten (vgl. KMK 2000, 9). Grafisch kann das Modell der umfassenden beruflichen Handlungskompetenz wie folgt abgebildet werden:
Abb. 1: Modell der umfassenden Handlungskompetenz (Quelle: SCHRÖDER 2004)
Die Hauptkompetenzen Fach-, Personal- und Sozialkompetenz mit ihren jeweiligen Teilkompetenzen sind interdependent und systemisch vernetzt (vgl. KAUFFELD 2003), stehen also nicht getrennt nebeneinander.
Die Kompetenzmatrix des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) kann zukünftig die Basis einer vereinheitlichten Kompetenzdarstellung bilden. Die Kompetenzmatrix weist Merkmale aus, die für ein erfolgreiches Handeln in einem Lern- oder Arbeitsbereich relevant sind (vgl. AK DQR 2009).
In der Kompetenzmatrix des DQR wird nach zwei Kategorien unterschieden: der Fachkompetenz (die weiter in Wissen und Fertigkeiten unterteilt ist) und der personalen Kompetenz (die in Sozial- und Selbstkompetenz unterteilt wurde). Betont wird, dass diese analytische Unterscheidung im Bewusstsein der Interdependenz unterschiedlicher Aspekte von Kompetenz vollzogen wurde. Die Methodenkompetenz wird als Querschnittskompetenz verstanden und findet deshalb in der DQR-Matrix keine eigenständige Erwähnung.
Niveauindikator | |||
Anforderungsstruktur | |||
Fachkompetenz | Personale Kompetenz | ||
Wissen | Fertigkeiten | Sozialkompetenz | Selbstkompetenz |
Tiefe und Breite | Instrumentelle und systemische Fertigkeiten, Beurteilungsfähigkeit | Team-/ Führungsfähigkeit, Mitgestaltung und Kommunikation | Selbstständigkeit/ Verantwortung, Reflexivität und Lernkompetenz |
Abb. 2: Die Kompetenzmatrix des DQR (Quelle: AK DQR 2009)
Individuelle Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Ausdauer und Aufmerksamkeit, aber auch normative und ethische Aspekte der Persönlichkeitsbildung, Persönlichkeitsmerkmale wie interkulturelle Kompetenz, gelebte Toleranz und demokratische Verhaltensweisen werden ebenfalls nicht in der DQR-Matrix ausgewiesen (vgl. AK DQR 2009).
Zurzeit befindet sich die Entwicklung des DQR in einer zweiten Erarbeitungsphase. Vier Arbeitsgruppen haben für eine Entwicklung sektoraler Qualifikationsrahmen für die Bereiche Metall-/Elektrotechnik, Handel, Gesundheit und Informationstechnologie Vorschläge entwickelt. Die Vorschläge enthalten exemplarische Zuordnungen ausgewählter Qualifikationen des deutschen Bildungssystems zum DQR-Entwurf.
Es existiert eine Vielzahl verschiedener Kompetenzerfassungs- und -feststellungsverfahren sowie Testverfahren der Kompetenzanalyse und -messung. Viele der entwickelten Instrumente berücksichtigen ganz oder teilweise einen Kompetenzbegriff, der Fach-, Methoden-, Sozial- und Personalkompetenzen umfasst. Für eine Orientierung in der Vielfalt der Kompetenzfeststellungsverfahren ist eine Typisierung von Kompetenzfeststellungsverfahren nach DRUCKREY (2007, 19) hilfreich, die nach testbasierten, biografieorientierten und handlungsorientierten Verfahren unterscheidet. Die nachfolgende Tabelle führt entsprechend der Typisierung nach DRUCKREY exemplarisch einige Kompetenzfeststellungsverfahren auf.
Tabelle 1: Kompetenzfeststellungsverfahren nach Typ und Umsetzungsart (Quelle: DEHNBOSTEL et al 2010, 29)
Verfahrenstyp | Umsetzungsart | Beispiel |
testbasierte Verfahren | Teil-/standardisierte Tests, die i.d.R. der quantitativen Forschungsmethodik entsprechen | · Berufsinteressen-/Berufseigungstests · Handwerklich-motorische Eignungstests · Persönlichkeitstests · Schulleistungsmessung · Wissenstest · Intelligenztests · Beurteilung der Qualität von Werkstücken und Arbeitsproben |
biografieorient. Verfahren | Biografische Interviews und (z.T. onlinegestützte) Verfahren zur Selbstevaluation, Dokumentenkontrolle, Kompetenzbilanzierung | · ProfilPass · Europass · Schweizerisches Qualifikationsbuch · ARGE-Profilerstellung · Jobnavigator · Kompetenzreflektor |
handlungsorient. Verfahren | Assessmentverfahren, Potenzialanalysen, berufliche Aufgabenstellungen (Simulation oder im realen Arbeitsprozess) | · Assenssmentcenter · Simulationsaufgaben · Lern- und Arbeitsaufgaben · Arbeits- und Lernaufgaben · Kassler-Kompetenz-Raster |
Ein zentrales Problemfeld stellt die Beurteilung der Kompetenzfeststellungsverfahren dar. Folgende Evaluationskriterien können entsprechend der Zielgruppe und der Zielsetzung der Kompetenzfeststellung einer Auswahl zugrunde gelegt werden (vgl. SCHRÖDER 2011, 72f.):
In berufsbezogenen Kompetenzfeststellungsverfahren sind handlungsorientierte Verfahren in besonderem Maße geeignet, berufliche Handlungskompetenzen festzustellen, unabhängig davon, ob diese formal, informell oder non-formal erworben wurden. Im Zentrum dieser Verfahren stehen berufstypische oder reale Arbeitsprozesse und -aufgaben.
Systeme und Verfahren der Validierung und Anerkennung informeller und nonformaler Kompetenzen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung existieren bereits. In den folgenden Abschnitten soll auf die Grundsätze und die Richtlinien zur Validierung von informellen und non-formalen Lernprozessen, das Schweizer System der Validierung und das deutsche IT-Weiterbildungssystem eingegangen werden.
Gemäß den europäischen Leitlinien für die Validierung des informellen und non-formalen Lernens (vgl. CEDFOP 2009) weisen Validierungsprozesse Gütekriterien und Merkmale auf, die die Grundlage für die Orientierung, Bewertung und Qualitätssicherung bilden. Empfohlen wird außerdem ein dreiphasiges Vorgehen:
Neben diesen Leitlinien befinden sich im Anhang umfangreiche Checklisten, in denen systemrelevante Aspekte ausgewiesen werden. Besonders unterstützend ist die Darstellung der Anforderungen an die Fachkräfte und Experten, die die Validierung durchführen (vgl. CEDEFOP 2009, 92ff.).
In der Schweiz wurde die Möglichkeit der Validierung informell und non-formal erworbener Kompetenzen und deren Anerkennung bereits 2005 eingeführt. Mittlerweile wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, insgesamt 7 Berufsbilder über Validierungsverfahren zu zertifizieren (vgl. STREBEL 2010, 8). Laut dem schweizerischen Berufsbildungsgesetz Art. 9.2 sind über den Weg der Validierung von Bildungsleistungen als Resultat beruflicher und außerberuflicher Praxiserfahrungen dieselben Titel zu erwerben wie über betriebliche und schulische Ausbildungsgänge. Die Zulassung zur Prüfung ist nicht abhängig vom Besuch bestimmter Bildungsgänge (vgl. BBG Art. 24.2). Die durch die Praxis erworbenen beruflichen Qualifikationen können durch eine Gesamtprüfung, eine Verbindung von Teilprüfungen oder durch so genannte andere Qualifikationsverfahren (aQV) erfasst werden.
Das Verfahren zur Validierung von Bildungsleistungen in der beruflichen Grundbildung ist in fünf Phasen gegliedert:
Das Schweizer Verfahren zur Validierung von Bildungsleistungen bezieht sich auf Bildungsleistungen, ohne dass der Bildungsweg Berücksichtigung findet. Der informelle und der non-formale Kompetenzerwerb werden dem formalen gleichgesetzt. Das Verfahren erlaubt eine Berücksichtigung der Erfordernisse, die aus den gesellschaftlichen und arbeitsorganisatorischen Veränderungen erwachsen sind, und ist auf alle Bildungsniveaus zu beziehen. Es erlaubt ein Höchstmaß an Selbstbestimmung des Lernenden und an Flexibilität, bleibt auf Berufsprofile bezogen und nimmt den Aspekt der Qualitätssicherung stark in den Fokus.
Eine vergleichbare Entwicklung stellt das IT-Weiterbildungssystem (vgl. BMBF 2002) dar, das hinsichtlich der Anerkennung informell und non-formal erworbener beruflicher Handlungskompetenzen als modellhaft gelten darf. Die „Verordnung über die berufliche Fortbildung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik (IT-Fortbildungsverordnung)“ bildet den rechtlichen Ordnungsrahmen. In ihr sind Entwicklungs- und Aufstiegswege für die Beschäftigten der IT-Branche geregelt. Durch eine Verzahnung mit IT-Studiengängen soll außerdem der Zugang zu akademischen Abschlüssen, d.h. zu Bachelor- und Master-Abschlüssen, ermöglicht werden. Im Jahr 2002 waren 80 Prozent von 1,6 Mio. Beschäftigten in der IT-Branche Quer- und Seiteneinsteiger (EHRKE/ MÜLLER 2002, S. 9). Da das IT-Weiterbildungssystem einen Beitrag zur Lösung des vorherrschenden Fachkräftemangels leisten sollte, wurde nach innovativen Formen der Weiterbildung gesucht, die einen Großteil der Beschäftigten während der Qualifizierung weitgehend am Arbeitsplatz belassen würde.
Die inhaltliche und kompetenzbezogene Grundlage für die Qualifizierung und die Zertifizierung bildet die Beschreibung der 14 Spezialistenprofile. Die Profilbeschreibungen umfassen eine kurze Tätigkeitsbeschreibung, die Definition der Arbeitsgebiete und Aufgaben, eine Nennung profilspezifischer und prozessspezifischer Kompetenzen sowie die profiltypischen Hauptprozesse. Jedem Hauptprozess sind wiederum Tätigkeiten zugeordnet. Die Prüfungsdurchführung erfolgt durch eine akkreditierte Personalzertifizierungsstelle (www.cert-it.de) nach ISO/IEC 17024 (Personalzertifizierung). Zertifiziert werden die Kompetenzen von Einzelpersonen für bestimmte berufliche Aufgaben auf der Basis der Profilbeschreibungen.
Das Zertifizierungsverfahren folgt der Logik, dass eine selbstständige und erfolgreiche Bearbeitung eines realen betrieblichen Arbeitsprojektes durch den Prüfling nachgewiesen werden muss. Dieser Nachweis wird in einem definierten Zeitraum über ein spezielles Dokumentationsverfahren erbracht. Da in der Praxis kein Projekt alle zertifizierungsrelevanten Tätigkeiten abdeckt, können auch mehrere Projekte eingereicht werden. Die Prüfungsordnung der Zertifizierungsstelle lässt außerdem eine Einbeziehung von Projekten, Arbeitsaufgaben und -prozessen zu, die bis zu 12 Monate zurückliegen. Insgesamt müssen alle Hauptprozesse und Tätigkeiten des zu zertifizierenden Spezialistenprofils abgedeckt werden.
Die Zertifizierungsprüfung besteht aus zwei halbstündigen Teilen. Die Prüfung beginnt mit einer Präsentation des Kandidaten zu einem profilspezifischen Thema. Der zweite Prüfungsteil besteht aus einem Fachgespräch über die durch den Kandidaten bearbeiteten Arbeitsprozesse. Ziel des Fachgesprächs ist es, die dokumentierte Handlungsfähigkeit zu hinterfragen und zu validieren. Das IT-Weiterbildungssystem nimmt durch die Zertifizierung der informell erworbenen Lernergebnisse als ein Resultat des beruflichen Arbeitshandelns eine Vorreiterrolle hinsichtlich der Zertifizierung informellen Lernens in Deutschland ein.
Die Validierung informeller und non-formaler Lernergebnisse und deren Anrechnung auf Berufsausbildung oder berufliche Weiterbildung verbessert die Durchlässigkeit und stellt eine Weiterentwicklungsperspektive für das formale Berufsbildungssystem dar. Durch den zunehmenden Einfluss der Instrumente der europäischen Berufsbildungspolitik wird der Fokus zunehmend auf das „learning outcome“ gelegt werden, also auf die Handlungsfähigkeit des Individuums in Bezug auf spezifische Berufsbilder. Es zeichnet sich ab, dass die Kompetenzmatrix des DQR zu einer vereinheitlichten Darstellung der beruflichen Handlungskompetenz führen wird.
Für die berufsbildenden Schulen können sich aus der konzeptionellen Einbeziehung des informellen und non-formalen Lernens erweiterte Tätigkeitsfelder ergeben:
Sobald die bereits entwickelten und beruflich relevanten „learning outcomes“ eines Lernenden identifiziert sind, kann ein redundantes Lernen vermieden werden. Die Schwierigkeit wird dann darin bestehen, passgenaue ergänzende bzw. additive Lernangebote vorzuhalten.
Besonders geeignete Zielgruppen für Validierungsverfahren sind Jugendliche ohne Berufsausbildung wie beispielsweise Studienabbrecher oder Migranten, die kein gültiges berufliches Zertifikat haben, aber über berufliche Erfahrungen verfügen. Eine zweite Gruppe bilden Facharbeiter, die sich für eine mittlere Qualifikationsebene, wie zum Beispiel für die Tätigkeit eines Technikers, weiterbilden möchten. Vorstellbar sind arbeitsprozessintegrierte Qualifizierungskonzepte, die das informelle Lernen mit einer gezielten Kompetenzentwicklung am betrieblichen Arbeitsplatz verbinden. Im Rahmen des IT-Weiterbildungssystems gelingt dieser Ansatz.
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