bwp@ Profil 9 - August 2024

Vernetzt mit Franz

Profil 9: Digitale Festschrift für Franz Gramlinger

Hrsg.: Karin Büchter, H.-Hugo Kremer, Nicole Naeve-Stoß, Karl Wilbers & Lars Windelband

fg: Gastgeber, Netzwerker, Expertise-Scout und Teamplayer

1 Über die Bande

Trotz ihrer qualitativen und quantitativen Bedeutung erweist sich die österreichische Berufsbildungslandschaft und deren Akteure – neutral formuliert – als recht überschaubar. Dies liegt unter anderem daran, dass Österreich ein kleines Land ist und die Steuerung beruflicher Bildung vielfach zentralisiert ist oder zumindest so gelebt wird. So kann es durchaus vorkommen, dass man bei einem Wechsel von einer Fachveranstaltung zur nächsten auf eine ähnliche oder nur leicht variierte Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer trifft, obwohl das Thema oder die einladende Institution eine völlig andere ist. Es fällt sodann rasch auf, wenn jemand fehlt oder eben auch wenn jemand neu dazustößt.

Gelegenheiten wie die Forschungen von Franz Gramlinger zur beruflichen Didaktik und Unterrichtsplanung, Betriebspädagogik sowie dem Lehren und Lernen in komplexen Lehr-/Lernarrangements oder auch seine Einbindung in das Committee von COST A11 (bei dem das öibf auch einen Beobachterstatus hatte) muss ich gestehen, sind in meiner damals noch neuen Rolle als öibf-Leiter noch mit wenig Resonanz vorübergezogen.

Aus meiner persönlichen Perspektive hat Franz Gramlinger über die europäische Ebene den Weg in den inner circle der österreichischen Akteurskonstellation gefunden. Dieser – für einen Schwimmer ja eher unerwartete – gleichsam über die Bande gespielte Zug, erfolgte 2004. Die davor liegenden Stationen Linz und Hamburg kenne ich persönlich nur aus Erzählungen, das Intermezzo Thessaloniki, als Seconded National Expert beim Europäischen Zentrum zur Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) sowie das Ankommen auf dem Wiener Parkett jedoch bereits aus eigener Anschauung.

2 Gastgeber

Mein erstes prägendes Zusammensein war ein sehr freundlicher, familiärer Empfang auf einem Balkon in Thessaloniki. Anlass war ein Governing Board-Meeting des CEDEFOP, bei dem ich wiederkehrend als einer der drei österreichischen Delegierten teilnahm. Ich muss gestehen, dass ich nicht mehr weiß, welche berufsbildungspolitischen oder institutionellen Themen des Zentrums an dem Abend diskutiert wurden. Aber das gemeinsame Abendessen mit Kind und Kegel ist bis heute in freundlicher Erinnerung geblieben und wird sogar in aktuellen Begegnungen der Familien Gramlinger und Schlögl noch heraufbeschworen. Das Töchterchen hat nämlich rasch nahezu alle Kapern ergattert und auf den Tellern der Gäste vielfach nur Stengel zurückgelassen. Das war mit Sicherheit nicht das einzige, worüber an diesem Abend gelacht wurde, aber es war definitiv prägend.

Die Rolle des gekonnten und herzlichen Gastgebers war und ist aber keine Eintagsfliege gewesen. Denn in vielen weiteren Zusammenhängen wurde deutlich, dass für Franz auch in professionellen Zusammenhängen das Ausrichten von Veranstaltungen mit viel Aufmerksamkeit, Voraussicht und Herzlichkeit Gebot der Stunde war und ist. Es geht nicht nur um die Auswahl des passenden Weines – auch, aber nicht nur. Es geht nicht nur um ein einladendes und kommunikationsförderndes Ambiente. Auch nicht nur um gutes Essen, aber auch.

Denn Küche, Service, technische und persönliche Dienstleistungen sowie kreative Beiträge werden dabei vielfach von in Ausbildung befindlichen jungen Menschen geleistet, die in der Ernsthaftigkeit des nicht „Als-ob“-Lernens, sondern in realen Anforderungssituationen von zum Teil recht großen Netzwerkveranstaltungen und Kongressen oder internationalen und nationalen Expertenrunden ihr Können und Wissen demonstrieren dürfen. Ganz kann er seine wirtschaftspädagogische und didaktische Prägungen also doch nicht abschütteln. Diese wertschätzende Einbindung von Lernenden und deren Lehrkräften ist ein wichtiger Bestandteil seines Wirkens als Veranstalter und Gastgeber. Dass bei aller Ernsthaftigkeit dann auch die ad-hoc-Evaluierung oder Nachbearbeitung dieser Events nicht ohne das schallende Lachen auskommen, ist ein weiteres Kennzeichen von Franz. Und dass sich die Events selten sang- und klanglos auflösen, wird alle, die Franz kennen, nicht gänzlich überraschen. Doch all dieses qualitätsorientierte Raumgeben zielt insgesamt auf hohe Produktivität ab. Dies zeigt sich in einer sehr genau durchdachten Balance von hochwertigen Inputs und ausreichend Zeit für Begegnung und Gespräch.

3 Transdisziplinärer Netzwerker

Eine aktive berufliche Vita, und anders kann man den Berufsweg von Franz wohl kaum beschreiben, stellt sich oft als zunehmende Spezialisierung oder Vertiefung dar oder als generalistische Bewältigung wechselnder Aufgaben oder als mehrfache Neuorientierung und Neubeginn. Dass dies alles manchmal rein analytische Kategorien für ein ganzheitliches Berufsleben sein können, zeigt sich bei ihm in ganz besonderer Weise.

Denn er hat ausgehend von seinen universitären Aufgaben und mit viel Verständnis und kontinuierlicher Vertiefung wirklich tolle Beiträge geleistet. Aber er hat sich letztlich entschieden, eine wichtige Rolle in Leitthemen der beruflichen Bildung einzunehmen. Dabei geht es um Qualität, und zwar in all ihren Facetten. Um fachliche Vertiefung, Bildungspraxis und Steuerung wurden damit sein übergreifendes Thema. Und wenig überraschend können neue und bessere Lösungen nur in Zusammenarbeit und gemeinsam gefunden werden.

Er ist ein wunderbarer Netzwerker, der sein Arbeitsfeld und seine eigene Arbeitsweise durch die spezielle Nutzung der vertieften Expertise von Fachleuten und Forschern weiter professionalisiert und entwickelt. Er gibt Impulse für systemische Entwicklungen und versteht es, tiefgehendes Fachwissen gezielt einzubinden, um die Qualität und Effektivität seiner Arbeit oder seiner Projekte zu verbessern. Dabei zeigt er ausgeprägte Fähigkeiten im Aufbau und der Pflege von professionellen Beziehungen mit menschlichem Gesicht. Er hat ein sehr gutes Gespür dafür, welche Expertinnen und Experten für spezifische Herausforderungen gut wären, wer aber auch für die jeweilige Zielgruppe „liefern“ kann. Deshalb knüpft er gezielt Kontakte zu diesen Personen und baut damit sein über Jahrzehnte aufgebautes Netzwerk auf. Man könnte ihn als einen Expertise- und Talente-Scout verstehen, der sein Netzwerk bespielt, wie andere ein Musikinstrument, um unterschiedliche Melodien hervorzuzaubern.

Auf diesem Weg bleibt er in der Zusammenarbeit mit Forschenden, aber auch anderen Professionellen (aus Verwaltung, Praxis, Technik u. a.) stets am Puls neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, technologischer Entwicklungen, aber auch innovativer und guter Praxis. Er agiert interdisziplinär und auch transdisziplinär, indem er die Lücken zwischen verschiedenen Fachgebieten überbrückt und Fachwissen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenführt, um komplexe Fragestellungen zu bearbeiten. Sein informierter Einblick in das österreichische System (oder besser gesagt die vielfältigen Subsysteme) bzw. die Strapazierung der Kenntnisse eines von Fachleuten aus seiner umsichtig gepflegten nationalen und internationalen Aura ist hier von hohem Wert, was aber nicht verdecken soll, dass sein Blick strategisch auch immer über den Tellerrand blickt und der Blick in andere, vielfach Europäische und leistungsstarke Arrangements, wertvolle Impulse beisteuert.

Seine kommunikativen Kompetenzen sind dafür essentiell, aber auch strategische Planung spielt eine große Rolle in seiner Arbeit. Er setzt klare Ziele und nutzt Ressourcen effizient, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Durch diese Fähigkeiten und Eigenschaften gelingt es dem Netzwerker nicht nur, sein Arbeitsfeld zu professionalisieren, systematisch weiterzuentwickeln und stets auf dem aktuellen Stand zu bleiben.

4 Teamplayer

Er ist aber keinesfalls ein Einzelkämpfer, sondern er würdigt sein (Kern)Team ausdrücklich und authentisch, weil er weiß, dass Arbeit immer eine Gemeinschaftsaufgabe ist, will sie nachhaltig funktionieren und wirken. Bei jedem Event, das er (mit)verantwortet, bei jedem Arbeitsprozess den er steuert, gewinnt man als Akteur (mit kleineren oder größeren Aufgaben) rasch den Eindruck, Teil eines Teams zu sein, das für den Veranstalter, die Thematik und letztlich für alle Teilnehmenden da ist. Er selbst legt seine eigene Rolle im konkreten Geschehen dann aber oftmals eher hintergründig an. Aber er ist stets präsent und evaluiert ständig: Läuft es gut? Was können wir verbessern? Was können wir beim nächsten Mal optimieren? Kein Wunder, dass die Qualität, die Qualitätshebung und -entwicklung ein ständiges Handlungsfeld für ihn geworden ist.

5 Not just nice, but good to have

Ist seine Expertise nun Generalist zu sein. Das wäre nicht ganz treffend. Er ist vielmehr ein Gastgeber, Netzwerker, Expertise-Scout und Teamplayer, der sich der Sache verpflichtet fühlt, die verhandelt und bearbeitet wird. Und was ist diese Sache nun genau? Was ist es, was er genuin macht?: professionelle und hochwertige Bildungsarbeit. Und zwar vielfach – und dies sei einem Berufsbildungsforscher gestattet – professionell gestaltete berufliche Bildung in ihrer Vielfalt und Bandbreite. Außerdem identifiziert er Potenziale und entwickelt weiter. Es bräuchte mehr Menschen wie ihn, aber zumindest gut, dass ‚wir‘ ihn haben.

Zitieren des Beitrags

Schlögl, P. (2024). fg: Gastgeber, Netzwerker, Expertise-Scout und Teamplayer. In K. Büchter, H.-H. Kremer, N. Naeve-Stoß, K. Wilbers & L. Windelband (Hrsg.), bwp@ Berufs- und Wirt­schaftspädagogik – online. Profil 9 (S. 1–4). https://www.bwpat.de/profil9_gramlinger/schloegl_profil9.pdf (04.08.2024)